TE OGH 1991/9/12 15Os87/91

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Veröffentlicht am 12.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen George G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Wels vom 15.Februar 1991, GZ 14 Vr 367/90-151, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde George G***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt und zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

Darnach hat er in St.Georgen im Attergau im Bereich des Hauses L***** Nr 34 am 31.März 1990, gegen 20 Uhr, Jonel P***** durch Versetzen von etwa 36 Messerstichen und am 1.April 1990, etwa gegen 12 Uhr 30, Ludwig H***** durch Versetzen von etwa 30 Messerstichen vorsätzlich getötet.

Die Geschwornen hatten die dazu (anklagekonform) gestellten Hauptfragen I und II jeweils stimmeneinhellig bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Den Verfahrensmangel (Z 5) erblickt er in der Abweisung nachfolgender Beweisanträge:

1. "... zum Beweis dafür, daß die Leiche des Ludwig H***** eine halbe bis eine Stunde nach Todeseintritt in den Brunnen geworfen (worden) sein mußte, zumal an dieser Leiche in den Wunden keine Fliegeneier angesammelt waren und allfällige Ansammlungen derartiger Fliegeneier nicht durch stehendes Brunnengewässer und durch Abwerfen der Leiche in den Brunnen ausgewaschen werden kann, die Einholung eines neuen Befundes und Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen ..." und

2. "... die Durchführung einer behördlichen Anfrage beim rumänischen Innenministerium bzw beim Polizeikommissariat in Arat zum Beweis dafür, daß der Angeklagte weder Mitglied der Securitate noch Mitglied (einer) der Securitate angehörigen Spezialeinheit gewesen ist" (S 601 und 602/Band III).

Der Schwurgerichtshof lehnte diese Beweisaufnahmen mit der Begründung ab, die Einholung eines Befundes und Gutachtens eines weiteren medizinischen Sachverständigen sei entbehrlich, weil der bereits zugezogene gerichtsmedizinische Sachverständige die Frage der Ablagerung von Fliegeneiern beim Mordopfer Ludwig H***** dahingehend beantwortet habe, daß Fliegeneier nicht unter allen Umständen sofort (nach Zufügung von Verletzungen) abgelagert werden müßten, und im übrigen auch auf die Frage nach einem Auswaschen solcher Ablagerungen durch einen Sturz in einen Brunnen eingegangen sei; dem zweiten Beweisantrag fehle es an der Eignung, zur Klärung des tatsächlichen Tatablaufs beizutragen (S 603, 604/Band III).

Durch dieses abweisliche Zwischenerkenntnis wurden - entgegen dem Beschwerdevorbringen - Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt.

Die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen ist nur geboten, wenn die Beobachtung oder Begutachtung schwierig ist (§ 118 Abs. 2 StPO) oder wenn das bereits vorliegende Gutachten mangelhaft bleibt (§§ 125, 126 StPO). Keine dieser (gesetzlich determinierten) Voraussetzungen für die Einholung des Gutachtens eines zweiten medizinischen Sachverständigen lag im konkreten Fall vor. Daß die Begutachtung schwierig (iS § 118 Abs. 2 StPO) sei, wurde im Beweisantrag nicht behauptet. Gemäß § 126 Abs. 1 StPO hinwieder ist die Einholung eines zweiten Sachverständigengutachtens nur für den Fall vorgesehen, daß sich gegen das Gutachten vorgebrachte Bedenken nicht durch die nochmalige Vernehmung des Sachverständigen beseitigen lassen. Im gegenständlichen Verfahren konnte der Sachverständige nach Befragung durch den Verteidiger nachvollziehbar darlegen, daß eine nähere Eingrenzung des Tatzeitraumes aus der Ablage oder Nichtablage von Fliegeneiern in den Verletzungen oder Körperöffnungen der Mordopfer schon wegen der möglichen Zufälligkeiten des Einzelfalles nicht denkbar ist. Gegen die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten S 527, 528/Band III sowie in der Ergänzung des Gutachtens S 599, 600/Band III wurden vom Verteidiger während der Hauptverhandlung keine Bedenken vorgebracht und es wurde auch kein Versuch unternommen, allfällige bei ihm entstandene Bedenken im Sinne des § 126 Abs. 1 StPO durch eine nochmalige Vernehmung des Sachverständigen zu beseitigen.

Damit fehlt es aber - wie bereits angeführt - an den prozessualen Voraussetzungen für die Beiziehung eines weiteren gerichtlichen Sachverständigen. Für die Einholung eines (in der Rechtsmittelausführung erstmals begehrten) Fakultätsgutachtens mangelt es darüber hinaus an einer entsprechenden Antragstellung im Verfahren erster Instanz.

Was den zweiten Beweisantrag anlangt, so wurde darin nicht angeführt, inwieweit durch die begehrte Beweisaufnahme Aufklärung über für die Lösung der Schuldfrage erhebliche Tatsachen zu erwarten sein soll. Maßgebend ist aber allein die Formulierung des Antrages in erster Instanz. Davon abgesehen ist eine Beweisaufnahme auch vor dem Geschwornengericht nur dann geboten, wenn sie ein maßgebliches, den Wahrspruch allenfalls noch zugunsten des Angeklagten beeinflussendes Ergebnis erwarten läßt. Wie sich aus der Bestimmung des § 134 StPO ganz allgemein ergibt, schreibt das Gesetz eine Beweisaufnahme nur für Fälle vor, in denen auf Grund einer gewissenhaften Würdigung der gegebenen Sachlage ernstlich ein Anlaß hiezu vorliegt, also von einer solchen Beweisaufnahme ein in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ins Gewicht fallendes Ergebnis zu erwarten ist. Ob der Angeklagte Angehöriger der Securitate war oder nicht, ist aber für die Lösung der Schuldfrage im vorliegenden Verfahren entgegen der Beschwerdebehauptung ohne jede Bedeutung.

In der nach Art einer (unzulässigen) Schuldberufung verfaßten Tatsachenrüge (Z 10 a) schließlich vermag die Beschwerde ungeachtet weitwendiger beweiswürdigender Erörterungen, insbesondere soweit es die Beweiskraft des ursprünglich abgelegten Geständnisses des Beschwerdeführers betrifft, keine aktenkundigen Beweisergebnisse aufzuzeigen, die nach den Denkgesetzen oder nach allgemeiner menschlicher Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufkommen lassen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit schon bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs. 1, 344 StPO zurückzuweisen. Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§§ 285 i, 344 StPO).

Anmerkung

E26770

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00087.91.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19910912_OGH0002_0150OS00087_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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