TE OGH 1991/7/9 10ObS196/91

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Veröffentlicht am 09.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Richard Bauer (Arbeitgeber) und Reinhold Ludwig (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Heinrich SCH*****, vertreten durch Dr. Josef Olischar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ARBEITER (Landesstelle Wien), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Jänner 1991, GZ 33 Rs 4/91-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. September 1990, GZ 18 Cgs 58/90-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 12.2.1990 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 2.1.1990 auf Hilflosenzuschuß mangels Hilflosigkeit ab.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen, auf die abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß vom Antragstag an gerichteten Klage behauptete der Kläger, wegen seiner Leiden ständig der Wartung und Hilfe zu bedürfen.

Die beklagte Partei bestritt dies und beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger vom 2.1.1990 an einen Hilflosenzuschuß im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen zu gewähren.

Nach den wesentlichen Feststellungen wohnt der am 13.1.1920 geborene Kläger mit seiner Ehegattin in einem etwa 110 bis 115 m2 großen Einfamilienhaus, das mit einer Zentralheizung für feste Brennstoffe in einem außerhalb des Hauses befindlichen Keller beheizt wird. Der Weg von der Haustür in diesen Keller führt zunächst über 8 Stufen und dann um das Haus herum. Die Zentralheizung wird von Oktober bis April oder Mai betrieben und mit Holz und Steinkohle beschickt. Letztere wird neben dem Ofen gelagert, dessen Füllöffnung sich in einer Höhe von etwa 1,5 m befindet. Wenn es kälter ist, muß drei- bis viermal täglich Kohle nachgelegt werden. Die Aschenöffnung muß etwa einmal täglich, wenn mehr geheizt wird, etwa zweimal täglich gewartet werden. Das Warmwasser wird vn einem zentralheizungsunabhängigen Boiler bereitet. Der Haushalt ist mit einem Kühlschrank und einer Waschmaschine ausgestattet. Von der Straße bis zum erhöht gelegenen Haus führen 24, bis zur Haustür weitere acht Stufen.

Mit dem (seit der Antragstellung bestehenden,) im einzelnen festgestellten Gesundheitszustand kann sich der Kläger zwar allein an- und auskleiden, die Körperpflege durchführen, das Colostomiesäckchen und das Bruchband an- und ablegen, einfache Speisen (nach dem zusammenfassenden Kalkül des Sachverständigen für Innere Medizin richtig: Mahlzeiten) zubereiten und einnehmen, die Notdurft verrichten, (nach dem schon erwähnten zusammenfassenden Kalkül auch das Bett machen,) die Wohnung oberflächlich reinigen und die kleine Leibwäsche waschen. Die Versorgung der großen Leibwäsche, die gründliche Wohnungsreinigung und die Reinigung des Weges zwischen Haus und Heizkeller von Schnee sind ihm nicht mehr möglich. Er kann Wege bis zu etwa 1000 m zurücklegen und dabei bis 3 kg schwere Lasten tragen, jedoch wegen der beschriebenen erhöhten Lage seines Hauses nicht zum etwa 800 m entfernten Lebensmittelgeschäft hinuntergehen und mit den Lasten wieder hinaufgehen, weshalb er nicht allein einkaufen und die Lebensmittel nicht heimbringen kann. Er kann Briketts oder mit einer kleinen Schaufel 1 bis 1,5 kg Kohle nur dann in den Ofen legen, wenn das Heizmaterial in der Höhe der Einfüllöffnung gelagert ist. Die Asche kann er aus dem Ofen nicht herausnehmen und auch nicht entsorgen.

Wegen dieser Einschränkungen schätzte das Erstgericht die Kosten einer Hilfsperson im Monatsdurchschnitt ungefähr auf 3.000 S, wobei es bei den Kosten der gründlichen Reinigung der Wohnung auf die Größe des Hauses Bedacht nahm und für die Hilfe beim Betrieb der Zentralheizung einschließlich der Schneeräumung in den Monaten September bis Mai einen durchschnittlichen Zeitaufwand von 32 Stunden monatlich ansetzte.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil im klageabweisenden Sinne ab.

Es vertrat die Ansicht, daß der Kläger die Lagerung des Heizmaterials so organisieren könnte, daß er für das Nachlegen keine Hilfe bräuchte. Das Nachfüllen des Ofens durch eine Hilfsperson würde nur wenige Minuten erfordern und könnte überdies bei Bedarf mit dem Entleeren der Asche bzw bei entsprechender Koordinierung mit dem Einkaufen oder der Wohnungsreinigung verbunden werden, so daß der zusätzliche Mehraufwand nur sehr gering wäre. Selbst bei Berücksichtigung der Hilfe beim Schneeschaufeln und beim Nachlegen könnte für die Ofenwartung (während der erste im Oktober beginnenden Heizperiode) höchstens ein wöchentlicher Zeitaufwand von sechs Stunden angenommen werden. Deshalb erreichten die Kosten der notwendigen Hilfe nicht die Höhe des beantragten Hilflosenzuschusses.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach der seit SSV-NF 1/46 stRsp des erkennenden Senates liegt ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur dann vor, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Pensionisten üblicherweise aufzuwendenden, nur überschlagsmäßig festzustellenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch sind wie der begehrte Hilflosenzuschuß. Bei der Frage, ob es sich um notwendige Dienstleistungen handelt, sind die dem Hilfebedürftigen tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel zu berücksichtigen. Da aber auch von einem Hilfebedürftigen erwartet werden muß, daß er einen unter Beziehern gleich hoher Einkommen im selben Lebenskreis üblichen Standard hält, ist bei der Schätzung des Aufwandes für notwendige Dienstleistungen mindestens dieser Standard zugrundezulegen.

Die Unfähigkeit, lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen, kann nur in dem Umfang Hilflosigkeit begründen, als der Ausfall der erforderlichen Wartung und Hilfe dazu führen würde, daß der Pensionist in absehbarer Zeit verkommen oder gesundheitliche Schäden erleiden oder gar sterben würde. An die Notwendigkeit fremder Hilfe ist daher ein eher strenger Maßstab anzulegen (SSV-NF 2/12 uva).

Aus diesen Erwägungen hat der Oberste Gerichtshof schon widerholt ausgesprochen, daß auch dem Hilfebedürftigen tatsächlich (noch) nicht zur Verfügung stehende, aber im Handel ohne unzumutbare Kosten erhältliche Hilfsmittel berücksichtigt werden müssen, zB der heute auch in Pensionistenhaushalten übliche Kühlschrank (so zB schon SSV-NF 1/46) oder eine Strumpfzange (so zB SSV-NF 2/142).

Im Sinne dieser Rsp kann es dahingestellt bleiben, ob und in welchem Ausmaß der Kläger zur Beheizung seines jedenfalls auch noch von seiner Ehegattin bewohnten, relativ großen Hauses mit der vorhandenen, mit festen Brennstoffen beschickten Hauszentralheizungsanlage Hilfe braucht.

Sollte er diese Anlage nicht mehr allein bedienen können, dann wäre es ihm durchaus zumutbar, für die Beheizung der für ihn notwendigen Wohnräume einen Heizkörper anzuschaffen, den er ohne fremde Hilfe bedienen kann. Dabei ist zB an einen Ölofen zu denken, dessen Anschaffungskosten bei einfacherer

Ausführung - wie sich zB aus Versandhauskatalogen ergibt - eher unter denen eines heute auch in Pensionistenhaushalten üblichen Kühlschrankes liegen und dem Kläger im Hinblick auf die Höhe seiner Pension (1989 bereits 9.814,40 S netto) auch finanziell durchaus zumutbar sind.

Selbst wenn dem Kläger das Nachfüllen von Heizöl in einen solchen Ofen nicht möglich wäre, würde dies keinen täglichen Mehraufwand erfordern, weil das erfahrungsgemäß nicht täglich notwendige Nachfüllen häufig mit anderen Hilfeleistungen, zB dem Einkaufen, dem Besorgen der großen Leibwäsche und dem gründlichen Reinigen der Wohnung, verbunden werden könnte und daher nur einen sehr geringen, nur während der Heizperiode anfallenden Zeitaufwand verursachen würde (ähnlich 23.5.1989, 10 Ob S 140/89; 29.8.1989, 10 Ob S 242/89).

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß dem Kläger zur Pension kein Hilflosenzuschuß gebührt, weil die von ihm für die notwendigen Dienstleistungen üblicherweise aufzuwendenden Kosten nicht annähernd so hoch sind wie der begehrte Hilflosenzuschuß, ist daher im Ergebnis richtig. Sie entspricht unter Bedachtnahme auf die oben zit E der stRsp des erkennenden Senates, daß das Erfordernis fremder Hilfe, das sich im wesentlichen auf die gründliche Reinigung der Wohnung, die Besorgung der großen Wäsche und das Einkaufen von Lebensmitteln udgl beschränkt, den Pensionsbezieher nicht hilflos iS des § 105a Abs 1 ASVG macht (zB SSV-NF 2/12, 3/15, 32, 114, 4/12 uva).

Deshalb war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 1/19; 2/26, 27 ua).

Anmerkung

E26348

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00196.91.0709.000

Dokumentnummer

JJT_19910709_OGH0002_010OBS00196_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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