TE OGH 1991/10/23 3Ob572/91

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Veröffentlicht am 23.10.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert M*****, vertreten durch Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Helmut Klement u.a., Rechtsanwälte in Graz, wegen S 90.578,40 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7. Mai 1991, GZ 5 R 204/90-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 29. Juni 1990, GZ 5 Cg 307/88-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Der Kläger hat mit Kaufvertrag vom 3. Jänner 1986 144/1925 Anteile an der Liegenschaft *****, mit welchen Anteilen das Wohnungseigentum an der Wohnung top.Nr. ***** des Hauses ***** und an einem damit verbundenen Autoabstellplatz ***** verbunden werden sollte, um den Gesamtkaufpreis von S 3,019.280,-- erworben.

Der Kläger begehrt die Rückerstattung eines Teiles des Kaufpreises als Preisminderung, weil ihm die vollkommene Satz- und Lastenfreiheit des Kaufgegenstandes zugesagt worden sei, die Liegenschaft aber tatsächlich auf Grund einer im Grundbuch eingetragenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung nach dem Wiener Garagengesetz dahin belastet sei, daß die Liegenschaftseigentümer die Zu- und Abfahrt sowie die Einstellung von fünf mehrspurigen Kraftfahrzeugen zugunsten der Nachbarliegenschaft zu dulden hätten. Ein allfälliger Verzicht des Klägers auf Minderungsansprüche sei wegen der ausdrücklichen besonderen Zusage der Lastenfreiheit unwirksam.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Schon im Kaufvertrag sei der Kläger auf den Baubewilligungsbescheid ***** und den Umstand hingewiesen worden, daß eine Wohnhausanlage mit 22 Wohnungen und 24 Autoabstellplätzen errichtet werde. Schon im Baubewilligungsbescheid sei die Duldungspflicht nach dem Wiener Garagengesetz hinsichtlich fünf "Pflichtabstellplätzen" zugunsten des Nachbarhauses ersichtlich gewesen. Die Formulierung im Kaufvertrag, daß die Anteile des Klägers "satz- und lastenfrei" zu übergeben seien, betreffe nur privatrechtliche Belastungen hinsichtlich der mit der Wohnung und dem Abstellplatz verbundenen Anteile des Klägers. Der Kläger habe überdies bestätigt, daß ihm der Grundbuchsstand bekannt gewesen sei. Die Kosten der Errichtung der fünf Abstellplätze habe die beklagte Partei getragen. Der Kläger habe auf Minderungsansprüche verzichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen:

Am 19. November 1985 besichtigte der Kläger die von der beklagten Partei zum Kauf angebotene Wohnung *****. Die Wohnung wurde ihm von einer Angestellten der beklagten Partei gezeigt. Über etwaige Belastungen des Grundstückes, insbesondere die öffentlich-rechtliche Verpflichtung nach dem Wiener Garagengesetz zur Duldung der Zu- und Abfahrt und der Einstellung von fünf zweispurigen Kraftfahrzeugen zugunsten der Nachbarliegenschaft, wurde nicht gesprochen. Die besichtigte Wohnung sagte dem Kläger zu; wegen der Vertragserrichtung wurde der Kläger an den Rechtsanwalt Dr. Herbert P***** verwiesen. Dr. Herbert P***** war von der beklagten Partei beauftragt, im Namen der beklagten Partei mit Interessenten Kaufverträge über Eigentumswohnungen und damit verbundenen Autoabstellplätzen auf der gegenständlichen Liegenschaft abzuschließen, die Gebührenanzeige beim Finanzamt zu erstatten, die grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrages zu betreiben und die Treuhandschaft für die Finanzierung zu übernehmen. Zu seinen Aufgaben zählte es auch, den Kaufinteressenten den Kaufvertrag juristisch zu erklären und allenfalls die Art der Finanzierung auszuhandeln. Reine Verkaufsverhandlungen, wie etwa das Vorführen der Wohnung, Auskünfte über deren Ausstattung und ähnliches gehörten nicht dazu.

Die beklagte Partei verwendete zur Wahrung der Kontinuität für alle Käufer den selben Kaufvertrag, ein Formular, das die ***** Hausverwaltung, aufgesetzt hatte, und in dem nur die individuellen Daten des Käufers (Namen, Beruf, Wohnadresse), die Höhe des Miteigentumsanteils, die Nummer der zu erwerbenden Wohnung und des damit verbundenen Autoabstellplatzes, der Kaufpreis und die Zahlungsmodalitäten einzusetzen waren. Dr. Herbert P***** schien im Vertrag namentlich als Vertreter der beklagten Partei auf. Die Eigentumswohnhausanlage war zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellt.

Der Kläger suchte Dr. P***** in dessen Kanzlei am 27. November 1985 zum ersten Mal auf und erhielt einen unausgefüllten Mustervertrag zum Durchlesen. Dr. P***** nahm den Vertrag mit dem Kläger durch und nahm auch dessen Daten auf. Der Kläger begehrte insbesondere Auskunft über den Grundbuchsstand der Liegenschaft, da der Käufer nach Punkt XIV des Vertrages bestätigen sollte, daß er diesen kenne. Dr. P***** erwiderte, daß er im Augenblick keinen Grundbuchsauszug da habe, versicherte aber dem Kläger, daß die Liegenschaft abgesehen von der im Vertrag genannten Servitut der Müllraumbenützung zugunsten der Nachbarliegenschaft unbelastet sei. Am 5. Dezember 1985 kam es neuerlich zu einer Besprechung in der Kanzlei des Dr. Herbert P*****, an der außer Dr. P***** und dem Kläger noch dessen Frau und ein Vertreter der Vermittlerfirma anwesend waren. Dabei wurden noch einmal die Kaufbedingungen, insbesondere die Finanzierung, besprochen und schließlich der Vertragstext endgültig festgesetzt.

Am 17. Dezember 1985 schickte Dr. P***** dem Kläger einen gemäß der Besprechung ausgefüllten Vertrag zur Unterzeichnung mit dem Ersuchen, die Unterschrift und die im Formular vorgenommenen Streichungen notariell beglaubigen zu lassen. Dem wurde seitens des Klägers entsprochen.

Nach diesem Kaufvertrag erwarb der Kläger ***** Anteile an der Liegenschaft ***** und sollte vorbehaltlich der Nutzwertfeststellung Wohnungseigentum an der Wohnung top ***** und den damit verbundenen Abstellplatz Nr. ***** erwerben. Der Pauschalkaufpreis betrug S 3,019.280,-, wobei an Grundkosten S 983.195,-- auf die Wohnung und S 48.115,-- auf den Abstellplatz und an Baukosten S 1,914.195,-- auf die Wohnung und S 73.775,-

auf den Abstellplatz entfielen. Der Kaufpreis wurde vom Kläger bereits bezahlt.

In Punkt I des Vertrages wurde festgelegt, daß auf der Liegenschaft 22 Wohnungen und 24 Abstellplätze zur Errichtung gelangen und daß der Baubewilligungsbescheid ***** und die genehmigten Pläne von Dipl.Ing. Josef W***** maßgebend sind. Nach Punkt XIV des Vertrages haftet die beklagte Partei dafür, daß die gekauften Anteile "vollkommen satz- und lastenfrei dem Käufer übergeben werden". Davon wird die Servitut der Müllraumbenutzung zugunsten der Liegenschaft ***** ausgenommen. Der Kläger bestätigt in dem Vertrag, "den derzeitigen Grundbuchsstand zu kennen und erklärt sich in Punkt XX überdies bereit, seinerseits Minderungsansprüche, Zurückbehaltungsrechte und Aufrechnungen jeder Art sowie Abtretungen und Übertragungen von Forderungen und Ansprüchen mit den in sämtlichen Vereinbarungen mit der Verkäuferin festgelegten Zahlungsverpflichtungen auszuschließen". Punkt XVIII des Vertrages bestimmt, daß "alle diesen Vertrag widersprechenden oder abändernden Vereinbarungen zwischen der Verkäuferin und dem Käufer mangels Schriftform unwirksam" sind.

Die Baubewilligung für die gegenständliche Anlage erfolgte mit Bescheid vom *****. Die ***** schrieb darin unter anderem die Schaffung von 17 Stellplätzen gemäß § 36 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes vor und bestimmte zusätzlich für fünf Pflichtstellplätze für das Nachbarhaus.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 1983 sprach die ***** anläßlich einer Grundteilung die Verpflichtung der Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft aus, die Zu- und Abfahrt sowie die Einstellung von fünf mehrspurigen Kraftfahrzeugen zugunsten der Nachbarliegenschaft zu dulden. Diese Verpflichtung wurde im A-2-Blatt der Liegenschaft verbüchert.

Der Kläger verweigerte die Unterfertigung des Vertrages über die Einräumung des Wohnungseigentums unter Hinweis auf diese Verpflichtung.

Mit Sachbeschluß vom 8. Juni 1989 führte das Landesgericht für ZRS Wien ***** als Rekursgericht im Verfahren über die Nutzwertfestsetzung der Eigentumswohnungen auf der gegenständlichen Liegenschaft unter anderem aus, daß es bereits im erstinstanzlichen Verfahren über die Nutzwertfestsetzung unstrittig gewesen sei, daß die fünf Abstellplätze allgemeiner Teil der Liegenschaft seien und daher im Miteigentum aller Anteilseigentümer der Liegenschaft stünden.

Die Kalkulierung der 22 Wohnungen und 24 Abstellplätze erfolgte durch die beklagte Partei jeweils getrennt, der Kläger hat mit seinem Kaufpreis keinen Anteil an den Kosten der gegenständlichen fünf Abstellplätze. Für die Bereitstellung der fünf Abstellplätze sind von den Eigentümern des Nachbarhauses jeweils S 100.000 per Abstellplatz der beklagten Partei zu bezahlen. Zur Zeit werden diejenigen der fünf Abstellplätze, die nicht von der Nachbarliegenschaft benützt werden, von der beklagten Partei an Bewohner des Hauses ***** vermietet. Die Betriebskosten für diese Abstellplätze werden den jeweiligen Mietern vorgeschrieben. Die Erträgnisse verwendet die beklagte Partei zur Deckung der Baukosten der jeweiligen Abstellplätze.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die strittigen fünf Abstellplätze gehörten zwar zum allgemeinen Teil der Liegenschaft und stünden im Miteigentum des Klägers, doch habe dieser nach der Kalkulation der beklagten Partei kein Entgelt für den Miteigentumsanteil an den Abstellplätzen gezahlt, sodaß eine Wertminderung an seinem Liegenschaftsanteil nicht eingetreten sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Auszugehen sei davon, daß die strittigen fünf PKW-Abstellflächen von einer derartigen baulichen Ausgestaltung seien, daß an ihnen selbständiges Wohnungseigentum nicht begründet werden könne. Allerdings sei an derartigen Flächen, die Möglichkeit der deutlichen Abgrenzung (z.B. durch Bodenmarkierungen) vorausgesetzt, die Begründung eines sogenannten Zubehörwohnungseigentums nach § 1 Abs. 2 WEG möglich, wie dies ja auch beim Kläger bezüglich einer Abstellfläche vorgesehen sei. Die Zuordnung (Widmung) erfolge durch Vertrag. Nur mangels Zuordnung gehörten Kraftfahrzeugabstellplätze zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft. Aber auch bei Einräumung des Umstandes, daß die fünf Abstellflächen zum allgemeinen Teil der Liegenschaft gehörten, insbesondere weil die Begründung eines Zubehörwohnungseigentums zugunsten von Interessenten des Nachbarhauses nicht möglich erscheine, sei damit für den Kläger nichts gewonnen, weil ihm Miteigentumsrechte an den Abstellflächen nicht zukämen. Der Kläger habe mit dem Kaufvertrag nur einen Anspruch auf Einräumung des Mindestanteils erworben, das sei der zum Erwerb des Wohnungseigentums erforderliche Anteil, der dem Verhältnis des Nutzwertes der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit zum Nutzwert aller Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten der Liegenschaft entspreche. Die dem Nachbarhaus gewidmeten Parkflächen seien bei der Nutzwertfestsetzung des Objektes des Klägers nicht zu berücksichtigen, genausowenig wie alle anderen allgemeinen Teile der Liegenschaft. Der Kläger habe nur das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, eine selbständige Wohnung und den damit verbundenen PKW-Abstellplatz ausschließlich zu nutzen und darüber frei zu verfügen, erworben. An den übrigen Parkflächen des Hauses stünden ihm Nutzungsrechte nicht zu. Es ergebe sich aus der Bestimmung des § 20 Z. 2 WEG, daß die Erträgnisse aus diesen Parkflächen nur den schlichten Miteigentümern der Liegenschaft zukämen. Daß der Kläger einen seinen Mindestanteil übersteigenden Miteigentumsanteil erworben habe, sei nicht behauptet worden und nach dem Kaufvertrag auszuschließen. Habe die Beklagte als Wohnungseigentumsorganisatorin und schlichte Miteigentümerin der Liegenschaft über die fünf strittigen Abstellflächen im Sinne der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung nach dem Wiener Garagengesetz verfügt, sei dies auf die Rechtsposition des Klägers ohne Einfluß, weil diese Flächen vom Kaufvertrag nicht umfaßt seien. Eine derartige Verfügung sei aber auch entgegen der Ansicht des Klägers nicht unwirksam im Sinne der Bestimmung des § 24 WEG, da hiedurch in Nutzungs- oder Verfügungsrechte des Klägers nicht eingegriffen werde. Der Fall liege nicht anders, als wenn die beklagte Partei bei Nichtbestehen einer öffentlich-rechtlichen Duldungspflicht die fünf Abstellflächen an andere Wohnungseigentumsbewerber zur Schaffung des schon erwähnten Zubehörwohnungseigentums im Sinne des § 1 Abs. 2 WEG verkauft hätte. An der Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen könne nicht gezweifelt werden. Auch in diesem Fall stünde dem Kläger ein Preisminderungsanspruch nicht zu, weil er bloß einen Anspruch auf Einräumung des Miteigentums im Ausmaß des Mindestanteils käuflich erworben habe.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß die klagende Partei noch nicht Wohnungseigentümer ist, sondern nur schlichte Miteigentumsanteile erworben hat. Im Kaufvertrag ist allerdings die spätere Schaffung von Wohnungseigentum vorgesehen und in Punkt III dazu vereinbart, daß der Kläger verpflichtet sei, ohne Kaufpreisrichtigstellung die infolge der Parifizierung sich ergebenden überschießenden Miteigentumsanteile an andere Miteigentümer zu übertragen oder zum Mindestanteil fehlende Anteile von anderen Miteigentümern zu übernehmen.

Kaufgegenstand waren also nicht schlechthin die 144/1925-Anteile der Liegenschaft, sondern die vielleicht auch etwas höheren oder niedrigeren Anteile, die dem zum Erwerb des Wohnungseigentums erforderlichen Mindestanteil iSd § 3 Abs. 1 WEG entsprechen. Der Umfang des Wohnungseigentums sollte sich auf die Wohnung Nr. 13 und den Abstellplatz Nr. 11 erstrecken.

Damit allein ist aber das rechtliche Schicksal der in diesem Verfahren strittigen fünf Kfz-Abstellplätze nicht geklärt.

Zwar dürfte die Begründung von selbständigem Wohnungseigentum an diesen Abstellflächen mangels der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 WEG ausscheiden (keine Garagenräume, kein Parkhaus), wohl aber hätte von Anfang an geplant sein können, auch an diesen Abstellplätzen sog. Zubehörs-Wohnungseigentum iSd § 1 Abs. 2 WEG zu begründen. In diesem Falle müßten die einzelnen Abstellplätze bei der Parifizierung berücksichtigt und jeweils einem Wohnungseigentumsobjekt zugeordnet werden. Für den Kläger könnte sich bei Verbindung des Zubehörswohnungseigentums mit dem Wohnungseigentum anderer Miteigentümer kein Preisminderungsanspruch ergeben, weil sich dann die öffentlich-rechtliche Last nur auf diese anderen Wohnungseigentümer negativ auswirken könnte.

Möglich wäre auch die Begründung von sog. gemischtem Wohnungseigentum in der Form, daß nur an einem Teil der wohnungseigentumsfähigen Räumlichkeiten Wohnungseigentum, an den übrigen Teilen einschließlich der fünf Abstellplätze aber nur schlichtes Miteigentum begründet werden sollte. Nur für diesen bisher nicht erwiesenen Fall würde die vom Berufungsgericht angeführte Bestimmung des § 20 Z 2 WEG zur Anwendung kommen.

Sehr naheliegend war aber, diese fünf Abstellplätze als einen der allgemeinen Benützung dienenden Teil der Liegenschaft iSd § 1 Abs. 3 WEG zu widmen, was auch konkludent geschehen konnte. Die "allgemeine Benützung" konnte hier auch nur darin bestehen, daß alle Miteigentümer mit Hilfe dieser fünf Abstellplätze die nach den Bestimmungen des Wiener Garagengesetzes vorgeschriebenen Pflichtstellplätze für eine Nachbarliegenschaft sicherstellten. Für diesen Fall hätten die fünf Abstellplätze nicht in die Nutzwertfeststellung einbezogen werden dürfen, sondern sie hätten dann auch nach der Schaffung des vorgesehenen Wohnungseigentums im schlichten Miteigentum aller Wohnungseigentümer stehen sollen (MietSlg. 33/11, MietSlg. 40/14).

Die Vorinstanzen haben bisher nicht festgestellt, welche Vereinbarungen und Widmungen hier bestehen. Das Erstgericht verweist nur auf eine in einem Sachbeschluß dargestellte unstrittige Ansicht und führt in der rechtlichen Beurteilung aus, daß die strittigen fünf Abstellplätze zum allgemeinen Teil der Liegenschaft gehören. Soweit darin eine Tatsachenfeststellung liegen könnte, wurde sie in der Berufung vom Kläger außer Streit gestellt. Eine ähnliche Außerstreitstellung der beklagten Partei fehlt.

Von der Klärung dieser Tatfrage hängt aber ab, ob dem Kläger überhaupt ein Preisminderungsanspruch zustehen kann.

Wenn, was nach der ganzen Sachlage an sich am wahrscheinlichsten ist, gemäß der von Beginn an vorgesehenen Widmung von einem allgemeinen Liegenschaftsteil iSd § 1 Abs. 3 WEG auszugehen ist, hat der Kläger zwar durchaus genau das erhalten, wofür er den vereinbarten Kaufpreis zahlte (wenn von der noch ausstehenden Begründung von Wohnungseigentum abgesehen wird). Die Kaufsache enthält aber den Makel, daß im Grundbuch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung nach dem Wiener Garagengesetz ersichtlich gemacht ist, obschon im Kaufvertrag ausdrücklich das Fehlen einer solchen Belastung zugesagt ist.

Zutreffend ist in diesem Zusammenhang die Ansicht des Erstgerichtes, daß die nur auf Grund der unrichtigen Angaben des von der beklagten Partei zur Vertragsvorbereitung herangezogenen Rechtsanwaltes zustandegekommene Erklärung des Klägers, er kenne den Grundbuchsstand, wegen der ausdrücklichen Zusage der Lastenfreiheit nicht schadet (Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 5 zu § 928).

Der im Kaufvertrag enthaltene Hinweis auf den Baubescheid, in dem von den Pflichtstellplätzen die Rede ist, kann nicht der Vereinbarung gleichgesetzt werden, daß auch die strittige öffentlich-rechtliche Last von der zugesagten Lastenfreiheit ausgenommen sein solle. Es ist ja nicht ohne weiteres zu vermuten, daß ein Baubescheid auf eine solche Last hinweist, wenn der Verhandlungspartner ausdrücklich davon spricht, daß im Grundbuch (außer einer ganz bestimmten Servitut) keine Lasten aufscheinen.

Ähnliches gilt für das im Kaufvertrag Punkt III vereinbarte Recht von entschädigungslos hinzunehmenden Grundabtretungen. Eine öffentlich-rechtliche Last ist etwas anderes als eine solche Grundabtretung.

Die Vertragsklausel nach Punkt XX des Kaufvertrages ist im Zweifel nicht als Verzicht auf den Preisminderungsanspruch sondern nur als Verzicht auf die Entgegensetzung der Preisminderungsberechtigug im Falle der Einklagung des Kaufpreises, also als eine Art Kompensationsverbot aufzufassen.

Auch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung, fünf Pflichtstellplätze für eine Nachbarliegenschaft hinnehmen zu müssen, ist eine von der Klausel nach Punkt XIV erfaßte "Last".

Es müßte daher für den jetzt zugrundegelegten Fall (daß die fünf Abstellplätze allgemeiner Teil iSd § 1 Abs. 3 WEG werden sollten) geprüft werden, welchen Wert der vom Kläger gekaufte Liegenschaftsanteil mit dieser Belastung hat und wie groß er ohne diese Belastung wäre. Falls eine solche Wertminderung ganz unerheblich wäre, müßte die Klage abgewiesen werden, andernfalls käme ein Preisminderungsanspruch in Betracht.

Wie die beklagte Partei bei Errechnung des Kaufpreises kalkuliert hat, würde dabei grundsätzlich keine Rolle spielen. Selbst wenn sie den auf die fünf Abstellplätze entfallenden Baukostenanteil bisher selbst getragen hätte und vom Kläger nur die auf seine Wohnung und seinen eigenen Abstellplatz entfallenden Bauerrichtungskosten in Rechnung gestellt hätte, müßte sie für ihren Fehler einstehen.

Der Kalkulation der beklagten Partei kann nur insofern Bedeutung zukommen, als die Preisminderung nach der sog. "relativen Berechnungsmethode" vorzunehmen ist. Der vereinbarte Preis muß sich zum geminderten Preis so verhalten, wie der objektive Wert der Sache ohne Mangel (der wegen eines Kalkulationsfehlers der beklagten Partei höher als der vereinbarte Preis liegen kann) zum objektiven Wert der Sache mit Mangel (vgl. Koziol-Welser8 I 246).

Die Argumentation der beklagten Partei in der Revisionsbeantwortung, für den Kläger könne es keinen Unterschied machen, ob von den insgesamt 24 Abstellplätzen bei vorhandenen 22 Wohnungen einige Abstellplätze von Wohnungseigentümern desselben Hauses oder von solchen des Nachbarhauses benützt werden, ist nicht zielführend. Wenn der Kläger eine Eigentumswohnung samt Abstellplatz in der Form gekauft hat, daß dazu als allgemeiner Teil iSd § 1 Abs. 3 WEG auch noch einige allen Wohnungseigentümern dienende weitere Abstellplätze gehören, dann wird er dadurch benachteiligt, daß ihm diese Abstellplätze nicht in der Weise zukommen, daß sie von allen Wohnungseigentümern, also vielleicht fallweise auch von ihm (Zweitwagen!), benützt werden können, sondern daß sie lediglich der Erfüllung einer ihm verschwiegenen öffentlich-rechtlichen Last dienen.

Nicht zu prüfen ist in diesem Verfahren auch, was mit den von der beklagten Partei für die fünf Abstellplätze bisher erzielten Einnahmen zu geschehen hat.

Da die Sache im aufgezeigten Sinne noch nicht spruchreif ist, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

Anmerkung

E27398

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00572.91.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19911023_OGH0002_0030OB00572_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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