TE OGH 1991/10/8 4Ob548/91

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Veröffentlicht am 08.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günter E*****, vertreten durch Dr.Kurt Asamer und Dr.Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1) Helmut H*****;

2) Dkfm.Hermann H*****, beide vertreten durch Dr.Werner Steinacher und Dr.Michael Gärtner, Rechtsanwälte in Salzburg;

3) Friederike K*****, vertreten durch Dr.Michael Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg; 4) Dr.Hanna K*****, wegen Aufhebung einer Eigentumsgemeinschaft (Streitwert: 687.000 S), infolge Rekurses der erst- und der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 28. März 1991, GZ 4 R 273/89-34, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 28.Juni 1989, GZ 6 Cg 108/89-9, und das ihm vorausgegangene Verfahren ab der Verhandlungstagsatzung vom 28.Juni 1989 als nichtig aufgehoben wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:

"Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Prozeßkosten."

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Die Parteien sind die grundbücherlichen Miteigentümer des materiellen Anteils C der Liegenschaft EZ *****, und zwar der Kläger, die Dritt- und die Viertbeklagte zu je 1/7-Anteil sowie der Erst- und der Zweitbeklagte zu je 2/7-Anteilen.

Mit der Behauptung, daß eine Realteilung nicht möglich sei, begehrt der Kläger, mit Urteil auszusprechen, daß die Eigentumsgemeinschaft durch Feilbietung des materiellen Anteils C der Liegenschaft aufgehoben werde.

Der Erst- und der Zweitbeklagte sowie die Drittbeklagte erstatteten innerhalb der mit Beschluß des Erstgerichtes vom 14.3.1989 gemäß § 243 Abs 4 ZPO gesetzten Frist Klagebeantwortungen mit dem Antrag auf Abweisung der Klage, weil Unzeit vorliege und die Teilung schwere Nachteile für sie bedeuten würde; der Erst- und der Zweitbeklagte beriefen sich überdies auf einen mit 30.11.1994 befristeten Verzicht des Klägers auf die Erhebung einer Teilungsklage.

Da die Viertbeklagte mit der auch ihr aufgetragenen Erstattung einer Klagebeantwortung säumig blieb, erließ das Erstgericht auf Antrag des Klägers am 21.6.1989 (nur) gegen sie ein stattgebendes Versäumungsurteil, dessen schriftliche Ausfertigungen aber zunächst nur ihr selbst und dem Kläger zugestellt wurden. Der folgende Rechtsstreit wurde sodann meritorisch allein mit dem Erst-, dem Zweit- sowie der Drittbeklagten durchgeführt. Die Viertbeklagte wurde zur mündlichen Streitverhandlung am 28.6.1989 gar nicht mehr geladen und hat daran auch nicht teilgenommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren in Ansehung des Erst-, des Zweit- und der Drittbeklagten ab, weil es einen auch den Kläger bindenden Verzicht seiner Rechtsvorgängerin auf die Einbringung einer Teilungsklage bis zum 30.11.1994 annahm.

Der Kläger erhob gegen dieses Urteil Berufung.

Das Berufungsgericht veranlaßte zunächst die Zustellung des gegen die Viertbeklagte gefällten Versäumungsurteils auch an die übrigen Beklagten, hob sodann infolge deren Berufungen das Versäumungsurteil auf und wies den Antrag des Klägers auf Fällung eines Versäumungsurteils gegen die Viertbeklagte zurück (Beschluß vom 17.12.1990 ON 29). In der Folge hob es aus Anlaß der Berufung des Klägers das in Ansehung des Erst-, des Zweit- und der Drittbeklagten gefällte Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren bis einschließlich (offenbar gemeint: ab) der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 28.6.1989 als nichtig auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über die Klage unter Einbeziehung der Viertbeklagten auf; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Zwischen den mit Teilungsklage belangten Miteigentümern bestehe eine einheitliche Streitgenossenschaft im Sinne des § 14 ZPO. Alle Mitglieder einer einheitlichen Streitpartei seien als einheitliches Parteisubjekt anzusehen, so daß die Handlung eines einzelnen Streitgenossen genüge, wenn die anderen säumig geblieben sind. Auch säumige einheitliche Streitgenossen seien daher weiterhin zu jeder späteren Tagsatzung zu laden (§ 15 Abs 2 ZPO). Bei Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei bewirke ein ungesetzlicher Vorgang, der einem Streitgenossen durch Unterlassung der Zustellung die Möglichkeit entziehe, vor Gericht zu verhandeln, die Nichtigkeit des Urteils und des diesem vorangegangenen Verfahrens, wenn er geeignet war, die ganze einheitliche Streitpartei vom rechtlichen Gehör auszuschalten. Das sei aber hier der Fall, weil das Erstgericht ab Fällung des Versäumungsurteils gegen die Viertbeklagte das Verfahren nur noch mit den übrigen Beklagten durchgeführt und sich sein "Endurteil" auch nur auf sie bezogen habe. Damit könne aber dieses Urteil, das im Hinblick auf die einheitliche Streitpartei auf der Beklagtenseite nur ein einziges und einheitliches hätte sein dürfen, selbst im Hinblick auf das Tätigwerden des Erst-, des Zweit- und der Drittbeklagten keinesfalls mehr auch auf die Viertbeklagte erstreckt werden, so daß der Nichtigkeitsgrund gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO die ganze einheitliche Streitpartei umfasse.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Rekurs der Erst- und des Zweitbeklagten mit dem Antrag, die Entscheidung aufzuheben und dem Rekursgericht unter Einbeziehung der Viertbeklagten eine Sachentscheidung über die Berufung des Klägers aufzutragen.

Der Kläger stellt den Antrag, dem Rechtsmittel des Erst- und des Zweitbeklagten nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist im Ergebnis nur teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerber wenden sich nicht mehr gegen die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichtes, daß eine Klage auf gänzliche Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft (§ 830 ABGB) durch Zivilteilung gegen alle Teilhaber zu richten ist, die nicht als Kläger auftreten (Klang in Klang2 III 1104; Gamerith in Rummel, ABGB2, Rz 15 zu § 830 mwN; SZ 50/63; SZ 51/65 uva). Sie sind daher notwendige Streitgenossen im Sinne des § 14 ZPO und bilden eine einheitliche Streitpartei, weil es sich um ein gemeinschaftliches Rechtsverhältnis handelt, das nur für oder gegen alle einheitlich gestaltet werden kann (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 374). Diese Verschmelzung zu einem einzigen Prozeßsubjekt bewirkt einen einheitlichen Prozeß mit einem einheitlichen, gleichlautenden Urteil (Ballon, Einführung in das österreichische Zivilprozeßrecht - Streitiges Verfahren2, 79). Den hier zunächst aufgetretenen Konfliktsfall der Säumigkeit eines Mitgliedes der einheitlichen Streitpartei löst das Gesetz dahin, daß sich die Wirkungen der Prozeßhandlungen der tätigen Streitgenossen auch auf den säumigen Streitgenossen erstrecken (§ 14, letzter Satz, ZPO), so daß gegen ihn auch kein Versäumungsurteil gefällt werden darf (§ 402 Abs 2 ZPO; Fasching Kommentar II 199); § 15 Abs 2 ZPO ordnet vielmehr ausdrücklich an, daß selbst der "säumig" gewordene Streitgenosse zu jeder weiteren Tagsatzung zu laden ist.

Wenn auch das Erstgericht in Verkennung des Vorliegens einer einheitlichen Streitpartei gegen die Viertbeklagte zunächst ein Versäumungsurteil gemäß § 398 ZPO erlassen und sie zur Tagsatzung vom 28.6.1989 nicht mehr geladen hat, so machen die Rekurswerber doch zutreffend geltend, daß dadurch der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes verwirklicht noch nicht wurde. Wie weit nämlich bei Vorliegen einer Parteienmehrheit die Nichtigkeit des gegen einen Streitgenossen gerichteten Vorganges auch die Nichtigkeit des gegen die anderen Streitgenossen geführten Verfahrens zur Folge hat, ergibt sich aus § 14 ZPO. Danach ist dies aber bei Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei, also bei einer notwendigen Einheitlichkeit der Entscheidung für oder gegen alle Teilgenossen, nur dann der Fall, wenn der gegen einen Teilgenossen gerichtete Vorgang geeignet war, die ganze einheitliche Streitpartei vom rechtlichen Gehör auszuschalten; nur in einem solchen Fall könnte sich ja die Nichtigkeit auf das ganze Verfahren erstrecken (Fasching, Kommentar IV 127; SZ 61/55). Hier waren aber zumindest der Erst- und der Zweitbeklagte tätig; sie haben in der Tagsatzung am 28.6.1989 die Abweisung des Klagebegehrens beantragt (ON 8 S 31). Nach dem aus § 14, letzter Satz, ZPO abzuleitenden Grundsatz, daß die dem Prozeßstandpunkt der einheitlichen Streitpartei günstigste Erklärung gilt (Fasching, Kommentar II 198), hätten selbst widersprechende Erklärungen der Dritt- und/oder der Viertbeklagten oder deren fehlende Disposition über den Streitgegenstand an der Wirksamkeit der Prozeßhandlung des Erst- und des Zweitbeklagten für die einheitliche Streitpartei nichts ändern können. Die Unterlassung der Ladung der Viertbeklagten zur Tagsatzung vom 28.6.1989 hat somit im vorliegenden Fall die ohnehin tätig gewordene einheitliche Streitpartei vom rechtlichen Gehör nicht ausgeschlossen.

Damit ist aber für die Rekurswerber noch nichts entscheidendes gewonnen. Zwar kann der Oberste Gerichtshof über den Rekurs nicht durch Urteil in der Sache selbst erkennen, weil die Streitsache noch nicht zur Entscheidung reif ist; es hat aber - zumal die Parteien im Berufungsverfahren keinen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung gestellt haben - im Ergebnis bereits bei der Aufhebung des Ersturteils zu verbleiben:

Das vom Kläger beantragte Urteil sollte die zwischen sämtlichen Streitteilen bestehende Eigentumsgemeinschaft aufheben; das - zwischenzeitig aufgehobene - "Teilversäumungsurteil" sprach hingegen nur die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Viertbeklagten aus, und mit dem hier noch in Rede stehenden "Endurteil" wurde nur ein Klagebegehren auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft zwischen dem Kläger und dem Erst-, dem Zweit- und der Drittbeklagten abgewiesen. Solche nur einen Teil der Gemeinschaft betreffende Aufhebungen hat aber der Kläger nicht begehrt; sie sind auch etwas qualitativ anderes als die gänzliche Aufhebung der Gemeinschaft (so schon 4 Ob 527/91 zu einem - sogar rechtskräftigen - "Teilanerkenntnisurteil" über eine Teilungsklage und 4 Ob 553/91 zu einem gleichfalls rechtskräftigen "Teilanerkenntnisurteil" bei einer Erbrechtsklage). Das Erstgericht hat daher infolge seiner Verkennung des Vorliegens einer einheitlichen Streitpartei über das Urteilsbegehren des Klägers noch gar nicht abgesprochen, so daß dieses noch zur Gänze offen ist. Die Nichtbeachtung der notwendigen Streitgenossenschaft ist aber eine Frage der rechtlichen Beurteilung, soweit - wie hier - deren Rechtsnatur und Bedeutung in Form eines einheitlichen, gleichlautenden Urteils gegen alle Streitgenossen zur Erörterung steht (vgl SZ 30/29). Danach hätte das Erstgericht über die vorliegende Teilungsklage weiterhin unter Beiziehung auch der Viertbeklagten verhandeln und entscheiden müssen. Da dies wegen Verkennung der materiellen Rechtslage unterblieben ist und das "Endurteil" nur gegen die drei übrigen Streitgenossen, nicht aber gegen die einheitliche Streitpartei ergangen ist, hat es bei der Aufhebung des Ersturteils zu verbleiben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E26575

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00548.91.1008.000

Dokumentnummer

JJT_19911008_OGH0002_0040OB00548_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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