TE OGH 1991/5/23 7Ob538/91

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Veröffentlicht am 23.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Florian GEHMACHER, Rechtsanwalt, Wien 1., Dr. Karl Lueger-Ring 12, als Masseverwalter im Konkurs der H*****gesellschaft mbH, wider die beklagte Partei STADT WIEN, vertreten durch Dr. Johannes Hock sen. und Dr. Johannes Hock jun., Rechtsanwälte in Wien, wegen S 218.000 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. Dezember 1990, GZ 2 R 218/90-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 12. August 1990, GZ 3 Cg 253/89-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 218.000 samt 4 % Zinsen seit 26.7.1989 zu bezahlen, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 63.357,10 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 18.040 Barauslagen und S 7.552,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hatte der A***** (im folgenden nur A***** GmbH) den Auftrag zur Errichtung von städtischen Wohnhausneubauten unter anderem in Wien 15., Zinckgasse 5-7, erteilt. Dieser Vertrag wurde einvernehmlich aufgelöst. Das Bauvorhaben Zinckgasse wurde von der ARGE M***** zur Fortführung übernommen, die im Jahre 1986 zwischen der A***** GmbH und der H***** GesmbH (im folgenden nur Gemeinschuldnerin) gegründet wurde. Zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche wurde anstelle eines Haftrücklasses von der Gemeinschuldnerin eine Bankgarantie über S 218.000 beigebracht. Am 21.4.1987 wurde das Bauwerk Zinckgasse von der Beklagten übernommen. Es wurden verschiedene Mängel festgestellt und ihre Behebung von der Beklagten innerhalb der vereinbarten Gewährleistungsfrist begehrt. Über die Gemeinschuldnerin wurde am 9.9.1988 der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Dieser erklärte am 14.2.1989 den Rücktritt vom Vertrag und lehnte unter Hinweis darauf das Begehren der Beklagten auf Mängelbehebung ab. Außer Streit gestellt wurde, daß schon vor dem Rücktritt des Masseverwalters Mängel im Ausmaß von zumindest S 100 vorlagen, die nicht behoben wurden. Am 27.6.1989 nahm die Beklagte die Bankgarantie in Anspruch.

Der Kläger begehrt, gestützt auf seinen Vertragsrücktritt, die Herausgabe der Garantieleistung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seiner Auffassung habe die Beklagte nach dem Rücktritt des Masseverwalters vom Werkvertrag keine Gewährleistungsansprüche mehr. Das durch den Haftrücklaß zu sichernde Recht sei demnach weggefallen, das Zurückbehaltungsrecht des Bestellers habe seine causa verloren und sei untergegangen. Der an die Stelle des restlichen Erfüllungsanspruches tretende Schadenersatzanspruch sei ein gesetzlich gewährter konkursrechtlicher Anspruch, auf den sich die Sicherung durch den Haftrücklaß bzw. die Haftrücklaßgarantie nicht erstrecke, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden sei. Die Inanspruchnahme der Garantie sei rechtsmißbräuchlich erfolgt, der Garantiebetrag daher herauszugeben.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist.

Das Berufungsgericht teilte die Auffassung des Erstgerichtes über die Wirkung des Vertragsrücktrittes des Masseverwalters auf die weitere Vertragserfüllung. Der Besteller könne jedoch den ihm nach § 21 Abs.2 KO zukommenden Schadenersatzanspruch gegen den Anspruch auf Ausfolgung des Haftrücklasses aufrechnen. Nichts anderes könne gelten, wenn anstelle des Haftrücklasses eine Haftrücklaßgarantie vereinbart worden sei, weil die Interessenlage dadurch keine Änderung erfahren habe. Die Beklagte hätte aber behaupten und beweisen müssen, welchen Betrag sie zur Mängelbehebung aufgewendet habe und sie hätte mit diesem Betrag aufrechnen müssen. Mangels Geltendmachung eines Schadens und Abgabe einer Aufrechnungserklärung habe die Beklagte den durch die Bankgarantie erhaltenen Betrag herauszugeben.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Beklagten ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, wird durch die Rücktrittserklärung des Masseverwalters nach § 21 Abs.2 KO der Vertrag nicht aufgehoben, es unterbleibt nur die weitere Erfüllung (SZ 61/170; SZ 54/168; WBl 1988, 203). Der Vertragspartner des Gemeinschuldners kann den Ersatz des ihm durch die unterbliebene Erfüllung verursachten Schadens gemäß § 21 Abs.2 Satz 2 KO verlangen. Nach Welser-Graff (Rücktrittsrecht des Masseverwalters im Konkurs eines ARGE-Partners in GesRZ 1984, 128 f) deckt jedoch ein Haftrücklaß solche Schadenersatzansprüche des Bestellers nicht. Auch eine Haftrücklaßgarantie beziehe sich im Zweifel nur auf Gewährleistungsansprüche. Dieser Standpunkt kann jedoch nicht geteilt werden. Der Haftrücklaß oder die an seine Stelle tretende Haftrücklaßgarantie soll nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ganz offensichtlich die Gewährleistungsansprüche sichern und somit auch den Anspruch des Bestellers auf Verbesserung des mangelhaften Werkes. Gerät der Unternehmer mit der Verbesserung in Verzug oder verweigert er überhaupt die Verbesserung, so kann der Besteller den Mangel durch einen Dritten beseitigen lassen und das erforderliche Deckungskapital vom Unternehmer verlangen (SZ 53/107; HS 6384 mwN; Koziol-Welser8 I 375). Auf den Grund der Ablehnung der Verbesserung kommt es hiebei nicht an. Nun ist es zwar richtig, daß der Anspruch auf Verbesserung als Rest des ursprünglichen Anspruchs auf Erfüllung angesehen wird (SZ 53/107 mwN); gerade die weitere Erfüllung lehnt der Masseverwalter durch seinen Rücktritt ab. Für die Beurteilung der Frage des Deckungsumfanges des Haftrücklasses bzw. der Haftrücklaßgarantie ist dies aber bedeutungslos. Nach dem Gesetz tritt anstelle des Anspruchs auf restliche Vertragserfüllung der Anspruch auf Ersatz des dem anderen Teil durch den Rücktritt verursachten Schadens. Es handelt sich hiebei um keinen Schadenersatzanspruch im Sinne der §§ 1293 ff ABGB, weil er an kein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten geknüpft ist. Das Gesetz will aber ganz offensichtlich jene Nachteile ausgeglichen wissen, die dem anderen Teil durch die Lösung des Masseverwalters vom Vertrag entstehen. Dieser Nachteil kann aber, wie schon das Berufungsgericht richtig hervorgehoben hat, gerade darin bestehen, daß der Besteller nunmehr für den Aufwand zur Mängelbehebung aufzukommen hat. Gerade in der Bauwirtschaft besteht ein erhebliches Interesse des Bestellers, seinen Anspruch auf ein mängelfreies Werk gesichert zu wissen, und es überwiegt hier im Regelfall auch das Interesse an einer Mängelbeseitigung das an einer allfälligen Entgeltminderung. Vom Standpunkt eines redlichen Erklärungsempfängers aus kann daher die Vereinbarung eines Haftrücklasses oder einer Haftrücklaßgarantie nicht anders verstanden werden als daß dadurch auch der Anspruch auf den notwendigen Verbesserungsaufwand gedeckt sein soll, gleich aus welchem Grund letztlich die Verbesserung durch den Unternehmer unterbleibt. Es ist daher auch der Standpunkt abzulehnen, daß die Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die Beklagte nach dem Rücktritt des Masseverwalters offenkundig rechtsmißbräuchlich erfolgt sei und die Beklagte die Garantieleistung daher jedenfalls herauszugeben habe. Bezieht sich aber die Sicherung auch auf die Ersatzansprüche nach § 21 Abs.2 Satz 2 KO, ist die Beklagte als Absonderungsberechtigter zu behandeln, sodaß allenfalls nur der nach Abzug des erforderlichen Deckungsaufwandes verbleibende Überschuß begehrt werden könnte. Eine Verfahrensergänzung in dieser Richtung ist jedoch entbehrlich.

Es ist nicht strittig, daß die Gemeinschuldnerin mit der A***** GmbH eine Arbeitsgemeinschaft gründete, der die Errichtung des Wohnhauses Zinckgasse übertragen wurde. Arbeitsgemeinschaften sind Gesellschaften bürgerlichen Rechtes, denen keine Rechtspersönlichkeit zukommt. Zurechnungssubjekte der Rechte und Pflichten sind die Gesellschafter, die auch Vertragspartner des Dritten sind (SZ 52/109 ua). Sind die Gesellschafter Kaufleute, wie im vorliegenden Fall, haften sie gemäß § 1203 Satz 2 ABGB dem Bauherrn solidarisch für die Erfüllung. Bei Beurteilung der Frage, ob sich im Falle des Konkurses eines ARGE-Partners dessen Masseverwalter aus dem unteilbaren Schuldverhältnis einseitig lösen kann, und der Wirkungen des Rücktrittes des Masseverwalters ist der Auffassung von Welser-Graff (aaO 123 f) zu folgen. Das Gestaltungsrecht des Masseverwalters folgt aus den Zwecken des Konkurses; es soll ihm die optimale Liquidation der Masse ermöglichen. Der Masseverwalter braucht nicht die Zustimmung der anderen ARGE-Partner. Das Erfordernis einer solchen Zustimmung würde bedeuten, daß diese in Rechte eingreifen könnten, die ihnen nicht zukommen. Andererseits bewirkt der Rücktritt des Masseverwalters keine völlige Aufhebung des Schuldverhältnisses, sondern bloß eine Lösung der Masse von der restlichen Erfüllungspflicht. Gegenüber den anderen ARGE-Partnern bleibt das Vertragsverhältnis voll aufrecht, so insbesondere auch die Pflicht zur restlichen Vertragserfüllung. Wird bei einer Auftragserteilung an eine ARGE ein Haftrücklaß oder eine Haftrücklaßgarantie vereinbart, soll diese im Regelfall die solidarische Leistungsverpflichtung aller ARGE-Partner absichern. Der Masseverwalter des in Konkurs geratenen ARGE-Mitglieds kann daher den Haftrücklaß oder die Garantieleistung trotz seines Rücktrittes vom Vertrag (auch nicht quotenmäßig) für die Masse herausverlangen. Anders wäre dies nur, wenn ausdrücklich vereinbart worden wäre, daß für bestimmte Leistungen und deren Mängel nur ein bestimmtes ARGE-Mitglied einzustehen hat und der Haftrücklaß nach Wegfall des Sicherungszweckes nur diesem Mitglied zustehen soll oder die Bankgarantie nur die Ansprüche gegen dieses Mitglied sichern soll (vgl. Welser-Graff aaO 130). Eine solche Vereinbarung wurde hier nicht behauptet. Mangels einer solchen Vereinbarung kann der Kläger daher die Herausgabe des Garantiebetrages nicht begehren. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß auch der andere ARGE-Partner in Konkurs verfallen ist. Daß auch der Masseverwalter des anderen ARGE-Partners den Rücktritt vom Vertrag erklärte, wurde nicht behauptet. Zudem sind die Forderungen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, zu denen auch die Forderung auf Herausgabe eines Haftrücklasses oder einer Garantieleistung gehören, Gesamthandforderungen, die nicht von jedem Gesellschafter für sich und quotenmäßig, sondern nur von der Gesamtheit der Gesellschafter bzw. dem dazu befugten Vertreter geltend gemacht werden können (SZ 53/2; SZ 45/113 ua). Ein einzelner Gesellschafter ist nur dann zur Klage legitimiert, wenn er die Zustimmung der Mitgesellschafter nachweist oder auf Hinterlegung des Geschuldeten für alle Gesellschafter klagt (SZ 53/2; RZ 1983/53; Schwimann-Jabornegg ABGB IV/2 § 1302 Rz 3 und 4). Die Qualifikation als Gesamthandforderungen verlieren die gesellschaftlichen Ansprüche auch nicht durch die Auflösung der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes. Der § 1215 ABGB verweist auf die Vorschriften über die Gemeinschaft des Eigentums und somit auf § 848 ABGB (vgl. SZ 50/151; EvBl. 1972/143;

Schwimann-Jabornegg aaO § 1215 Rz 4). Erst wenn eine Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern derart stattgefunden hat, daß Forderungen oder Teile davon einzelnen Mitgliedern überlassen worden sind, kann der einzelne Gesellschafter die ihm zugewiesene Forderung oder den ihm zugewiesenen Teil selbständig einklagen (SZ 50/151; Schwimann-Jabornegg aaO § 1203 Rz 4). Derartiges wurde aber hier von dem hiefür behauptungspflichtigen Kläger nicht einmal vorgebracht.

Da somit die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines allfälligen Überschusses nach Befriedigung der Ersatzansprüche der Beklagten vom Kläger nicht einmal behauptet wurden, erweist sich die Revision als berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E27119

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00538.91.0523.000

Dokumentnummer

JJT_19910523_OGH0002_0070OB00538_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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