TE OGH 1991/9/24 11Os76/91

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Veröffentlicht am 24.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.September 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loub als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sidonia S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 130, 2.Satz, StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Sidonia S***** und Csilla H***** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 2. Mai 1991, GZ 8 Vr 438/89-193, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, der Generalanwältin Dr. Bierlein, des Dolmetschers Mag. Szepfalusi, der Angeklagten Sidonia S***** und Csilla H***** und des Verteidigers Dr. Gahleitner zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Csilla H***** wird verworfen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Sidonia S***** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 1 StPO in seinen Aussprüchen, der Gesamtwert der gestohlenen Sachen betrage zum Faktum 1./ des Schuldspruchs 370.000 S und übersteige zu beiden Fakten den Betrag von 500.000 S, des weiteren in der rechtlichen Unterstellung der Sidonia S***** angelasteten Diebstahlstaten (auch) unter die Bestimmung des § 128 Abs. 2 StGB und demgemäß auch in dem diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch (einschließlich des sie betreffenden Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung nach dem § 38 StGB) sowie im Adhäsionserkenntnis über den Anspruch der Privatbeteiligten Anna S***** aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde dieser Angeklagten verworfen.

Mit ihrer Berufung wird die Erstangeklagte S***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung der Angeklagten Csilla H***** wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die Vollziehung der verhängten Freiheitsstrafe gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird; im übrigen wird der Berufung dieser Angeklagten nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO haben die Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch unbekämpft gebliebene Freisprüche enthaltenden) Urteil wurden die am 16.Juni 1954 geborene Marktgehilfin Sidonia S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 130 (zu ergänzen: zweiter Satz) StGB und ihre am 4.Juni 1969 geborene, ebenfalls als Marktgehilfin tätige Schwägerin Csilla H***** (geb. Kolompar) des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB schuldig erkannt.

Sidonia S***** wurde hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren, Csilla H***** nach dem § 128 Abs. 1 StGB zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe im Ausmaß von zehn Monaten verurteilt.

Dem Inhalt des Schuldspruchs zufolge hatten die beiden Angeklagten als Mittäterinnen im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit bisher nicht ausgeforschten Komplizen am 22. September 1988 in G***** den Eheleuten Anton und Rosina S***** 300.000 S Bargeld (Faktum 2/), Sidonia S***** darüber hinaus bereits am 9.April 1986 in Linz der Anna S***** Schmuckstücke und Münzen im Gesamtwert von 300.000 S sowie 70.000 S Bargeld gestohlen (Faktum 1./); zur letztgenannten Angeklagten wurde angenommen, daß sie die schweren Diebstähle in der Absicht begangen hat, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Die beiden Angeklagten bekämpfen die Schuldsprüche mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden; dabei macht Sidonia S***** die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 5 a und 10, Csilla H***** lediglich den Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO geltend.

Rechtliche Beurteilung

Nur der Beschwerde der Angeklagten Sidonia S***** kommt teilweise Berechtigung zu.

Zunächst ist das - zum gemeinsam begangenen Faktum 2/ des Schuldspruchs teilweise idente - Vorbringen der beiden Rechtsmittelwerberinnen in den Tatsachenrügen (§ 281 Abs. 1 Z 5 a StPO) insgesamt nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Urteil festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Das Beschwerdeargument der Csilla H***** zum Diebstahlsfaktum 2/, es sei unaufgeklärt geblieben, ob die Angeklagte "einen Tatbeitrag zum Diebstahl" geleistet oder "tatsächlich angestiftet" habe, wendet sich nicht - wie es die prozeßordnungsgemäße Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes erfordert - gegen die tatsächlichen Urteilsgrundlagen und schlägt daher unter diesem Anfechtungspunkt fehl. Aber auch aus rechtlicher Sicht (unter dem Aspekt eines ausdrücklich nicht gerügten Feststellungsmangels im Sinn der Z 9 lit a bzw 10 des § 281 Abs. 1 StPO) läßt sich für die Angeklagte Csilla H***** in diesem Zusammenhang nichts gewinnen, weil aus der eindeutigen Schilderung der Tatumstände in den Entscheidungsgründen (wonach sie das Anwesen der späteren Opfer am Tag vor der durch - unausgeforscht

gebliebene - Vertrauenspersonen verübten Tat gemeinsam mit ihrer Komplizin Sidonia S***** als geeignetes Tatobjekt auskundschaftete, worauf beide beschlossen, den Diebstahl am nächsten Tag "verüben zu lassen" - US 7) ihre durch Auskundschaften der Diebsgelegenheit (vgl US 15) stattgefundenen Beteiligung an dem in Rede stehenden Diebstahl als Beitragstäterin im Sinn des dritten Falles des § 12 StGB (vgl hiezu Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr 77 zu § 12) klar hervorgeht.

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung von Spruch und Gründen gereicht daher die demgegenüber mißverständliche, auf eine unmittelbare (Mit-)Täterschaft deutende Formulierung im Urteilstenor (US 2) der Angeklagten Csilla H***** im Hinblick auf die rechtliche Gleichwertigkeit der drei Täterschaftsformen des § 12 StGB nicht zum Nachteil (vgl Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr 2, 3, 5 und 6 zu § 12; SSt 54/84; SSt 53/57 u.a.m.).

Soweit beide Rechtsmittelwerberinnen zu diesem Punkt des Schuldspruchs in der Tatsachenrüge ferner das Fehlen einer zwingenden Beweiskette für den Nachweis ihrer Täterschaft ins Treffen führen, verkennen sie, daß zufolge der Bestimmung des § 258 Abs. 2 StPO auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse die Tatrichter zu Tatsachenfeststellungen berechtigen und daß die vom Gericht aus der Gesamtheit der Verfahrensergebnisse gezogenen Schlußfolgerungen nicht die logisch einzig möglichen sein müssen (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr 21, 22 und 26 zu § 258).

Mit der von beiden Angeklagten aufgestellten Behauptung, der Senat habe jene Beweisresultate, welche sie belasten, einseitig zu ihrem Nachteil gewürdigt, wird in Wahrheit nur der weiterhin einer Anfechtung in Form einer Schuldberufung entzogene kritisch-psychologische Vorgang der Beweiswürdigung bekämpft.

Das Schöffengericht stützte die kritisierten (in den Beschwerdeausführungen selbst als "nicht unlogisch" bzw "nachvollziehbar" bezeichneten) Feststellungen über die Beteiligung der Angeklagten am Diebstahl zum Nachteil des Ehepaares S***** (Faktum 2./) auf die für glaubwürdig erachteten Angaben des Tatopfers Rosina S*****, das die beiden Täterinnen im Zug der Wahlkonfrontation am 23.September 1988

(AS 99/I - Lichtbilder bei ON 189/II), die Angeklagte Csilla H***** zudem anläßlich einer weiteren Gegenüberstellung am 22. Dezember 1988 (ON 55) jeweils mit einiger Wahrscheinlichkeit als die beiden (bzw eine der beiden) Hausiererinnen, welche ihr Anwesen am 21.September 1988 aufgesucht hatten, wiedererkannte. Hiebei setzten sich die Tatrichter auch mit dem in der Beschwerde aufgegriffenen Umstand, daß die Zeugin in der rund zweieinhalb Jahre nach der Tat durchgeführten Hauptverhandlung am 10. April 1991 nicht mehr imstande war, die beiden Angeklagten zu identifizieren (AS 469/II), auseinander; sie erklärten dies mit - die Wahrheitsliebe der Zeugin nicht in Frage

stellenden - altersbedingten Erinnerungslücken (US 16). Unter Berücksichtigung auch der übrigen Verfahrensergebnisse, vor allem der für überzeugend erachteten Aussagen der Zeugen Stefan und Maria K***** (AS 369/I, 472 f/II), Theresia W***** (AS 370/I, 475 f/II), Peter H***** (AS 369/I, 474 ff/II) und Johann Peter P***** (AS 367/I, 477 f/II), leitete das Erstgericht daraus (nachvollziehbar) ab, daß die Beschwerdeführerinnen zur fraglichen Zeit gemeinsam im Umkreis des Tatortes ihre Hausierertätigkeit unter Benützung des auffälligen PKW's der Sidonia S***** ausübten und hiebei Ausschau nach präsumtiven Opfern zur risikoarmen Begehung von Trickdiebstählen hielten; schließlich wurde das gemeinsame Auftreten in O***** (wenn auch nicht im I*****) von beiden Angeklagten selbst zugestanden (AS 67 f, 477 f/I, 449/II). Unter weiterer Berücksichtigung der sicherheitsbehördlichen Anhaltung der beiden Angeklagten im PKW der Sidonia S***** etwa vier Stunden nach der Tat und der Auffindung eines größeren (ebenso wie die Beute in Eintausendschillingnoten gestückelten) Geldbetrages hat das Erstgericht die leugnende Verantwortung überzeugend für widerlegt erachtet (US 18 f): Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen vermag keine der beiden Beschwerden hervorzurufen, zumal sich der Hinweis auf das Fehlen jeglichen deliktischen Vorsatzes der Csilla H***** in einer bloßen Behauptung im Rechtsmittelverfahren erschöpft.

In dem lediglich die Angeklagte Sidonia S***** betreffenden Schuldspruchfaktum 1./ (Diebstahl zum Nachteil der Anna S*****) fand das Erstgericht eine tragfähige Grundlage für seine Feststellungen zum Tathergang vor allem in der Aussage der Zeugin Anna S*****, die nicht nur unmittelbar nach der Tat eine auf die Beschwerdeführerin passende Personsbeschreibung abgegeben, sondern diese Angeklagte auch bei einer Wahlkonfrontation am 27. September 1988 (AS 181/I, sowie Zeugenaussage des Insp. W*****, AS 354 f, 357 f, 459 f/II) und in der Hauptverhandlung (AS 453/II) als eine der beiden Täterinnen bezeichnet hat (US 10 f). Im Rahmen einer weiteren wahlweisen Gegenüberstellung mit mehreren Personen am 5.Oktober 1989 identifizierte die Zeugin die Sidonia S***** abermals mit einiger Wahrscheinlichkeit als eine der beiden Besucherinnen vom Tattag (ON 117).

Die Rechtsrüge dieser Angeklagten (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO), welche sich gegen die Annahme der Qualifikation der gewerbsmäßigen Begehung im Sinn des § 130 StGB richtet, schlägt ebenfalls fehl.

Gewerbsmäßigkeit erfordert nach der Legaldefinition des § 70 StGB die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung einer strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme in der Bedeutung eines wiederkehrenden (wenn auch nicht regelmäßigen und allenfalls bloß zusätzlichen) Mittelzuflusses zu verschaffen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bedarf es hiebei (nur) der dargelegten Tendenz des Täters, nicht jedoch der tatsächlichen Wiederholung der Angriffe, sodaß die Qualifikation bereits bei Begehung auch nur einer Tat erfüllt sein kann. Der zwischen den beiden verfahrensgegenständlichen Diebstählen liegende große zeitliche Abstand schließt hier die Annahme der Gewerbsmäßigkeit nicht aus; dies trifft auch auf den von der Angeklagten ins Treffen geführten Umstand zu, daß sie einem Erwerb nachging (siehe Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 40; Leukauf-Steininger, aaO, RN 3 ff; Foregger-Serini, StGB4, Erl I, jeweils zu § 70 und die dortigen Judikaturzitate).

Im Hinblick auf die spezifische Beschaffenheit der unter gleichartigen Modalitäten verübten verfahrensgegenständlichen Taten und des durch Vorstrafen (auch) wegen ähnlicher Trickdiebstähle gekennzeichneten Vorlebens der Angeklagten S***** (siehe insbesondere die Akten 7 E Vr 149/81 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis und 12 d E Vr 305/85 des Kreisgerichtes Korneuburg) konnte das Schöffengericht daher zutreffend auf das Vorliegen der erforderlichen inneren (auf Gewerbsmäßigkeit gerichteten) Einstellung schließen und die Tathandlungen somit frei von Rechtsirrtum der höheren Strafdrohung des zweiten Satzes des § 130 StGB unterstellen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Csilla H***** ist daher zur Gänze, jene der Angeklagten Sidonia S***** im aufgezeigten Umfang unberechtigt.

Begründet ist hingegen die Beschwerde der Erstangeklagten S*****

insoweit, als darin aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281

Abs. 1 StPO die Beurteilung der Diebstaten zufolge des

Zusammenrechnungsprinzips (§ 29 StGB) nach der Qualifikation des

§ 128 Abs. 2 StGB mit dem Argument gerügt wird, daß der auf das

Faktum 1./ des Schuldspruchs bezogene (und in Verbindung mit dem

zum Faktum 2./ festgestellten Schadensbetrag auch

entscheidungswesentliche) Ausspruch über den Wert der Diebsbeute

(370.000 S) keine hinreichende aktenmäßige Deckung finde. Denn

die vom Erstgericht getroffene Feststellung, wonach der Wert der

(neben dem Bargeld von 70.000 S) erbeuteten Schmuckgegenstände

und Münzen (mindestens) 300.000 S betrage (US 6), entbehrt in

Anbetracht der in dieser Beziehung widersprüchlichen, unklaren

und daher kaum verwertbaren Angaben der Zeugin Anna

S***** - deren Aussage das einzige Beweismittel zur Frage der

Bewertung darstellt - der zureichenden Begründung. Hat doch die

Zeugin zunächst im Rahmen der Anzeigeerstattung "ungefähr

215.000 S Bargeld, ca 30 Stück Goldmünzen im Wert von

ca 200.000 S" sowie einzeln angeführte Schmuckgegenstände "im

Wert von insgesamt 400.000 S" als gestohlen bezeichnet und den

Gesamtschaden mit ca "815.000 S" beziffert (AS 268/II), in der

Hauptverhandlung vom 7.November 1990 (ON 161) hingegen (nur noch)

von erbeutetem Bargeld in der Höhe von "ungefähr 70.000 S bis

80.000 S" gesprochen, die Gesamtschadenssumme aber weiterhin auf

"815.000 S" geschätzt (AS 349/II) und zum Sachwert der Pretiosen

überhaupt keine brauchbaren Hinweise mehr gegeben ("... die

Goldwaren bzw die Brillanten haben auch einiges

gekostet"... - AS 352/II). Auf Vorhalt der Anzeigenangaben

äußerte die Zeugin sodann: ("Wieso denn 215.000 S Bargeld?"...

"Wenn man alles zusammenrechnet, dann kommt schon vielleicht 815.000 S heraus..." - AS 353/II). In der Hauptverhandlung vom 10. April 1991 schließlich (ON 184) gab die Zeugin S***** an:

"zusammengerechnet war der Wert insgesamt 670.000 S..." "Es war soviel da, lauter schöner echter Schmuck ..., was das (die Schmuckgegenstände) gekostet hat, weiß ich heute nicht mehr"...; "wenn ich mir das heute kaufen würde, zahle ich schon über 200.000 S..." "....ich bin nicht mehr informiert, was die Goldmünzen kosten würden, ich weiß nicht, ob die (Münzen) weniger als 100.000 S wert waren" (AS 455 f/II). Die Ausführungen im Ersturteil, es sei "angemessen, die gestohlenen Gegenstände mit etwa der Hälfte der seinerzeit geschätzten Werte einzuschätzen" (US 13), geben unter Bedachtnahme auf die aufgezeigten (erheblich divergierenden und unklaren) Angaben der Geschädigten in Wahrheit keine den Denkgesetzen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende Grundlage für die Annahme eines Gesamtwertes der Diebsbeute zum Faktum 1./ mit 370.000 S ab. Auch bei Berücksichtigung der (betragsmäßig unbekämpft gebliebenen) Schadenssumme zum Faktum 2./ des Schuldspruchs (300.000 S) im Sinn des § 29 StGB kann daher bei mängelfreier Feststellung der Werte zum Faktum 1./ ein Unterschreiten der strafsatzändernden Wertgrenze des § 128 Abs. 2 StGB (das bereits bei Zugrundelegung eines Wertes der Diebsbeute zum Faktum 1./ von nur 200.000 S gegeben wäre) nicht ausgeschlossen werden. Eine verläßliche Beurteilung, ob das von der Angeklagten Sidonia S***** zu verantwortende Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls auch der Deliktsqualifikation nach § 128 Abs. 2 StGB unterliegt, kann somit derzeit nicht vorgenommen werden.

Damit ist aber das angefochtene Urteil in bezug auf diese Angeklagte in Ansehung des Wertes der Diebsbeute mit einem eine entscheidende Tatsache betreffenden Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr 20, 26; Foregger-Serini, StPO4, Erl V, jeweils zu § 281 Abs. 1 Z 5), welcher die teilweise Kassation des Urteils und die Verfahrenserneuerung in diesem Umfang erforderlich macht. Eine sofortige Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof in der Sache selbst kann im Hinblick auf die mangelhaft zustande gekommenen Tatsachenfeststellungen in I. Instanz nicht eintreten (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr 17 zu § 288).

Im neuen Rechtsgang wird daher vor allem durch ergänzende Befragung der Zeugin Anna S***** eine ausreichende Entscheidungsgrundlage zur Frage des Wertes der Diebsbeute - insbesondere der Schmuckgegenstände und Münzen - zu schaffen und je nach dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme ein entsprechender Rückschluß auf das Über- bzw Unterschreiten der maßgeblichen Wertgrenze zu ziehen sein.

Aus der im Rahmen der Verfahrensrüge (§ 281 Abs. 1 Z 4 StPO) von der Beschwerdeführerin zu dieser Frage ins Treffen geführten Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Numismatik kann (zumindest im Licht der bisherigen Verfahrensergebnisse) im Sinn der zutreffenden Begründung im abweislichen Zwischenerkenntnis des Erstgerichtes (AS 484 f/II) ein verwertbares Ergebnis nicht erwartet werden, sodaß sich ein näheres Eingehen auf diesen Anfechtungspunkt erübrigt. Davon abgesehen hat der Schöffensenat die Münzen (bloß) mit 100.000 S (der Hälfte des ursprünglich von der Geschädigten genannten Betrages von 200.000 S) bewertet, worauf der Beweisantrag abzielt.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Sidonia S***** war daher teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 1 StPO in seinen Aussprüchen, der Gesamtwert der gestohlenen Sachen betrage zum Faktum 1./ des Schuldspruchs 370.000 S und übersteige zu beiden Fakten den Betrag von 500.000 S, des weiteren in der rechtlichen Unterstellung der Sidonia S***** angelasteten Diebstahlstaten (auch) unter die Bestimmung des § 128 Abs. 2 StGB und demgemäß auch in dem diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch (einschließlich des sie betreffenden Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung nach § 38 StGB) sowie in dem (vom teilweise kassierten Schuldspruch abhängigen sowie in einem diesbezüglichen Sachzusammenhang stehenden) Adhäsionserkenntnis über den Anspruch der Privatbeteiligten Anna S***** aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen.

Im übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerde dieser Angeklagten, die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Csilla H***** aber zur Gänze zu verwerfen.

Mit ihrer Berufung war die Erstangeklagte S***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Csilla H***** begehrt mit ihrer Berufung die Herabsetzung und bedingte Nachsicht der über sie verhängten Strafe.

Die Berufung ist teilweise begründet.

Was zunächst die Frage der Strafhöhe anlangt, so würdigte das Erstgericht die festgestellten Strafzumessungsgründe (US 57, 59) im wesentlichen ihrem tatsächlichen Gewicht nach und fand unter Bedachtnahme auf die gemäß den §§ 31, 40 StGB berücksichtigte Vorverurteilung durch das Stadtgericht Sopron vom 26.4.1990 (vgl S 443/II) nach Lage des Falles ein tatschuldadäquates Ausmaß der (Zusatz-)Sanktion, das zu keiner Abänderung Anlaß bietet.

Berechtigung kommt der Berufung der Csilla H***** jedoch insofern zu, als sie die bedingte Nachsicht der über sie verhängten Strafe anstrebt. Die Tatschuld der im Zeitpunkt der Deliktsbegehung unbescholtenen und noch nicht 21jährigen Angeklagten fällt nach Lage des Falles nicht derart ins Gewicht, daß von der Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht nicht Gebrauch gemacht werden könnte; dies umsoweniger, als H***** durch ihre mehrmonatige Vorhaft auch bereits einen Teil des Strafübels verspürt hat.

In Stattgebung des diesbezüglich begründeten Teils der Berufung der Angeklagten H***** war daher die bedingte Nachsicht der gesamten über sie verhängten Strafe auszusprechen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E26945

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0110OS00076.91.0924.000

Dokumentnummer

JJT_19910924_OGH0002_0110OS00076_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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