TE OGH 1991/9/11 13Os75/91

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Veröffentlicht am 11.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.September 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kandera als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ernst H***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 87 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Deliktsfall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Jänner 1991, GZ 2 a Vr 6205/90-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ernst H***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Deliktsfall, StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 14.Juni 1990 in Wien seiner Ehefrau Maria H***** durch Schläge und Tritte gegen den Körper, durch die sie zahlreiche Blutunterlaufungen, Rißquetschwunden, Jochbein- und Rippenbrüche erlitt, eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt, wobei die Tat den Tod der Genannten zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die nominell auf die "Z 4, 5, 5 a, 9, 9 a und 9 b" des § 281 Abs. 1 StPO gestützt wird, wobei jedoch nur die Gründe der Z 4, 5 und 9 lit. a der zitierten Gesetzesstelle ausgeführt werden.

In der Hauptverhandlung beantragte der Verteidiger die "Beiziehung und Beurteilung durch einen Psychiater" zum Nachweis dafür, "daß die erhebliche mittelstarke Alkoholisierung den Angeklagten psychisch schwer beeinträchtigt hat", weiters "daß es sich bei der Tat um eine Entladung eines Affektstaus gehandelt hat" sowie "daß nunmehr infolge der Situation der verschiedenen Vernehmungen eine echte Verdrängung vorliegt"; überdies wurde die Vernehmung der Polizeibeamten T***** und H***** zur Klärung der Umstände seiner Vernehmung, insbesondere Beginn, Zeitdauer und Unterbrechungen etc." (S 369) begehrt. Diese Beweisanträge wies das Schöffengericht in der Hauptverhandlung durch Zwischenerkenntnis gemäß § 238 StPO ab.

Durch die Nichtführung dieser beantragten Beweise erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten verletzt (Z 4):

Durch die Beiziehung des Psychiaters wäre - so vermeint er - erwiesen worden, daß er zum Zeitpunkt der Tathandlung nicht fähig war, das Unrecht der Tat einzusehen, ihm daher sowohl die Diskretions- als auch die Dispositionsfähigkeit gefehlt habe; gleiches hätte auch die Einvernahme der beantragten Zeugen ergeben; diese Zeugen hätten auch befragt werden müssen, welchen Eindruck er bei seiner Vernehmung machte und wie es zur Ablegung des Geständnisses gekommen sei.

Solcherart bringt die Beschwerde aber den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Denn bei Prüfung der Verfahrensrüge ist stets von dem in der Hauptverhandlung formulierten Beweisantrag, mithin von dem darin angegebenen Beweisthema auszugehen. Nach dem zuvor Gesagten zielten darnach aber die begehrten Beweisaufnahmen nicht darauf ab, darzutun, daß der Nichtigkeitswerber zur Tatzeit zurechnungsunfähig war, so daß sich die Beschwerde auf ein anderes als das in erster Instanz angeführte Beweisthema bezieht.

In der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Angeklagte eine Urteilsunvollständigkeit, weil der Grad seiner Alkoholisierung nicht festgestellt worden sei; das Gericht habe zwar eine mittelstarke Alkoholisierung konstatiert, es aber unterlassen, den für 0.45 Uhr objektivierten Blutalkoholwert von 1,6 %o auf den Tatzeitpunkt rückzurechnen, woraus sich ein Wert von ca. 3 %o und somit ein Vollrausch ergeben hätte.

Soweit der Beschwerdeführer von einem stündlichen Abbau des Blutalkoholwertes um 0,2 %o ausgeht und solcherart für die Tatzeit um 18 Uhr einen Blutalkoholgehalt von 3 %o errechnet, unterliegt er einem Irrtum. Nach forensischer Erfahrung werden pro Stunde durchschnittlich 0,12 %o Blutalkoholgehalt abgebaut (vgl. Mayerhofer-Rieder, StGB3 ENr. 39 zu § 81). Die Tatzeit lag zwischen 18 und 18.30 Uhr (US 5), die Blutabnahme erfolgte um 0,45 Uhr des Folgetages. In den dazwischen liegenden 6 1/4 bis 6 3/4 Stunden wurde der Blutalkoholgehalt des Rechtsmittelwerbers sonach um 0,75 %o bis 0,81 %o abgebaut, was rechnerisch einen Blutalkoholwert zur Tatzeit zwischen 2,35 und 2,41 %o ergibt. Bei einem solchen Wert liegt aber nach herrschender Rechtsprechung und dem Schrifttum (vgl. hiezu 15 Os 15/90) in aller Regel keine volle Berauschung vor. Davon abgesehen hat sich das Schöffengericht bei der Negierung eines Vollrausches nicht allein auf den Blutalkoholwert gestützt, sondern - vor allem - darauf, daß der Angeklagte vor der Polizei eine Fülle von Details über den Ablauf des Tatgeschehens angeben konnte, somit keineswegs an Erinnerungsverlust (als einem typischen Kennzeichen eines Vollrausches) gelitten hat (US 8, 9). Der bekämpfte Ausspruch ist daher durchaus zureichend begründet.

Mit Begründungsmängeln behaftet vermeint der Beschwerdeführer auch die Feststellung, er habe bei seinen Tätlichkeiten mit der Absicht gehandelt, seine Ehefrau schwer zu verletzen. Die Begründung des Erstgerichtes, daß die Schläge und Tritte des Nichtigkeitswerbers mit besonderer Heftigkeit geführt worden sein müssen, weil das Jochbein, ein an sich sehr massiver Knochen, dreifach gebrochen wurde, sei undeutlich und aktenwidrig. Richtig sei vielmehr, daß er seine Gattin von sich weggestoßen habe und sie dabei unglücklich mit dem Kopf gegen einen Kasten gestoßen sei.

Dem ist vorerst zu erwidern, daß der Rechtsmittelwerber sich nie dahin verantwortet hat, seine Gattin fahrlässig verletzt zu haben; vielmehr hat er nach seinem Vorbringen vor dem Sicherheitsbüro auf sie mit den Fäusten ins Gesicht und gegen den Körper geschlagen, sie dann gegen den Wohnzimmerkasten geschleudert und auf die nun am Boden Liegende mit den Füßen auf den Kopf und den Körper eingetreten (S 57 f). Diese Verantwortung hielt er im wesentlichen auch anläßlich seiner Vernehmung durch den Untersuchungsrichter aufrecht (ON 5). Auch in der Hauptverhandlung bekannte er sich schuldig, jedoch schränkte er in der Folge ein, sich nicht erinnern zu können, "wie das vor sich gegangen ist" (S 365). Nie aber hat er vorgebracht, die Tat aus schuldhafter Nachlässigkeit begangen zu haben. Die bezughabenden Beschwerdeausführungen erweisen sich demnach als ein im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässiges Vorbringen von Neuerungen.

Wenngleich das Erstgericht nicht festgestellt hat, ob der dreifache Bruch des Jochbeins in Verbindung mit der Tatsache, daß dieses aus der Verankerung mit dem angrenzenden Gesichtsschädelknochen gerissen worden war, darauf zurückzuführen ist, daß der Angeklagte sein Opfer gegen einen Kasten schleuderte oder daß er mit den unbeschuhten Füßen gegen seine am Boden liegende Frau trat, so hat es die Annahme absichtlichen Handelns des Beschwerdeführers auf die längere Dauer des Schlagens und Tretens gegen die am Boden liegende, schon blutende Frau gegründet. In dem Zusammenhang ist es aber unentscheidend, ob der dreifache Bruch des Jochbeins, verbunden mit dessen gänzlichem Ausriß aus der Verankerung mit dem angrenzenden Gesichtsschädelknochen, auf Fußtritte des Nichtigkeitswerbers oder darauf zurückzuführen ist, daß er seine Ehefrau gegen den Kasten schleuderte. Jedenfalls wurde nach den Urteilsannahmen insbesondere diese Attacke mit besonderer Heftigkeit geführt, weil das Jochbein - ein sehr massiver Knochen - nur unter sehr starker Gewalteinwirkung bricht (US 9). So gesehen durfte das Schöffengericht aus der Gesamtheit der von ihm angestellten Erwägungen mängelfrei die Feststellungen treffen, daß es dem Rechtsmittelwerber bei der Tatausführung darauf ankam, sein Opfer schwer zu verletzen.

Mit der Rechtsrüge (Z 9 lit. a, richtig Z 10) zielt der Angeklagte auf eine Tatbeurteilung als Vergehen nach § 287 StGB ab; sein Bewußtsein sei durch den Genuß von Alkohol (3 %o) nämlich "hochgradig getrübt gewesen". Damit aber bringt er die Subsumtionsrüge, deren gesetzmäßige Darstellung stets einen Vergleich des festgestellten Urteilssachverhalts mit dem darauf angewendeten Strafgesetz erfordert, nicht zur prozeßordnungsgemäßen Ausführung, weil er die Urteilsfeststellung, daß er zur Tatzeit bloß mittelstark alkoholisiert, nicht aber volltrunken im Sinn des § 287 StGB gewesen ist (US 7, 10), übergeht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der soeben zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung fällt demnach in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz.

Anmerkung

E26745

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00075.91.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19910911_OGH0002_0130OS00075_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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