TE OGH 1991/10/9 1Ob600/91

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Veröffentlicht am 09.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Kodek, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Maria G*****, vertreten durch Dr. Georg Stenitzer, Rechtsanwalt in Laa a.d. Thaya, wider den Antragsgegner Adolf H*****, vertreten durch Dr. Hellfried Stadler, Rechtsanwalt in Mistelbach, wegen Bestellung eines Heiratsgutes, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 23. Juli 1991, GZ 5 R 174/91-37, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Laa a.d. Thaya vom 15. Mai 1991, GZ Nc 190/89-33, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß er einschließlich seines bestätigenden und seines unangefochten gebliebenen Teiles wie folgt zu lauten hat:

"Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen ein Heiratsgut von 100.000 S zu bestellen. Der darüber hinausgehende Antrag auf Bestellung eines weiteren Heiratsgutes von 23.000 S wird abgewiesen."

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist die eheliche Tochter des Antragsgegners. Die Ehe des Antragsgegners mit der Mutter der Antragstellerin, der noch fünf Söhne entstammen, wurde mit Urteil vom 28. Oktober 1988 rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin schloß am 20. November 1987 die - von ihren Eltern nicht mißbilligte - Ehe mit Josef G*****, sie und ihr Gatte verdienten 1987 (als Industriekauffrau und als ÖBB-Bediensteter) monatlich je etwa 11.000 S. Beide wohnten zunächst unentgeltlich in einer Wohnung der Schwiegermutter der Antragstellerin und seit März 1988 im Haus der Mutter der Antragstellerin. Auf einem ihnen von der Großmutter des Ehemannes der Antragstellerin und ihrem Gatten unentgeltlich überlassenen Baugrund errichten sie um etwa 1,000.000 S ein noch nicht bezugsfertiges Einfamilienhaus, für welches sie Förderungsmittel von etwa 430.000 S in Anspruch nahmen. Der Antragsgegner bezog 1987 ein Jahresnettoeinkommen von 188.788,20 S (177.041,20 S als Briefträger und 11.747 S als Mitglied einer Musikkapelle). Seit 1. März 1989 ist der Antragsgegner in Pension. Er war im Zeitpunkt der Eheschließung der Antragstellerin

a) gemeinsam mit der Mutter der Antragstellerin Hälfteeigentümer der Liegenschaften

1) EZ ***** Grundbuch ***** mit den Grundstücken Nr 414 Baufläche und Nr 415 Garten (zusammen 642 m2) mit einem Verkehrswert von 775.000 S sowie Nr 1221 Landw. genutzt (LN; 7.141 m2) mit einem Verkehrswert von 186.000 S; Liegenschaft belastet mit Pfandrechten für Höchstbeträge von 36.000 S und 29.000 S, aber ohne Kreditverpflichtung;

2) EZ ***** Grundbuch ***** mit dem Grundstück 1855 LN (10.275 m2) mit einem Verkehrswert von 246.600 S. Liegenschaft unbelastet;

b) Alleineigentümer der unbelasteten Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** mit dem Grundstück 1220 LN (24.250 m2) mit einem Verkehrswert von 630.500 S. Die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke waren um 12 kg Weizen/ar, dessen Kilopreis 3,703 S betrug, verpachtet. Bei Verwendung der auf den Antragsgegner entfallenden Pachtzinse bzw -anteile zur Schuldentilgung hätte ein Hypothekardarlehen von 76.000 S mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einer Verzinsung von 10,5 % aufgenommen werden können. Im Zuge eines Aufteilungsverfahrens nach §§ 81 EheG fielen aufgrund des Vergleiches vom 29. November 1990 die obgenannten Grundstücke Nr 414 und 415 mit dem Haus ***** ins Alleineigentum der vormaligen Gattin des Antragsgegners, das Grundstück Nr 1221 ins Alleineigentum des Antragsgegners. Von ihrer Mutter erhielt die Antragsgegnerin mit Übergabsvertrag vom 23. Mai 1989 deren Liegenschaftshälfte am obgenannten Grundstück Nr 1855 mit einem Verkehrswert von etwa 123.000 S als Heiratsgut.

Die Antragstellerin begehrte mit ihrem am 3. Oktober 1989 gestellten Antrag zuletzt die Bestellung eines Heiratsgutes von 170.000 S. Es sei geplant gewesen, daß ihr von ihren Eltern deren Grundstück Nr 1855 ins Eigentum als Heiratsgut übertragen werde. Hilfsweise werde die Bemessung in Geld beantragt.

Der Antragsgegner war lediglich zu einer Ausstattung von 60.000 S bereit. Seine vermögensrechtliche Situation habe sich wesentlich verschlechtert; er könne sich von seinem Grundbesitz, der für ihn noch eine gewisse stille Reserve darstelle, nicht trennen.

Das Erstgericht erachtete im zweiten Rechtsgang ein Heiratsgut von 123.000 S als angemessen und wies das Mehrbegehren rechtskräftig ab. Vom Jahreseinkommen des Antragsgegners von 188.788,20 S seien angesichts der Kinderzahl 25 % für die Bestimmung des Heiratsgutes heranzuziehen. Der weitere Liegenschaftsbesitz des Antragsgegners sei auf zumutbare Weise mit 76.000 S belastbar gewesen. Die Bestellung eines Heiratsgutes in dieser Höhe könne auch dem Antragsgegner durchaus zugemutet werden, weil er die Grundstücke Nr 1220 und Nr 1221 im Jänner 1991 um mindestens 700.000 S verkauft habe und eine damit gebildete Spareinlage bei üblicher Verzinsung jährlich mindestens 45.000 S bringen könne.

Das Rekursgericht spach der Antragstellerin ein Heiratsgut von 60.000 S rechtskräftig zu und wies das Mehrbegehren von 110.000 S ab. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 50.000 S; den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es nicht zu. In rechtlicher Hinsicht bezog die zweite Instanz in die Bemessungsgrundlage neben dem Jahresarbeitseinkommen des Antragsgegners von 188.788,20 S noch einen jährlichen Pachtschilling von 15.000 S ein.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1220 ABGB sind die Eltern ... nach den Grundsätzen, nach

denen sie für den Unterhalt der Töchter ... die kein eigenes, zu

einem angemessenen Heiratsgut hinlängliches Vermögen besitzen, verpflichtet, bei der Verehelichung ein angemessenes Heiratsgut zu geben oder verhältnismäßig dazu beizutragen. Zweck des Heiratsgutes ist im allgemeinen die Gewährung einer den Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen Starthilfe für das ausstattungsbedürftige Kind bei der Gründung einer eigenen Familie (EFSlg 60.001, 54.195; SZ 53/110 = EvBl 1981/41 ua; Koziol-Welser, Grundriß8 II 246; Ostheim, Familienrechtsreform und Ausstattungsanspruch in ÖJZ 1978, 505 ff, 512). Der Gesetzgeber geht davon aus, daß Söhne und Töchter zur Befriedigung der mit der ersten Heirat verbundenen Bedürfnisse noch einmal angemessen an den Lebensverhältnissen ihrer Eltern teilnehmen können (EFSlg 60.005, 46.037; Ostheim aaO, 507; Wanke in JBl 1988, 691 ff, 692; vgl auch Brauneder in Schwimann, Rz 5 zu §§ 1220 f ABGB). Beide Elternteile haben im Rahmen des Gesamtbedarfes entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zur Ausstattung anteilig beizutragen (EFSlg 46.036, 38.522; SZ 53/87).

Zur Höhe des Heiratsgutes stellt das Gesetz keine starre Regelung der Ausmittlung auf, maßgebend sind vielmehr die Verhältnisse des Einzelfalles (EFSlg 60.008, 56.940, 54.201 ua; Petrasch in Rummel, Rz 1 zu § 1221 ABGB), bezogen auf den maßgeblichen Verehelichungszeitpunkt des Ausstattungsberechtigten (EFSlg 60.016, 56.947, 48.590 uva; Brauneder aaO, Rz 11; Koziol-Welser aaO); auf die Leistungsfähigkeit des Ausstattungspflichtigen zur Zeit der Geltendmachung des Anspruches kommt es dagegen dann an, wenn sie geringer ist als zur Zeit der Eheschließung (EFSlg 46.051). Der Antragsgegner ist aber den Beweis einer derartigen Einkommensverschlechterung zwischen dem 20. November 1987 (Zeitpunkt der Eheschließung der Antragstellerin) und dem 3. Oktober 1989 (Zeitpunkt der Antragstellung) schuldig geblieben; aktenkundig ist nur eine Bezugsbestätigung für März 1989 (AS 35). Maßgeblich sind somit die von den Vorinstanzen festgestellten Einkommensverhältnisse des Antragsgegners.

Das Rekursgericht berücksichtigte im zweiten Rechtsgang bei der Bemessungsgrundlage neben dem Jahresnettoeinkommen des Antragsgegners für 1987, was von beiden Parteien nicht in Frage gestellt wird, den Pachtzinserlös aus den Liegenschaften des Antragsgegners für ein Jahr. Nach der Rechtsauffassung der zweiten Instanz lasse die mögliche Belastung der Grundstücke zwecks Kreditaufnahme wohl eine raschere Zahlung durch den Ausstattungspflichtigen zumutbar erscheinen, könne aber nicht als zusätzliche Einkommensquelle beurteilt werden. Dieser auch der Rechtsansicht des Rekursgerichtes im ersten Rechtsgang widersprechenden Auffassung kann vom Obersten Gerichtshof nicht beigetreten werden, weil als Bemessungsgrundlage auf (Arbeits)einkommen und Vermögen Bedacht zu nehmen ist. Unter Vermögen iS des § 1220 ABGB ist nicht nur ein Arbeitseinkommen des Ausstattungsverpflichteten zu verstehen, wenn dieses ohne Gefährdung seines eigenen anständigen Unterhaltes und des Unterhaltes derjenigen Personen, für die er unterhaltspflichtig ist, entsprechende Ersparnisse und die Ansammlung eines entsprechenden Kapitals ermöglicht (EFSlg 46.059; SZ 53/87 ua; Petrasch aaO, Rz 1 zu § 1221 ABGB), sondern auch Liegenschaften (Weiß in Klang2 V 731), soferne durch deren Belastung oder Veräußerung, allenfalls auch unmittelbare Übertragung an die Ausstattungsberechtigte der Ausstattungspflichtige sich ohne Beeinträchtigung der dem eigenen Lebensstandard entsprechenden Bedürfnisse und der seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen die Mittel zur Ausstattung verschaffen konnte (EFSlg 60.013, 54.203, 38.529 uva; Petrasch aaO, Rz 1 zu § 1221 ABGB; Weiß aaO; Ostheim aaO, 510). Nur ein völlig ertragloser Liegenschaftsbesitz, wie etwa ein zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Antragsgegners dienendes Einfamilienhaus ist nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen (EFSlg 48.599, 48.598, 48.597 ua). Davon kann hier mit Ausnahme der am 29. November 1990, somit lange nach Antragstellung in diesem Verfahren der vormaligen Gattin des Antragsgegners übertragenen Grundstücke Nr 414 und Nr 415 mit dem Wohnhaus mit Garten der Eltern der Antragstellerin nicht ausgegangen werden. Bei der angemessenen Berücksichtigung von als Vermögen zu berücksichtigenden Liegenschaften zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für ein Heiratsgut ist - ebenso wie bei Unternehmen (Petrasch aaO, Rz 1 zu § 1221) - nicht vom Ertragswert, sondern vom Verkehrswert der Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile im Zeitpunkt der Verehelichung der Antragstellerin bzw ihrer Antragstellung bei Gericht auszugehen. Lediglich dann, wenn, anders als hier, das Vermögen durchwegs Betriebsvermögen ist, ist zur Vermeidung einer Gefährdung des Unternehmens und damit des den Familienunterhalt der Beitragspflichtigen gewährleistenden Unternehmergewinnes auf den Ertragswert abzustellen (EFSlg 56.952).

Der Liegenschaftsbesitz des Antragsgegners hatte nach den Feststellungen im Zeitpunkt der Eheschließung seiner Tochter einen Verkehrswert von insgesamt 1,234.000 S, wovon 387.500 S für die als nicht verwertbar anzusehenden Grundstücke Nr 414 und Nr 415 außer Betracht zu bleiben haben, weshalb ein Betrag von 846.800 S verbleibt. Die Antragstellerin bewertet auch selbst die Ackergrundstücke ihres Vaters in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs mit 846.000 S. Bei der Bewertung von Liegenschaften sind grundbücherlich sichergestellte Darlehensschulden zu berücksichtigen (EFSlg 48.600; Brauneder aaO, Rz 12), doch bestanden solche im vorliegenden Fall nicht.

In Ansehung des Arbeitseinkommens werden bei (vermögenslosen) Erwerbstätigen 25 bis 30 % des Jahresnettoeinkommens als Bemessungsgrundlage für ein Heiratsgut als angemessen erachtet (EFSlg 60.022, 46.065; VwGH JBl 1978, 613; Petrasch aaO, Rz 1 zu § 1221 ABGB; Brauneder aaO, Rz 13; Wanke aaO, 695 mwN in FN 48). Im vorliegenden Fall ist unter Berücksichtigung eines 1987 erzielten Gesamtnettoeinkommens des Antragsgegners von rund 189.000 S und seines Liegenschaftsvermögens von rund 846.000 S, eines Durchschnittseinkommens der Antragstellerin (EFSlg 56.950) und der Tatsache, daß der Antragsgegner noch für seine Gattin sorgepflichtig war (EFSlg 46.054) und bereits fünf Söhne ausgestattet hatte, bei den gegebenen Lebensverhältnissen der Streitteile ein Heiratsgut der Antragstellerin, die von ihrer Mutter einen Liegenschaftsanteil mit einem Verkehrswert von 123.000 S erhalten hat, gegenüber dem Vater von 100.000 S angemessen. Der hypothetische Pflichtteil der Berechtigten gilt entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners nicht als Höchstgrenze für ein Heiratsgut (EFSlg 24.786; EvBl 1958/199; Brauneder aaO, Rz 13; Weiß aaO).

Demgemäß ist spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E27326

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00600.91.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19911009_OGH0002_0010OB00600_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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