TE OGH 1991/6/26 2Ob539/91

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Veröffentlicht am 26.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Zehetner, Dr. Schwarz und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Roland Johannes H*****, vertreten durch das Stadtjugendamt Salzburg, 5024 Salzburg, infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 14. März 1991, GZ 22 a R 29,48/91-90, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 30. November 1990, GZ 20 P 51/87-82, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Roland wurde unehelich geboren, er trug damals den Namen B*****, den Geschlechtsnamen seiner Mutter. Eine Vaterschaftsklage wurde abgewiesen, weil der Mann gegen den die Klage gerichtet war, als Vater ausgeschlossen war. In der Folge heiratete die Mutter, ihr Ehemann gab dem Minderjährigen seinen Namen. Am 24. Jänner 1980 wurde diese Ehe geschieden. Am 7. April 1982 heiratete die Mutter Edgar H*****. Am 22. April 1982 begaben sich Edgar H***** und die Mutter des Minderjährigen zum Stadtjugendamt Salzburg, wo Edgar H***** seine uneheliche Vaterschaft zum mj. Roland anerkannte und sich zu Unterhaltsleistungen verpflichtete. Edgar H***** unterfertigte die Niederschrift eigenhändig. Ihm war ebenso wie der Mutter bekannt, daß er nicht der Vater des Minderjährigen sein konnte. Mit Beschluß vom 30. April 1982 stellte das Bezirksgericht Salzburg fest, daß der Minderjährige durch die Heirat seiner Eltern die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erlangt hat. Mit Beschluß vom 17. Oktober 1986 wurde auch diese Ehe der Mutter geschieden. Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich Edgar H*****, für Roland Unterhaltsleistungen zu erbringen, die Obsorge kam nach der Vereinbarung der Mutter zu.

Am 26. August 1988 brachte Edgar H***** gegen Roland eine Klage auf Feststellung ein, sein Vaterschaftsanerkenntnis sei rechtsunwirksam, Roland stamme nicht von ihm ab. Zur Begründung führte er aus, er habe geglaubt, Roland nur seinen Namen zu geben, seine Vaterschaft habe er nicht anerkennen wollen. Zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses sei er auch stark alkoholisiert gewesen.

Das Erstgericht wies dieses Begehren ab. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus Anlaß der Berufung aus, daß der streitige Rechtsweg unzulässig sei. Das Ersturteil wurde als nichtig aufgehoben. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, der Vater beantrage Rechtsunwirksamerklärung eines Anerkenntnisses im Sinne des § 164 aF ABGB, wobei er einerseits Geschäftsunfähigkeit geltend mache und andererseits, daß eine mündliche Erklärung auf Anerkennung der Vaterschaft gar nicht abgegeben worden sei. Sollten diese Behauptungen verifiziert werden können, wäre das Anerkenntnis rechtsunwirksam. Darüber sei im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden.

Der mj. Roland, vertreten durch das Stadtjugendamt Salzburg, sprach sich während des gesamten Verfahrens gegen die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses aus und brachte vor, Edgar H***** habe seine Vaterschaft freiwillig anerkannt, obwohl er gewußt habe, daß er das Kind nicht gezeugt haben konnte. Er sei zum Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses voll geschäftsfähig gewesen.

Das Erstgericht erklärte das Vaterschaftsanerkenntnis für rechtsunwirksam. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Edgar H***** ist chronischer Alkoholiker. Er hatte bereits im Zeitraum von 1981 bis 1983 konstant den Befund eines schweren Alkoholikers mit extremen Leberwerten und dem Befund einer alkoholischen chronischen Magenentzündung. Er wurde diesbezüglich immer wieder mit Infusionen behandelt und bekam gelegentlich auch Valium verschrieben. Am Morgen des Tages der Abgabe des Vaterschaftsanerkenntnisses konsumierte er ca. vier halbe Liter Bier und nahm zusätzlich Valium ein. Dies führte dazu, daß er die Abgabe des Vaterschaftsanerkenntnisses in einem Zustand vornahm, der es ihm nicht erlaubte, die Tragweite seines Handelns und die damit verbundenen Folgen zu erkennen, dies, obwohl die für die Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses bestehenden Formvorschriften eingehalten wurden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, das Vaterschaftsanerkenntnis sei von einem Geschäftsunfähigen abgegeben worden, es sei daher gemäß § 164 Abs 1 lit b aF ABGB für rechtsunwirksam zu erklären.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des durch das Stadtjugendamt vertretenen Minderjährigen nicht Folge. Es führte aus, nach den Übergangsbestimmungen des KindschaftsrechtsänderungsG bestimmten sich die Voraussetzungen und das Verfahren für das Wirksamwerden oder Unwirksamwerden von Vaterschaftsanerkenntnissen, über die die Niederschrift vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes aufgenommen worden sei, nach der alten Rechtslage, außer, wenn das Anerkenntnis nach dem neuen Gesetz rechtswirksam wäre. Da es nunmehr nicht mehr auf die mündliche Erklärung, sondern auf die Urkunde ankomme, müsse davon ausgegangen werden, daß das Anerkenntnis nach der neuen Rechtslage rechtswirksam wäre und diese Rechtslage aufgrund der Übergangsbestimmungen auch angewendet werden müßte. Edgar H***** habe aber auch behauptet, zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses nicht geschäftsfähig gewesen zu sein. Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses sei aber nach § 164 alte und neue Fassung ABGB ein Grund für die Rechtsunwirksamkeitserklärung des Anerkenntnisses. Dabei bedeute Geschäftsunfähigkeit die Unfähigkeit, die Tragweite eines bestimmten Geschäftes einsehen zu können, wobei auch partielle Geschäftsunfähigkeit ausreiche. Im vorliegenden Fall sei diese Geschäftsunfähigkeit dadurch ausgelöst worden, daß Edgar H***** gleichzeitig Alkohol und Valiumtabletten konsumiert habe. Bei dieser Feststellung habe sich das Erstgericht auf das Sachverständigengutachten gestützt. Diese Ausführungen seien durchaus nachvollziehbar, wenn man auch die übrigen Beweisergebnisse in Betracht ziehe, nach welchen Edgar H***** im damaligen Zeitpunkt ständig Alkohol konsumiert und auch Valiumtabletten genommen habe. Wenn im Rekurs als Mangelhaftigkeit gerügt werde, daß das Erstgericht nicht eine graphologische Untersuchung der Unterschrift auf der Anerkenntnisurkunde angeordnet habe, wobei dies "allenfalls Aufschluß darüber geben könnte, ob Volltrunkenheit und Geschäftsunfähigkeit vorgelegen habe", so sei dem entgegenzuhalten, daß die Einholung dieses Kontrollbeweises nicht notwendig gewesen sei, weil damit nur ein Beweis dahingehend erbracht hätte werden können - wenn überhaupt - ob Edgar H***** zum Zeitpunkt der Unterfertigung alkoholisiert gewesen sei. Dies besage allein aber noch nichts über seine Geschäftsunfähigkeit aus. Über die Vereinbarung sei zwar eine öffentliche Urkunde aufgenommen worden, doch könne deren Richtigkeit nach § 292 ZPO widerlegt werden. Überdies liege es nicht im Interesse der Allgemeinheit und im Sinne des Gesetzgebers, daß ein Kind aus rein formalistischen Gründen einen Mann zum Vater habe, der gar nicht sein tatsächlicher Vater sei. Dabei könne auch der Umstand keine allzu gravierende Rolle spielen, daß der mj. Roland nunmehr wiederum über keinen festgestellten Vater verfüge.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Wenn die hier allein wesentliche Frage, ob Edgar H***** zum Zeitpunkt der Abgabe des Vaterschaftsanerkenntnisses geschäftsfähig gewesen sei oder nicht, d.h. die Tragweite seiner Erklärung habe erkennen können oder nicht, zwar eine nicht revisible Tatfrage darstelle, überstiegen im übrigen die zu lösenden Rechtsfragen das vorliegende Verfahren an Bedeutung, eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu § 164 neu ABGB liege nicht vor.

Der Minderjährige, vertreten durch das Bezirksjugendamt Salzburg, bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Antrag auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig. Aufgrund der Übergangsregelung ist zwar noch § 164 ABGB in der alten Fassung anzuwenden, doch unterscheidet sich diese, soweit es sich um die Anerkennung der Vaterschaft durch einen Geschäftsunfähigen handelt, von der neuen Rechtslage nicht. Eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu dieser Frage fehlt.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber führt aus, nicht ins Kalkül gezogen worden sei der Umstand, daß die Mutter wiederholt glaubwürdig angegeben habe, die Angelegenheit mit ihrem Ehemann Edgar H***** eingehend besprochen zu haben. Er habe sich aus eigenem Antrieb entschlossen, die uneheliche Vaterschaft anzuerkennen. Es gehe nicht an, das Vaterschaftsanerkenntnis vom 22. April 1982 isoliert zu betrachten. Die Erklärung vor der Behörde sei vielmehr das Ergebnis monatelanger Überlegungen gewesen. Dem Sachverständigengutachten sei nicht zu entnehmen, daß beim Antragsteller Geschäftsunfähigkeit über einen längeren Zeitraum vorgelegen sei. Berücksichtige man die Vorgeschichte, so müsse man annehmen, daß der Antragsteller die Tragweite des Vaterschaftsanerkenntnisses sehr wohl habe erkennen können und müssen. Überdies könnte die graphologische Untersuchung der Unterschrift des Edgar H***** auf dem Vaterschaftsanerkenntnis allenfalls Aufschluß darüber geben, ob Volltrunkenheit vorgelegen sei. Den Ausführungen des Rekursgerichtes, es könne nicht im Interesse der Allgemeinheit und im Sinne des Gesetzes liegen, daß ein Kind aus rein formalistischen Gründen einen Mann zum Vater habe, der gar nicht sein tatsächlicher Vater sei, hielt der Rechtsmittelwerber entgegen, mit dieser Argumentation würden jene Bestimmungen des ABGB, die offenbar formaliter zur Rechtswirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses beitragen sollten, und die ständige Rechtsprechung hiezu, ad absurdum geführt werden.

Den Rechtsmittelausführungen ist folgendes zu erwidern:

Das Erstgericht hat aufgrund von Zeugenaussagen sowie eines ärztlichen Sachverständigengutachtens festgestellt, Edgar H***** habe infolge Alkoholkonsums und Einnahme von Valium das Vaterschaftsanerkenntnis in einem Zustand abgegeben, der es ihn nicht erlaubt habe, die Tragweite seines Handelns und die damit verbundenen Folgen zu erkennen. Ob als Kontrollbeweis noch ein graphologisches Gutachten einzuholen gewesen wäre, ist eine Frage der Beweiswürdigung (vgl. etwa EFSlg. 60.898 bis 60.900, 61.481 uva), die gemäß § 15 AußStrG in einem Revisionsrekurs nicht bekämpft werden kann.

Gemäß § 164 ABGB sowohl in der alten als auch in der neuen Fassung ist die Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses festzustellen, wenn es ein Geschäftsunfähiger abgegeben hat. Es kommt allein darauf an, ob die Geschäftsunfähigkeit zur Zeit der Abgabe des Anerkenntnisses bestand, das Anerkenntnis eines Volltrunkenen ist unwirksam (vgl. Schwimann in Demelius Festschrift 476). Im vorliegenden Fall muß aufgrund der Feststellungen davon ausgegangen werden, daß Edgar H*****, als er beim Jugendamt Salzburg das Anerkenntnis abgab, geschäftsunfähig war. Ob er vorher die Angelegenheit mit der Mutter besprochen hatte, ist ohne Bedeutung, auch eine schon früher bestandene Absicht, ein Vaterschaftsanerkenntnis abzugeben, wäre nicht relevant, weil Rechtswirkungen nur durch das formelle Anerkenntnis entstehen können. Dieses war aber unwirksam. Ohne Bedeutung wäre es auch, wenn Edgar H***** später, als er Geschäftsfähigkeit wieder erlangte, klar gewesen wäre, die Vaterschaft anerkannt zu haben, weil bei Geschäftsunfähigkeit des Anerkennenden eine Sanierung nicht möglich ist (Pichler in Rummel, ABGB, § 164, 1. Auflage Rz 4, 2. Auflage Rz 7; Schwimann in JBl. 1977, 230).

Auf die Frage, ob es "im Interesse der Allgemeinheit und im Sinne des Gesetzgebers liegt, daß ein Kind aus rein formalistischen Gründen einen Mann zum Vater hat, der gar nicht sein tatsächlicher Vater ist", braucht nicht eingegangen zu werden. Entscheidend ist, daß Edgar H***** zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses geschäftsunfähig war, was nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes zur Unwirksamkeit des Anerkenntnisses führt.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E26168

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00539.91.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19910626_OGH0002_0020OB00539_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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