TE OGH 1991/10/23 3Ob575/91

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Veröffentlicht am 23.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jaqueline G*****, vertreten durch Dr. Hannes Priebsch und DDr. Sven Fenz, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Christian R*****, vertreten durch Dr. Hannes Rant und Dr. Kurt Freiler, Rechtsanwälte in Wien, wegen der Herausgabe von zwei chinesischen Eckkästchen (Streitwert S 80.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2. Oktober 1990, GZ 5 R 122/90-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 3. Feber 1990, GZ 7 Cg 32/89-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Gerichtes erster Instanz wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist auch schuldig, der klagenden Partei die mit S 18.195,80 (darin S 2.199,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und der Beklagte sind Halbgeschwister. Ihre Mutter verfügte über beträchtliches Vermögen. Sie hatte nach dem Ableben ihres ersten Ehegatten im Jahr 1947 Liegenschaften im Mürztal mit einem Schloß geerbt und 1949 mit dem Vater des Beklagten die Ehe geschlossen. Sie finanzierte der Klägerin und ihrer Schwester den Ankauf einer Liegenschaft in Kitzbühel und übertrug ihnen Grundstücke bei Wien mit Gebäuden und Einrichtungsgegenständen unter Vorbehalt eines Wohn- und Fruchtgenußrechtes auf Lebenszeit.

Die Mutter der Klägerin wohnte vorwiegend in Lausanne, Wien und auf ihrem Schloß im Mürztal aber auch in Paris und London. Sie setzte die Sammlertätigkeit fort und richtete alle Liegenschaften mit wertvollen Möbeln und Kunstgegenständen ein, die sie nach ihrer Verfügung von einem Ort zum anderen bringen ließ, so daß vornehmlich das Schloß aber auch die Häuser der Töchter mit erlesenen Gegenständen ausgestattet waren.

Die Klägerin und ihre Schwester hatten ab 1969 ihren Wohnsitz in London, verbrachten aber die Sommermonate bis 1988 regelmäßig auf dem mütterlichen Schloß. Der Beklagte nahm auf dem Schloß, in München, Wien und Kitzbühel Aufenthalt. Die drei Kinder konnten auf den Liegenschaften jeweils über eigene Zimmer verfügen. Die Mutter pflegte ihnen Geschenke zu machen. Die Beschenkten konnten über die Gegenstände frei verfügen, sie wurden jedoch teilweise in den Räumen belassen, wo sie sich gerade befanden.

Im Jahr 1984 stellten die Töchter über die Aufforderung der Mutter eine Liste zusammen, in der Gegenstände verzeichnet waren, die sie aus dem Schloß geschenkt haben wollten. Die Mutter stellte eine Schenkung der Sachen in Aussicht. Gemeinsam wurden die auf den Listen eingetragenen Gegenstände besichtigt. Bei diesem Anlaß erklärte die Mutter der Klägerin im Beisein der Schwester, sie schenke ihr die beiden auf der Liste genannten dreieckigen chinesischen Eckkästchen mit Marmorplatte sogleich. Die Klägerin könne die Schränke nach London mitnehmen. Die Klägerin nahm die Schenkung an, beließ aber die Kästchen in dem allein von der Mutter benützten Zimmer in deren Schloß.

Im Jahr 1985 übertrug die Mutter dem Beklagten mit einem Schenkungsvertrag die Liegenschaften mit dem Schloß unter Vorbehalt des Fruchtgenusses. Auf dieses Recht verzichtete sie erst später. Der Beklagte war bemüht, auch das gesamte Inventar im Schloß geschenkt zu erhalten. Da sie aber weitere Erinnerungsstücke ihren Töchtern überlassen wollte, unterfertigte die Mutter eine vorbereitete Erklärung nicht. Erst am 22. Mai 1986 unterschrieb die Mutter diese Erklärung, wonach es dem übereinstimmenden Willen entspreche, daß mit der Schenkung am 29. November 1985 auch Inventar und Hausrat mit dem Schloß geschenkt und übernommen wurden.

Im Dezember 1986 unterrichtete sie davon auch den Rechtsvertreter der Klägerin und betonte, daß einige der Gegenstände auf dem Schloß ohnedies bereits den Töchtern gehörten. In der Folge kam es am 19. Feber 1987 zu einer Besprechung zwischen der Mutter und den Töchtern und dem Rechtsanwalt, deren Ergebnis der Rechtsanwalt in einer schriftlichen Erklärung festhielt. Die Erklärung wurde am 21. April 1987 in Wien ergänzt. Nach dieser Erklärung waren die beiden chinesischen Kästchen schon Eigentum der Klägerin.

In den Jahren 1987 und 1988 unterfertigte die Mutter auf Wunsch des Beklagten Erklärungen, wonach Inventar und Hausrat am 22. Mai 1986 geschenkt wurden und mit Stichtag 10. August 1987 Übergabe und Übernahme erfolgten. In einer Erklärung wurden einige Gegenstände von der Schenkung ausgenommen. Von den chinesischen Kästchen wurde nichts erwähnt.

In einem Notariatsakt vom 3. Jänner 1989 bestätigte die Mutter, daß die Klägerin unter anderem Eigentümerin der beiden chinesischen Kästchen "geschenkt im August 1984" sei.

Die Mutter der Streitteile litt an der Parkinson'schen Krankheit. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich ab 1982. Sie lebte zur Behandlung ihres Leidens seit 1987 vorwiegend in Wien. Seither trat zu den körperlichen Leiden ein geistiger Verfall hinzu. Sie ermüdete rasch, konnte sich nur zeitweise konzentrieren und erblindete 1988. Sie war aber zumindest bis 1987 in der Lage, selbständig Entscheidungen und Dispositionen zu treffen und den Inhalt von Urkunden zu erfassen. Sie verstarb am 26. Juni 1990.

Die Klägerin erhob gegen den Beklagten am 25. Jänner 1989 als Eigentümerin die Klage auf Herausgabe der beiden chinesischen Kästchen. Der Beklagte weigere sich, die auf dem Schloß befindlichen Kästchen auszufolgen.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Nach dem Wunsch der Mutter sollten alle Gegenstände, die zu einem Haus gehörten, auch dort verbleiben. Das Inventar sei bei der Schenkung des Schlosses nur aus steuerlichen Gründen unerwähnt geblieben. Die Mutter habe ihm aber alle Gegenstände auf dem Schloß ins Eigentum übertragen, die chinesischen Kästchen seien nicht ausgenommen worden. Die Erklärung der Mutter sei erst zu einer Zeit errichtet worden, als sie nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war.

Das Erstgericht gab dem Herausgabebegehren der Klägerin statt. Es stellte den eingangs erwähnten Sachverhalt fest und meinte, die Mutter habe der Klägerin im Jahr 1984 die Kästchen geschenkt. Die Verfügungen zugunsten des Beklagten seien erst später erfolgt und hätten die Kästchen, die nach übereinstimmendem Willen in die volle Verfügungsmacht der Klägerin und damit in deren Eigentum übergegangen waren, nicht mehr betreffen können.

Das Berufungsgericht wies das Herausgabebegehren ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe bedürften zu ihrer Wirksamkeit eines Notariatsaktes. Nur solche Schenkungen seien vom Formzwang ausgenommen, bei denen zum Vertrag noch ein als Übergabe erkennbarer Akt hinzutrete, aus dem der Wille des Geschenkgebers hervorgehe, den Gegenstand sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Geschenknehmers zu übertragen. Die Besitzauftragung (constitutum possessorium) stelle keine wirkliche Übergabe dar. Da die Klägerin die ihr geschenkten Kästchen im Zimmer der Mutter im Schloß beließ, komme allein die Besitzauftragung nach § 428 Fall 1 ABGB in Betracht, daß die Geschenkgeberin auf erweisliche Art ihren Willen erklärte, die Sache für die beschenkte Klägerin innezuhaben. Die Klägerin habe dadurch kein Eigentum erworben, weil die Merkmale einer wirklichen Übergabe fehlten. Auch später seien die Kästchen im Zimmer der Mutter auf dem Schloß geblieben und der Klägerin nicht übergeben worden. Die nachfolgenden Erklärungen der Mutter könnten die wirkliche Übergabe, die der Schenkung auch nachfolgen konnte, nicht ersetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision, der der Beklagte nach der Freistellung ihrer Beantwortung durch den Obersten Gerichtshof entgegentritt, ist zulässig und auch berechtigt.

Für die rechtliche Beurteilung ist österreichisches Sachrecht maßgeblich. Wie sich aus dem Prozeßakt ergibt, liegen insoweit zu einer kollisionsrechtlichen Prüfung veranlassende Hinweise vor, als nicht nur der ordentliche Wohnsitz der Klägerin im Ausland liegt, sondern sich beim Notar die Klägerin und ihre Mutter mit französischen Reisepässen ausgewiesen haben und offenbar französische Staatsbürger waren. Da aber unstrittig ist, daß sich die geschenkten Sachen, deren Herausgabe begehrt wird, zu den maßgeblichen Zeitpunkten jedenfalls auf dem Schloß im Inland befanden, gilt die allgemeine Regel des § 31 IPRG, wonach der Erwerb und der Verlust dinglicher Rechte und der Inhalt dieser Rechte nach dem Recht des Staates zu beurteilen sind, in dem sich die Sachen bei Vollendung des dem Erwerb oder Verlust zugrunde liegenden Sachverhaltes befinden. Der Erwerb des Eigentums, auf das sich die Klägerin zur Begründung ihres Herausgabeanspruches stützt, richtet sich nach dem Lagerecht. Diesem Recht ist auch die Form einer Eigentumsübertragung unterstellt (Duchek-Schwind, IPR 76 Anm 1 zu § 31 IPRG; Schwimann, Grundriß des Internationalen Privatrechts, 180 ff). Die Anwendung österreichischen Rechts ist daher zutreffend.

Nach den im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachenfeststellungen schenkte die Mutter schon im Jahr 1984 der Klägerin die beiden chinesischen Kästchen, übergab sie ihr jedoch nur durch die Erklärung, mit der sie auf eine erweisliche Art ihren Willen an den Tag legte, die geschenkte Sache künftig im Namen der Klägerin innezuhaben, weil diese auf den Vorschlag der Mutter, die Kästchen in den Wohnsitz nach London mitzunehmen, nicht eingegangen war und die Mutter bat, die Kästchen in deren Zimmer auf dem Schloß zu belassen. Eine körperliche Übergabe, etwa durch das Verbringen der Kästchen in das Zimmer des Schlosses, das der Klägerin ausschließlich zur Verfügung stand und von ihr in den Sommermonaten auch benützt wurde, war unterblieben.

Das Berufungsgericht hat nun an sich zutreffend die herrschende Ansicht dargestellt, daß zur wirklichen Übergabe bei einer Schenkung ohne Einhaltung der Notariatsaktsform (§ 943 ABGB;

§ 1 Abs 1 lit d NZwG) die Besitzauftragung

(= Besitzkonstitut = constitutum possessorium) nach § 428 Fall 1 ABGB nicht ausreicht (Stanzl in Klang2 IV 612;

Koziol-Welser8 I 325; Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 943;

SZ 38/227; SZ 48/81; JBl 1985, 672 ua). Diese Meinung beruht vor allem darauf, daß die Besitzauftragung mangels eines sinnfälligen Aktes keine Warnfunktion ausübt, daß aber der Zweck der Formvorschrift in der Verhütung unüberlegter Schenkungsversprechungen liegt. Die Gefahr leichtfertigen Schenkens ist geringer, wenn die Sache tatsächlich aus der Hand gegeben wird. Der Vermögensverlust soll bei wirklicher Übergabe für den Geschenkgeber sogleich augenscheinlich werden (Koziol-Welser8 I 324 mwH). Während also die Besitzauftragung, bei der Dritte die Vereinbarung nicht erkennen müssen, sondern der Übertragungswille nur für den Partner außer Zweifel stehen muß (Spielbüchler in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 428; SZ 22/175;

EvBl 1965/359; JBl 1982, 311; JBl 1985, 672), als Übertragungsform für das Eigentum ausreicht, wenn es auch vom Publizitätsgedanken her gesehen als bedenkliche Übertragungsart gilt, weil sie Außenstehenden nicht erkennbar sein muß (Koziol-Welser8 I 27), soll es wegen des Abgehens der Warnfunktion nicht ausreichen, die "wirkliche Übergabe" herzustellen, ohne die ein bloß mündliches Schenkungsversprechen dem Beschenkten kein Klagerecht verschafft (§ 943 ABGB). Da der Zweck des Formzwanges bei der Schenkung ohne wirkliche Übergabe jedoch der Schutz vor unüberlegten Schenkungen und einer Übereilung des Geschenkgebers ist, wird die herrschende Auffassung in Zweifel gezogen. Koziol-Welser8 I 325 meinen, es werde zu verneinen sein, daß das Besitzkonstitut dem Formzweck gerecht wird. Auch Spielbüchler in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 428, stellt dar, daß die Rechtsprechung des Besitzkonstitut nicht als "wirkliche Übergabe" zur formlosen Schenkung gelten läßt, meint aber, daß wegen des gegenüber der Publizität von Sicherungsrechten andersartigen Normzwecks (Übereilungsschutz) ein großzügigerer Maßstab angebracht ist.

Der erkennende Senat meint, daß im vorliegenden Fall dem Schutzzweck des § 943 ABGB ausreichend Genüge getan ist. Die Geschenkgeberin beschränkte sich nicht auf einen bloßen Schenkungsvertrag, sondern sie übertrug der Klägerin, als diese zur Mitnahme des Geschenkgegenstandes nicht entschlossen war, die Kästchen im Wege des Besitzkonstitutes ins Eigentum. Darüber hinaus bestätigte sie später, als von einem vorschnellen Handeln nicht mehr die Rede sein konnte und ihre Geschäftsfähigkeit nach den Tatsachenfeststellungen noch ebensowenig beeinträchtigt war, wie zur Zeit der Schenkung und der Übergabe in der Form des § 428 Fall 1 ABGB, daß die Kästchen schon im Jahr 1984 der Klägerin geschenkt und durch Übergabe ins Eigentum übertragen wurden. Der Fall ist schließlich durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß nicht etwa zwischen Geschenkgeber und Geschenknehmer die Wirksamkeit der Schenkung ohne Einhaltung der Notariatsaktform strittig ist, sondern ein Dritter den Eigentumsübergang bei der Schenkung bestreitet.

Dafür reicht es aber, daß nicht nur der Schenkungsvertrag sondern auch eine Übergabe der geschenkten Sachen erwiesen sind und dem Schutzzweck der Norm dadurch Genüge getan ist, daß die Geschenkgeberin zwar nicht sogleich augenfällig die Folgen ihrer Schenkung durch den Vermögensverlust spürte, aber in der Folge an ihrem Schenkungswillen festhielt und zum Ausdruck brachte, eines Schutzes vor Übereilung nicht zu bedürfen. Zu diesem Zeitpunkt ging es nicht mehr darum, ob sie die strittigen Gegenstände behalten oder verschenken wolle, um dieses Problem hat § 943 ABGB im Auge, sondern nur mehr darum, ob sie sie der Klägerin oder dem Beklagten übergeben wolle.

Unter diesen Umständen kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, mit dem "Inventar" des Schlosses seien unter anderem die von der Mutter nicht ausgenommenen Kästchen ihm geschenkt worden denn unter normalen Umständen ist davon auszugehen, daß die Mutter diese Gegenstände nicht ein zweites Mal verschenken wollte, wenn sie schon 1984 die Schenkung an die Klägerin gewollt und vollzogen hatte.

Daraus folgt, daß die Klägerin den Erwerb des Eigentums an der geschenkten Sache nachgewiesen hat, während der Beklagte zwar das Schloß nicht aber auch die Kästchen später schenkungsweise übereignet bekam und daher der Klägerin zu Unrecht die Herausgabe der Kästchen verwehrt.

Im Ergebnis hat daher in diesem besonders gelagerten Fall das Erstgericht ohne Rechtsirrtum den Beklagten zur Herausgabe der beiden Kästchen verhalten.

Seine Entscheidung ist also in Abänderung der angefochtenen Entscheidung wieder herzustellen.

Der letztlich unterlegene Beklagte hat nach den § 41 und 50 ZPO der Klägerin die Kosten des Prozesses in allen Instanzen zu ersetzen.

Anmerkung

E27403

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00575.91.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19911023_OGH0002_0030OB00575_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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