TE OGH 1991/2/27 3Ob521/91

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Veröffentlicht am 27.02.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 20.Juni 1975 geborenen Kristian B***** infolge außerordentlichen Revisionsrekurses 1. des Vaters Nika B*****, und 2. des Sachwalters Magistrat der Stadt Wien (Amt für Jugend und Familie 2.Bezirk), Wien 2., Karmelitergasse 9, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 27.August 1990, GZ 43 R 519/90-35, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 11.Dezember 1989, GZ 1 P 91/86-27 (nunmehr 1 P 78/90-27 des Bezirksgerichtes Floridsdorf), abgeändert wurde, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

1.

Der Rekurs des Vaters wird zurückgewiesen.

2.

Dem Rekurs des Sachwalters wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern des Kindes wurde im Jahr 1985 geschieden. Nach der zwischen ihnen getroffenen, pflegschaftsbehördlich genehmigten Vereinbarung steht das Recht zur Pflege und Erziehung des Kindes, zur Verwaltung seines Vermögens und zu seiner Vertretung der Mutter zu. Mit Beschluß des damals zuständigen Bezirksgerichtes Donaustadt vom 5.11.1985 wurde das Bezirksjugendamt für den 2.Bezirk in Wien gemäß § 22 JWG, BGBl 1954/99, zum besonderen Sachwalter des Kindes in Unterhaltssachen bestellt. Mit Beschluß vom 22.7.1988 wurde der Vater des Kindes zur Zahlung eines montlichen Unterhaltsbetrages von 2.300 S verpflichtet.

Das Bezirksjugendamt für den 2.Bezirk stellte am 28.11.1989 den Antrag auf Enthebung als Sachwalter. Die Mutter des Kindes sei offensichtlich nicht mehr interessiert, daß das Jugendamt den Unterhalt hereinbringe. Es sei nur bekannt, daß sie und das Kind in Kanada eingewandert seien. Sie habe aber keine Bankverbindung bekannt gegeben und auch keine behördliche Bestätigung darüber vorgelegt, daß das Kind bei ihr lebe. Es könnte auch adoptiert worden sein.

Das Bezirksgericht Donaustadt enthob das Bezirksjugendamt als Sachwalter mit der Begründung, daß die Mutter nach der Mitteilung des Jugendamtes eine Zusammenarbeit nicht mehr wünsche.

Das Rekursgericht wies infolge Rekurses der Mutter den Enthebungsantrag ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Annahme, daß die Mutter die Vertretung durch das Jugendamt (richtig: gemäß § 4 Abs 3 WrJWG 1990 LGBl 36 nunmehr: Amt für Jugend und Familie) nicht mehr wolle, könne nicht darauf gestützt werden, daß sie keine Kontonummer bekannt gegeben habe, und sei durch das Rekursvorbringen widerlegt. Geldbeträge könnten auch dann in das Ausland überwiesen werden, wenn kein Konto bekannt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Vater des Kindes gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig, weil ihm die Rekursberechtigung fehlt. Da er nicht mehr gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, werden seine rechtlichen Interessen durch die Entscheidung über die Enthebung des Jugendwohlfahrtsträgers als Sachwalter nicht beeinträchtigt. Dies ist aber Voraussetzung für das Recht zum Rekurs (MGA AußStrG2 § 9/1; vgl zum konkreten Fall noch EvBl 1964/280, EFSlg 37.193; auch 3 Ob 599/89). Sein Rekursvorbringen erschöpft sich im übrigen in der Behauptung, daß er zu Unterhaltszahlungen nicht verpflichtet sei. Darüber ist aber im Verfahren über die Enthebung des Sachwalters nicht abzusprechen.

Der Revisionsrekurs des Sachwalters Magistrat der Stadt Wien ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 1 ZPO je idF der WGN 1989 nicht gebunden ist, gemäß § 14 Abs 1 AußStrG idF der WGN 1989 zulässig, weil die Entscheidung von den im folgenden behandelten, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfragen abhängt, zu denen eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Dem steht nicht entgegen, daß es bei der Enthebung gemäß § 212 Abs 5 ABGB idF des KRÄndG auf die "Lage des Falles" ankommt; hier ist nämlich über die Grundsätze zu entscheiden, die in den einzelnen Fällen beachtet werden müssen.

Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 212 Abs 5 ABGB idF des KRÄndG endet die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers ua dann, wenn das Gericht ihn auf seinen Antrag als Sachwalter enthebt, weil er zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes nach Lage des Falles nichts mehr beizutragen vermag. Unter dieser Voraussetzung ist der Jugendwohlfahrtsträger daher auf seinen Antrag als Sachwalter zu entheben.

Zusammengefaßt ergibt sich aus dem Vorbringen des Sachwalters seine Meinung, die Voraussetzungen für die Enthebung seien deshalb erfüllt, weil die Möglichkeit bestehe, daß der Unterhaltsanspruch des Kindes erloschen sei, das Kind nicht mehr bei seiner Mutter lebe, oder sie an der Unterhaltseinbringung nicht mehr interessiert sei. Der Sachwalter verkennt dabei aber, daß es nicht seine Aufgabe ist, Vermutungen darüber anzustellen, ob der Unterhaltsanspruch des von ihm vertretenen Kindes erloschen sein könnte. Es muß in erster Linie dem Unterhaltsschuldner überlassen bleiben, dies geltend zu machen. Solange das Erlöschen des Unterhaltsanspruches nicht dargetan ist, besteht kein Grund für die Enthebung des Sachwalters. Daß der sonstige gesetzliche Vertreter des Kindes dem Sachwalter keine Aufklärung gibt, ist unerheblich, zumal dies nicht dem Kind zum Nachteil gereichen darf. Die Regel, daß sich der Vertretene das Verhalten seines Vertreters zurechnen lassen muß, gilt nur im Verhältis zu Dritten, nicht aber im Verhältnis zu einem anderen Vertreter derselben Person.

Ohne Bedeutung ist entgegen der Meinung des Revisionsrekurswerbers ferner, ob das Kind noch bei seiner Mutter lebt. Durch die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers wird gemäß § 212 Abs 4 ABGB die Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt, es gilt bloß § 154 a ABGB sinngemäß. Der Jugendwohlfahrtsträger ist daher nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die ihm zugegangenen Unterhaltsbeträge an den sonstigen gesetzlichen Vertreter des Kindes zu bezahlen. Dies gilt entgegen der Meinung des Revisionsrekurswerbers auch dann, wenn sich das Kind nicht bei diesem gesetzlichen Vertreter, sondern bei jemand anderem aufhält. Auf den gegenwärtigen Aufenthaltsort des Kindes kommt es daher nicht an.

Der Revisionsrekurswerber bestreitet nicht, daß die ihm zugehenden Unterhaltsbeträge an die Mutter des Kindes als sonstige gesetzliche Vertreterin bezahlt werden könnten, weshalb nicht erörtert werden muß, ob andernfalls ein Grund für die Enthebung vorläge. Da der Revisionsrekurswerber somit einen Grund für seine Enthebung nicht dargetan hat, hat das Rekursgericht seinen Enthebungsantrag zutreffend abgewiesen.

Anmerkung

E25427

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00521.91.0227.000

Dokumentnummer

JJT_19910227_OGH0002_0030OB00521_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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