TE OGH 1991/5/7 14Os34/91

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Veröffentlicht am 07.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Mai 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl H***** und Karin G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 16. Jänner 1991, GZ 20 o Vr 804/90-92, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, der beiden Angeklagten und der Verteidiger Dr. Unterkircher für Karl H***** und Dr. Mayer für Karin G***** zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl H***** wird Folge gegeben und es werden der Wahrspruch der Geschwornen und das darauf beruhende Urteil - gemäß §§ 290 Abs. 1, 344 StPO auch hinsichtlich der Angeklagten Karin G***** - aufgehoben und die Sache an ein anderes Geschwornengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Auf diese Entscheidung werden Karin G***** mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und beide Angeklagten mit ihren Berufungen verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurden Karl H***** und dessen Lebensgefährtin Karin G***** des Vergehens des Quälens unmündiger Personen nach § 92 Abs. 1 StGB (A) und des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (B) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben Karl H***** und Karin G***** in Perchtoldsdorf

A) in der Zeit von Oktober 1989 bis 18.Jänner 1990 im

einverständlichen Zusammenwirken als Mittäter wiederholt den am 25. Mai 1985 geborenen außerehelichen Sohn der Karin G*****, David G*****, der ihrer Obhut unterstand und das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, durch Schläge körperliche und seelische Qualen zugefügt;

B) in der Zeit vom 18.Jänner 1990 bis 20.Jänner 1990 den im Koma

befindlichen David G***** durch Unterlassung einer ärztlichen Versorgung getötet.

Die Geschwornen hatten die diesem Schuldspruch zugrundeliegenden anklagekonformen Hauptfragen (1 und 2) nach Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen gemäß § 93 StGB sowie (3 und 5) nach Mord gemäß § 75 StGB jeweils bejaht. Die ihnen vorgelegten Eventualfragen 4, 6, und 7 - die für den Fall der Verneinung der entsprechenden Hauptfragen zu beantworten waren - nach Quälen (oder Vernachlässigen) unmündiger (jüngerer oder wehrloser) Personen mit Todesfolgen (§ 92 Abs. 3 StGB), nach Aussetzung (§ 82 Abs. 3 StGB) und nach fahrlässiger Tötung (§ 80 StGB) ließen sie unbeantwortet.

Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, wobei Karl H***** die Nichtigkeitsgründe der Z 6, 8, 9 und 10 a, Karin G***** jene der Z 5, 6, 10 a, 12 und 13 des § 345 Abs. 1 StPO geltend machen.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 345 Abs. 1 Z 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl H***** ist im Recht.

Im vorliegenden Fall erläutert die Rechtsbelehrung (§ 321 Abs. 2 StPO) lediglich im Punkt IV ("Zur konkreten Beantwortung der Fragen") die Folgen der Bejahung oder Verneinung der Fragen mit den Worten: "Die Bejahung der Hauptfrage führt zum Schuldspruch wegen Raubes, die Verneinung zum Freispruch des Angeklagten".

Vorauszusetzen ist, daß Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs. 1 Z 8 StPO nur die den Geschwornen zu erteilende Rechtsbelehrung, nicht aber der Inhalt der gemäß § 323 Abs. 2 StPO in Anschluß an die Rechtsbelehrung abzuhaltenden Besprechung, noch sonstige Äußerungen des Vorsitzenden ist (Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 345 Z 8, ENr. 2). Die Rechtsbelehrung ist unrichtig, denn die Bejahung einer der gestellten Hauptfragen hätte jedenfalls nicht zum Schuldspruch wegen Raubes und die Verneinung, da auch Eventualfragen gestellt wurden, noch nicht zum Freispruch des Angeklagten geführt. Im übrigen wurde auch das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander nicht dargelegt.

Auch wenn eine Raubtat nicht Gegenstand der Hauptverhandlung war und eine Frage nach Raub daher auch gar nicht gestellt wurde, kann nicht gesagt werden, daß diese Rechtsbelehrung nicht geeignet gewesen wäre, die Geschwornen bei der Beurteilung der schwierigen Rechtslage in Irrtum zu führen. Es war auch keineswegs klar erkennbar, daß die unrichtige Rechtsbelehrung (allenfalls) nur auf einen Schreibfehler beruht (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 11, 44, 47).

Da der vom Erstangeklagten geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 8 StPO vorliegt, war, ohne daß auf die weiteren Beschwerdeausführungen eingegangen werden mußte, der Wahrspruch und das darauf beruhende Urteil aufzuheben und die Erneuerung des Verfahrens anzuordnen.

Gemäß §§ 290 Abs. 1, 344 StPO kommen die Gründe, auf denen die Verfügung zugunsten des Erstangeklagten beruhte, auch der Mitangeklagten G***** zugute, welche in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde, auf die im übrigen einzugehen sich ebenfalls erübrigte, diesen Nichtigkeitsgrund nicht ergriffen hat.

Karin G***** mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und beide Angeklagten mit ihren Berufungen waren auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E25878

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0140OS00034.91.0507.000

Dokumentnummer

JJT_19910507_OGH0002_0140OS00034_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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