TE OGH 1991/11/6 13Os82/91

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Veröffentlicht am 06.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kandera als Schriftführerin in der Strafsache gegen Klaus K***** und Robert L***** wegen des Verbrechens des (versuchten) schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 3 und Abs. 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen beider Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29. April 1991, GZ 11 Vr 3302/90-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Schuldspruch wegen des (versuchten) Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 3 und Abs. 3 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Klaus K***** und Robert L***** wurden mit dem angefochtenen (auch unbekämpft gebliebene Teilfreisprüche enthaltenden) Urteil des Verbrechens des (versuchten) schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 3 und Abs. 3 StGB schuldig erkannt, weil sie in Straßhof im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter Jakob W***** zur Herausgabe von drei durch Losungsworte gesperrten Sparbüchern mit einem Gesamteinlagestand von etwa einer Million und mehreren Hunderttausend S dadurch zu verleiten suchten, daß sich Robert L***** am 10.November 1990 gegenüber W***** fälschlich als Finanzbeamter ausgab, Einsicht in dessen Sparbücher begehrte und erklärte, es werde in einer Woche ein Kollege kommen und die Sparbücher zur Kontrolle mitnehmen, in der Folge Klaus K***** dazu bestimmte und mit diesem nach Straßhof fuhr (Punkt a des Urteilssatzes) und Klaus K***** am 19. November 1990 bei W***** erschien und, indem er sich fälschlich als Beamter ausgab, erklärte, der Kollege schicke ihn, er komme die Sparbücher abholen (b), wobei die Tatvollendung unterblieb, weil W***** die betrügerische Absicht erkannte und die Herausgabe der Sparbücher verweigerte.

Gegen den Schuldspruch wenden sich die Angeklagten mit auf die Z 4 und 9 lit a, von K***** auch auf die Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

Berechtigterweise machen sie in den Rechtsrügen geltend, daß die Urteilskonstatierungen für die Annahme strafbaren Betrugsversuches nicht ausreichen.

Das Schöffengericht stellte im wesentlichen fest, Robert L***** habe während einer Strafhaft erfahren, daß der Gutsbesitzer W***** in Straßhof über ein Sparbuch mit einem Einlagestand von mindestens einer Million Schilling verfüge, das durch das Losungswort "Eiche" gesichert sei. Er beschloß deswegen, sich in den Besitz des Sparbuches zu setzen und es zu realisieren. Er teilte dies einem ehemaligen Mithäftling mit und versuchte, diesen dazu zu gewinnen, sich als Finanzbeamter auszugeben und W***** das Sparbuch herauszulocken. Dieser Mithäftling lehnte zwar ab, erzählte aber Klaus K***** von dem Vorhaben des L*****.

L***** selbst gab sich am 10.November 1990 W***** gegenüber als Finanzbeamter aus und ließ sich von diesem drei vinkulierte Sparbücher (Einlagen von über einer Million, mehreren Hunderttausend sowie ca 700 S) zeigen. Lediglich das Sparbuch mit dem niedrigsten Einlagestand war mit dem Losungswort "Eiche" gesichert, was L***** aber nicht wußte. Nach Einsicht in die Sparbücher erklärte er W*****, in etwa einer Woche werde ein Kollege vorbeikommen und die Sparbücher zum Finanzamt zur Kontrolle mitnehmen. W***** meinte hiezu, dieser Kollege werde sich ausweisen müssen.

Kurz darauf traf L***** K***** und sie vereinbarten, die Tat so auszuführen, wie L***** sie geplant hatte. Am 19.November 1990 fuhren sie deshalb nach Straßhof. L***** blieb im geparkten Auto während K***** W***** aufsuchte. Dieser hatte sogleich nach dem Besuch des L***** Erkundigungen eingezogen und erfahren, daß keine Übeprüfung des Finanzamtes vorgesehen war. K***** erklärte W*****, sein Kollege vom Finanzamt sei letzte Woche dagewesen, er komme nunmehr, um die Sparbücher abzuholen. W***** antwortete, er habe sich erkundigt, dies gehe nicht mit rechten Dingen zu, worauf K***** nervös wurde und schließlich weglief.

Rechtliche Beurteilung

Die Annahme des Erstgerichtes, die den Angeklagten angelasteten Täuschungshandlungen (versuchte Herauslockung von vinkulierten Sparbüchern) stelle bereits eine tatbestandsmäßige Ausführungshandlung zum Betrug dar (AS 259 und 260), ist rechtsirrig.

Die Verwirklichung des Tatbestandes des Betruges nach dem § 146 StGB erfordert die Täuschung eines anderen über Tatsachen, wodurch der Getäuschte zu einer ihn selbst oder einen Dritten schädigenden Vermögensverfügung verleitet wird. Getäuscht muß jener werden, der sich in weiterer Folge vermögensschädigend verhält. Es ist also eine tätergewollte unmittelbare Einwirkung des täuschungsbedingten Irrtums, sei es auch nur als einer von mehreren Faktoren, auf den für die schädigende Verfügung des Getäuschten maßgebenden Motivationsprozeß vorausgesetzt; bloß vorbereitende Täuschungshandlungen, die das Gelingen einer späteren derartigen Irreführung ermöglichen oder erleichtern sollen, ohne selbst für den durch jene Täuschung auszulösenden Willensentschluß des Getäuschten zumindest mitbestimmend zu sein, entsprechen diesem Erfordernis nicht und kommen daher als tatbestandsmäßige Ausführungshandlungen nicht in Betracht. Maßgeblich ist jene Täuschungshandlung, welche nach der Vorstellung des Täters die Vermögensverfügung des Getäuschten unmittelbar auslösen soll (JBl 1990 329 mit Besprechung von Kienapfel).

Im vorliegenden Fall sollte nach dem Tatplan die Täuschung des über die Sparbücher verfügungsberechtigten W***** zur Herausgabe der Sparbücher führen, die dann erst in einer weiteren Phase - bei den kontoführenden Instituten unter Täuschung von Angestellten dieser Institute über die Verfügungsberechtigung vorgelegt - zu vermögensschädigenden Handlungen in bezug auf die Spareinlagen verwendet werden sollten.

Selbst bei Gelingen der Täuschung gegenüber dem Sparbuchinhaber hätte dieser keine selbstschädigende Handlung vorgenommen, weil vinkulierte Sparbücher keine Wertträger sind.

Tatversuch durch Unternehmen einer Ausführungshandlung ist somit nicht gegeben.

Das strafrechtlich als Beginn der Tatausführung relevante Verhalten wäre vielmehr nach Lage des Falles erst in einem nachfolgenden Versuch zu erblicken, die herausgelockten Sparbücher durch Vorlage bei der Bank zu realisieren.

Entscheidend ist daher im vorliegenden Fall, ob die Angeklagten ihren Tatentschluß durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt haben (§ 15 Abs. 2 StGB). In diesem Fall setzt Versuch ein Handeln voraus, das in unmittelbarer, sinnfälliger Beziehung zum tatbildmäßigen Unrecht steht und zeitlich sowie aktionsmäßig Nähe zum geplanten Ausführungsbeginn aufweist. Liegen zwischen der fraglichen Betätigung und den Ausführungshandlungen wesentliche zeitliche, örtliche und aktionsmäßige Zwischenetappen, dann wird noch kein strafbarer Versuch verübt (15 Os 83/91).

Im vorliegenden Fall wollten die Angeklagten tatplangemäß die Sparbücher, nachdem diese dem Inhaber herausgelockt waren, realisieren. Dazu hätte es aber den erstrichterlichen Feststellungen zufolge der Rückkehr des Angeklagten K***** zu dem im Auto wartenden L*****, der Fahrt zum Geldinstitut und der Präsentation der Sparbücher bei diesem sowie der notwendigen Täuschung der dort tätigen Angestellten bezüglich der Verfügungsgewalt über die Sparbücher bedurft. Es mangelt daher an der für einen nicht in der begonnenen Tatausführung liegenden Tatversuch erforderlichen zeitlichen und aktionsmäßigen Nähe zum Beginn der geplanten Ausführungshandlung. Dafür hätte es nach dem Tatplan noch der festgestellten zeitlichen, örtlichen und manipulativen Zwischenetappen bedurft.

Bereits diese in den Nichtigkeitsbeschwerden zutreffend aufgezeigten Mängel des angefochtenen Urteils im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO machen gemäß dem § 285 e StPO die Aufhebung des Schuldspruches und die Verfahrenserneuerung unumgänglich, sodaß auf das übrige Beschwerdevorbringen nicht weiter eingegangen zu werden braucht.

Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht zu berücksichtigen haben, daß das Tatverhalten der Angeklagten, wenn - bei unverändertem Sachverhalt - rechtlich bloß als Vorbereitung eines Betruges zu beurteilen, nicht ohne Einschränkung straflos bleiben muß, weil auch eine Subsumtion unter den § 314 StGB bzw die §§ 15, 229 Abs. 1 StGB in Betracht kommen kann. Diesfalls mangelt es aber der angefochtenen Entscheidung an ausreichenden Feststellungen vor allem zur subjektiven Tatseite.

Da somit die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war bereits in nichtöffentlicher Sitzung in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft waren mit ihren dadurch gegenstandslos gewordenen Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E26991

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00082.91.1106.000

Dokumentnummer

JJT_19911106_OGH0002_0130OS00082_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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