TE OGH 1991/5/23 8Ob554/91

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Veröffentlicht am 23.05.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 28. Juli 1988 geborenen mj. Jaqueline B***** infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen Jaqueline B*****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, Als Unterhaltssachwalter, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Februar 1991, GZ 47 R 81/91-42, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 17. Dezember 1990, GZ 3 P 26/89-26, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Text

Begründung:

Im Vergleich vom 21. Februar 1989 verpflichtete sich Franz D*****, seiner am 28. Juli 1988 geborenen mj. Tochter Jaqueline B***** einen Unterhaltsbetrag von monatlich S 1.500,-- zu leisten.

Mit Beschluß vom 17. Dezember 1990 gewährte das Erstgericht der Minderjährigen für die Zeit vom 1. November 1990 bis 31. Oktober 1993 Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe mit der Begründung, die Führung von Exekutionen erscheine aussichtslos, weil der unterhaltspflichtige Vater am 24. Oktober 1990 von seinem Arbeitgeber entlassen worden sei; die laufende Exekution habe nicht das gewünschte positive Ergebnis gebracht.

Gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhob der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien Rekurs mit dem Antrag, in Abänderung dieser Entscheidung den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen abzuweisen.

Das Rekursgericht gab diesem Rechtsmittelantrag statt und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Das Rekursgericht stellte ergänzend fest, daß das Dienstverhältnis des Vaters bei der Firma N***** mit 24. Oktober 1990 fristlos gelöst wurde, weil er nicht mehr zur Arbeit erschien; in der Folge war der Vater beim Arbeitsamt arbeitssuchend gemeldet, ohne jedoch Arbeitslosengeld zu beziehen; er ist derzeit unbekannten Aufenthalts.

In rechtlicher Hinsicht äußerte das Rekursgericht die Ansicht, aus der Meldung beim Arbeitsamt zur Vermittlung sei zu schließen, daß der Vater - ungeachtet der Gründe für seine

Entlassung - nicht in der Lage sei, einen neuerlichen Arbeitsplatz mit entsprechendem Einkommen zu finden. Es bestünden daher begründete Bedenken im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UVG, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht noch bestehe.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Zur Begründung wird ausgeführt, es bestünden keinerlei Hinweise darauf, daß der Vater nach seiner Entlassung nicht mehr in der Lage gewesen sei, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Es sei vielmehr anzunehmen, daß er aus unangemeldeter Tätigkeit Einkommen beziehe. Die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsverpflichtung müsse unter Zugrundelegung der Anspannungstheorie als entsprechend anerkannt werden. Zu berücksichtigen sei auch, daß der Vater keinen Antrag auf Unterhaltsherabsetzung gestellt habe.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Voraussetzungen der Anwendung der Anspannungstheorie im Zusammenhang mit § 7 Abs 1 Z 1 UVG abgewichen ist; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, wenn in den Fällen der §§ 3, 4 Z 1 und 4 UVG begründete Bedenken bestehen, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist.

Bei der Festsetzung des gesetzlichen Unterhaltes kommt es zwar grundsätzlich auf die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten an, es muß dabei aber auch stets die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen berücksichtigt werden. Da die Eltern zur Deckung des Unterhaltsbedarfes des Kindes gemäß § 140 Abs 1 ABGB nach ihren Kräften beizutragen haben, ist für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht nur das tatsächlich erzielte, sondern das bei zumutbarer Anspannung der Leistungskraft des Unterhaltspflichtigen erzielbare Erwerbseinkommen maßgebend (7 Ob 628/90; EvBl. 1990/128). Eine fristlose Entlassung als Dienstnehmer führt für sich allein bei der Unterhaltsfestsetzung grundsätzlich noch nicht zur Anwendung der Anspannungstheorie. Es kommt auch bei einer Entlassung insoferne auf das nachfolgende tatsächliche Verhalten des Unterhaltsschuldners an, als er sich danach über die bloße Anmeldung als Arbeitsuchender hinaus in jeder ihm zumutbaren Weise um die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes tatkräftig bemühen muß (6 Ob 655/90; 8 Ob 509/91). Verletzt der Vater seine Pflicht, den Unterhalt nach Kräften zu leisten, so bestehen auch keine begründeten Bedenken (§ 7 Abs 1 Z 1 UVG) gegen die Höhe des festgesetzten Unterhaltes (vgl. 8 Ob 509/91). Kann eine derartige Pflichtverletzung aber nicht angenommen werden, so sind die Unterhaltsvorschüsse "ganz oder teilweise" zu versagen. Unbeachtlich ist, ob der Unterhaltspflichtige, aus welchen Gründen immer, es unterläßt, eine Änderung des Unterhaltstitels herbeizuführen (6 Ob 676/90).

Um bei begründeten Bedenken eine Entscheidungsgrundlage zu erhalten, ist das Bewilligungsgericht verbunden, auch amtswegige Erhebungen durchzuführen. Es entspricht allerdings nicht dem Zweck des Bewilligungsverfahrens zur Gewährung von Unterhaltsvorschüssen, ein umfangreiches, zeitaufwendiges Verfahren abzuführen (6 Ob 676/90). Im vorliegenden Fall steht fest, daß der unterhaltspflichtige Vater nicht mehr zur Arbeit erschien, sodaß das Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst wurde. Er war wohl in der Folge als arbeitssuchend gemeldet, ist aber nun unbekannten Aufenthaltes. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ergeben sich aus der Aktenlage keinerlei Hinweise dafür, daß der Unterhaltspflichtige in jeder ihm zumutbaren Weise um die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes tatkräftig bemüht wäre, vielmehr stellt der Umstand, daß er unbekannten Aufenthaltes ist, ein Indiz dafür dar, daß er sich seiner Unterhaltspflicht zu entziehen versucht. Der unbekannte Aufenthalt läßt auch rasche weitere Erhebungen nicht zu, sodaß dem Revisionsrekurs stattzugeben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen war.

Anmerkung

E27154

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00554.91.0523.000

Dokumentnummer

JJT_19910523_OGH0002_0080OB00554_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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