TE OGH 1991/7/4 12Os47/91

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Veröffentlicht am 04.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juli 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Glatz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Herbert G***** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 17.Jänner 1991, GZ 11 d Vr 493/88-22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Tierarzt Dr. Herbert G***** des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in der Zeit zwischen 25. und 27.Juni 1988 in S***** als gemäß § 4 Abs. 2 Fleischuntersuchungsgesetz (kurz: FlUG) mit der Schlachttier- und Fleischuntersuchung beauftragter Fleischuntersuchungstierarzt, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, den Staat in dessen Recht auf ordnungsgemäße Prüfung der Verwendbarkeit des Fleisches als Lebensmittel und der Verhinderung der Umgehung der Lebenduntersuchung sowie der Kontrolle der Verwertung des Fleisches notgeschlachteter Tiere zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich die Fleischuntersuchung vorzunehmen und Meldungen über eine erfolgte Notschlachtung gemäß § 20 Abs. 4 FlUG zu erstatten, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er die Tauglichkeit eines notgeschlachteten Ferkels zum menschlichen Genuß bestätigte, ohne die in einem solchen Fall gemäß § 14 Fleischuntersuchungsverordnung (kurz: FlUV) zwingend vorgeschriebene bakteriologische Untersuchung durchzuführen und indem er die Meldungen über die erfolgte Notschlachtung an den Bürgermeister und die Bezirksverwaltungsbehörde unterließ.

Dieses Urteil ficht der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Nach den wesentlichen Feststellungen wurde der Angeklagte als gemäß § 4 Abs. 2 FlUG bestelltes Fleischuntersuchungsorgan am Nachmittag des 25.Juni 1988 (einem Samstag) von der Mutter des Fleischhauers Johann G***** (eines Cousins) davon verständigt, daß - außerhalb der üblichen Schlachtzeit - noch ein Ferkel zur Schlachtung angeliefert wurde. Der Angeklagte erschien erst nach der von Johann G***** in Anwesenheit des Eigentümers des Tieres, Leopold S*****, durchgeführten Schlachtung im Betrieb und beschaute das geschlachtete und bereits ausgeweidete Ferkel in Abwesenheit des Fleischhauers und des Landwirtes S*****. Auf Grund der Umstände wußte er, daß die vor der Schlachtung grundsätzlich vorzunehmende Schlachttieruntersuchung (§ 1 Abs. 1 FlUG) nicht stattfand und damit auch die bei normaler Schlachtung zwingend vorgeschriebene Schlachterlaubnis (§ 19 Abs. 2 FlUG) nicht vorlag. Obwohl der Tierarzt auf Grund seiner speziell für die Tätigkeit eines Fleischuntersuchungsorganes absolvierten Ausbildung wußte, daß eine Schlachttieruntersuchung nur bei Notschlachtungen unterbleiben darf (§ 20 FlUG), und bei Notschlachtungen ebenso wie bei Schlachtungen, die in unzulässiger Weise ohne Schlachttieruntersuchung erfolgten, auf jeden Fall eine bakteriologische Untersuchung des Fleisches zu veranlassen ist (§ 14 Z 1 und 7 FlUV), verzichtete er nicht nur auf die Durchführung dieser bakteriologischen Untersuchung, sondern auch auf die bei Notschlachtungen vorgeschriebenen Meldungen an den Bürgermeister und die Bezirkshauptmannschaft (§ 20 Abs. 4 FlUG). Er beschaute das Fleisch überdies so mangelhaft, daß er eine Knie- und Sprunggelenksentzündung, sowie eine abszedierende Lungen- und Brustfellentzündung übersah, welche Krankheitsmerkmale auch bei Fehlen des größten Teiles der Lunge ebenfalls zwingend die Anordnung einer bakteriologischen Untersuchung hätten zur Folge haben müssen (§ 14 Z 3 und 6 FlUV). Durch wissentliche Mißachtung dieser Vorschriften durch den Angeklagten konnte es geschehen, daß das Fleisch für genußtauglich erklärt, von Johann G***** am 27.Juni 1988 nach Wien zum Verkauf in den Schlachthof gebracht wurde, wo es allerdings bei der Kontrolluntersuchung (Überbeschau) sofort - da leicht erkennbar - als gesundheitsschädlich und genußuntauglich erkannt wurde (S 197 bis 201).

Die Mängelrüge (Z 5) wirft dem Schöffengericht zunächst die fehlende Begründung dafür vor, daß das bei der Kontrolluntersuchung beanstandete Fleisch tatsächlich von dem erst nachträglich geschlachteten, von Leopold S***** angelieferten Ferkel stammte, zumal eine Unterschiebung schon deshalb nicht auszuschließen sei, weil bei Einlieferung in den Schlachthof entgegen den Bestimmungen des § 40 Abs. 6 und 7 FlUG ein Untersuchungsschein nicht vorgelegt wurde (S 3), ein derartiger Untersuchungsschein sei aber auch nachträglich gar nicht angefordert worden (§ 45 Abs. 5 FlUG).

Mit dieser rein hypothetischen Möglichkeit einer Verwechslung brauchte sich das Gericht aber im Rahmen seiner gedrängten Begründungspflicht (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) schon deshalb nicht auseinanderzusetzen, weil gegen die bei den Gendarmerieerhebungen zweifelsfrei hervorgekommene Identifizierung des beanstandeten Ferkels III (S 9) als vom Landwirt S***** stammend im Verfahren weder vom Angeklagten noch von den Zeugen Einwände erhoben wurden; auch in der Beschwerde konnten derartige Beweisergebnisse nicht aufgezeigt werden und allein aus der Mißachtung von Formvorschriften kann kein zwingender Rückschluß auf tatsächliche Vorgänge gezogen werden.

Der Beschwerdeführer meint des weiteren, daß das Urteil auch insofern undeutlich und widersprüchlich begründet sei (Z 5), als es nicht klar ausspreche, wer wann die Lunge des geschlachteten Ferkels entfernt habe, so daß nicht erkennbar sei, worin in diesem Zusammenhang der wissentliche Amtsmißbrauch gelegen sein solle. Nach den Urteilsfeststellungen habe nur der Landwirt S***** auf Grund der Diagnose des von ihm konsultierten Tierarztes beurteilen können, daß es sich um eine Notschlachtung iS des § 2 Abs. 2 FlUG handelte. Der Beschwerdeführer meint daher, es sei "völlig unbegründet festgestellt worden, warum und woher ... (er) hätte wissen sollen, daß es sich um eine Notschlachtung handelte" (S 229).

Im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht der Beschwerdeführer daher in Fortsetzung dieser Argumentationslinie Feststellungsmängel insoweit geltend, als seiner Meinung nach Konstatierungen darüber fehlen, daß ihm das Vorliegen einer Notschlachtung bekannt gewesen sei, aus welcher Kenntnis sich die Notwendigkeit auf Anordnung einer bakteriologischen Untersuchung und der Meldungen an die Behörden erst zwingend ergeben hätte.

Dem ist zunächst zu erwidern, daß die - im Urteil offen gelassene - Frage, wer zu welchem Zeitpunkt den größten Teil der Lunge aus dem Körper des Ferkels entfernt hat, gar nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung ist, weil das Schöffengericht bei seiner rechtlichen Konklusion - den etwas unklar formulierten Urteilsspruch präzisierend - ausdrücklich festhält, es gehe zugunsten des Angeklagten davon aus, daß zum Zeitpunkt der Untersuchung des geschlachteten Schweines sämtliche Orgne (zur Besichtigung) vorhanden waren (S 218), was im Zusammenhang mit der weiteren Urteilsannahme der oberflächlichen Untersuchung des geschlachteten Tieres (S 200) darauf hinausläuft, daß das Gericht insoweit von einem Übersehen der Krankheitsmerkmale ausging. Die bakteriologische Untersuchung wäre aber - davon

unabhängig - schon mangels Vornahme einer Schlachttieruntersuchung (§ 1 Abs. 1 FlUG) durchzuführen gewesen (S 218). Damit stellt das Urteil auf die - ausführlich, logisch und aktengetreu begründete - Konstatierung ab, daß der Angeklagte (entgegen seiner als widerlegt beurteilten) Verantwortung keine Schlachttieruntersuchung vorgenommen hat, weil er überhaupt erst nach Schlachtung des Ferkels im Betrieb erschienen war (S 202 bis 213).

Diese Feststellungen und die sich daraus auch für den Angeklagten als kundiges Fleischuntersuchungsorgan ergebenden, vom Schöffengericht auch deutlich dargelegten rechtlichen Konsequenzen (S 215 bis 219) übergeht aber die Beschwerde, wenn in der Rechtsrüge unterstellt wird, Dr. G***** habe nichts von einer Notschlachtung gewußt, weshalb man ihm nicht vorwerfen könne, daß er wissentlich die daraus resultierenden Pflichten verletzt habe. Selbst wenn man nämlich - wie das Erstgericht - davon ausgeht, daß der Angeklagte auf Grund seiner oberflächlichen Untersuchung die schwere Erkrankung des geschlachteten Tieres nicht erkannte und ihm daher die Voraussetzungen für die Anordnung einer bakteriologischen Untersuchung insoweit (§ 14 Z 3 und 6 FlUV) nicht zum Bewußtsein kamen, genügt es eben - was das Schöffengericht in seinen tatsächlichen Urteilsannahmen und in deren rechtlicher Beurteilung deutlich ausspricht - daß das Ferkel ohne Schlachttieruntersuchung geschlachtet wurde. Allein auf Grund dieser Tatsache hatte Dr. G*****, der sich nach den Feststellungen des Erstgerichtes auf die genaue Kenntnis seiner berufsspezifischen Pflichten berief, von einer Notschlachtung oder aber von einer Schlachtung, die in unzulässiger Weise ohne Schlachttieruntersuchung vorgenommen wurde, auszugehen (§ 14 Z 1 oder 7 FlUV). In beiden Fällen wäre eine bakteriologische Untersuchung anzuordnen gewesen, was eine Beurteilung des Fleisches als genußtauglich ausgeschlossen hätte. Die vom Erstgericht getroffenen - auch von der Anklage mitumfaßten (wenn auch § 14 Z 7 FlUV dort nicht zitiert wurde) - Feststellungen decken daher den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Amtsmißbrauchs nach § 302 Abs. 1 StGB, ohne daß es weiterer Feststellungen bedurft hätte.

Es erweist sich daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde, daß die Mängelrüge unbegründet und die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, weshalb sie gemäß § 285 d Abs. 1 StPO zurückzuweisen und die Berufungsentscheidung dem hiefür zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zu überlassen war (§ 285 i StPO).

Anmerkung

E27268

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00047.91.0704.000

Dokumentnummer

JJT_19910704_OGH0002_0120OS00047_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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