TE OGH 1991/6/6 15Os17/91

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Veröffentlicht am 06.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Springer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Heinrich W***** wegen des Finanzvergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG als Beteiligter nach § 11, zweiter Fall, FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4.September 1990, GZ 6 d Vr 3473/87-61, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Angeklagten Dr. W***** und des Verteidigers Dr. Lehner, jedoch in Abwesenheit eines Vertreters der Finanzstrafbehörde zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem den Angeklagten Dr. Heinrich W***** betreffenden Schuldspruch und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß §§ 290 Abs. 1, 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Dr. Heinrich W***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in Wien als verdeckter Alleingesellschafter der A***** GesmbH den Dipl.Ing. Walter G***** dazu bestimmt, daß dieser als Geschäftsführer und Wahrnehmender der genannten Gesellschaft unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs- und Wahrheitspflichten am 31.Oktober 1980 durch Einreichung unrichtiger Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuererklärungen für das Jahr 1979 Abgabenverkürzungen zu bewirken versuchte, und zwar an Umsatzsteuer in der Höhe von

69.300 S, an Körperschaftssteuer in der Höhe von 456.500 S und an Gewerbesteuer in der Höhe von 152.454 S (Gesamthöhe somit 678.254 S), und er habe hiedurch das Finanzvergehen der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG als Beteiligter nach § 11 zweiter Fall FinStrG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurde Dr. Heinrich W***** des "versuchten Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung" (richtig: des Finanzvergehens der versuchten Abgabenhinterziehung) nach §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG als Beteiligter nach § 11 zweiter Fall FinStrG schuldig erkannt.

Ihm wird inhaltlich des Schuldspruchs angelastet, "als verdeckter Alleingesellschafter der Firmen A***** GesmbH sowie O***** GesmbH im Zeitraum Mai 1979 bis Oktober 1980 vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich dadurch, daß er veranlaßte, daß Dipl.Ing. Walter (von) G***** als Geschäftsführer und Wahrnehmer der Firma A***** GesmbH am 31.10.1980 unrichtige Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuererklärungen für das Jahr 1979 einreichte, eine Abgabenverkürzung" an Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer in der Gesamthöhe von 678.254 S zu bewirken versucht zu haben.

Die Formulierung dieses Schuldspruchs ist - was der Vollständigkeit halber angemerkt sei - insoweit irreführend, als sie darauf abstellt, der Angeklagte habe (auch) als verdeckter Alleingesellschafter der Firma O***** GesmbH den Dipl.Ing. Walter G***** zu der in Rede stehenden (versuchten) Abgabenhinterziehung bestimmt. Denn Dipl.Ing. G***** war nicht Organ dieser Gesellschaft, weshalb sich der Schuldspruch darauf zu beschränken gehabt hätte, daß der Angeklagte als verdeckter Alleingesellschafter der Firma A***** GesmbH den Genannten als Geschäftsführer dieses Unternehmens zur Abgabenhinterziehung bestimmt hat. Gleiches gilt im übrigen für die Formulierung des Punktes II des Freispruchs, weil dieser ebenfalls nur eine von Dipl.Ing. G***** verübte (versuchte) Abgabenhinterziehung zum Gegenstand hat. Soweit die Anklagebehörde aber dem Angeklagten die Bestimmung der Mitangeklagten Hildegard S***** als Geschäftsführerin und Wahrnehmende der O***** GesmbH zur Agabenhinterziehung für das Jahr 1978 anlastete (Punkt B in Verbindung mit Punkt A/II der Anklageschrift ON 53), blieb die Anklage nach dem Inhalt des Urteilsspruchs unerledigt, was allerdings weder vom Staatsanwalt noch von der Finanzstrafbehörde erster Instanz bekämpft wird.

Der gegen den Schuldspruch erhobenen, auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Das Schöffengericht stützte die Feststellungen über Grund und Höhe der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Abgabenschuld allein auf die betreffenden abgabenbehördlichen Bescheide (vom 22. und 29. April 1983), denen es, ohne näher darauf einzugehen, Bindungswirkung zumaß (US 13, 18).

Diese Feststellungsgrundlage ist, wie der Angeklagte - wenngleich im Rahmen seiner Rechtsrüge, der Sache nach jedoch als Mängelrüge (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch Finanzstrafgesetz E 11 b zu § 55) - zu Recht ins Treffen führt, bei der gegebenen Fallkonstellation jedenfalls unzureichend. Denn die rechtskräftige endgültige Abgabenfestsetzung durch die zuständige Abgabenbehörde entfaltet dann keine Bindungswirkung für das gerichtliche Finanzstrafverfahren, wenn die Abgabenbescheide - wie hier - nicht den Angeklagten als Partei des finanzbehördlichen Abgabenfestsetzungsverfahrens betrafen (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch aaO E 17 a, 18 b zu § 55; RdW 1987, 162; EvBl 1980/89 ua) und dieser auch nicht die Möglichkeit hatte, sich gleich einer Partei - etwa als vertretungsbefugtes Organ einer steuerpflichtigen Gesellschaft - am Abgabenverfahren zu beteiligen und Einwendungen vorzubringen (14 Os 42/88 ua). Da dem Beschwerdeführer vorliegend eine derartige unmittelbare Wahrnehmung seiner Rechte verwehrt war (siehe Veranlagungsakt des Finanzamtes für Körperschaften, Steuernummer 210/1377), wäre das Erstgericht verhalten gewesen, den Umfang der inkriminierten versuchten Abgabenverkürzung einer eigenständigen Prüfung (wenngleich zulässigerweise auch unter Heranziehung der Ergebnisse des finanzbehördlichen Verfahrens - vgl RdW 1987, 162) zu unterziehen. Dieser Verpflichtung kam das Schöffengericht nicht nach, weshalb schon aus diesem Grund die Aufhebung des Schuldspruches unumgänglich ist.

Eine Verfahrenserneuerung kommt im vorliegenden Verfahren aber mit Rücksicht auf den von Amts wegen zu beachtenden Strafaufhebungsgrund der absoluten Verjährung (§ 31 Abs. 5 FinStrG) nicht mehr in Frage:

Die Anhebung des für die Gerichtszuständigkeit maßgebenden strafbestimmenden Wertbetrages von 500.000 S auf eine Million Schilling durch die Finanzstrafgesetz-Novelle 1985, BGBl 571, bewirkte im vorliegenden Verfahren zwar im Hinblick auf die Einleitung des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens vor dem 1. Jänner 1986 (vgl S 1 verso) das Fortbestehen der sachlichen Zuständigkeit des Gerichtes (Art II § 3 Abs. 2 der Finanzstrafgesetz-Novelle 1985). Die Übergangsregelungen des Art II § 3 dieser Novelle stellen auf den Zweiten Abschnitt des Finanzstrafgesetzes ab, der vom Finanzstrafverfahren handelt. Dagegen trifft Art II § 2 der genannten Novelle Übergangsregelungen in Ansehung des Ersten Abschnittes des Finanzstrafgesetzes und statuiert hier insbesondere das Günstigkeitsprinzip (§ 2 Abs. 1 lec cit).

Daraus ergibt sich, daß die im Ersten Abschnitt des Finanzstrafgesetzes eingereihte Bestimmung über die Verjährung trotz der weiteren Zuständigkeit des Gerichtes im vorliegenden Verfahren so anzuwenden ist, als ob (materiell) ein in die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit ressortierendes Finanzvergehen vorläge. Mithin ist hier für die Prüfung des Eintrittes der absoluten Verjährung nach § 31 Abs. 5 FinStrG die Verjährungsfrist von zehn Jahren maßgebend (12 Os 37/88, 14 Os 120/89).

Dem Beschwerdeführer liegt Bestimmung zum Versuch der Abgabenhinterziehung zur Last; die genannte Frist begann daher mit der am 31.Oktober 1980 erfolgten Einbringung der Abgabenerklärungen zu laufen (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch aaO E 4 zu § 31; 13 Os 168/88). Eine Hemmung, Unterbrechung oder Verlängerung der absoluten Verjährungsfrist des § 31 Abs. 5 FinStrG kommt nicht in Frage (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch aaO E 6 zu § 31). Demnach war zwar die Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Finanzvergehens zum Zeitpunkt des Urteils erster Instanz (gerade noch) gegeben, mittlerweile ist sie aber bereits vor Einbringung der Nichtigkeitsbeschwerde erloschen.

Bei einer assertorischen Rechtsmittelentscheidung wäre dies unbeachtlich, weil diesfalls auf den Zeitpunkt der Fällung des Urteils erster Instanz abzustellen ist; bei einer reformatorischen oder einer - hier

unvermeidlichen - kassatorischen Entscheidung ist hingegen vom Rechtsmittelgericht - vorliegend in Wahrnehmung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes gemäß § 290 Abs. 1 StPO - sogleich mit Freispruch vorzugehen (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch aaO Anm 9 zu § 31).

Darauf war der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen.

Anmerkung

E26143

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00017.91.0606.000

Dokumentnummer

JJT_19910606_OGH0002_0150OS00017_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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