TE OGH 1991/4/10 1Ob524/91

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Veröffentlicht am 10.04.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach H***** F*****, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin M***** F*****, diese vertreten durch Dr. Helmut Rantner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei F***** M*****, vertreten durch Dr. Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 350.000,-- samt Anhang infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 22. November 1990, GZ 2 R 264/90-38, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. Mai 1990, GZ 12 Cg 279/88-33 über Berufung der klagenden Partei aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.293,80 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten S 2.382,30 Ust) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung:

Am 17. April 1987 brach im landwirtschaftlichen Anwesen des F***** M***** in ***** ein Brand aus, der auf das Nachbarhaus des zwischenzeitig verstorbenen H***** F***** übergriff, wodurch an diesem Anwesen Schaden entstand. Brandursache waren Arbeiten des vom Beklagten beauftragten E***** S***** auf dem an das Haus ***** anschließenden Garagendach; beim Flämmen von Dachpappe war in der Nähe des Arbeitsvorganges befindliches Heu und Stroh entzündet worden. E***** S***** hatte eine Ausbildung als Dachdecker genossen und im Jahre 1983 die Gesellenprüfung mit "bestanden" abgelegt. Das Flämmen von Dachpappe war nicht Gegenstand der Prüfung. E***** S***** übte den Beruf des Dachdeckers zum Zeitpunkt der Arbeiten nicht mehr aus. Er war zuletzt als Kellner beschäftigt gewesen. Obwohl sich in der Nähe der Flämmstelle erkennbar Stroh befunden hatte, stellte E***** S***** lediglich hölzerne Schaltafeln auf, die aber keinen genügenden Schutz gegen die Feuergefahr darstellten. Die üblichen Sicherheitsvorkehrungen wie zB das Bereitstellen von Wasser oder eines Feuerlöschers oder die Verwendung von Blechanschlüssen wurden von E***** S***** nicht getroffen.

Die klagende Partei behauptet, daß ihr durch den Brand ein Schaden von S 1,958.243,-- entstanden sei, von dem sie vorerst S 350.000,-- samt Anhang geltend mache. Sie stützt die Haftung des Beklagten unter anderem auf die Vorschrift des § 1315 ABGB.

Der Beklagte wendete unter anderem ein, E***** S***** sei nicht habituell untüchtig gewesen, er habe fachtechnisch richtig gearbeitet. Es habe sich um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die einmalige Sorgfaltsverletzung, mag sie auch ein schweres Versehen sein, begründe keine habituelle Untüchtigkeit.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache an dieses zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Zum Haftungsgrund nach § 1315 ABGB führte es aus: Der Grundgedanke der Besorgungsgehilfenhaftung sei die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn für den eigenen Herrschafts- bzw. Organisationsbereich (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1315). Sei der Gehilfe in diesem Bereich eingegliedert, dann habe der Geschäftsherr für dessen Untüchtigkeit unabhängig davon einzustehen, ob er diese erkannt habe oder habe erkennen können oder müssen. Die Haftung für die Untüchtigkeit des Gehilfen bestehe unabhängig von einem Verschulden des Geschäftsherrn (SZ 60/49; JBl. 1986, 520; 1 Ob 570, 571/90 uva). Die Untüchtigkeit sei ein relativer Begriff (JBl. 1987, 524 = SZ 60/49 ua) und müsse immer für eine bestimmte Tätigkeit gegeben sein. In der Regel müsse es sich um einen habituellen Hang zur Mißachtung der Obliegenheiten handeln, doch könne sich auch aus einem einmaligen Versehen, das auf einer grob fahrlässigen Berufspflichtverletzung oder auf einem auffallenden Mangel an Gewissenhaftigkeit beruhe, die Untüchtigkeit erschließen lassen (JBl. 1987, 524 = SZ 60/49 mwN). Eine solche Untüchtigkeit sei bei E***** S***** gegeben. Wenn man berücksichtige, daß E***** S***** auf dem einem landwirtschaftlichen Anwesen anschließenden Holzdach, unter dem wahrnehmbar Heu und Stroh gelagert gewesen sei, ohne jegliche zur Brandverhütung gebotene und geeignete Sicherungsmaßnahme mit den auch für einen Laien erkennbar gefährlichen Arbeiten des Flämmens von Dachpappe begonnen habe, so liege in dieser Mißachtung der einfachsten und geradezu als Selbstverständlichkeit anzusehenden Maßnahmen eine besonders gravierende Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflicht eines Dachdeckergesellen und rechtfertige sohin ein solches Verhalten die Annahme der Untüchtigkeit im Sinn des § 1315 AGBG. Da unbestritten sei, daß der Beklagte E***** S***** mit den Arbeiten auf dem Dach seines Anwesens beauftragt habe, habe er nach § 1315 ABGB für den Schaden, den E***** S***** in Besorgung der Angelegenheiten des Beklagten der klagenden Partei zugefügt habe, einzustehen. Die Zulässigkeit des Rekurses begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage der Untüchtigkeit im Sinn des § 1315 ABGB zwar hinreichende Rechtsprechung vorliege, dem hier konkret vorliegenden Sachverhalt aber nach Ansicht des Berufungsgerichtes jedoch über den Einzelfall hinaus Bedeutung im Sinn des § 502 Abs. 1 ZPO zukomme.

Der Rekurs des Beklagten ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach den §§ 519 Abs. 2, 502 Abs. 1 ZPO ist ein Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nach § 519 Abs. 1 Z 2 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. An den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit des Rekurses ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 526 Abs. 2 2. Satz ZPO nicht gebunden. Erheblich ist eine Rechtsfrage immer dann, wenn ihre Lösung über den konkreten Rechtsstreit hinaus Bedeutung erlangen kann (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1890), wenn also keine vergleichbaren Vorentscheidungen vorliegen (Petrasch, ÖJZ 1985, 296). Die Kasuistik des Einzelfalles wird bei Anwendung der im Gesetz vorgezeichneten und in der Rechtsprechung entwickelten Wertungen in der Regel eine beispielgebende Entscheidung ausschließen (MietSlg. 36.789). Stützt sich die Lösung der zu entscheidenden Frage auf gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen, dann kommt den für den konkreten Einzelfall aufgeworfenen Abwägungsfragen nicht die Qualität der Erheblichkeit zu (1 Ob 650/90, 2 Ob 557/83).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Das Berufungsgericht hat Rechtsprechung und Lehre zur Frage der Untüchtigkeit eines Besorgungsgehilfen, insbesondere bei nur einmaligem Fehlverhalten des Gehilfen, vollständig dargestellt. Diese Rechtsprechung wurde vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 25. April 1990, 7 Ob 561/90, aufrecht erhalten. Der Rekurswerber übersieht, daß der Schluß auf die Untüchtigkeit des Besorgungsgehilfen nicht nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn dem Besorgungsgehilfen eine Berufspflichtenverletzung unterlief, sondern auch, wenn er in Unkenntnis betriebswichtiger Vorschriften (wie hier des Ergreifens der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen gegen das Entstehen und das Ausbreiten eines Brandes) handelte (JBl. 1986, 520). Soweit der Rekurswerber behauptet, es wären erkennbar die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen, getroffen worden, entfernt er sich von der von ihm in diesem Punkt unbekämpft gelassenen Feststellung des Erstgerichtes, daß E***** S***** mit Ausnahme des unzureichenden Aufstellens von hölzernen Schaltafeln sonst keine üblichen Sicherheitsvorkehrungen wie zB das Bereitstellen von Wasser oder eines Feuerlöschers getroffen habe.

Da auch die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und eine dem Berufungsgericht unterlaufene Aktenwidrigkeit, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, nicht vorliegen, erweist sich der Rekurs des Beklagten mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach den §§ 519 Abs. 2, 502 Abs. 1 ZPO als unzulässig.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E25394

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00524.91.0410.000

Dokumentnummer

JJT_19910410_OGH0002_0010OB00524_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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