TE OGH 1990/2/27 15Os15/90

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Veröffentlicht am 27.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Februar 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Adolf G*** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 10. Juli 1989, GZ 27 Vr 805/89-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache - zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung - an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Adolf G*** zu 1. des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 2 StGB

sowie der Vergehen

zu 2. der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB,

zu 3. des tätlichen Angriffes auf einen Polizeibeamten nach § 270 StGB,

zu 4. der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und

zu 5. der Beleidigung nach § 115 Abs. 1 StGB

schuldig erkannt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z 4, 5 a und 9 lit a, b und c StPO.

Rechtliche Beurteilung

Schon die Verfahrensrüge (Z 4) ist begründet. Mit Recht erachtet sich der Beschwerdeführer durch die Ablehnung seines Antrags auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweise dafür, daß er sich zur Tatzeit infolge schwerer Alkoholisierung in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befunden hat, in seinen Verteidigungsrechten verkürzt. Das Schöffengericht hat diesen Beweisantrag mit der Begründung abgewiesen, daß "aus den Zeugenaussagen und auch aus der Aussage des Angeklagten hervorgeht, daß dieser im Zeitpunkt der Tat zwar stark alkoholisiert, aber fähig war, aufrecht zu gehen und sich klar auszudrücken, somit imstande war, das Ausmaß seiner Handlungsweise zu erkennen" (S 76).

Diese Argumentation ist insofern nicht zutreffend, als der Zeuge F*** in der Hauptverhandlung aussagte, der Nichtigkeitswerber sei so betrunken gewesen, daß er nicht mehr gescheit sprechen habe können (S 65). Dazu kommt, daß der Rechtsmittelwerber am 3.Mai 1989 um 0,15 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 2,59 Promille im Mittel aufwies (S 38), wobei der Arzt anläßlich der Blutabnahme vermerkte, daß dieser "keine vernünftigen Angaben" gebe. Bei Berücksichtigung auch dieser Verfahrensergebnisse wäre das Erstgericht gehalten gewesen, zur Klärung der Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten das begehrte Gutachten einzuholen. Denn nach dem Schrifttum (Jarosch-Müller-Piegler, Alkohol und Recht, S 150 f; Jarosch-Müller, Blutalkohol und Strafrecht, S 31; Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr 26 zu § 11;

Foregger-Serini-Kodek, StGB3, Erl Nr III zu § 287) und der Rechtsprechung (RZ 1964, 159; ZVR 1964/110; 1965/72;

12 Os 89/72 uva) kann Volltrunkenheit und sonach Zurechnungsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB bereits ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,5 %o gegeben sein. Durch die Nichtdurchführung dieses Sachverständigenbeweises hat das Schöffengericht demnach Verfahrensgrundsätze hintangesetzt, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist.

Der zum Vorteil des Beschwerdeführers ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 e StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben, weil eine gänzliche Verfahrenserneuerung erforderlich ist; es war daher auf das weitere Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzugehen.

Anmerkung

E19931

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00015.9.0227.000

Dokumentnummer

JJT_19900227_OGH0002_0150OS00015_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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