TE OGH 1991/11/7 6Ob590/91

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Veröffentlicht am 07.11.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****gesellschaft mbH & Co, ***** vertreten durch Dr. Alfred Peter Musil, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D*****-BANK, ***** vertreten durch Dr. Peter Karl Wolf ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert S 60.000), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2.Mai 1991, GZ 2 R 28/91-10, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 29.September 1990, GZ 25 Cg 63/90-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, der Klägerin zu Handen des KV eine detaillierte ordnungsgemäße Abrechnung des Wertpapierdepots Nr.811-58.343 betreffend den Depotinhaber Firma M*****, Panama, welche sämtliche Buchungsvorgänge, und zwar Ein- und Ausgänge im einzelnen, unter Angabe des Verwendungszweckes, des Zahlungsdatums und der Belegnummern aufweist, für den Zeitraum 28.1.1986 bis 15.7.1988 zu legen.

Die M*****, Panama (kurz Firma M*****) habe, vertreten durch ihren Generalbevollmächtigten Dr. Norbert O*****, im Oktober 1986 bei der Beklagten ein Wertpapierdepot eröffnet. Das gesamte Guthaben samt Zinsen und Zinzeszinsen sei zugunsten der Aktionäre der B.V. *****aktiengesellschaft (kurz BVAG) gesperrt worden. Die Aktionäre der BVAG würden von der Klägerin betreut; sie hätten ihre Ansprüche gegen die Beklagte unwiderruflich an die Klägerin abgetreten. Diese habe auf Grund der Schreiben der Beklagten vom 28.1.1986 und 23.3.1987 davon ausgehen können, daß ein Betrag von zumindest S 15 Millionen auf einem Konto der Beklagten zur Auszahlung an die Aktionäre der BVAG bereit liege und daß dieser Betrag zuzüglich der in der Zwischenzeit laufend veranlagten Erträgnisse unwiderruflich zugunsten der Aktionäre gesperrt bleibe. Die Beklagte habe am 30.6.1988 aber nur einen Betrag von S 11,079.000 ausgezahlt. Dr. Norbert O***** habe hingegen der BVAG einen Kontoauszug vom 24.7.1987 zur Verfügung gestellt, welcher Wertpapiere im Gesamtkurswert von S 18,456,190 ausgewiesen habe. Die restlichen Erlöse aus dem Depot seien von der Beklagten offensichtlich widmungswidrig für die Abdeckung eines Kredites der Firma M***** verwendet worden. Die Beklagte hafte der Klägerin und den von dieser vertretenen Aktionären der BVAG für die Verluste, die wegen vertragswidriger Bedienung des verpfändeten Wertpapierdepots eingetreten seien. Die Beklagte habe eine Rechnungslegung mit nicht stichhaltigen Gründen verweigert. Sie habe den Übergang des Rechnungslegungsanspruches von der Depotinhaberin auf die Aktionäre der BVAG nicht nur mit Schreiben vom 23.3.1987, sondern auch dadurch anerkannt, daß sie auf Grund der Verpfändung bereits einen Betrag von rund S 11 Millionen an die Aktionäre der BVAG ausbezahlt habe. Sie habe damit sowohl vertraglich als auch faktisch anerkannt, daß die Aktionäre der BVAG über das Konto frei verfügungsberechtigt seien.

Die Beklagte wandte ein, die Klägerin und auch die Aktionäre der BVAG hätten ihr gegenüber keinen Anspruch, insbesondere keinen Rechnungslegungsanspruch hinsichtlich des Wertpapierdepotkontos. Vertragspartner und Hinterleger sei ausschließlich die Firma M*****. Richtig sei nur, daß die Beklagte mit Schreiben vom 23.3.1987 an die BVAG bestätigt habe, das gesamte M***** zur Verfügung stehende Kapital zum Zwecke des Erwerbes von Aktien der BVAG ***** unwiderruflich gesperrt zu haben. Es seien in der Folge auch keine Überweisungen an andere Personen oder im Hinblick auf einen anderen Zweck zugelassen worden. Jedenfalls mangle es auch an einer Zessionserklärung sämtlicher Aktionäre, die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes bildeten, an die Klägerin.

Gegen Dr. Norbert O***** seien strafgerichtliche Erhebungen wegen des Verdachtes der fahrlässigen Krida und des schweren Betruges im Gange; die Beklagte habe auch deshalb zu Recht eine Rechnungslegung abgelehnt. Es sei nicht klar, ob der Verdächtige überhaupt noch Generalbevollmächtigter der Firma M***** sei. Eine Verpfändung des Depots, welche überdies keinen Rechnungslegungsanspruch zur Folge hätte, sei nie erfolgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme und Anleitung der klagenden Partei zur Ergänzung des Klagevorbringens wegen nicht ausreichender Schlüssigkeit unter Zugrundelegung folgender Feststellungen ab:

Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt eröffnete Dr. Norbert O***** auf Grund einer Generalvollmacht der Firma M***** für diese ein Wertpapierdepot bei der Beklagten. Mit Schreiben vom 28.1.1986, gerichtet an die nicht am Verfahren beteiligte Firma A***** Gesellschaft mbH, deren Geschäftsführer Dr. O***** zu diesem Zeitpunkt offenbar war, bestätigte die Beklagte, daß Dr. Norbert O***** einen unwiderruflichen Überweisungsauftrag über S 15 Millionen zugunsten der BVAG hinterlegt habe, welcher am 15.6.1988 durchzuführen sei.

Am 23.3.1987 richtete die Beklagte folgendes Schreiben an die BVAG:

"Betrifft: Verfügung über das Guthaben der Firma M*****

Sehr geehrter Herr Mag. K*****

Wunschgemäß bestätigen wir Ihnen folgenden Sachverhalt:

Das gesamte der Firma M*****, Panama, zur Verfügung stehende Kapital inklusive der in der Zwischenzeit laufend veranlagten Erträgnisse, sind zum Zweck des Erwerbes von Aktien der BVAG ***** unwiderruflich gesperrt.

Herr Dr. Norbert O***** als allein Zeichnungsberechtigter der Firma M***** in dieser Angelegenheit bestätigt uns dies durch seine Gegenzeichnung.

Wir hoffen, Ihnen mit dieser Klarstellung gedient zu haben."

Neben der Beklagten unterfertigte Dr. O***** das Schreiben mit dem Zusatz "mit obiger Verfügungssperre vollinhaltlich einverstanden".

Mit Schreiben vom 4.9.1989 begehrte der Klagevertreter für die Klägerin unter Hinweis darauf, daß dieser von ihren Anlegern sämtliche Ansprüche gegen die Beklagte abgetreten worden seien, die detaillierte Abrechnung des Wertpapierdepots für die Zeit vom 28.1.1986 bis 27.7.1987. Dies lehnte die Beklagte zunächst unter Berufung auf das Bankgeheimnis ab.

Im Schreiben vom 9.10.1989 behauptete die Klägerin, daß Dr. O***** die Beklagte von der Einhaltung des Bankgeheimnisses entbunden habe. Diesem Schreiben lag eine entsprechende, allerdings von Dr. O***** nicht unterfertigte, Erklärung bei. Die Beklagte war auch danach nicht zur Rechnungslegung bereit, im wesentlichen mit dem Hinweis, die Bevollmächtigung Dris. O***** sei nicht nachgewiesen.

Im April 1990 trat eine Vielzahl von Personen ihre Rechte, die ihnen aus dem Verkauf von Zwischenscheinen der BVAG gegen die Beklagte zugestanden seien, an die Klägerin ab. Ob damit Abtretungen aller Aktionäre der BVAG vorliegen, konnte noch nicht mit Sicherheit festgestellt werden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Beklagte stehe in keinem unmittelbaren Vertragsverhältnis zur Klägerin und auch nicht zu den Aktionären der BVAG. Zu deren Gunsten habe lediglich ein unwiderruflicher Auftrag der Firma M***** bestanden, am 15.6.1988 an die BVAG S 15 Millionen zu überweisen. Die Beklagte sei nur bei entsprechender Deckung verpflichtet, den Auftrag durchzuführen. Der Wert des Wertpapierdepots unterliege Schwankungen. Für die Vermutung der Klägerin, Erlöse aus dem Wertpapierdepot seien teilweise zur Abdeckung eines Kredites der Firma M***** verwendet worden, bestehe kein Anhaltspunkt, dies auch dann nicht, wenn die Behauptung der Klägerin richtig sei, daß das Wertpapierkonto am 24.7.1987 einen Gesamtkurswert von mehr als S 18,4 Millionen aufgewiesen habe. Frühere oder spätere Verfügungen des Kontoinhabers könnten durch einen terminisierten Auftrag nicht verhindert werden. Der Rechnungslegungsanspruch als Hilfsanspruch aus der Natur privatrechtlicher Beziehungen sei bisher nur zugunsten des Bürgen und Pfandbestellers bejaht worden. Diese benötigten die Rechnungslegung, um das Ausmaß ihrer Verpflichtungen bestimmen zu können. Es sei unhaltbar, die Rechnungslegungspflicht auf die aus Verfügungen über das Konto Berechtigten auszudehnen. Würde man die Rechnungslegungspflicht der Banken auf solche Geschäfte ausdehnen, brächte dies eine unerträgliche Belastung der Banken mit sich. Die Entbindung von der Wahrung des Bankgeheimnisses berechtige die Bank zur Rechnungslegung, verpflichte sie aber nicht dazu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Bei der rechtlichen Beurteilung, ob ein Rechnungslegungsanspruch der Klägerin bestehe, sei entgegen der Ansicht des Erstgerichtes nicht nur vom Inhalt des Schreibens vom 28.1.1986, sondern insbesondere vom dem Schreiben vom 23.3.1987 über die Sperre des Wertpapierkontos auszugehen. Dabei sei entscheidend, auf welcher Vereinbarung die Kontensperre beruhe; hiezu fehle es aber trotz Vorliegens von Beweisanboten an ausreichenden Verfahrensergebnissen und Feststellungen.

Nach der Behauptung der Klägerin liege der Sperre nicht nur die Vereinbarung einer Verfügungsbeschränkung zugunsten der Aktionäre, sondern eine Verpfändung der hinterlegten Wertpapiere zugrunde. Hinterlegte Wertpapiere seien wirksam verpfändet, wenn Hinterleger (Pfandschuldner) und Pfandgläubiger die Verpfändung vereinbarten und den Verwahrer anwiesen, die Wertpapiere nunmehr für den Pfandgläubiger zu verwahren. Wegen der meist verwendeten wirtschaftlichen Ausdrucksweise der Beteiligten schließe die Tatsache, daß von einer "Sperre" des Depotkontos gesprochen werde, die Annahme einer Verpfändung nicht unbedingt aus, wenn diese eher der beabsichtigten Position des Dritten entspreche. Liege eine wirksame Verpfändung vor, dann sei ein dem Hinterleger zustehender Rechnungslegungsanspruch ab dem Zeitpunkt der Verpfändung auf die Aktionäre der BVAG übergegangen. Sollten die Wertpapiere im Zeitpunkt der Sperre des Kontos bereits realisiert gewesen sein, hätte sich ein etwaiges Pfandrecht auf eine Forderung der Firma M***** gegen die Beklagte bezogen. Der Pfandgläubiger erwerbe ein dingliches Sicherungsrecht, auf Grund dessen ihm unter anderem die Pfandschutzklage und die Klage auf Pfandergänzung zustehe. Er könne seine Rechte nur wahren, wenn er wisse, welche Sicherheit ihm das Pfand (noch) gebe. Die notwendige Kenntnis könne sich der Forderungspfandgläubiger in erster Linie beim Schuldner der ihm verpfändeten Forderung verschaffen. Die Bank sei ihm daher zur Rechnungslegung ab dem Zeitpunkt der Verpfändung verpflichtet.

Der vom Obersten Gerichtshof bejahte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch des Bürgen und des Interzedenten durch Drittpfandbestellung solle diesen ermöglichen, den Umfang ihrer Haftung und damit ihres Vermögens zu bestimmen. Der Forderungspfandgläubiger werde durch die Auskunftserteilung und Rechnungslegung in die Lage versetzt, Klarheit über den Umfang seines Sicherungsrechtes und damit ebenfalls über den Umfang seines Vermögens zu gewinnen.

Liege der Sperre des Kontos keine Verpfändung zugrunde, dann könne der Begünstigte entweder Partei der die Kontosperre begründenden Vereinbarung sein oder es könne ein echter Vertrag zugunsten Dritter zwischen Bank und Kontoinhaber vorliegen. In beiden Fällen sei der Begünstigte berechtigt, die Beachtung der Kontensperre auch direkt von der Bank zu verlangen und bei Verletzung dieser Pflicht Schadenersatzansprüche gegen sie geltend zu machen. Zu deren Durchsetzung müsse der Begünstigte wissen, ob die Bank ihrer Verpflichtung zuwidergehandelt habe. Der Anspruch auf Rechnungslegung ergebe sich als Hilfsanspruch aus der Natur der privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien und der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung. Der aus der Kontensperre Begünstigte erfahre nicht, ob und welche Verfügungen über das Konto durchgeführt würden, soweit sie nicht Überweisungen an ihn zum Gegenstand hätten. Die Auskunftserteilung könne der Bank überdies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zugemutet werden, dies insbesondere dann, wenn sie von der Kontoinhaberin, wie dies die klagende Partei behaupte, vom Bankgeheimnis entbunden sei. Auch ohne solche Ermächtigung führe eine Interessenabwägung dazu, daß dem Auskunftbedürfnis des aus der Kontensperre Begünstigten ein Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse des durch die Sperre Belasteten einzuräumen sei, denn dieser habe seine Verfügungsmacht zugunsten des Dritten selbst beschränkt. Dem begünstigten Dritten aber müsse ein berechtigtes Interesse daran zugebilligt werden, überprüfen zu können, ob sich der Kontoinhaber an die vereinbarte Verfügungsbeschränkung gehalten habe. Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses hindere daher die Bank nicht an der Rechnungslegung und Auskunftserteilung an den aus der Sperre Begünstigten.

Schließlich bleibe noch die Möglichkeit, daß der Sperre des Wertpapierkontos nur eine schuldrechtliche Abrede zwischen der Bank und dem Kontoinhaber zugrundeliege, bei der es sich weder um einen (echten) Vertrag zugunsten Dritter handle noch um einen Vertrag, dessen Partei auch der Begünstigte sei. In diesem Falle habe der Begünstigte keinen eigenen Anspruch auf Beachtung der Sperre gegen die Bank. Es stehe ihm auch kein vertraglicher Schadenersatz- oder Unterlassungsanspruch zu. Damit entfalle auch die Grundlage für einen Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch als vertraglichen Nebenanspruch gegen die Bank.

Entscheidungswesentlich sei daher, welche Vereinbarung der "Sperre" des Wertpapierkontos zugrundeliege. Bestehe ein Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch der Aktionäre der BVAG als Pfandgläubiger oder auf Grund einer schuldrechtlichen Abrede zwischen Beklagter und Kontoinhaberin, dann sei dieser als Forderung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes eine Gesamthandforderung. Die Klägerin sei daher nur dann aktiv legitimiert, wenn ihr sämtliche Aktionäre der BVAG ihren Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch abgetreten hätten.

Die Klägerin habe die Generalvollmacht Dris. Norbert O***** zum Abschluß ihrer Bankgeschäfte für ausreichend gehalten und bis zum Rechnungslegungsbegehren der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Sie hätte daher ein allfälliges Erlöschen dieser Vollmacht zu beweisen. Sie habe nicht schlüssig behauptet, nunmehr berechtigte Zweifel am Weiterbestehen der Vertretungsmacht haben zu müssen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil, soweit ersichtlich, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob dem aus der Sperre eines Kontos Begünstigten ein Rechnungslegungs- und Auskunftsanspruch gegen die kontoführende Bank zustehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes sind zutreffend; es kann daher auf sie verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Es besteht in der Lehre zu den Bankverträgen Einhelligkeit, daß die rechtsgeschäftliche Begründung einer Kontosperre - die zunächst nur aussagt, daß eine Einschränkung der Verfügungsmacht des Berechtigten erfolgt, wegen der meist verwendeten "wirtschaftlichen Ausdrucksweise der Beteiligten" aber nach dem von diesen gewollten und vereinbarten Zweck im Einzelfall beurteilt werden muß - mit unterschiedlichen Wirkungen möglich ist:

Neben einer bloß schuldrechtlichen Abrede zwischen dem Kontoinhaber und der Bank, bei welcher dem Begünstigten kein eigener Anspruch auf Beachtung der Sperre gegen die Bank zusteht, kommt jenen Vereinbarungen zwischen Bank und Kontoinhaber überwiegend praktische Bedeutung zu, in denen der Dritte, zu dessen Gunsten die Sperre erfolgt, einen eigenen Anspruch auf Beachtung der Sperre gegen die Bank erhält, sei es durch unmittelbaren Vertragsabschluß mit dieser oder auf dem Wege über einen (echten) Vertrag zu seinen Gunsten. In diesem Fall ist der Dritte dadurch geschützt, daß er einen Unterlassungs- und gegebenenfalls auch einen Schadenersatzanspruch gegen die Bank hat. Schließlich kommt auch eine Verpfändung oder Sicherungsabtretung des Guthabens mit dinglicher Wirkung in Betracht (Avancini-Iro-Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I 4/212 bis 4/214; Canaris, Bankvertragsrecht3 Rz 252 bis 257).

Zur Begründung eines Pfandrechtes an den Wertpapieren oder der Einlageforderung aus deren Erlös des Kontoinhabers ist ein Vertrag zwischen dem Kontoinhaber (seinem Bevollmächtigten) und dem begünstigten Dritten über die Pfandbestellung erforderlich. Als Übergabe genügt die Besitzanweisung, nämlich die Verständigung der Bank von der erfolgten Verpfändung oder Forderungsabtretung. Ab diesem Zeitpunkt hat die Bank, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Wertpapiere oder den an deren Stelle tretenden Erlös nicht mehr für den Kontoinhaber, sondern für die Begünstigten zu verwahren, auf die auch der Rechnungslegungsanspruch gegenüber der verwahrenden Bank übergegangen ist.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits erkannt hat, stehen sowohl dem Bürgen als auch dem Interzedenten durch Drittpfandbestellung Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche gegen die Bank zu, welche diese nicht unter Berufung auf das Bankgeheimnis des § 23 KWG verweigern darf (SZ 57/29; SZ 59/74 mwN). Denn erst die Erfüllung dieser Ansprüche ermöglicht es jenen, den Umfang ihrer Haftung zu bestimmen, festzustellen, wie Zahlungen verrechnet wurden und in welchem Ausmaß ihre Haftung fortbesteht. Der Oberste Gerichtshof hat es daher als verfehlt angesehen, den Kläger auf die Auskunft des persönlichen Schuldners zu verweisen, weil ihm dieser über die aufgezeigten Umstände keine Klarheit verschaffen kann. Gleiches muß - mit umgekehrten

Vorzeichen - auch für den Pfandgläubiger und den begünstigten Dritten aus einem Sperrkonto gelten. Der Pfandgläubiger muß die Möglichkeit haben, sich Klarheit zu verschaffen, ob das Pfand (noch) ausreichende Deckung für seine Forderung bietet, um einen Vermögensverlust (durch Pfandklage oder Pfandergänzungsklage) hintanzuhalten, und ob der Pfandverwahrer seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Auch ein begünstigter Dritter aus einer Kontosperre kann nur anhand der ihm erteilten Auskunft und Rechnungslegung der Bank in die Lage kommen, Unterlassungsansprüche und allfällige Schadenersatzforderungen aus vertragswidrigen Verfügungen geltend zu machen. Eine Berufung auf das Bankgeheimnis widerspräche in diesen Fällen den Grundsätzen von Treu und Glauben und ist als Rechtsmißbrauch anzusehen, weil die beklagte Bank sich durch die Verweigerung der Rechnungslegung und Auskunft bei eigenem vertragswidrigem Verhalten vor der Verfolgung berechtigter Ansprüche schützen könnte. Eine Interessenabwägung ergibt auch, daß die Rechnungslegungspflicht als Hilfsanspruch aus der Natur der privatrechtlichen Beziehungen zwischen Bank und begünstigtem Dritten der Wahrung des Bankgeheimnisses gegenüber dem Kontoinhaber vorgeht. Auch wenn dieser eine Entbindung vom Bankgeheimnis nicht ausdrücklich und schriftlich erteilt hat, so muß der Verfügung einer Kontosperre zugunsten eines Dritten, der selbständige Rechte daraus ableiten kann, schon nach der Verkehrsauffassung der Sinn beigelegt werden, daß damit auch eine Entbindung vom Bankgeheimnis eingeschlossen ist. Der Kontoinhaber, der eine Sperre zugunsten eines von ihm namhaft gemachten Dritten selbst veranlaßt hat, kann berechtigterweise doch wohl nicht erwarten, daß die Bank, die ihr gegenüber diesem Dritten obliegenden Aufklärungs- und Rechnungslegungspflichten verletzt und sich so selbst schadenersatzpflichtig macht. Die Bank muß daher auch berechtigt sein, in die Rechtssphäre ihres Kunden so weit einzugreifen, als es notwendig ist, um dem Begünstigten nicht verantwortlich zu werden (vgl. hiezu auch Avancini, Der Auskunftsanspruch des Bürgen gegenüber dem Gläubiger, JBl.1985, 193 mwN). Eine Abwägung der Rechtsgüter ergibt daher, daß der Rechnungslegungspflicht der Bank vor der Wahrung des Bankgeheimnisses gegenüber ihrem Kunden der Vorrang zukommt, denn das Verweigern von Auskünften an Personen, die dieser zur Durchsetzung ihrer Ansprüche bedürfen, ist Rechtsmißbrauch, insbesondere dann, wenn die Auskunft zur Verfolgung von Regreßansprüchen benötigt wird (SZ 61/55 mwN).

Im fortgesetzten Verfahren wird die klagende Partei zunächst gemäß § 182 ZPO anzuleiten sein, ausreichende Tatsachenbehauptungen aufzustellen, auf Grund welchen Rechtsgeschäftes den Aktionären der BVAG überhaupt eine Forderung gegen die Firma M***** zusteht oder zustand, die zu der "Kontensperre" geführt hat, um das Klagebegehren und die Aktivlegitimation der Aktionäre ausreichend schlüssig zu machen. Dann wird zu klären sein, welche Vereinbarung dem Schreiben der Beklagten vom 23.3.1987 zugrunde liegt.

Sollte es die klagende Partei allerdings unterlassen, trotz ordnungsgemäßer materieller Prozeßleitung die für die Beurteilung ihres behaupteten Anspruches erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufzustellen, müßte das letztlich zu ihren Lasten gehen.

Dem Rekurs war somit eine Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E27770

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00590.91.1107.000

Dokumentnummer

JJT_19911107_OGH0002_0060OB00590_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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