TE OGH 1989/3/30 13Os168/88

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Veröffentlicht am 30.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. März 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Felzmann (Berichterstatter), Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Telfser als Schriftführers in der Strafsache gegen Helmut F*** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Leoben als Schöffengerichts vom 10. Juni 1988, GZ 11 Vr 577/87-70, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Bassler, des Angeklagten Helmut F*** und des Verteidigers Dr. Hartung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Punkten II 4 und III 1 bis 4 ebenso wie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13. Mai 1925 geborene Frächter Helmut F*** des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG. schuldig erkannt (irrig auch nach "Abs 3 lit a und b", denn § 33 Abs 3 FinStrG. enthält bloß Legaldefinitionen, die Tatbestände sind in den Absätzen 1, 2 und 4 umschrieben: LSK. 1984/97). Darnach hat er in Bruck an der Mur vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Nichtabgabe von Steuererklärungen, Abgabe von unrichtigen Steuererklärungen und Nichtvornahme der zeitgerechten Abfuhr von Steuern Abgabenverkürzungen bewirkt, und zwar

I. als Gesellschaft(er) der Firma F*** & Co. Holzhandels KG.

1. in den Jahren 1974 bis 1977 Umsatzsteuer in der Höhe von 134.075 S,

2. in den Jahren 1974 bis 1977 Gewerbesteuer in der Höhe von

674.496 S;

II. betreffend seine eigene Person

1. in den Jahren 1975 bis 1978 Vermögensteuer in der Höhe von

84.953 S,

2. in den Jahren 1974 und 1976 bis 1979 Einkommensteuer in der Höhe von 3,722.705 S,

3. in den Jahren 1976 bis 1978 Gewerbesteuer in der Höhe von

926.864 S,

4. in den Jahren 1974 und 1976 betreffend seine Gattin Margarethe F*** Einkommensteuer in der Höhe von 435.388 S;

III. als geschäftsführender Gesellschafter der Firma F*** & Co. GesmbH., weitergeführt unter dem Firmennamen H*** GesmbH.

1. in den Jahren 1977 bis 1979 Umsatzsteuer in der Höhe von

130.656 S,

2. in den Jahren 1978 und 1979 Körperschaftsteuer in der Höhe von 2,623.335 S,

3. in den Jahren 1978 und 1979 Gewerbesteuer in der Höhe von

891.251 S,

4. in den Jahren 1977 bis 1979 Kapitalertragsteuer in der Höhe von 292.357 S.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1, Z. 3, 4, 5, 5 a, 9 lit a und b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Verfahrens- (Z. 4), Mängel- (Z. 5) und Tatsachenrüge (Z. 5 a), wobei er inhaltlich auch Feststellungsmängel (Z. 9 lit a) aufzeigt, die in den Punkten II 4 und III enthaltenen Schuldsprüche angreift, kann ihm nicht entgegengetreten werden.

Zum Schuldspruch II 4, wonach der Beschwerdeführer (als unmittelbarer Täter ?) unter Verletzung einer (ihn selbst treffenden ?) abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1974 und 1976 betreffend seine Gattin Margarethe F*** (S. 272) eine - diese begünstigende (S. 271, 277) - Verkürzung von Einkommensteuer in der Höhe von 435.388 S bewirkte, ist dem Urteil - worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist - kein Haftungstatbestand zu entnehmen. Die Feststellungen lassen vielmehr offen, ob der Schöffensenat - rechtlich verfehlt - von einer grundsätzlichen strafrechtlichen Haftung des Beschwerdeführers für Abgabenverkürzungen seiner Gattin ausging oder ob der Senat - denkmöglich - eine faktische Wahrnehmung der Angelegenheiten der Margarethe F*** durch den Angeklagten unterstellte (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Anmerkungen 4 und 5 zu § 33 FinStrG.). Im letzteren Fall wäre der Beschwerdeführer als Beitragstäter (§ 11, dritter Fall, FinStrG.) zur strafrechtlichen Verantwortung zu ziehen (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch E. 6 a zu § 11 FinStrG. und Erläuterung P. 4 zu § 33 FinStrG.). Trotz entsprechender Erörterungen in der Hauptverhandlung (S. 173 bis 176) unterließen die Tatrichter jedwede Konstatierung zu dieser Haftungsfrage, sodaß es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, in der Sache selbst zu entscheiden. Der die Verkürzung von Einkommensteuer in der Höhe von 435.388 S durch die Ehefrau und Mitgesellschafterin des Beschwerdeführers betreffende Schuldspruch II 4 mußte daher aufgehoben werden.

In sich widersprüchlich und mit der Aktenlage nicht im Einklang sind die Feststellungen des Schöffengerichts zum Schuldspruch des Angeklagten laut Punkt III. Die Konstatierungen, wonach der Angeklagte als geschäftsführender Gesellschafter der Firma F*** & Co. GesmbH., "weitergeführt unter dem Firmennamen H*** GesmbH.", durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1977 bis 1979, unrichtiger Körperschafts- und Gewerbesteuererklärungen für 1978 und 1979 und nicht zeitgerechte Abfuhr von Kapitalertragsteuer für 1977 bis 1979 als "verantwortlicher Gesellschafter" für die H*** GesmbH. in den Jahren 1977 bis 1979 Abgabenverkürzungen bewirkte (S. 268, 269, 272), sind mit den Urteilsannahmen nicht in Einklang zu bringen, denen zufolge der Beschwerdeführer am 30. Mai 1979 als Geschäftsführer der F*** & Co. GesmbH. ausschied, deren Firmenbezeichnung erst später, und zwar mit Generalversammlungsbeschluß vom 28. November 1979 auf "H*** GesmbH." geändert wurde (S. 271). Gegen die erwähnten Urteilsannahmen - einschließlich der kritisierten Feststellung, der Beschwerdeführer wäre "im Prüfungszeitraum verantwortlicher Gesellschafter" der Firma H*** gewesen (S. 271) - ergeben sich auch aus der Aktenlage erhebliche Bedenken; denn aus dem Bericht gemäß § 150 BAO. des Finanzamts Graz-Stadt vom 17. März 1982 betreffend die H*** GesmbH. geht, worauf der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens erfolglos hingewiesen hat, hervor, daß die Firma F*** & Co. HolzhandelsGesmbH. und ab 28. November 1979 auch die H*** GesmbH. infolge eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs den Bilanzstichtag am 30. Juni jedes Jahres hatte (TZ. 4). Demgemäß könnten Verkürzungen an Umsatzsteuer für die Jahre 1977 und 1978, an Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für das Jahr 1978 und an Kapitalertragsteuer für 1977 und 1978 im Fall fristgerechter Abgabe der jeweiligen Steuererklärungen dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Firma F*** & Co. HolzhandelsGesmbH. (§§ 80, 115 Abs 2 BAO.; §§ 18, 22 Abs 1 und 2 GesmbHG.) zugerechnet werden. Für den (vom Beschwerdeführer behaupteten) Fall verspäteter Abgabe der Steuererklärungen für 1978 (S. 263) und für den restlichen, vom Schuldspruch erfaßten Zeitraum (1979) wäre im zweiten Rechtsgang in Entsprechung der Beweisanträge des Beschwerdeführers (ON. 37; in der letzten Hauptverhandlung "aufrechterhalten": S. 264) zu klären, wen jeweils die Geschäftsführerhaftung für die bewirkten Abgabenverkürzungen trifft und ob der Beschwerdeführer allenfalls - eventuell im Rahmen der H*** GesmbH., deren Geschäftsführer er zu keinem Zeitpunkt war - Handlungen gesetzt hat, die ihm als sonstiger Tatbeitrag (§ 11, dritter Fall, FinStrG.) zu den von anderen bewirkten Abgabenverkürzungen strafrechtlich angelastet werden können. Es mußte daher - wegen des faktischen und rechtlichen Zusammenhangs (§ 289 StPO.) - der Schuldspruch III zur Gänze aufgehoben und der Sachverhalt einer neuerlichen Prüfung in einem zweiten Rechtsgang zugeführt werden.

Im übrigen kommt der Beschwerde aber keine Berechtigung zu. Wenn der Beschwerdeführer eine ausdrücklich mit Nichtigkeit (Z. 3) bedrohte Verletzung des § 151 Z. 2 StPO. darin erblickt, daß der Finanzbeamte Wilfried K*** in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen wurde, ohne von der Verschwiegenheitspflicht ausdrücklich entbunden gewesen zu sein, übersieht er die Sonderregelung (§ 195 FinStrG.) des § 208 FinStrG.: In Finanzstrafverfahren haben Zeugen selbst dann über Verhältnisse und Umstände auszusagen, wenn diese unter die Geheimhaltungspflicht nach § 48 a BAO. fallen. Gemäß § 48 a Abs 4 lit a BAO. wiederum besteht gar keine Geheimhaltungspflicht, wenn die Aussage der Durchführung eines Finanzstrafverfahrens dient.

Der Wirtschaftstreuhänder Lutz S*** hat - dem Beschwerdevorbringen zuwider - zunächst (am 16. Oktober 1984) von seinem Zeugnisentschlagungsrecht (§ 152 Abs 1 Z. 2 StPO.) Gebrauch gemacht (S. 31) und sich erst nach der Entbindung von seiner Verschwiegenheitspflicht durch den Beschwerdeführer am 5. November 1984 (S. 29 verso) zur Zeugenaussage vor dem Bezirksgericht Deutschlandsberg bereit gefunden. Die Datierung dieser Zeugenaussage mit 3. November 1984 (S. 39) beruht - wie sich aus dem Datum des dieser Vernehmung vorangehenden (wiederholten) Rechtshilfeersuchens und dem Aktenlauf ergibt (S. 37) - auf einem Schreibfehler und soll richtig wohl 3. Dezember 1984 lauten. Einer Belehrung des - ohnehin informierten - Zeugen über die Möglichkeit einer Zeugnisbefreiung und eines ausdrücklichen Verzichts auf sein Entschlagungsrecht bedurfte es nicht, weil sich die Vorschrift des § 152 Abs 3 StPO. nach dessen klaren Wortlaut nur auf die im Abs 1 Z. 1 bezeichneten Personen und demnach nicht auf die Zeugenaussage eines Wirtschaftstreuhänders bezieht.

Der "lediglich vorsichtshalber" geltendgemachte Verstoß gegen § 240 a StPO. liegt nicht vor, weil die Schöffen Johann K*** und Sebastian K*** im übrigen in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Verteidigers Dr. K*** in der Hauptverhandlung vom 10. Juni 1988 beeidigt wurden (S. 260).

Es trifft aber auch der Vorwurf unzureichender Individualisierung der Tat (§ 260 Abs 1 Z. 1 StPO.) nicht zu. Erstens lautet der Schuldspruch in gesetzmäßiger sprachlicher Verknüpfung des Wortlauts des § 33 Abs 1 FinStrG. mit der konstatierten Handlungsweise des Täters dahin, der Angeklagte habe vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (zu ergänzen: "teils" statt "oder") durch Nichtabgabe von Steuererklärungen, (teils) durch Abgabe von unrichtigen Steuererklärungen und (teils) durch Nichtvornahme der zeitgerechten Abfuhr von Steuern Abgabenverkürzungen bewirkt. Zweitens ist dem Urteilssatz, getrennt nach der jeweiligen Funktion des Beschwerdeführers (Punkte I bis III, Untergliederung in arabischen Zahlen), der - wenn auch jeweils in mehreren Jahren bewirkte - gesamte Verkürzungsbetrag jeder einzelnen Steuer zu entnehmen. Beides schließt eine wiederholte Verurteilung des Beschwerdeführers wegen derselben Tat aus. Einer vollständigen Beschreibung der sehr vielfältigen und unterschiedlichen Tathandlungen des Angeklagten im Urteilsspruch (siehe dazu aber die Urteilsfeststellungen S. 272) bedurfte es ebensowenig wie einer exakten Angabe der jeweils den einzelnen Jahren zugeordneten Verkürzungsbeträge. Genug daran, daß die Gefahr einer Doppelverurteilung, weil man bei allenfalls nachträglich hervorkommenden weiteren Abgabenverkürzungen in den im Urteil zusammengefaßt angegebenen Jahren nicht feststellen könne, ob diese weiteren Steuerhinterziehungen betragsmäßig vom Schuldspruch erfaßt sind (S. 285), in Wahrheit nicht besteht: Mit der Verurteilung wegen Verkürzungsbeträgen, die auf den rechtskräftigen endgültigen Abgabenfestsetzungen beruhen, sind klare Grenzen gezogen. Jeder bezüglich einer bestimmten Abgabe und eines bestimmten Zeitraums neu hervorkommende Hinterziehungsverdacht müßte sich vorerst in einer Nachversteuerung, d.h. in einer neuen rechtskräftigen endgültigen Abgabenfestsetzung (nach Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO.) niederschlagen, bevor es zu einer neuerlichen Verurteilung, und zwar nur wegen noch nicht abgeurteilter Hinterziehungen (noch nicht urteilsmäßig erfaßter Verkürzungen) kommen könnte.

Einen Verfahrensmangel (Z. 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Ablehnung seiner Anträge (S. 264, 265) zum Beweis dafür, daß die dem Verfahren zugrundeliegenden Abgabenbescheide zum Teil nicht rechtskräftig seien, weil die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 29. Mai 1985 am 24. Juni 1985 (in der Nichtigkeitsbeschwerde unrichtig 24. Juni 1986) nicht ordnungsgemäß an den Zustellbevollmächtigten Dr. Eginhard A***, sondern an den Angeklagten selbst zugestellt worden sei (siehe den in der Hauptverhandlung aufrecht erhaltenen Beweisantrag ON. 37 und S. 203).

Dem Beschwerdeführer ist lediglich einzuräumen, daß die Rechtskraft eines Abgabenbescheids als Voraussetzung für die Durchführung der Hauptverhandlung im gerichtlichen Finanzstrafverfahren betreffend die im § 55 FinStrG. genannten Abgaben zu prüfen ist (sonst Verfolgungshindernis: § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO.). Rechtlich verfehlt ist aber die Argumentation, die in Rede stehenden Abgabenbescheide seien infolge eines bei der Zustellung der Berufungsentscheidung unterlaufenen Zustellmangels nicht rechtskräftig; denn gemäß § 291 BAO. ist gegen Berufungsentscheidungen und gegen sonstige Bescheide der Abgabenbehörde zweiter Instanz ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Demgemäß sind die angefochtenen Abgabenbescheide - was ersichtlich auch das Erstgericht verkennt - mit der Entscheidung des Berufungssenats der Finanzlandesdirektion für Steiermark über die Berufung des Beschwerdeführers am 29. Mai 1985 in Rechtskraft erwachsen. Der Zustellung der Berufungsentscheidung an den Berufungswerber oder dessen Vertreter kommt daher nur mehr insoweit Bedeutung zu, als sie die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 131 Abs 2 B-VG. an den Verwaltungsgerichtshof in Gang setzt (§ 292 BAO.). Das außerordentliche Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde hindert aber die Hauptverhandlung nicht (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, E. 20 bis 21 a zu § 55 FinStrG.). Den abgelehnten Beweisanträgen mangelt sonach die für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels erforderliche Relevanz (§ 281 Abs 3 StPO.).

Soweit der Angeklagte aber über das im Rahmen der Teilaufhebung als richtig erkannte Vorbringen hinaus in seiner Mängelrüge (Z. 5) einen Verstoß gegen die Formvorschriften des § 270 Abs 2 Z. 2 StPO. (in der Fassung des StRÄG. 1987) behauptet, weil im Urteil bei den Generalien des Beschwerdeführers dessen Staatsangehörigkeit nicht angeführt ist, verkennt er, daß sich diese Rüge nur gegen Mängel in der Begründung entscheidender Tatsachen (§ 270 Abs 2 Z. 4 und 5 StPO.) richten kann. Die Frage der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ist übrigens für das Bestehen der inländischen Steuerpflicht ohne Belang.

Gleiches gilt für den Vorwurf einer Verletzung der Formvorschrift des § 270 Abs 3 StPO., deren Nichtbeachtung zum einen für das aktuelle Ausmaß der Rechtsmittelausführungsfrist ohne Bedeutung ist (§ 285 Abs 3 StPO.) und zum anderen nach der Lage des Falls zu Unrecht gerügt wird. Die Erweiterung der Rechtsmittelfrist auf vier Wochen gilt nämlich nur für einheitliche, wenn auch gemäß § 276 a, erster Satz, StPO. vertagte Hauptverhandlungen, nicht aber für - wie hier - nach § 276 a, zweiter Satz, StPO. wiederholte Hauptverhandlungen, bei denen die davor liegenden Verhandlungstage nicht zählen (Foregger-Serini, MTA., StPO.5 Anm. II zu § 270, gestützt auf JAB. 359 der Beil. NR. XVII. GP. S. 42). Wenn der Beschwerdeführer bezüglich der Höhe der jeweils festgestellten strafbestimmenden Wertbeträge unzureichende Begründung einwendet, übersieht er, daß sich der Schöffensenat in dieser Beziehung auf die "rechtskräftigen Bescheide der Finanzbehörde laut Anzeige" und die Beilage A (Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 29. Mai 1985) stützt (S. 276). Den Anzeigen ON. 2 und ON. 12 (insbesondere S. 25 und 55) ist in Verbindung mit der Berufungsentscheidung die Höhe der jeweils verkürzten Abgaben (Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Vermögensteuer) bezüglich der (nach der Teilaufhebung des Urteils verbleibenden) Steuersubjekte F*** & Co. Holzhandels KG. und Helmut F*** eindeutig zu entnehmen. Vom Bestehen der sich aus dem Spruch eines gegen den Angeklagten ergangenen rechtskräftigen Bescheids über die endgültige Abgabenfestsetzung ergebenden Abgabenschuld hat das Gericht - was der Beschwerdeführer ohnedies nicht in Abrede stellt - dem Grund und der Höhe nach als Tatsache auszugehen (SSt. 48/36 verstärkter Senat). Für eine vom Beschwerdeführer ganz allgemein wegen "griffweiser Schätzungszuschläge" (S. 294, 295) ins Treffen geführte unterschiedliche Beurteilung der subjektiven Tatseite bleibt hier kein Raum, weil das Finanzamt in der Anzeige "reine Sicherheitszuschläge und nicht nachgewiesene Schmiergelder" (S. 11, 15), "nicht ganz klare Sachverhalte" (hinsichtlich Dauerschuldzinsen und Kreditgebühren: S. 13) und "irrelevante Zurechnungen" (S. 17) bei der Berechnung der strafrechtlich relevanten Verkürzungsbeträge außer Ansatz gelassen hat.

Mit seiner Tatsachenrüge (Z. 5 a) ist der Beschwerdeführer - wie bereits oben dargelegt - teilweise im Recht. Seine Vermutung, das Erstgericht habe ihm bezüglich der - für die Frage der Verjährung bedeutsamen - Verkürzung von Einkommensteuer für das Jahr 1979 zur Last gelegt, "überhaupt keine Steuererklärung abgegeben zu haben" (S. 301), trifft aber nicht zu. Aus der vom Schöffensenat verwerteten Anzeige des Finanzamts vom 27. August 1984 (ON. 2) ergibt sich, daß der Beschwerdeführer nach der am 26. Jänner 1981 erstatteten (unvollständigen: S. 34 verso, 35 des Aktes des Finanzamts Bruck an der Mur betreffend die F*** & Co. Holzhandels KG., ferner S. 63 verso und 64 des Aktes desselben Finanzamts betreffend Helmut F***) Selbstanzeige (S. 270) die (ebenfalls unvollständige: S. 47 verso, 48 des Aktes des Finanzamts Bruck an der Mur betreffend Helmut F***) Einkommensteuererklärung für 1979 am 6. Mai 1981 abgegeben hat (S. 7).

Es versagen aber auch die - die verbleibenden Schuldsprüche betreffenden - Rechtsrügen.

Mit dem Einwand, die tatsächlichen Feststellungen ließen nicht erkennen, durch welche Handlungen der Angeklagte die Abgabenverkürzungen bewirkt habe (Z. 9 lit a), setzt sich der Beschwerdeführer, wie oben dargelegt, über den Urteilsinhalt hinweg. Es kann auf das zu § 260 Abs 1 Z. 1 StPO. (Individualisierung der Tat) Gesagte Bezug genommen werden und im übrigen bilden die Entscheidungsgründe (hier S. 272; Nichtabgabe der Vermögensteuererkl. siehe S. 13, unrichtige Einkommensteuererkl. 1979 vom 6. Mai 1981, Veranlagungen 1974 bis 1978 siehe nochmals S. 13 ff.) mit dem Urteilsspruch eine Einheit (SSt. 2/56, 6/30, EvBl 1959/119, 1966/439, 9 Os 4/70, 12 Os 126/77, 11 Os 194/81 u. a.).

Mit dem weiteren Einwand, dem Urteil seien jene Feststellungen (Wertgrenzen, Fortsetzungszusammenhang) nicht zu entnehmen, die für eine Beurteilung der Frage notwendig sind, ob überhaupt ein in die gerichtliche Zuständigkeit fallendes Finanzvergehen vorliegt, setzt sich der Beschwerdeführer einmal mehr über den Urteilsinhalt hinweg, wobei er überdies die Rechtslage verkennt. Gemäß § 53 Abs 1 lit b, erster Fall, FinStrG. ist das Gericht zur Ahndung vorsätzlich begangener Finanzvergehen zuständig, wenn der Wertbetrag, nach dem sich die Strafdrohung richtet (strafbestimmender Wertbetrag), eine Million Schilling übersteigt oder wenn die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge aus mehreren zusammentreffenden, vorsätzlich begangenen Finanzvergehen eine Million Schilling übersteigt und alle diese Vergehen in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fielen. Den (verbleibenden) Schuldsprüchen I und II 1 bis 3 zufolge hat der Beschwerdeführer das Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG. mit einem strafbestimmenden Wertbetrag (Verkürzungsbetrag im Sinn des § 33 Abs 5 FinStrG.) von insgesamt 5,543.093 S begangen, das in die Zuständigkeit des Finanzamts Bruck an der Mur als Finanzstrafbehörde fällt. Infolge der zwingend vorgeschriebenen Zusammenrechnung der strafbestimmenden Wertbeträge aus mehreren zusammentreffenden Finanzvergehen kommt der Frage des Fortsetzungszusammenhangs (oder der Deliktswiederholung) keine Bedeutung zu.

Bezüglich der des weiteren behaupteten Verjährung der Strafbarkeit (Z. 9 lit b) unterstellt der Angeklagte als letzte Tathandlung die von ihm am 6. Mai 1981 abgegebene Einkommensteuerklärung für das Jahr 1979. Daß diese Erklärung (infolge Fehlens der verdeckten Gewinnausschüttungen; vgl. S. 47 verso, 48 des Aktes des Finanzamts Bruck an der Mur betreffend Helmut F*** und die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark S. 21) unvollständig und damit unrichtig war, ist dem Urteil im Hinblick auf dessen Hinweis auf die Finanzakten noch mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Diese unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht abgegebene Erklärung hat jedoch - was sowohl der Beschwerdeführer als auch das Erstgericht übersehen - keine Abgabenverkürzung bewirkt, weil der Angeklagte zur Einkommensteuer betreffend das Jahr 1979 erst im Zug der abgabenbehördlichen Prüfung veranlagt wurde (S. 17, 53). Insoweit liegt daher rechtsrichtig nur Versuch vor und die Verjährungsfrist begann mit der Überreichung der unrichtigen Einkommensteuererklärung zu laufen (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, E. 4 zu § 31 FinStrG.). Gemäß § 31 Abs 4 lit b FinStrG. wird in die Verjährungsfrist jene Zeit nicht eingerechnet, während der wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei Gericht oder bei einer Finanzstrafbehörde anhängig ist. Im gegenständlichen Fall setzte das Gericht (durch Ladung des Helmut F*** als "Beschuldigten") die erste Verfolgungshandlung am 5. September 1984 (S. 2). Nur darauf und nicht auf das Einlangen der Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft oder auf die Einbringung der Anklageschrift (S. 304) kommt es an. Mit dem 5. September 1984 war der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt, die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 31 Abs 2 FinStrG.) konnte nicht ablaufen. Dabei macht es abermals keinen Unterschied, ob der Beschwerdeführer das Finanzvergehen (§ 33 Abs 1 FinStrG.) im Fortsetzungszusammenhang oder in der Form jährlicher Deliktswiederholungen begangen hat. Bei einem fortgesetzten Delikt ist die Verjährungsfrist unabhängig davon, wann die strafbare Tätigkeit begonnen hat, erst von dem Zeitpunkt an zu berechnen, an dem diese Tätigkeit abgeschlossen wurde (hier der 6. Mai 1981). Für den Fall ab 1974 jährlich begangener Deliktswiederholung aber (Verkürzung von Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Einkommensteuer und Vermögensteuer ab 1974) greift § 31 Abs 3 FinStrG. Platz: Begeht der Täter während der Verjährungsfrist neuerlich ein vorsätzliches Finanzvergehen (auf das nicht § 25 FinStrG. anzuwenden ist), so tritt Verjährung nicht ein, bevor auch für diese Tat die Verjährungsfrist abgelaufen ist. Auf Grund der diesfalls anzunehmenden Verlängerung der Verjährungszeit gelangt man zu demselben Ergebnis, daß nämlich Verjährung der Strafbarkeit nicht eingetreten ist.

Soweit der Beschwerdeführer die Anwendung des Steueramnestiegesetzes BGBl. 569/1982 (in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. 344/1983) verlangt, genügt der Hinweis auf die Ausschlußbestimmung des § 3 Abs 1 Z. 3 dieses Gesetzes. Demnach ist § 1 Abs 1 SteueramnG. auf Umstände nicht anzuwenden, die bereits am 31. Dezember 1982 Gegenstand noch nicht abgeschlossener abgaben- oder finanzstrafrechtlicher Ermittlungen waren oder auf Grund bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossener derartiger Ermittlungen der Abgabenbehörde bekannt wurden. Im gegenständlichen Fall hat die Selbstanzeige des Beschwerdeführers vom 26. Jänner 1981 Betriebsprüfungen des Finanzamtes Stadt-Graz ausgelöst. Die Schlußbesprechungen betreffend die verschiedenen Steuersubjekte fanden im März 1982 statt. Am 31. Dezember 1982 war sohin der Abgabenbehörde der gesamte Sachverhalt auf Grund bereits abgeschlossener abgabenrechtlicher Ermittlungen bekannt. Mit Rücksicht auf die auch den Strafausspruch erfassende teilkassatorische Entscheidung erübrigt es sich, auf den vom Beschwerdeführer (nicht dem Gesetz entsprechend) ausgeführten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 11 StPO. einzugehen. Wie bereits oben dargestellt, wurde die Einkommensteuer für 1979 nicht auf der Basis der vom Angeklagten unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht erstellten Einkommensteuererklärung für das Jahr 1979 vom 6. Mai 1981, die nach seiner Intention eine Einkommensteuerverkürzung von 165.411 S bewirken sollte (S. 53: Entscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark), sondern auf Grund der Ergebnisse der Betriebsprüfung sogleich richtig festgesetzt. Folglich liegt insoweit - worauf das Finanzamt Bruck an der Mur schon in der Anzeige hingewiesen hat (S. 17) - nur Versuch vor (siehe die Definition des § 33 Abs 3 lit a FinStrG.). Dem auch in Beziehung auf diese Tathandlung Deliktsvollendung annehmenden Erstgericht ist daher eine (materiellrechtliche) Urteilsnichtigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z. 10 StPO. unterlaufen, die aber nur dann gemäß § 290 Abs 1 StPO. von Amts wegen aufzugreifen wäre, wenn sie sich zum Nachteil des Angeklagten (vgl. hiezu EvBl 1981/108 und 118) auswirken würde. Da dieser Subsumtionsfehler weder an der Zusammenrechnung der strafbestimmenden Wertbeträge (§§ 21 Abs 2, 33 Abs 5, 53 Abs 1 lit b FinStrG.) etwas ändert noch - wie dargelegt - für die Verjährungsfrage von Bedeutung ist, sah sich der Oberste Gerichtshof zu keiner amtswegigen Maßnahme (§ 290 Abs 1 StPO.) veranlaßt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher, soweit sie die von der Aufhebung nicht erfaßten Schuldsprüche I und II 1 bis 3 betrifft, zu verwerfen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E17156

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00168.88.0330.000

Dokumentnummer

JJT_19890330_OGH0002_0130OS00168_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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