TE OGH 1991/1/29 8Ob601/89

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Veröffentlicht am 29.01.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lieselotte N***** vertreten durch Dr. Elisabeth Constanze Schaller, Rechtsanwalt in 2514 Traiskirchen, wider die beklagte Partei Paul N*****, vertreten durch Dr. Romeo Nowak, Rechtsanwalt in 1080 Wien, wegen Unterhalt infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 17.November 1988, GZ 47 R 2062/88-118, idF des Berichtigungsbeschlusses vom 20.April 1989, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 28.April 1988, GZ 2 C 1/87-99, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit S 3.706,20 (darin enthalten S 617,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile waren von 1971 bis 1986 verheiratet. Die Ehe wurde mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 3.12.1986 aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten geschieden. Ihr gemeinsames Kind Daniela (geb. am 14.9.1968) ist seit Anfang Oktober 1986 selbsterhaltungsfähig.

Im Zeitpunkt ihrer Verehelichung waren sowohl der Beklagte als auch die Klägerin berufstätig. Der Beklagte ging 1981 in Pension; die am 27.5.1939 geborene Klägerin verlor nach einer Verletzung im Jahr 1977 ihre Beschäftigung als Fischverkäuferin, war dann drei Jahre im Krankenstand und arbeitete ab 1980 bis mindestens 1982 oder Anfang 1983 "schwarz" als Bedienerin und Telefonistin. Diese Arbeit nahm zumindest 10 bis 15 Wochenstunden in Anspruch und verschaffte ihr ein Einkommen von S 50,-- pro Stunde. Seither geht die Klägerin keiner Beschäftigung nach. Mehrere Anträge auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension wurden abgewiesen.

Mit der am 1.4.1982 eingebrachten Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten Unterhalt, und zwar zuletzt 29 % seines monatlichen Nettoeinkommens vom Tage der Klagseinbringung bis Ende September 1986, vom 21.4.1982 bis 12.1.1983, allerdings nicht mehr als S 2.500,-- monatlich, und ab 1.10.1986 33 % seines monatlichen Nettoeinkommens, jeweils unter Anrechnung der bisher (auf Grund einer einstweiligen Verfügung) geleisteten Zahlungen. Sie begründete ihr Begehren damit, wegen schwerer Depressionen seit Jahren arbeitsunfähig zu sein und nur kurzfristig, weil ihr der Beklagte keinen Unterhalt leistete, Aushilfsarbeiten angenommen zu haben. Dazu bestehe ein Augenleiden (Netzhautschrumpfung, Netzhautriß und Netzhautablösung), außerdem habe sie eine Unterleibsoperation hinter sich und sei überhaupt seit 1981 immer wieder wegen ihres Augenleidens und Krebs im Spital gewesen. Im September oder Oktober 1986 habe sie sich beim Arbeitsamt für Angestellte in 1030 Wien, Esteplatz, als arbeitssuchend gemeldet, doch habe man ihr auf Grund der vorliegenden Augenbefunde erklärt, daß eine Vermittlung nicht möglich sei. Schließlich sei im Zusammenhang mit dem Eheleben und ihrem Aufenthalt im Frauenhaus eine Abhängigkeit von Medikamenten (Tranquilizern) entstanden, die Angstzustände im Sinne von Neurosen erzeuge und sich seit März 1986 wesentlich verschlimmert habe. Seit 1977 sei sie mit Zustimmung des Beklagten zu Hause geblieben, habe also eine Hausfrauenehe geführt. Jetzt, wo sie alt und krank sei, könne man ihr - unabhängig von der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit - die Aufnahme einer Berufstätigkeit nicht zumuten. Selbst dann, wenn konkrete Stellen vorhanden wären, würde sie diese nicht bekommen, weil ihr jüngere und gesündere Arbeitskräfte vorgezogen würden.

Der Beklagte bestritt Grund und Höhe des Klagebegehrens und beantragte dessen Abweisung. Für das Revisionsverfahren ist sein Einwand hervorzuheben, daß die Klägerin die ganze Zeit seit 1977 immer arbeitsfähig gewesen sei und ein ausreichendes Einkommen hätte erzielen können. Jahrelang habe sie unagemeldete Bedienungen übernommen und könnte durch die Beibehaltung dieser Arbeit so viel verdienen, daß von Unterhaltsleistungen Abstand zu nehmen wäre.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt. Es erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlungen vom 1.4.1982 bis Ende September 1986 einen Unterhaltsbeitrag von 4 % seines monatlichen Nettoeinkommens zu zahlen, ab Oktober 1986 10 %, und wies das Mehrbegehren ab. Dazu traf es noch folgende (zum Teil verkürzt wiedergegebene) Feststellungen:

Nach der Pensionierung des Beklagten kam es etwa zwei- bis dreimal wöchentlich zu Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen. Sie wurden vom Beklagten herbeigeführt, da er übermäßig dem Alkohol zuspricht. So verließ er in der Früh die Wohnung, kam mittags betrunken nach Hause und machte der Klägerin Vorhalte wegen des zubereiteten Essens. Er äußerte beispielsweise, daß er "ihren Fraß" nicht esse, und warf den Kochtopf um oder gegen die Wand. Weitere Gründe für Auseinandersetzungen waren der schlechte Schulerfolg der Tochter Daniela oder etwa eine zu hohe Telefonrechnung von S 700,--. Im Zuge solcher Auseinandersetzungen beschimpfte der Beklagte die Klägerin als "Kreatur, Scheißhund, Krampen". Er machte ihr auch ungerechtfertigt Vorwürfe, daß sie ehewidrige Beziehungen unterhalte. Nachmittags ging er wieder weg, kam dann am Abend nach Hause und beschimpfte die Klägerin wiederum grundlos, wobei er etwa - wenn Licht in ihrem Zimmer brannte - sagte, "der Scheißhund ist noch auf".

Am 29.11.1981 machte die Klägerin dem Beklagten Vorhalte wegen seines Alkoholkonsums, worauf er sie würgte. Die Klägerin verspürte am nächsten Tag Schmerzen in den Augen und ging zum Augenarzt, der einen Netzhautriß feststellte. Ob dieser durch die Auseinandersetzung mit dem Beklagten hervorgerufen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Solche Vorfälle, bei denen der Beklagte die Klägerin würgte, wiederholten sich. Im Jahr 1982 versuchte er einmal im alkoholisierten Zustand, ein anderes Mal nüchtern, Geschlechtsverkehr mit der Klägerin zu erzwingen, was diese wegen eines bestehenden Frauenleidens ablehnte. Daraufhin beschimpfte der Beklagte die Klägerin und äußerte, daß er "etwas Jüngeres" habe. Im Oktober 1982 verbrachte er mehrere Gegenstände, die im Eigentum der Streitteile stehen, aus der ehelichen Wohnung.

Am 11.3.1982 äußerte der Beklagte am Telefon zu einer Bekannten der Klägerin, daß diese gerade von ihrem Hausfreund nach Hause gekommen sei. Als ihm die Klägerin deshalb Vorhalte machte, schlug er mit den Fäusten derart auf sie ein, daß sie eine Schädelprellung erlitt. Sie zog daraufhin bis 6.7.1982 zu einer Bekannten. Der Beklagte wurde wegen dieses Vorfalls vom Strafbezirksgericht Wien der Mißhandlung und fahrlässigen Körperverletzung schuldig erkannt.

In der Folge versuchte die Klägerin, mit dem Beklagten wieder eine Wohngemeinschaft aufzunehmen, und lebte ab diesem Zeitpunkt in einem Kabinett der ehelichen Wohnung mit ihrer Tochter. Am 31.8.1982 kam der Beklagte, als die Klägerin bereits schlief, nach Hause, wobei ihm die Klägerin die Tür öffnen mußte, weil er seine Schlüssel vergessen hatte. Der Beklagte machte ihr Vorhalte, wer die Kosten des zwischenzeitig anhängigen Strafverfahrens zahlen solle, und schlug auf sie ein, wobei er sie auch würgte.

Am 21.11.1982 kam der Beklagte ebenfalls spät nach Hause, randalierte in der Wohnung und zertrümmerte ein Schuhkästchen. Als die Klägerin zu einem ihr übergebenen Geldbetrag von S 3.000,-- bemerkte, daß sie hievon keine Weihnachtsgeschenke kaufen könne, und der Beklagte erwiderte, daß sie "krepieren könne", zog die Klägerin am 24.12.1982 zu einer Freundin und schließlich am 10.1.1983 mit ihrer Tochter ins Frauenhaus. Sie hatte vor dem Beklagten Angst; weder ihr noch ihrer Tochter war es möglich, vor zwei oder drei Uhr früh Ruhe zu finden, da der Beklagte mehrfach, wenn er in der Nacht nach Hause kam, gegen die Tür des Kabinetts klopfte, das von der Klägerin und ihrer Tochter benützt wurde.

Am 16.11.1983 wollte die Klägerin die Wintersachen aus der ehelichen Wohnung holen. Da das Schloß zwischenzeitig geändert worden war, konnte sie die Wohnung nicht betreten. Als sie dann am vereinbarten neuen Termin, dem 6.12.1983, unter anderem den Christbaumständer suchte, meinte der Beklagte, "was brauchts den, wer sagt, daß Du Weihnachten noch erlebst".

Bis zu ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung wurde der Haushalt von der Klägerin geführt, die Wäsche von ihr versorgt, die Wohnung aufgeräumt und in Ordnung gehalten.

Sowohl während ihres dreijährigen Krankenstands ab 1977 als auch während ihrer "Schwarzarbeit" als Bedienerin und Telefonistin in den Jahren 1980 bis 1982 bzw. Anfang 1983 bedrängte der Beklagte die Klägerin immer wieder, eine Berufstätigkeit aufzunehmen bzw. wieder offiziell berufstätig zu sein. Er tat dies wegen des drohenden Verlustes von Pensionszeiten, aber auch wegen seiner schlechten Erfahrungen in seiner ersten Ehe. Die erste Gattin des Beklagten war nämlich nicht berufstätig und hatte - wie der Beklagte meint - dadurch Zeit, auf "dumme Gedanken" zu kommen (sie nahm ehewidrige Beziehungen auf). Durch eine Berufstätigkeit der Klägerin wollte er unter anderem verhindern, daß er auch mit ihr ein ähnliches Schicksal erleidet. Ehewidrige Beziehungen der Klägerin konnten jedoch nicht festgestellt werden.

Die Klägerin dachte nach Beendigung ihrer Berufstätigkeit als Fischverkäuferin nicht daran, offiziell (wieder) arbeiten zu gehen. Sie stellte bereits am 17.7.1979 einen Antrag auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension. Die Klage wurde mit Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien vom 16.11.1981 abgewiesen; am 22.12.1982 stellte dann die Klägerin einen weiteren Pensionsantrag, der mit Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien vom 19.3.1984 abermals abgewiesen wurde. Auch ihrem letzten Pensionsantrag vom 6.8.1984 war kein Erfolg beschieden (Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien vom 11.3.1986).

Sämtliche Beschwerden der Klägerin, ihr Augenleiden, ihre Unterleibsoperation, Migräne, Depressionen und Schwindelgefühle, waren von 1979 bis 1986 Gegenstand mannigfachster Untersuchungen durch Ärzte aus den verschiedensten Fachgebieten. Einmal befand sich die Klägerin auch stationär zur Begutachtung im Krankenhaus Rosenhügel. Sie wurde durchwegs für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Arbeiten durchzuführen.

Auch nach dem in diesem Verfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. D***** ist die Klägerin nach wie vor geeignet, alle leichten Arbeiten unter Ausschluß von ständigem besonderen Zeitdruck und Fabriksmilieu durchzuführen.

Unter Berücksichtigung des besonderen Gesundheitszustandes der Klägerin teilte das Arbeitsamt für Angestellte im Mai 1987 mit, daß zehn Stellen im Lebensmittelbereich und zwei Stellen als Trafikverkäuferin gemeldet sind. Diese Stellensuche seitens des Arbeitsamtes wurde so durchgeführt, daß nur Stellen genannt wurden, die dem Alter und der Praxis der Klägerin entsprechen.

Die Klägerin war und ist nicht berufsunfähig. Sie hätte nach ihrem Unfall im Jahr 1977 durchaus wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und bis heute berufstätig sein können. Auch heute - nach langjähriger Berufsabstinenz und unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes - könnte sie nach Überzeugung des Erstgerichts (US 15) eine Anstellung erhalten. Es liegen bei ihr bloß geringe wurzelneuralgische Beschwerden, gelegentlich Migräne und eine endoreaktive Depression mit phobischen Zügen im Rahmen einer Konversionsneurose vor, was zwar eine Einschränkung des Leistungskalküls auf leichte Arbeiten zur Folge hat, aber keine Berufsunfähigkeit bewirkt. Sie wäre trotz ihrer langen Berufsabstinenz und der gegebenen Einschränkungen in der Lage, einen Beruf auszuüben, dh. neu eine Anstellung zu erlangen. Auf Grund ihrer Vordienstzeiten und ihrer bisherigen Berufspraxis könnte sie als Handelsangestellte ein monatliches Gehalt von S 6.746,-- netto erzielen, als Trafikverkäuferin monatlich netto S 6.690,-- 14 x jährlich. Unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen könnte die Klägerin im Monatsdurchschnitt S 7.800,-- netto verdienen.

Die Klägerin hat allerdings nie wirklich versucht, einen Posten zu erlangen. Sie war zwar vom 20.8.1986 bis 30.9.1986 beim Arbeitsamt für Angestellte als arbeitslos gemeldet, hat sich dabei jedoch als arbeitsunfähig erklärt und auf einen bevorstehenden Spitalsaufenthalt hingewiesen, was von vornherein eine Vermittlung ausschließt.

In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, daß der Unterhaltsanspruch der Klägerin für die Zeit vor der Scheidung nach § 94 ABGB, dann nach § 66 EheG zu beurteilen sei, diese Unterscheidung aber keinen Einfluß auf die Höhe ihres Unterhaltsanspruchs habe.

Der beanspruchte Ehegattenunterhalt bestehe zwar dem Grunde nach zu Recht, doch sei zu berücksichtigen, daß es der Gesetzgeber den Ehegatten anheimgestellt habe (Ehegattenautonomie), ihr Eheleben so einzurichten, daß beide Teile berufstätig sein sollen oder nur einer und der andere den Haushalt führt. Im gegenständlichen Fall seien ursprünglich beide Ehegatten berufstätig gewesen, die Klägerin bis 1977. Von diesem jahrelang praktizierten Konsens sei dann die Klägerin, obwohl der Beklagte auf Wiederaufnahme der Berufstätigkeit bestanden und sie mehrere Jahre hindurch "schwarz" gerabeitet habe, einseitig abgegangen und habe sich geweigert, einer offiziellen Berufstätigkeit nachzugehen. Sie müsse sich daher jene Beträge in ihren Unterhaltsanspruch einrechnen lassen, die sie (nach 1977) hätte erzielen können.

Für den auf § 66 EheG gestützten Unterhaltsanspruch gelte im Prinzip das gleiche. Demnach habe der allein oder überwiegend schuldige Ehegatte dem anderen, soweit dessen Einkünfte aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann, nicht ausreichen, den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren. Einem nicht berufstätigen Unterhaltsberechtigten stehe mangels weiterer Sorgepflichten nach der einen wie der anderen Rechtsgrundlage ein Unterhaltsanspruch von etwa 33 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen zu, während sich bei Berufstätigkeit beider Teile ein Unterhaltsanspruch in der Höhe der Differenz zwischen dem Einkommen des Berechtigten und 40 % beider Einkommen ergebe.

Im gegenständlichen Fall hätte die Klägerin auf Grund der Gestaltung ihrer Lebensgemeinschaft mit dem Beklagten nach 1977 weiter berufstätig sein müssen. Auf die Möglichkeit, selbst heute noch eine Anstellung zu erhalten, komme es gar nicht an. Wäre nämlich die Klägerin, wozu sie fähig und verpflichtet gewesen wäre, auch nach 1977 weiter berufstätig gewesen, stünde sie heute gar nicht vor dem Problem, neu einen Posten zu bekommen. Das Einkommen, das sie erzielen könnte (und seit 1977 hätte erzielen können), aber nicht zu erzielen gewillt sei, sei ihr im Rahmen der Unterhaltsbemessung anzurechnen. Die weiteren Rechtsausführungen des Erstgerichts beschäftigen sich mit der konkreten Unterhaltsbemessung.

Die dagegen erhobene Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht verneinte den in der unterlassenen Einvernahme des Zeugen Dr. W***** (es ist dies der behandelnde Arzt der Klägerin) erblickten Verfahrensmangel, übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich und schloß sich auch seinen Rechtsausführungen an. Auszugehen sei davon, daß die Klägerin bei ihrer Verehelichung mit dem Beklagten im Jahr 1971 berufstätig war und dies dann noch sechs Jahre lang geblieben sei, obwohl sie das eheliche Kind betreute und übewiegend den Haushalt führte. Nach Ausheilung ihrer im Jahr 1977 erlittenen Verletzung habe sie sich trotz nachhaltigen Drängens des Beklagten geweigert, wieder berufstätig zu werden, ohne daß hiefür wirklich ein gerechtfertigter Grund vorgelegen wäre. Zu diesem Zeitpunkt wäre ihr zuzumuten gewesen, die vor 1977 ausgeübte Berufstätigkeit als Verkäuferin wieder aufzunehmen. Sie habe es jedoch vorgezogen, mehrere Jahre hindurch "schwarz" zu arbeiten. Daß sie im damaligen Alter von knapp über 40 Jahren - entsprechendes Bemühen und Wollen vorausgesetzt - in der Lage gewesen wäre, den von ihr jahrelang ausgeübten Beruf als Verkäuferin weiterhin oder wiederum auszuüben, könne wohl nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden. Der von der Klägerin eingenommene Rechtsstandpunkt würde im Ergebnis dazu führen, daß es im Belieben jedes Ehegatten stünde, ohne Rücksicht auf die mit dem Ehepartner getroffene Vereinbarung und objektivierbare Gründe, lediglich aus subjektivem Unbehagen die bisher ausgeübte Berufstätigkeit aufzugeben, ohne daß dies irgendwelche rechtlichen Konsequenzen hätte. Daß die Berufsunfähigkeit im Sinne des ASVG nicht mit der Zumutbarkeit einer Arbeitsaufnahme nach unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten gleichgesetzt werden könne, ändere im vorliegenden Fall nichts am Ergebnis. Es hätten sich nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Klägerin trotz ihrer psychischen und physischen Störungen nicht in der Lage gewesen wäre, eine ihrer in den Jahren 1971 bis 1977 ausgeübten Berufstätigkeit entsprechende Arbeit (selbst heute noch) aufzunehmen. Von dem früher getroffenen und während der Ehe sechs Jahre lang praktizierten Konsens sei sie einseitig abgegangen, weshalb sie sich auf ihren Unterhaltsanspruch als Ehegattin anrechnen lassen müsse, was sie nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der angemessenen Bedürfnisse in der Ehe beizutragen gehabt hätte. Für den auf § 66 EheG gestützten Unterhaltsanspruch nach der Scheidung gelte folgerichtig nichts anderes, da die Einkünfte aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit anzurechnen seien. Ob die Klägerin die Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit nur deshalb verweigerte, um damit den Beklagten zu schädigen, sei belanglos, weil es auf eine solche Absicht bzw. Schikane nicht ankomme. Ausschlaggebend sei allein, daß die Klägerin ohne gerechtfertigte Gründe von der einvernehmlich auf beiderseitige Berufstätigkeit ausgerichteten Gestaltung der Ehe abgegangen sei und ihr die Ausübung einer Berufstätigkeit zugemutet werden könne.

Das Urteil des Berufungsgerichtes enthielt zunächst weder einen Bewertungsausspruch noch einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision; über Aufforderung des Obersten Gerichtshofes wurde dann nachgetragen, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den in Bestätigung des Ersturteils entschieden wurde, S 60.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision an den Obersten Gerichtshof zulässig ist.

Gegen das Berufungsurteil hat die Klägerin fristgerecht eine außerordentliche Revision erhoben, die nunmehr als zulässig zu behandeln ist. Der Revisionsantrag geht dahin, das Berufungsurteil im Sinne einer Stattgebung der Berufung und damit des Klagebegehrens abzuändern oder aber aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Unterinstanzen zurückzuverweisen. Vom Beklagten liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Bestätigung des Berufungsurteiles vor.

Rechtliche Beurteilung

Vor dem Eingehen auf die Revision ist daran zu erinnern, daß die angefochtene Entscheidung nicht nach dem 31.12.1989 gefällt wurde. Gemäß Art. XLI Z 5 WGN 1989 richtet sich daher die Zulässigkeit der Revision nach § 502 ZPO idF der ZVN 1983. Sie ist unstatthaft, soweit über die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts entschieden wurde (§ 502 Abs.2 Z 1 a.F. ZPO); im übrigen ist wegen der Bewertung des Streitgegenstandes durch das Berufungsgericht § 502 Abs.4 Z 1 a.F. ZPO zu beachten, wonach der Oberste Gerichtshof nur zur Lösung einer streitentscheidenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts angerufen werden kann, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.

Die Frage, ob und inwieweit die Ehegattin verpflichtet ist, durch Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit den Unterhalt selbst zu verdienen, wurde - von Fällen eines behaupteten Rechtsmißbrauchs abgesehen - in ständiger Judikatur dem Problem der Unterhaltsbemessung zugerechnet (Judikat 60 neu Punkt II Z 2 = SZ 27/177; RZ 1977, 213; EFSlg.34.468; 7 Ob 592/81, 6 Ob 506/82 ua). Gleiches gilt hinsichtlich einer geschiedenen Frau für die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit iS des § 66 EheG (EFSlg.12.306, 25.352, 44.085, 57.807, 57.810 ua). Mit derartigen Bemessungsfragen konnte sich der Oberste Gerichtshof auch im Rahmen einer sonst zulässigen Revision nicht befassen (EvBl.1964/425; EFSlg.44.075, 49.368 ua). Selbst die Rüge von Verfahrensmängeln war in diesem Bereich nicht möglich (EFSlg.49.369, 49.867). Einzugehen ist daher auf die vorliegende Revision nur insoweit, als sie sich mit dem Grund des eingeklagten Unterhaltsanspruchs auseinandersetzt.

Zum Grund des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gehört nach Punkt IV des Judikats 60 neu, ob und inwieweit eine vertragliche Regelung auf dessen Bemessung einwirkt. In diesem Sinn wurde in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 9.2.1989, 8 Ob 1505/89, vorbehaltlich sonstiger Rechtsmittelbeschränkungen die Zulässigkeit der Revision jedenfalls in bezug auf den während aufrechter Ehe geforderten Unterhalt bejaht, weil die Bemessung dieses Unterhaltsanspruchs davon abhängt, ob die am Beginn der Ehe im Rahmen der sogenannten "Ehegattenautonomie" zwischen den Streitteilen vereinbarte beiderseitige Berfustätigkeit einen unabänderlichen "Rechtsanspruch (des Mannes) auf Doppelbelastung der Frau" (durch Kindererziehung und Haushaltsführung) nach sich zieht. Darin hat das Berufungsgericht sogar eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs.4 Z 1 a.F. ZPO erblickt, weshalb die Revision zugelassen wurde.

Tatsächlich liegen zu den Bindungswirkungen einer einvernehmlichen Gestaltung einer ehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere zu den unterhaltsrechtlichen Folgen eines einseitigen Abgehens von der einmal vereinbarten Rollenverteilung noch kaum Aussagen des Obersten Gerichtshofes vor. Die Revision ist daher zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor, was gemäß § 510 Abs.3 a.F. ZPO nicht zu begründen ist.

In rechtlicher Hinsicht meint die Klägerin, daß eine im Rahmen der "Ehegattenautonomie" längere Zeit hindurch gehandhabte Doppelbelastung eines Ehegatten nicht dazu führen könne, dem anderen Partner gleichsam einen Rechtsanspruch auf Beibehaltung dieses Zustandes zu geben. Es sei allgemein anerkannt, daß die Führung des Haushalts und die Betreuung der Kinder ein ausreichender Beitrag zur Deckung des gemeinsamen Lebensunterhalts sei. Im konkreten Fall habe sie durch die Haushaltsführung und die Betreuung der gemeinsamen Tochter ihrer Beitragspflicht voll entsprochen. Es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, sich einmal zur Übernahme einer Doppelbelastung durch Beruf und Haushalt bereit gefunden zu haben. Selbst wenn diese Doppelbelastung kein "objektivierbarer Grund" für die Aufgabe der ganztägigen Berufstätigkeit sein sollte, sei diese durch die Zunahme der ehelichen Schwierigkeiten, die dadurch bedingte Überanstrengung, die durch die Lebensumstände erklärbare depressive Verstimmung, ihre ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit, ja sogar Hilfsbedürftigkeit und schließlich noch dadurch gerechtfertigt, daß sie die durch ihre Arbeit erwirtschafteten Beträge abliefern mußte, ohne Einfluß auf deren Verwendung nehmen zu dürfen. Schließlich hält es die Klägerin für unangebracht, einem an sich unterhaltsberechtigten Ehegatten entgegenzuhalten, er habe sich die mangelnden Chancen auf dem Arbeitsmarkt infolge Aufgabe seiner Berufstätigkeit selbst zuzuschreiben. § 66 EheG verlange nicht, daß die Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit unverschuldet sein müsse.

Diese Ausführungen sind unbeachtlich, soweit sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen. Die jetzt (teilweise sogar unter Verletzung des Neuerungsverbotes) behaupteten Auswirkungen der ehelichen Schwierigkeiten und bedrückenden Lebensumstände auf den Gesundheitszustand der Klägerin wurden nicht oder weit weniger akzentuiert festgestellt, als die Klägerin glauben machen möchte. Der zu beurteilende Sachverhalt läßt weder auf eine zur Berufsaufgabe zwingende körperliche oder seelische Überanstrengung der Klägerin schließen, noch gibt er Anhaltspunkte für deren Erwerbsunfähigkeit oder gar Hilflosigkeit nach 1977. Daß der Klägerin die Berufstätigkeit verleidet worden sein sollte, weil sie die erwirtschafteten Beträge abliefern mußte, ist überhaupt neu. Schließlich trifft es nicht zu, daß die Vorinstanzen von mangelnden Chancen der Klägerin auf dem Arbeitsmarkt ausgegangen wären. Sie waren im Gegenteil der Überzeugung, daß die Klägerin selbst heute noch eine Anstellung in ihrem früher ausgeübten Beruf als Verkäuferin finden könnte (S 10 und 15 des Ersturteils). Die faktischen und rechtlichen Schlußfolgerungen, die aus den Feststellungen über Arbeitsfähigkeit und Berufschancen der Klägerin zu ziehen wären, könnten im übrigen gar nicht zum Gegenstand einer Anfechtung beim Obersten Gerichtshof gemacht werden, weil sie - wie oben ausgeführt - dem Bereich der nicht revisiblen Unterhaltsbemessung zuzurechnen sind. Dazu gehört auch das vom Berufungsgericht bereits behandelte Problem einer Differenzierung der Arbeitsfähigkeit nach unterhalts- und sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten.

Gleichfalls unbeachtlich sind jene Revisionsausführungen, die sich mit der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit nach dem Zeitpunkt der Ehescheidung der Klägerin, also mit ihrem auf § 66 EheG gestützten Unterhaltsanspruch beschäftigen. Auch damit ist nämlich ein Problem der Unterhaltsbemessung angesprochen (siehe oben, EFSlg.12.306 ua). Außerdem ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß der geschiedenen Ehefrau die Fortsetzung einer schon während der Ehe ausgeübten oder rechtens auszuübenden Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann (vgl. JBl.1954, 540). Zu prüfen ist daher der Unterhaltsanspruch der Klägerin ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Bindung an das ursprünglich gewählte und jahrelang praktizierte Modell der Doppelverdienerehe. Insoweit ist den Revisionsausführungen folgendes entgegenzuhalten:

§ 90 ABGB verpflichtet die Ehegatten zur umfassenden Lebensgemeinschaft, insbesondere zu (immateriellem) ehelichem Beistand. Darüber hinaus normiert das Gesetz materielle Beitragspflichten im Sinne des Partnerschaftsprinzips (§ 94 Abs.1 ABGB; siehe dazu noch §§ 95 erster Halbsatz, 97 und 98 ABGB).

Welche Beiträge die Ehegatten im einzelnen zu leisten haben, bleibt ihrem Einvernehmen überlassen. Gemäß § 91 ABGB sollen sie ihre eheliche Lebensgemeinschaft einverständlich gestalten, was dahin zu verstehen ist, daß sie sich um das Einverständnis zu bemühen haben (Schwimann, Die nicht vermögensrechtlichen Ehewirkungen im neuen Recht und dessen Problematik, ÖJZ 1976, 365, 370). Dies impliziert die gesetzliche Verpflichtung zu einer solchen einvernehmlichen Gestaltung. Ihr Gegenstand kann etwa auch die Rollenverteilung bei Erwerb und Haushaltsführung sowie die Verwendung der Mittel zum gemeinschaftlichen Leben sein (Schwimann, aaO, 371; SZ 60/34).

Das Einvernehmen kann ausdrücklich oder schlüssig hergestellt werden. Eine zwischen den Ehegatten durch längere Zeit unwidersprochen befolgte Übung kann ähnlich wie nach § 863 Abs.1 ABGB die gleiche Wirkung äußern wie eine ausdrückliche Gestaltungsabsprache (Schwimann, aaO 371; Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 91; SZ 60/34).

Die Rechtsnatur einer solchen partnerschaftlichen Vereinbarung ist strittig, insbesondere die Frage, ob sie vertragsrechtliche Bindungen erzeugt (siehe dazu die Literaturhinweise in SZ 60/34). Einigkeit besteht jedoch darüber, daß kein Partner aus der einvernehmlich geschaffenen (auch nur tatsächlichen) Lage grundlos ausbrechen darf (SZ 57/133; vgl. Lange in Soergel, Komm.

z. BGB12, Band 6 RN 8 ff zu § 1356). Das ergibt sich schon aus dem partnerschaftlichen Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme und Wahrung der gemeinschaftlichen Interessen (vgl. SZ 60/34 mwN; Schwab, Familienrecht4, 55). Gemeinsam Beschlossenes bindet daher jeden einzelnen Ehegatten, solange sich nicht die Lebensumstände ändern.

Die Judikatur tendiert mit einem Teil der Lehre dazu, auf Vereinbarungen über die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Grundsätze des allgemeinen Vertragsrechts anzuwenden, wenn es um Fragen vermögensrechtlicher Beziehungen geht (SZ 60/34 unter Berufung auf Schwimann, aaO, 372, und V. Steininger, Die persönlichen Ehewirkungen im neuen österreichischen Recht, FamRZ 1979, 776). Einzelne Vereinbarungen werden sogar als verbindlich und klagbar angesehen. Bei Vereinbarungen, die auf den Unterhaltsbereich ausstrahlen, wird durchgängig anerkannt, daß sie der Umstandsklausel unterliegen und verbindlich bleiben, solange sich die Verhältnisse nicht ändern (EvBl.1982/127; SZ 60/34; Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 94; Schwimann, ABGB, Rz 10 zu § 94; vgl. auch Gamerith, Zum Unterhaltsanspruch von Ehegatten und volljährigen Kindern, ÖA 1988, 63 f; Lange, aaO, RN 9 zu § 1356 BGB, und Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts3, 225 f).

Als wichtige Gründe für ein einseitiges Abgehen von Gemeinschaftsgestaltungsvereinbarungen mit vermögensrechtlichem Einschlag (etwa auch von einer gemeinsam beschlossenen Rollenverteilung) werden in der Literatur die Geburt eines Kindes, das Wegfallen von Kinderbetreuungspflichten, entscheidende Verbesserungen oder Verschlechterungen der wirtschaftlichen Situation der Familie oder auch Krankheit, Arbeitsunfähigkeit bzw. dauerhafte Arbeitslosigkeit eines Ehegatten genannt (vgl. Lange, aaO; Gamerith aaO;

Münch.Komm.z.BGB, FamRecht, 1.Halbband2, 182). Zu denken wäre auch an den Fall, daß ein durch die Haushaltsführung nicht ausgelasteter Ehegatte eine Berufsausbildung oder Berufstätigkeit anstrebt, um der geistigen oder gesellschaftlichen Isolation zu entgehen. Stets ist jedoch zu fordern, daß die Interessen des Partners oder auch der Kinder im Auge behalten werden und die einmal gewählte Form der Lebensgemeinschaft nicht leichtfertig geändert wird. Je mehr die Interessen des Partners und der Familie beeinträchtigt werden, desto wichtiger muß der Grund für das einseitige Abgehen von der Gemeinschaftsgestaltungsvereinbarung sein.

Wendet man diese Grundsätze auf den gegenständlichen Fall an, dann bestätigt sich zunächst die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß aus der langjährigen Berufstätigkeit beider Ehegatten auf ein entsprechendes Einvernehmen über die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft geschlossen werden kann. Immerhin war die Klägerin während der ersten sechs Jahre ihrer Ehe mit dem Beklagten ganztägig als Verkäuferin berufstätig, obwohl sie nicht nur überwiegend den Haushalt führte, sondern auch ein Kleinkind betreute. Auch die wirtschaftliche Situation der Familie, die sich aus dem festgestellten Einkommen des Beklagten ablesen läßt, legt ein diesbezügliches Einvernehmen der Ehegatten nahe. Insoweit werden die Entscheidungen der Vorinstanzen auch gar nicht in Zweifel gezogen.

Zu billigen sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aber auch insofern, als sie davon ausgehen, daß die Klägerin ohne wichtigen Grund ihre Berufstätigkeit aufgegeben hat und dadurch von der einvernehmlich gewählten Form der Lebensgemeinschaft abgewichen ist. Begründet hat sie dies eigentlich nur mit gesundheitlichen Problemen, die angeblich ihre Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatten, sowie mit einem behaupteten Einverständnis des Beklagten. Die Verfahrensergebnisse haben jedoch dieses Vorbringen nicht bestätigt. Der Beklagte war immer für die Beibehaltung der Berufstätigkeit der Klägerin und begründete dies durchaus plausibel mit dem Wunsch nach Sicherung der bereits erworbenen Pensionszeiten; die Klägerin wiederum erwies sich als viel gesünder und leistungsfähiger, als sie dem Gericht glauben machen wollte. Eine wesentliche Veränderung der Lebensumstände, die die Aufgabe ihrer Berufstätigkeit erklären und rechtfertigen könnte, ist den Verfahrensergebnissen nicht zu entnehmen. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte für einen Zuwachs von Betreuungspflichten, für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Familie er für sonstige Umstände, die den beispielhaft aufgezählten wichtigen Gründen vergleichbar wären. In Erfüllung der nach wie vor bindenden Gemeinschaftsgestaltungsvereinbarung hätte sie daher nach Abklingen ihrer Verletzungsfolgen aus dem Jahr 1977 wiederum eine Erwerbstätigkeit aufnehmen müssen, was nach den Feststellungen auch durchaus möglich gewesen wäre. Das dagegen in der Revision vorgebrachte Argument, damit werde gleichsam ein Rechtsanspruch des Beklagten auf eine fortdauernde Doppelbelastung der Klägerin geschaffen, geht am Kern der Sache vorbei: Ein wichtiger Grund, etwa die Unerträglichkeit der Doppelbelastung durch Beruf und Haushalt, hätte die Klägerin natürlich berechtigt, in Abänderung der einmal getroffenen Gemeinschaftsgestaltungsvereinbarung ihre Berufstätigkeit aufzugeben, doch ist ein derartiger Grund im Verfahren nicht hervorgekommen.

Das einseitige grundlose Abgehen von der einmal vereinbarten Rollenverteilung bei der Erfüllung ehelicher Beitragspflichten verschafft keinen Unterhaltsanspruch. Dementsprechend gebührt dem Ehepartner, der eine vereinbarungsgemäß ausgeübte und auch zumutbare Erwerbstätigkeit aufgibt, kein Unterhalt (vgl. Schwimann, ABGB, Rz 10 zu § 94). Zu Recht haben daher die Vorinstanzen den Unterhaltsanspruch der Klägerin um jenes Einkommen verkürzt, das die Klägerin bei Aufrechterhaltung ihrer Berufstätigkeit nach wie vor erzielen würde. Wie dies geschehen ist, fällt in den Bereich der nicht revisiblen Unterhaltsbemessung.

Der Revision war daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Anmerkung

E25282

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00601.89.0129.000

Dokumentnummer

JJT_19910129_OGH0002_0080OB00601_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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