TE OGH 1991/10/8 4Ob522/91

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Veröffentlicht am 08.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. Franz B*****, Polizeihauptmeister, ***** 2. Tobias A*****, Zimmermann, ***** 3. mj. Veronika A*****, vertreten durch Erwin A*****, ***** sämtliche vertreten durch Dr. Manfred Opperer, Rechtsanwalt in Telfs, wider die beklagte Partei Christian H*****, Tischler, ***** vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung des Erbrechts, in eventu Zahlung (Streitwert im Revisionsverfahren S 1,557.000,--), infolge Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. Februar 1991, GZ 1 R 288/90-31, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. August 1990, GZ 9 Cg 172/90-25, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Entscheidung über das Eventualbegehren einschließlich der Kostenentscheidung aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die österreichische Staatsbürgerin Anna H*****, geborene HA*****, ist am 4. 5. 1986 in H***** gestorben. Sie hatte drei Kinder, nämlich Josef H*****, Annemarie H***** verehelichte A***** und Rosa H*****. Der Erstkläger hat von Josef H***** dessen Erbschaft gekauft. Der Zweitkläger und die Drittklägerin sind Kinder der vorverstorbenen Tochter Annemarie H*****, verehelichte A*****. Der Beklagte ist ein Sohn der Rosa H***** (Enkel der Erblasserin).

Im Verlassenschaftsverfahren vor dem Bezirksgericht Telfs (A 122/86) gab der Beklagte auf Grund der eigenhändigen schriftlichen letztwilligen Erklärung der Erblasserin vom 13. Juni 1982 am 15. September 1988 die unbedingte Erbserklärung aus dem Rechtsgrund des Testamentes zum gesamten Nachlaß ab. Die Kläger gaben am selben Tag auf Grund des Gesetzes bedingte Erbserklärungen ab, und zwar der Erstkläger infolge Erbschaftskaufes von Josef H***** zu einem Drittel, der Zweitkläger und die Drittklägerin (infolge Vorhandenseins weiterer gesetzlicher Erben) zu je einem Zwölftel. Die Kläger wurden mit ihren Ansprüchen auf den Rechtsweg verwiesen.

Ihr Klagebegehren (Hauptbegehren), festzustellen, daß es sich bei der letztwilligen Verfügung der Anna H***** vom 13. 6. 1982 nicht um ein Testament zugunsten des Beklagten handle und ihnen daher auf Grund des Gesetzes das Erbrecht zum Nachlaß der Verstorbenen zu den gesetzlichen Anteilen zustehe, wurde im zweiten Rechtsgang abgewiesen; die bestätigende Entscheidung des Berufungsgerichtes ist insoweit in Rechtskraft erwachsen.

Der Aktivnachlaß der Verstorbenen bestand nach den Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens vor dem Amtsgericht Rosenheim aus deutschen Wertpapieren im (Kurs)Wert von DM 63.300,--, deutschen Bankguthaben in der Höhe von DM 130.027,69, Fahrnissen im Wert von DM 262,-- und der Liegenschaft Grundstück 3.244 B*****, Grundbuch R*****/Oberbayern, ***** im Wert von DM 695.606,--.

Notar Dr. Klaus Jürgen OHLER (Rosenheim) hat sowohl mit den Klägern - am 29. 8. 1986 - als auch mit dem Beklagten - am 4. 7. 1986 - einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins des Inhalts aufgenommen, daß Anna H***** in Anwendung österreichischen Rechtes von den Klägern und weiteren Miterben (zu den genannten Quoten) bzw. vom Beklagten allein beerbt worden sei.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Eventualbegehren, mit welchem die Kläger vom Beklagten die Zahlung ihrer Pflichtteilsansprüche fordern. Der Wert des Nachlasses betrage DM 889.195,69 = ca. S 6,225.000,--. Daraus errechne sich ein Pflichtteilsanspruch des Erstklägers von DM 148.199,20 sowie des Zweitklägers und der Drittklägerin von je DM 37.049,82. Die Kläger begehren die Zahlung dieser Beträge in österreichischen Schilling und zum Kurs der Wiener Börse am Zahlungstag.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, daß die Verstorbene das Bargeld für die Erhaltung der Baulichkeit und der Liegenschaft gewidmet habe. Der Beklagte sei noch nicht eingeantworteter Erbe; vorher sei die Pflichtteilsklage gegen den Nachlaß zu richten. Auch müßten sich die Kläger Vorempfänge anrechnen lassen.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Eventualbegehren ab, weil die Klage auf Ergänzung des Pflichtteils vor der Einantwortung nicht gegen den Erben, sondern gegen den Nachlaß zu richten sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger in der Hauptsache nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nur in Ansehung des Eventualbegehrens zulässig sei.

Die Pflichtteilsklage für den österreichischen Rechtsbereich könne vor der Einantwortung nur gegen den Nachlaß und nicht gegen die Erben gerichtet werden. Denkbar sei zwar, daß die Passivlegitimation des Beklagten in bezug auf den in Deutschland abzuhandelnden Liegenschaftsnachlaß besteht, wenn eine Nachlaßspaltung eingetreten ist, richte sich doch der Pflichtteilsanspruch nach deutschem Recht gegen den Erben und entstehe bereits mit dem Erbfall. Im vorliegenden Fall sei aber die Pflichtteilsklage auch nach deutschem Recht nicht gegen den am Rechtsstreit beteiligten Erben, sondern nur gegen einen vom deutschen Verlassenschaftsgericht zu bestellenden Nachlaßpfleger zu richten. Ein solcher Nachlaßpfleger sei zu bestellen, wenn ein Erbe (im Rechtssinn) unbekannt ist; das treffe zu, solange sich das Nachlaßgericht nicht davon überzeugen kann, wer von mehreren Erben, welche die Erbschaft angenommen haben und über die Erbberechtigung streiten, der wahre Erbe ist. Der Nachlaßpfleger sei gesetzlicher Vertreter des unbekannten Erben und habe als solcher auch die Prozeßführungsbefugnis.

Da der wahre Erbe im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz noch nicht bekannt gewesen sei, habe das Erstgericht auch nicht über die Pflichtteilsklage gegen einen nur möglichen Erben verhandeln können; es habe daher auch das Eventualbegehren zu Recht abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die ordentliche Revision der Kläger aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung; die Kläger beantragen, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Eventualbegehren stattgegeben werde.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen oder abzuweisen.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Da ein Sachverhalt mit Auslandsbeziehung vorliegt, ist zunächst die Frage nach dem anzuwendenden Recht zu klären. Gemäß § 28 Abs 1 IPRG ist die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Personalstatut (§ 9 IPRG = Staatsbürgerschaft) des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes zu beurteilen. Zu den sohin nach österreichischem Recht zu beurteilenden materiellen Erbrechtsfragen gehören unter anderem auch das gesamte Noterb- und Pflichtteilsrecht, sowie (vorbehaltlich des § 28 Abs 2 IPRG und des § 32 IPRG) der gesamte Erbschaftserwerb (unmittelbarer Nachlaßübergang oder behördliche Übertragung) (Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 28 IPRG; derselbe, Grundriß des IPRG 257; derselbe NZ 1979, 102 (106); aM Schwind, StAZ 1979, 109 (119); derselbe, IPR (1990) Rz 363). § 28 Abs 2 IPRG, wonach dann, wenn eine Verlassenschaftsabhandlung in Österreich durchgeführt wird, der Erbschaftserwerb und die Haftung für Nachlaßschulden nach österreichischem Recht zu beurteilen sind, greift nur zusätzlich in jenen Fällen ein, in denen, ohne daß § 28 Abs 1 IPRG anzuwenden wäre, in Österreich abzuhandeln ist. Der Grund für diese Regelung liegt darin, daß bei manchen Fragen wie etwa dem Erwerb der Erbschaft und vor allem der Frage einer - nach österreichischem Recht von der Errichtung eines Inventars abhängigen - Beschränkung der Erbenhaftung für die Nachlaßschulden eine Loslösung des materiellen Rechts vom Verfahrensrecht geradezu unmöglich ist (Walker, IPR5, 943; RV in Duchek-Schwind IPR 73 FN 3).

Zu untersuchen ist zunächst, welche Bedeutung diese Bestimmung im Fall einer Nachlaßspaltung hat. Die österreichische Erblasserin hat nämlich unbeweglichen und beweglichen Nachlaß (auch diesen anscheinend nur) im Ausland hinterlassen, so daß die inländische Jurisdiktion im Verlassenschaftsverfahren nur für den wo immer befindlichen beweglichen Nachlaß gegeben ist, während das Liegenschaftsvermögen der Jurisdiktion des zuständigen deutschen Abhandlungsgerichtes unterliegt. Ist nur ein Teil des Nachlasses in Österreich abzuhandeln, so richten sich nach Ansicht von Schwimann (in Rummel aaO Rz 3; derselbe, Grundriß 258; derselbe NZ 1979, 107) Erbschaftserwerb und Nachlaßschuldenhaftung hinsichtlich des restlichen Nachlasses weiterhin nach dem Erststatut.

Ob dieser - dem Aufbau des § 28 IPRG entsprechende - Grundsatz in allen Fällen durchführbar erscheint (wie soll etwa der Erbe hinsichtlich des der ausländischen Jurisdiktion unterliegenden Vermögens die nach österreichischem Recht für den Erbschaftserwerb erforderliche behördliche Übertragung herbeiführen, wenn das Recht im Abhandlungsstaat vom Grundsatz des unmittelbaren Nachlaßüberganges beherrscht ist?), kann hier auf sich beruhen, weil im Ausland nur über die Liegenschaft der Erblasserin abzuhandeln ist und in diesem Fall das Liegenschaftsstatut dem Erbstatut vorgeht (Schwimann, Grundriß 258; derselbe in Rummel Rz 4; derselbe NZ 1979, 107; aM Schwind, IPR (1990) Rz 363, welcher das Erbstatut des § 28 Abs 1 IPRG nicht auf den Nachlaßerwerb bezieht und für den Erwerb von Liegenschaften § 32 IPRG, für bewegliche Sachen aber § 28 Abs 2 IPRG anwendet). Gemäß § 31 Abs 1 IPRG sind der Erwerb und der Verlust dinglicher Rechte an körperlichen Sachen einschließlich des Besitzes nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sich die Sachen bei Vollendung des dem Erwerb oder Verlust zugrunde liegenden Sachverhaltes befinden. Für dingliche Rechte an einer unbeweglichen Sache ist gemäß § 32 IPRG der § 31 auch dann maßgebend, wenn diese Rechte in den Anwendungsbereich einer anderen inländischen Verweisungsnorm fallen. Nach dieser Bestimmung ist das Erbstatut eine "andere inländische Verweisungsnorm", welche durch die lex rei sitae ausgeschlossen ist (Schwind aaO Rz 364). Der Erbschaftserwerb dinglicher Nachlaßrechte an Liegenschaften ist daher nach dem Recht des Lageortes zu beurteilen (Schwimann in Rummel aaO Rz 4; derselbe, Grundriß 258). Unter "Erwerb" ist dabei nach den Materialien (RV 784 BlgNR 14.GP 47) nur der sachenrechtliche Erwerbsakt (Modus), nicht aber auch der Erwerbstitel gemeint.

§ 32 IPRG bezieht sich also auch im Erbrecht nur auf den erforderlichen Modus des dinglichen Erbschaftserwerbes (also auf die Frage, ob unmittelbarer Übergang auf den Berechtigten stattfindet oder Einantwortung bzw. sonstige Übergabe oder Registereintragung für den Nachlaßerwerb notwendig sind) (Schwimann NZ 1979,107).

Die Pflichtteilsansprüche der Kläger richten sich daher nach

österreichischem Recht (§ 28 Abs 1 IPRG). Das gilt auch für die

Frage, wer zur Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche

hinsichtlich des österreichischen Teils des Nachlasses passiv

legitimiert ist. Die Frage, ob der Beklagte bereits den

ausländischen Spaltnachlaß der Klägerin erworben hat, ist

hingegen nach deutschem Recht zu beurteilen. Wie das

Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist zur Erfüllung der

Pflichtteilsansprüche aus dem österreichischen Nachlaßteil bis

zur Einantwortung der Nachlaß (SZ 35/51 = EvBl 1962/487; SZ 48/19

= JBl 1976, 157 = EvBl 1975/247) und erst danach der Erbe

(EvBl 1956/34, SZ 40/38 = EvBl 1967/417; Welser in Rummel2 Rz 15

zu §§ 762 bis 764 ABGB) passiv legitimiert. Aus dem österreichischen Nachlaßteil können daher derzeit gegen den Beklagten, dem der Nachlaß (bis zum Verhandlungsschluß erster Instanz noch nicht eingeantwortet wurde, Pflichtteilsansprüche nicht erhoben werden.

Anders ist jedoch diese Frage bezüglich des ausländischen Teiles des Nachlasses der Erblasserin zu beurteilen.

Gemäß § 1922 BGB geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere Personen über. Gemäß § 1942 Abs 1 BGB geht die Erbschaft auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechtes über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft). Diese Vorschrift bringt zusammen mit § 1922 Abs 1 BGB den Grundsatz des Vonselbsterwerbs (ipso-iure-Erwerbs) zum Ausdruck. § 1922 Abs 1 BGB läßt die Erbschaft im Zeitpunkt des Erbfalls und ohne weitere Voraussetzung auf den berufenen Erben übergehen. Das Gesetz läßt den Erbschaftserwerb sogleich mit dem Erbfall eintreten, um eine subjektlose (ruhende) Erbschaft (hereditas iacens) zu vermeiden. Der Erbe wird sofort mit dem Erbfall dinglich berechtigt. Der Vonselbsterwerb kommt insofern der Rechtsklarheit zugute, als in jedem Moment ein Träger des Nachlasses vorhanden ist; dennoch bleibt auch hier zunächst die Unsicherheit darüber bestehen, wer endgültig der Rechtsträger sein wird, ist doch die Ausschlagung mit Rückwirkung auf den Erbfall ausgestattet (§ 1953 Abs 1 BGB) (Leipold in MünchKomm2 VI 241 Rz 1 bis 3 zu § 1942 BGB).

Damit kann aber auch der Pflichtteilsanspruch gegen den Erben schon mit dem Erbfall (Anfall der Erbschaft) geltend gemacht werden. Die Bestimmung des § 1958 BGB, wonach vor der Annahme der Erbschaft ein Anspruch, der sich gegen den Nachlaß richtet, nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden kann, kommt hier schon deshalb nicht zur Anwendung, weil dem Erben für die Ausschlagung der Erbschaft bei ausländischem Wohnsitz gemäß § 1944 BGB eine Frist von sechs Monaten zur Verfügung steht, mit dem Ablauf der Frist die Erbschaft als angenommen gilt (§ 1943 BGB) und der Beklagte eine solche Ausschlagung auch gar nicht behauptet hat. Sie stünde auch im Widerspruch zu seinem gesamten Prozeßverhalten. Außerdem steht fest, daß er schon am 4. Juli 1986 einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt hat.

Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes ist auch aus § 1960 Abs 1 Satz 2 BGB ein Hindernis, die Pflichtteilsklage gegen den Beklagten einzubringen, nicht zu sehen. Nach § 1960 Abs 1 BGB hat bis zur Annahme der Erbschaft das Nachlaßgericht für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiß ist, ob er die Erbschaft angenommen hat; in diesem Fall kann das Nachlaßgericht gemäß § 1960 BGB bestimmte näher bezeichnete Sicherungsmaßnahmen anordnen und für denjenigen, der Erbe wird, einen Pfleger (Nachlaßpfleger) bestellen. Es ist zwar richtig, daß der Fall, daß der Erbe unbekannt ist, auch dann angenommen wird, wenn wegen Zweifeln über einen bestimmten Berufungsgrund (insbesondere ernsthaften Zweifeln an der Gültigkeit des Testamentes) Unklarheit über die Person des wahren Erben besteht (Leipold aaO 308 Rz 14 zu § 1960 BGB). Abgesehen davon aber, daß im vorliegenden Fall jeder Anhaltspunkt dafür fehlt, daß sich das deutsche Nachlaßgericht wegen der widerstreitenden Anträge auf Ausstellung eines Erbscheins zu Sicherungsmaßnahmen für den Nachlaß im Sinne des § 1960 Abs 2 BGB veranlaßt gesehen und insbesondere einen Nachlaßpfleger bestellt hätte, nimmt diese Anordnung weder dem endgültigen noch dem vorläufigen Erben die Prozeßbefugnis (Leipold aaO 314 Rz 45 zu § 1960 BGB); diese bleibt vielmehr - unbeschadet der Voraussetzungen des § 1958 BGB (siehe oben) - auch für Passivprozesse gegeben. Pflichtteilsberechtigte, die gegen den berufenen Erben vorgehen, obwohl Unsicherheit darüber besteht, ob er endgültig der Rechtsträger des Nachlasses sein wird, riskieren lediglich, daß die Klage abgewiesen wird, wenn sich ein anderer als der wahre Erbe herausstellt.

Der Beklagte steht infolge Abweisung des Hauptbegehrens der Kläger als Testamentserbe fest; die Kläger können daher gegen ihn als Erben des deutschen Nachlaßteils Pflichtteilsansprüche geltend machen.

Da der Beklagte in Österreich seinen allgemeinen Gerichtsstand (§ 66 JN) hat und streitige Pflichtteilsansprüche sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht beim Prozeßgericht geltend zu machen sind (- wobei nach deutschem Prozeßrecht wahlweise der Gerichtsstand des Beklagten (§ 12 dZPO) oder der Erbschaft (§ 27 dZPO) in Betracht kommt, (Palandt, BGB50 § 2317 Rz 9) -), steht einer Erhebung dieser Ansprüche vor einem österreichischen Gericht der Umstand, daß er sich auf jenen Verlassenschaftsteil bezieht, der in Ansehung des Abhandlungsverfahrens nicht der österreichischen Jurisdiktion unterliegt, nicht entgegen (zT aM aber EFSlg. 40.989 und EvBl 1987/95 unter Berufung auf Köhler, IPR3, 137 bei FN 57 und die E 3 Ob 236/57 = ÖH Int 1957, 118, die aber die inländische Jurisdiktion im Verlassenschaftsverfahren selbst betraf).

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher zur Prüfung der Höhe der Pflichtteilsansprüche der Kläger aufzuheben.

Anmerkung

E27436

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00522.91.1008.000

Dokumentnummer

JJT_19911008_OGH0002_0040OB00522_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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