TE OGH 1991/11/11 2Ob568/91

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Veröffentlicht am 11.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann K*****, vertreten durch Dr. Peter Planer und Dr. Anton Keuschnigg, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Fritz L*****, vertreten durch Dr. Gerhard Zanier, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Feststellung infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 25. Juni 1991, GZ 3 a R 225/91-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 6. Februar 1991, GZ 4 C 528/90z-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision des Klägers wird nicht Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird, soweit es das Hauptbegehren abweist, bestätigt.

den

Beschluß

gefaßt:

Der Revision des Beklagten wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit sie das Eventualbegehren betreffen, sowie hinsichtlich der Kostenaussprüche, aufgehoben. Die Sache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Übereignungsvertrag vom 8. Februar 1979 übergab Franz B***** dem Kläger ein Bauernanwesen sowie weitere Liegenschaften und Liegenschaftsanteile. Der Vertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"7.) Franz B***** behält sich jedoch folgende Objekte zurück:

...........

c) Das gesamte schlagbare Holz über 20 cm Durchmesser (Brusthöhe) gemäß der Auszeige durch den Waldaufseher von J*****; hiebei gilt jedoch ausdrücklich als vereinbart, daß 200 fm Nutzholz aus den Übereignungsliegenschaften dem Liegenschaftserwerber Johann K***** verbleiben müssen; dieser darf jedoch dieses Holz nur schlägern bzw. verwenden, wenn dieses Holz für das Bauernanwesen zu "F*****-B*****" gebraucht wird, also wenn solches Holz zum Haus- und Hofbedarf benötigt wird.

Wenn das vom Übergeber Franz B***** zurückbehaltene schlagbare Holz bis zum Ableben des Franz B***** nicht geschlägert worden ist, verbleibt dieser Holzanspruch dem bzw. den Erben bzw. Vermächtnisnehmern des Franz B***** und ist es selbstverständlich dem Franz B***** überlassen, diese Erben bzw. Vermächtnisnehmer bestimmen zu können. Solange Franz B***** lebt, ist der Hofübernehmer Johann K***** verpflichtet, alljährlich bis höchstens 200 fm Holz dem Franz B***** zu schlägern und zur Straße zu stellen, ohne daß hiebei Johann K***** für diese Dienstleistung irgend ein Entgelt beanspruchen kann. Den allfälligen Erben bzw. Vermächtnisnehmern, betreffend diesen Holzanspruch, braucht Johann K***** das von Franz B***** zurückbehaltene Holz nicht mehr zu schlägern."

Am 15. September 1981 wurde zwischen Franz B***** und Johann K***** folgende Zusatzvereinbarung geschlossen:

"In Ergänzung des Übereignungsvertrages vom 8. Februar 1979 wird ....... folgende Vereinbarung getroffen:

1.) Der Punkt 7.) lit. c) des genannten Übereignungsvertrages wird insofern abgeändert, daß sich die beiden Vertragspartner auf 2300 fm Nutzholz einigen, welches der Übereigner bzw. dessen Rechtsnachfolger zu bekommen hat."

Eine Vereinbarung, was im Fall von Sturm- oder sonstigen Schäden mit dem angefallenen Windwurfholz im Hinblick auf das Holzbezugsrecht des Franz B***** geschehen soll, wurde nicht geschlossen. 1983/84 kam es auf den Waldgrundstücken zu einem Windwurf, bei dem eine Wurfholzmenge von ca. 800 fm anfiel. Diesbezüglich schlossen Franz B***** und der Kläger eine Vereinbarung über die Aufarbeitung und Veräußerung zumindest eines Teiles des Holzes. Laut Ersturteil ist die hievon betroffene Menge des Windwurfholzes nicht feststellbar, jedenfalls hätten dann der Kläger und Franz B***** vereinbarungsgemäß einen Teil des Windwurfholzes aufgearbeitet und veräußert. Der Erlös wurde gerichtlich hinterlegt, weil keine Einigung über die Anrechnung dieses Holzes auf das Holzbezugsrecht des Franz B***** zustandekam.

Im Verfahren 17 Cg 184/84 des Landesgerichtes Innsbruck, in dem Franz B***** Ansprüche aus dem Übergabsvertrag gegen den nunmehrigen Kläger geltend machte, wendete dieser unter anderem ein, er habe auf die Ansprüche B*****s Gegenforderungen verrechnet und zwar die Kosten für das Aufarbeiten und die Lieferung von Windwurfholz. In diesem Verfahren führte das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in seinem Urteil vom 4. März 1987, 3 R 13/87, mit welchem das Verfahren rechtskräftig beendet wurde, aus, die Parteien hätten keine Regelung für den Fall vorgesehen, daß wegen Windwurfes in den Wäldern mehr Holz anfalle als die vereinbarte jährliche Menge von 200 fm. Diesbezüglich habe aber das Erstgericht zutreffend nach § 914 ABGB eine Vertragsergänzung in der Richtung vorgenommen, daß die wegen des Windwurfes angefallene zusätzliche Menge an Holz dem Franz B***** von Johann K***** unter Anrechnung auf das Gesamtkontingent von 2300 fm unentgeltlich zu liefern ist.

Mit Vertrag vom 17. März 1987 trat Franz B***** sämtliche Rechte und Ansprüche aus dem Übereignungsvertrag vom 8. Februar 1979, auch in der Fassung der Zusatzvereinbarung vom 15. September 1981, an den Beklagten ab. Im Sommer 1989 forderte der Beklagte unter Hinweis auf sein Holzbezugsrecht vom Kläger die Auszeigung von 500 fm. Der Kläger ließ die geforderte Menge in der Folge auch auszeigen, der Beklagte war mit der vom Kläger ausgewählten Bringungslage aber nicht einverstanden und schlägerte das Holz nicht. Im Februar 1990 kam es neuerlich zu Wurfschäden im Bereich der Liegenschaften, wobei ca. 150 fm des für den Beklagten ausgezeigten Holzes ebenfalls betroffen waren. Dieses Holz wurde bisher noch nicht aufgearbeitet.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung, daß die beklagte Partei gegenüber der klagenden Partei verpflichtet sei, die in den (genau bezeichneten) Liegenschaften durch Windwurf oder sonstige Katastrophenfälle angefallenen und künftig anfallenden Holzmengen in Anrechnung auf das der beklagten Partei aus diesen Liegenschaften zustehende Holzbezugsrecht zu übernehmen. Außerdem stellte der Kläger ein Eventualbegehren, das sich vom Hauptbegehren dahin unterscheidet, daß der Beklagte verpflichtet ist, Holzmengen mit einem Durchmesser von über 20 cm in Brusthöhe gemessen, zu übernehmen. Der Kläger brachte im wesentlichen vor, von den oben angeführten Vereinbarungen sei auch Windwurfholz umfaßt. Dies hätten das Landesgericht und das Oberlandesgericht Innsbruck im Verfahren 17 Cg 184/84 ausgesprochen. Daher sei der Beklagte auch verpflichtet, Holz aus dem Windwurf des Jahres 1990 unter Anrechnung auf das Kontingent zu übernehmen.

Der Beklagte wendete ein, er sei aufgrund der Vereinbarungen nicht verpflichtet, eine bestimmte Menge Holz innerhalb eines bestimmten Zeitraumes dem Kläger abzunehmen. Die vom Gericht vorgenommene Vertragsergänzung könne nur Gültigkeit zwischen dem Kläger und Franz B***** haben. Solange der Beklagte daher seinen Anspruch nicht fälliggestellt habe, habe der Kläger die Gefahr einer Beschädigung durch Windwurf selbst zu tragen.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Es führte aus, die im Vorprozeß vorgenommene Vertragsauslegung beziehe sich nur auf die zwischen B***** und dem Kläger getroffene Vereinbarung hinsichtlich der Aufarbeitung des Windwurfholzes 1983/84. In Ansehung des Beklagten liege nunmehr eine Holschuld vor, wobei für den Beklagten keinerlei Verpflichtung bestehe, künftig anfallendes Windwurfholz generell in Anrechnung auf das ihm zustehende Holzkontingent zu übernehmen. Das diesbezügliche Klagebegehren bestehe somit nicht zu Recht. Soweit es sich auf bereits angefallenes Windwurfholz beziehe, sei eine Leistungsklage bzw. eine Klage auf Einhaltung des Vertrages möglich, sodaß diesbezüglich eine Feststellungsklage nicht zuzulassen sei.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß das Hauptbegehren abgewiesen, dem Eventualbegehren aber stattgegeben wurde. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, der Kläger bekämpfe die Feststellungen, daß die von der Vereinbarung zwischen dem Kläger und Franz B***** betroffene Menge des Windwurfholzes nicht habe festgestellt werden können und daß die Aufarbeitung dieses Holzes durch den Kläger und Franz B***** erfolgt sei. Der Kläger begehre festzustellen, daß die Vereinbarung eine Menge von 400 fm betroffen habe, die Aufarbeitung sei ausschließlich durch den Kläger erfolgt. Diese Feststellungen seien jedoch nicht relevant, der Vollständigkeit halber sei aber festgehalten, daß es während des Verfahrens nie strittig geworden sei, daß die Aufarbeitung zur Gänze durch den Kläger erfolgt sei. Zur Rechtsrüge führte das Berufungsgericht aus, die im Verfahren 17 Cg 184/84 vorgenommene Vertragsergänzung habe vorerst unmittelbar nur Bedeutung für das Leistungsbegehren dieses Verfahrens gehabt, der Hinweis auf eine Abnahmeverpflichtung von Windwurfholz auf das gesamte Kontingent von 2300 fm habe aber auch Gültigkeit für das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien des gegenständlichen Rechtsstreites. Auch der Beklagte sei verpflichtet, bei Windwürfen oder sonstigen Naturkatastrophen angefallenes Holz in Anrechnung auf das Gesamtkontingent zu übernehmen, allerdings nicht jegliches Holz, sondern nur solches, welches der näheren Präzisierung laut Punkt 7. des Übereignungsvertrages vom 8. Februar 1979 entspreche (schlagbares Holz über 20 cm Durchmesser in Brusthöhe gemessen). Damit habe die seinerzeit vorgenommene Vertragsergänzung auch Rückwirkungen auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreites, wenn sie auch seinerzeit nur vorgenommen wurde, um im speziellen Fall die ausständigen Leistungen mit allenfalls zu Recht bestehenden Gegenleistungen abrechnen zu können. Denkbar sei aber auch der Fall, daß durch ein größeres Naturereignis der gesamte Waldbestand des Klägers vernichtet werde und kein stehendes Holz mehr übrig bleibe. In diesem Falle müßte der Kläger jeweils Holz zukaufen, um die Forderungen des Beklagten erfüllen zu können, wenn dieser eine Teilmenge aus dem Gesamtkontingent fälligstelle. Dies widerspräche aber bereits der Zusatzvereinbarung in Verbindung mit dem Übereignungsvertrag, wonach der Übereigner bzw. dessen Rechtsnachfolger 2300 fm Nutzholz aus den im Punkt 6. des Übereignungsvertrages näher bezeichneten Liegenschaften zu erhalten habe. Das Berufungsgericht habe somit keinen Zweifel, daß die vom Landesgericht bzw. Oberlandesgericht Innsbruck für den Katastrophenfall des Jahres 1983/84 vorgenommene Vertragsergänzung (Übernahmeverpflichtung von geworfenem Holz) auch heute gelte und daß dies der Beklagte gegen sich gelten lassen müsse.

Beide Parteien bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revisionen. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Hauptbegehren stattgegeben werde, der Beklagte begehrt die Wiederherstellung des Ersturteiles.

Die Parteien beantragen jeweils, der Revision des Gegners nicht Folge zu geben.

Beide Revisionen sind zulässig, berechtigt ist jedoch nur jene des Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Zur Revision des Klägers:

Der Kläger bekämpft die Abweisung des Eventualbegehrens und führt aus, mit der Einschränkung auf Holz über 20 cm Durchmesser im Vertrag vom 8. Februar 1979 habe der Umfang des Holzbezugsrechtes eingeschränkt werden sollen. Mit der Nachtragsvereinbarung vom 15. September 1981 sei der Umfang des Holzbezugsrechtes genau festgelegt worden, die Einschränkung auf Holz über 20 cm Durchmesser sei dadurch hinfällig geworden. Die vom Berufungsgericht offenbar vertretene Ansicht, nur Holz mit einem Durchmesser von über 20 cm wäre schlagbar, sei unrichtig, für die Schlagbarkeit sei nicht der Durchmesser sondern die Reife entscheidend. Bei durch Katastrophenfall angefallenem Holz sei die Schlagbarkeit überdies ohne Bedeutung, weil das Holz schon vom Stock getrennt sei, Eine nach Treu und Glauben vorzunehmende Vertragsauslegung ergebe, daß sich der Beklagte das gesamte Windbruchholz ohne Einschränkung auf den Durchmesser der Stämme anrechnen lassen müsse.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Nach der Vereinbarung vom 8. Februar 1979 bezieht sich das Holzbezugsrecht nur auf Stämme ab einem Durchmesser von 20 cm. Daß diese Einschränkung gemacht wurde, um das Holzbezugsrecht mengenmäßig zu bestimmen und die Einschränkung durch die Nachtragsvereinbarung, mit der der Umfang des Bezugsrechtes nach Festmetern festgesetzt wurde, hinfällig werden sollte, kann der Vereinbarung nicht entnommen werden. Der Wortlaut der Vereinbarungen bietet hiefür keinerlei Anhaltspunkt. Eine wörtliche Auslegung, die am Anfang des Interpretationsvorganges zu stehen hat (Rummel in Rummel2, Rz 4 zu § 914 mwN), führt daher dazu, daß der Beklagte nur Holz ab einem bestimmten Durchmesser zu übernehmen hat. Maßgebend für die Vertragsauslegung ist zwar der Wille der Parteien, die Beweislast hiefür trifft jedoch denjenigen, der eine vom Wortlaut des schriftlichen Vertrages abweichende Vereinbarung behauptet. Den Beweis hätte daher der Kläger zu erbringen gehabt, er hat dies jedoch nicht getan. Aus diesen Gründen ist das Hauptbegehren nicht berechtigt, weshalb der Revision des Klägers ein Erfolg zu versagen war.

Zur Revision des Beklagten:

Der Beklagte führt in seiner Revision im wesentlichen aus, ihn treffe nach der vom Berufungsgericht vorgenommenen Vertragsauslegung die Gefahr des Windwurfes zur Gänze. Ihm würde das gesamte schlechte, unbrauchbare, zersplitterte Windwurfholz angelastet und dadurch sein Recht total ausgehöhlt und zunichte gemacht. Dies könne nicht richtig sein, da nach § 1311 ABGB der Zufall denjenigen treffe, in dessen Vermögen er sich ereignet habe. Im konkreten Fall hätten daher der Kläger als Waldeigentümer und der Beklagte als kontingentmäßig Bezugsberechtigter den Zufall gemeinsam zu tragen, eine Auslegung ausschließlich zu Lasten des Beklagten sei sittenwidrig. Man hätte eine Formel finden müssen (was Sache des Klägers gewesen wäre), wonach die Anrechnung von Katastrophenholz nur im Rahmen einer Verhältnisrechnung und Relation des gesamten schlagbaren Waldbestandes zum Bezugskontingent des Beklagten möglich wäre. Ein derartiges Feststellungsbegehren wäre allerdings nicht zulässig. Nach der Entscheidung des Berufungsgerichtes könne der Kläger dem Beklagten den Bezug des wirtschaftlich uninteressanten Windwurfholzes aufdrängen und diktieren, der Kläger bestimme also allein die Fälligkeit. Der Versorgungscharakter der Vereinbarung werde dadurch ad nullum geführt.

Diesen Ausführungen kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Nach der zwischen Franz B***** und dem Kläger am 8. Februar 1979 geschlossenen und am 15. September 1981 ergänzten Vereinbarung steht sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten Holz aus den Waldgrundstücken zu. Was mit dem Holz aus einem Windwurf geschehen sollte, ist in den Verträgen nicht geregelt worden, diese Frage kann daher nur im Wege ergänzender Vertragsauslegung beantwortet werden (vgl. WBl. 1987, 240; SZ 62/4 uva). Als Mittel der ergänzenden Vertragsauslegung kommen der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Verkehrsauffassung in Betracht (Rummel in Rummel2, Rz 11 ff zu § 914; JBl. 1990, 105; ecolex 1991, 115). Die im Vorverfahren erfolgte Vertragsauslegung hat keine bindende Wirkung auf das vorliegende Verfahren, sondern hatte nur Bedeutung für den damals geführten Rechtsstreit. Überdies ging es im Vorprozeß nicht darum, ob Franz B***** das gesamte Holz aus dem Windwurf unter Anrechnung auf sein Kontingent übernehmen muß. Strittig war vielmehr, ob das Holz, das ihm der nunmehrige Kläger zur Verfügung stellte und das er angenommen hatte, unentgeltlich zu liefern war. Die ergänzende Vertragsauslegung ist daher im vorliegenden Verfahren unabhängig vom früheren Verfahren vorzunehmen. Es geht daher nicht an - wie es das Berufungsgericht getan hat - auf die im Vorverfahren erfolgte ergänzende Vertragsauslegung zu verweisen, ohne anzuführen, aufgrund welcher Überlegungen die Vertragsergänzung in einem bestimmten Sinne vorgenommen wurde.

Nach den zwischen Franz B***** und dem Kläger geschlossenen Vereinbarungen steht dem Beklagten eine bestimmte Menge Holz zu, das er allerdings selbst schlägern muß. Ein Zeitpunkt, wann er dieses Holz zu übernehmen hat und wann er daher die entsprechenden Arbeiten durchzuführen hat, wurde nicht festgelegt. Nach der vom Berufungsgericht vorgenommenen Vertragsauslegung muß der Beklagte die durch Windwurf oder sonstige Katastrophenfälle angefallene Holzmenge mit einem Durchmesser von über 20 cm zur Gänze in Anrechnung auf sein Holzbezugsrecht übernehmen. Abgesehen von der - in erster Instanz allerdings nicht erörterten - Frage, ob derartiges Holz minderwertig ist, könnte der Beklagte nicht im Sinne der Vereinbarungen den Zeitpunkt des Holzbezuges selbst bestimmen, sondern müßte die angefallene Holzmenge sogleich übernehmen und die hiezu erforderlichen Arbeiten durchführen (nach den im Vorprozeß getroffenen Feststellungen ordneten die Forstorgane anläßlich des Windwurfes des Jahres 1983 an, das Holz ehestmöglich aufzuarbeiten und zwar wegen der Gefahr des Insektenbefalles bzw. der "Verklausung"). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Vertragsergänzung bringt daher Nachteile für den Beklagten mit sich, nicht aber für den Kläger, weil sich dieser um das Windwurfholz, solange es das Kontingent des Beklagten nicht überschreitet, nicht kümmern muß. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß eine derartige Vereinbarung dem Willen beider Parteien entsprochen hätte, eine solche Regelung ergibt sich auch nicht nach Treu und Glauben oder aus der redlichen Verkehrsanschauung. Allerdings würde eine Auslegung, nach der der Beklagte überhaupt kein Katastrophenholz übernehmen muß, zu einer Benachteiligung des Klägers führen, der Kläger müßte - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - im Fall, daß der gesamte Holzbestand von einer Katastrophe betroffen wäre, für den Beklagten sogar Holz zukaufen. Daraus folgt aber nicht, daß die vom Berufungsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung zu erfolgen hat. Dem hypothetischen Parteiwillen, der redlichen Verkehrsauffassung und den Grundsätzen von Treu und Glauben entspräche vielmehr eine Regelung, bei der beide Teile gemeinsam die Folgen einer Naturkatastrophe zu tragen haben.

Das vom Kläger gestellte Feststellungsbegehren entspricht dem nicht. Die oben angeführten Grundsätze für eine ergänzende Vertragsauslegung könnten etwa zu einer Regelung führen, nach der das Windwurfholz ab einem Durchmesser von 20 cm auf die Parteien in dem Verhältnis aufzuteilen ist, das dem Verhältnis des vor dem Windwurf vorhandenen gesamten Waldbestandes über 20 cm Durchmesser zu der dem Beklagten in diesem Zeitpunkt noch zustehenden Menge an Holz entspricht. In diesem Umfang wäre der Beklagte verpflichtet, Windwurfholz abzunehmen. Ein darauf gerichtetes Feststellungsbegehren wäre gegenüber dem auf Abnahme des gesamten Windwurfholzes gerichteten kein aliud sondern ein minus, eine derartige Entscheidung wäre daher möglich, die Vorschrift des § 405 ZPO würde ihr nicht entgegenstehen. Entgegen der Ansicht des Beklagten wäre ein solches Feststellungsbegehren auch zulässig, sofern es entsprechend klar formuliert ist.

Es ist erforderlich, diese Fragen mit den Parteien zu erörtern; dem Kläger ist dabei Gelegenheit zu geben, sein Begehren neu zu formulieren.

Der Revision des Beklagten war daher im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E27700

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00568.91.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19911111_OGH0002_0020OB00568_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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