TE OGH 1991/3/21 6Ob533/91

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Veröffentlicht am 21.03.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes *****, geboren am 15. November 1983, im Haushalt der Mutter *****, in Verfolgung der Unterhaltsansprüche vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft *****, wegen Leistung des gesetzlichen Unterhaltes durch den Vater *****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt in Innsbruck, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 18. September 1990, AZ 1 b R 169/90 (ON 38), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 5. Juli 1990, GZ 5 P 359/88-30, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird in Ansehung der Unterhaltserhöhung für die Zeiten ab 1. November 1989 mangels Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen. In Ansehung der Unterhaltserhöhung für die ersten zehn Monate des Jahres 1989 wird dem außerordentlichen Revisionsrekurs stattgegeben. Die angefochtene Rekursentscheidung und der erstinstanzliche Beschluß werden in diesem Umfang aufgehoben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz rückverwiesen.

Text

Begründung:

Das pflegebefohlene Kind wurde am 15. November 1983 als Tochter einer 18 Jahre alten ledigen Verkäuferin geboren. Noch im selben Monat anerkannte ein damals 24 Jahre alter lediger Hotelassistent vor dem Jugendamt die Vaterschaft, vor dem er sich dann auch Ende Oktober 1986 verpflichtete, zum Unterhalt seiner unehelichen Tochter ab 1. Januar 1987 monatlich 1.900 S zu zahlen.

Mitte Dezember 1988 stellte das Kind den Erhöhungsantrag, die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. November 1988 auf 4.000 S zu erhöhen; zur Begründung des Erhöhungsbegehrens wurde ausgeführt, wegen Teilzeitbeschäftigung der Mutter bedürfe das Kind einer halbtägigen Fremdbetreuung, dür die monatlich 2.000 S zu bezahlen seien; der Vater sei als selbständiger Betreiber zweier gastgewerblicher Betriebe zur Leistung des erhöhten Unterhaltes imstande.

Im ersten Rechtsgang hatte das Pflegschaftsgericht dem Unterhaltserhöhungsbegehren stattgegeben; das Rekursgericht hatte diese Entscheidung nur in Ansehung des Teilbegehrens um Erhöhung der monatlichen Unterhaltsverpflichtung auf 3.000 S bestätigt und dem Gericht erster Instanz im übrigen die Verfahrensergänzung aufgetragen.

Im zweiten Rechtsgang holte das Pflegschaftsgericht das Gutachten eines Buchprüfers über die Einkommensverhältnisse des Vaters ein und das Kind nahm die Ergebnisse dieser Begutachtung zur Grundlage, sein Erhöhungsbegehren für die Zeit ab 1. Januar 1989 auf den Monatsbetrag von 6.000 S auszudehnen. Zur Begründung dieser Ausdehnung brachte das Kind vor, ihm stünde nach seinem Alter ein Unterhalt im Ausmaß von 18 % des Nettoeinkommens seines Vaters zu. Der Ausdehnungsschriftsatz langte an dem Tag beim Pflegschaftsgericht ein, mit dem dieses seine Entscheidung über das ursprüngliche Erhöhungsbegehren datierte. Mit diesem Beschluß erhöhte das Gericht die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die Zeit ab Jahresbeginn 1989 auf 4.000 S.

Der Vater erhob gegen den Erhöhungsbeschluß Rekurs; zum ausgedehnten Erhöhungsbegehren nahm er gesondert Stellung. Das Kind focht die erstinstanzliche Entscheidung wegen Nichterledigung seines Ausdehnungsbegehrens an.

Das Rekursgericht bestätigte in Abweisung des vom Vater ergriffenen Rekurses die erstinstanzliche Unterhaltserhöhung und erhöhte diese in Stattgebung des vom Kind erhobenen Rechtsmittels für die Zeit ab 1. Januar 1989 im Sinne des Ausdehnungsbegehrens auf 6.000 S monatlich. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Vater gegen die Rekursentscheidung in Ansehung der ab 1.1.1989 angeordneten S 3.000,- monatlich übersteigenden Unterhaltserhöhung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist hinsichtlich der nach dem 1. November 1989 gelegenen Unterhaltsperioden deshalb unzulässig, weil für die nach Vollendung des 6. Lebensjahres des Kindes gelegenen Zeiten der festgesetzte monatliche Unterhaltsbetrag von 6.000 S weder die nach der gemäß Art XLI Z 9 WGN 1989 zu berücksichtigenden zweitinstanzlichen Rechtsprechung als beachtlich erklärte Bruchteilsgrenze von 18 % der Bemessungsgrundlage noch die 2,5-fache Höhe des sogenannten Regelbedarfes übersteigt und die bekämpfte rekursgerichtliche Unterhaltsfestsetzung nach den ausgeführten Grundsätzen, der angewandten Methode und dem erzielten Ergebnis nicht als auf einer unrichtigen Lösung einer nach § 14 Abs 1 AußStrG qualifizierten Rechtsfrage beruhend zu erkennen ist.

Für die ersten zehn Monate des Jahres 1989 bliebe ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 6.000 S bei einer - richtigerweise auch nicht um einen Teil des Mietaufwandes

verminderten - Jahresbemessungsgrundlage von über 450.000 S zwar auch unter der - von der gemäß Art XLI Z 9 WGN 1989 zu berücksichtigenden - Bruchteilsobergrenze von 16 % der Bemessungsgrundlage, überschritte aber knapp die 3-fache Höhe des sogenannten Regelbedarfes.

In Ansehung der Monate Januar bis Oktober 1989 ist der Revisionsrekurs daher zulässig. Er ist in diesem Umfang auch berechtigt:

Für den gemäß § 140 ABGB von den Eltern nach ihren Kräften zur Deckung der Unterhaltsbedürfnisse ihrer Kinder insoweit zu leistende Beitrag, als die Bedürfnisse den Lebensverhältnissen der Eltern angemessen sind, können die Gewohnheiten anderer Eltern auch in einem mehr oder weniger repräsentativ erhobenen statistischen Durchschnitt nicht als gesetzlich anerkannte Bestimmungsgröße erkannt werden.

Der sogenannte Regelbedarf kann daher für eine auf die konkreten Lebensverhältnisse der Eltern einerseits und die konkreten Bedürfnisse ihres Kindes andererseits abzustellende Unterhaltsbemessung nicht mehr als eine dem Tatsachenbereich angehörende Orientierungshilfe und Kontrollgröße darstellen. Die praktische Bedeutung der sogenannten Regelbedarfsätze kann lediglich darin liegen, daß ein Begehren desto genauer zu erörtern sowie in seinen tatsächlichen Voraussetzungen zu prüfen und daß die getroffene Unterhaltsfestsetzung desto eingehender zu begründen ist, je weiter sich der Unterhaltsbedarf von diesen statistisch ermittelten Werten entfernt.

Betragliche oder in einem Vielfachen des sogenannten Regelbedarfes ausgedrückte absolute Obergrenzen für die Festsetzung eines Kindesunterhaltes sind mit den in § 140 ABGB normierten Bemessungskriterien nicht vereinbar; diese gestatten daher auch keinen allgemeinen "Unterhaltsstop" beim 2,5-fachen oder einem sonstigen Vielfachen der sogenannten Regelbedarfsätze.

Die Angemessenheit eines in dieser Hinsicht von den in großer Zahl (aber doch immer nach den konkreten jeweiligen Verhältnissen) getroffenen Unterhaltsfestsetzungen abweichenden Unterhaltsbetrages bedarf besonderer Behauptung, Erörterung, Erhebung und Begründung. In dieser Hinsicht ist das Verfahren zum Unterhaltserhöhungsbegehren für die ersten zehn Monate des Jahres 1989 noch ergänzungsbedürftig. Dabei wird nicht zuletzt auch der behauptete monatliche Aufwand für die halbtägige Fremdbetreuung des Kindes von 2.000 S berücksichtigt werden müssen.

In Ansehung des im zweiten Rechtsgang noch strittig gebliebenen Teiles des Unterhaltserhöhungsbegehrens für die Monate Januar bis Oktober 1989 (von 3.000 S auf 6.000 S monatlich) war daher die Rechtssache unter Aufhebung beider vorinstanzlichen Entscheidungen an das Gericht erster Instanz zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung rückzuverweisen.

Anmerkung

E25705

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00533.91.0321.000

Dokumentnummer

JJT_19910321_OGH0002_0060OB00533_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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