TE OGH 1991/2/19 11Os5/91

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Veröffentlicht am 19.02.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Februar 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Paulin als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hermann W***** und andere wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hermann W***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.September 1990, GZ 5 a Vr 11.238/89-159, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Angeklagten Hermann W***** und des Verteidigers Dr. Boyer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs. 1 StGB (Punkt B/IV/) und im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Hermann W***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe im Juli 1989 mehrmals sein minderjähriges Kind, nämlich den ***** Alexander W*****, durch die zu Punkt B./III/ geschilderten strafbaren Handlungen zur Unzucht mißbraucht, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Hermann W***** wird für die ihm nach den unberührt gebliebenen Punkten A./, B./I-III/ des Schuldspruchs zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich das Vergehen des schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB (A./), das Vergehen der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB (B./I/), das Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB (B./II/) sowie das Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 StGB (B./III/) gemäß dem § 201 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von

3 1/2 (dreieinhalb) Jahren

verurteilt.

Die Entscheidungen über die Anrechnung der Vorhaft und über die Hermann W***** treffende Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Verfahrens erster Instanz werden aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Hermann W***** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 a StPO richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hermann W***** gegen die Schuldsprüche B./I/ wegen Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, B./II/ wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB sowie (ausdrücklich) aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a (sachlich Z 10) leg. cit. gegen den Schuldspruch B./III/ wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 StGB.

Die weiteren Schuldsprüche A./ wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und B./IV/ wegen des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs. 1 StGB blieben unangefochten.

Zu den Schuldsprüchen B./I/ und B./II/:

Darnach verletzte der Angeklagte am 27.Oktober 1989 zunächst seinen (am ***** geborenen) Sohn Alexander W***** und seine Mutter Rosa W***** dadurch vorsätzlich am Körper, daß er Alexander W***** durch einen Kniestoß gegen den Kopf Beulen in der Scheitelgegend und am Hinterkopf und Rosa W***** durch einen Schlag gegen die Schulter Blutunterlaufungen im Bereich der linken Schulter und des linken Schulterblattes zufügte (B./II/), und sodann beide durch die Drohung mit dem "Umbringen" zur Unterlassung der Anzeigeerstattung wegen der genannten Verletzungen zu nötigen versuchte (B./I/).

Der Beschwerdeführer vermag in der Tatsachenrüge, die sich im Kern nur als Bekämpfung der Lösung der Beweisfragen nach Art einer gegen Urteile eines Schöffengerichtes nicht zulässigen Schuldberufung darstellt, weder schwerwiegende, die Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung ignorierende Verfahrensmängel noch aktenkundige Verfahrensergebnisse darzutun, die bei einer lebensnahen, an den allgemeinen Erfahrungen orientierten Beurteilung mit dem festgestellten Sachverhalt nicht oder nur schwer zu vereinbaren und solcherart erhebliche Bedenken im Sinn einer Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 5 a StPO hervorzurufen geeignet wären. Mit der in der Beschwerde relevierten Berichtigung der (von den Anzeigern (Sohn und Mutter) ursprünglich mit dem 29.Oktober 1989 angegebenen) Tatzeit in späteren Vernehmungen auf den 27.Oktober 1989 sowie mit Differenzen zwischen der ursprünglichen Datumsangabe und der durch Eintragungen im Reisepaß bestätigten Verantwortung des Beschwerdeführers befaßte sich das Schöffengericht in seiner sorgfältigen, alle aktenkundigen und der Aktenlage nach möglichen Erkenntnisquellen berücksichtigenden Beweiswürdigung ohnedies. Die Aussagen des Zeugen Alexander W***** in der Hauptverhandlung über den Tatzeitpunkt (Band III/S 143 dA) gibt die Beschwerde unvollständig wieder; tatsächlich hatte der Zeuge (letztlich) angegeben, daß sich der Vorfall "einige Tage zurück zur Anzeige" (1.November 1989) ereignete. Mit dieser Aussage ist die Datumfixierung: 27.Oktober 1989 indes zu vereinbaren. Auch die Beschwerdebehauptung, die Verletzungen seien "nicht objektiviert", ist nicht aktengetreu (siehe die amtsärztlichen Befunde und Gutachten Band I/S 63, 65 dA).

Damit geht die Tatsachenrüge zur Gänze fehl.

Zum Schuldspruch B./III/:

Als Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 StGB liegt dem Beschwerdeführer zur Last, daß er im Juli 1989 seinen Sohn Alexander W***** mehrmals durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und mit Gewalt, indem er ihn zu Gerlinde W***** in eine Zeltwagenkoje zerrte, ihm die Pyjamahose vom Körper riß und ihn aufforderte, sich auf Gerlinde W***** zu legen, und mit ihr geschlechtlich zu verkehren, ansonsten werde er ihn "in die Goschn hauen", ihn niedertreten und erschlagen, zur Vornahme des Beischlafes sowie gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich zu einem Mundverkehr und einem Analverkehr, zwang.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Ziel einer rechtlichen Unterstellung seiner Tat unter das Tatbild der geschlechtlichen Nötigung nach dem § 202 Abs. 1 StGB bestreitet der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (sachlich Z 10) lediglich die Imminenz der Bedrohung seines Sohnes mit einer "schweren" Gefahr für Leib oder Leben.

Auch dies nicht zu Recht.

Gegenwärtig (imminent) ist eine angedrohte Gefahr, wenn mit einer sofortigen Ausführung des in Aussicht gestellten Übels zu rechnen ist. Bei der gebotenen Beurteilung nach einem objektiven Maßstab (Leukauf-Steininger2 RN 6 zu § 201 StGB ua) kann nach Lage des Falles nicht bezweifelt werden, daß Alexander W***** mit einer umgehenden Verwirklichung zumindest eines Teiles ("... in die Goschn hauen, niedertreten ...") der ihm angedrohten und gegen seine Gesundheit und körperliche Sicherheit gerichteten Übel - auch nach den Vorstellungen des Täters - rechnen mußte, falls er dem inkriminierten Verlangen nicht nachgekommen wäre.

Die Subsumtion der Tat unter den § 201 Abs. 2 StGB ist daher frei von Rechtsirrtum.

Im übrigen ist die Subsumtionsrüge des Angeklagten nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt, weil aktenwidrig von der - im Urteil gar nicht angenommenen - Androhung einer "schweren" Gefahr ausgegangen wird, die als solche die Verwirklichung der Hermann W***** in Wahrheit nicht angelasteten strafsatzerhöhenden Qualifikation nach dem § 201 Abs. 1 StGB bedeutet hätte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht hat allerdings - worauf vom Beschwerdeführer im Gerichtstag zutreffend hingewiesen wurde - im Zusammenhang mit dem Schuldspruch zu B./IV/ übersehen, daß Mißbrauch zur Unzucht iS des § 212 StGB Mißbrauch zu eigener Unzucht bedeutet, wie sich aus einem Vergleich mit § 213 StGB (arg. "Unzucht mit einer anderen Person") ergibt. Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses zur Unzucht ist ein eigenhändiges Delikt, das nur vorliegt, wenn der Täter selbst mit dem Opfer in sexuellen Kontakt tritt (Pallin in WK zu § 212, Rz 2). Nach den erstgerichtlichen Feststellungen kam es tatplangemäß nur zwischen Gerlinde W***** und Alexander W*****, nicht aber zwischen dem seine väterliche Autorität mißbrauchenden Angeklagten und seinem Sohn zu derartigen Kontakten. Es fehlt somit an einer der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beurteilung der vom Punkt B./IV/ des Urteilssatzes erfaßten Tathandlungen nach dem § 212 Abs. 1 StGB. Da auch eine Tatbeurteilung wegen Kuppelei nach dem § 213 StGB in Anbetracht der dem Angeklagten im gegebenen Zusammenhang zur Last liegenden Vergewaltigung seines Sohnes nicht in Frage kommt, war der dem Erstgericht infolge Außerachtlassung des Erfordernisses der Eigenhändigkeit bei der Subsumtion des Sittlichkeitsdeliktes auch unter die Bestimmung des § 212 StGB unterlaufene rechtliche Irrtum von Amts wegen gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO zugunsten des Beschwerdeführers wahrzunehmen, insoweit nach Aufhebung des entsprechenden Teiles des Schuldspruches sowie des Strafausspruches mit Freispruch vorzugehen und die Strafe neu zu bemessen.

Dabei wurden die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, die Wiederholung und besondere Verwerflichkeit der Nötigung des eigenen minderjährigen Sohnes zur Unzucht sowie der relativ rasche Rückfall als erschwerend gewertet. Als mildernd fanden demgegenüber das Teilgeständnis, die Sicherstellung des gestohlenen Wohnwagens, die seelische Abartigkeit höheren Grades sowie der Umstand Berücksichtigung, daß es teilweise beim Versuch blieb.

Auf der Basis dieses Strafbemessungssachverhaltes erachtete der Oberste Gerichtshof trotz des beträchtlichen Gesinnungs- und Handlungsunwerts der weiterhin zu verantwortenden Taten und trotz der erheblichen Vorstrafenbelastung, vor allem in Anbetracht der schweren Persönlichkeitsstörung des Angeklagten, dem nach dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen "weitgehende Milderungsgründe iS des § 34 Z 1 StGB zuzubilligen sind", eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren als tat- und tätergerecht.

Mit seiner Berufung war Hermann W***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E25524

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0110OS00005.91.0219.000

Dokumentnummer

JJT_19910219_OGH0002_0110OS00005_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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