TE OGH 1991/11/19 12Os147/91

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Veröffentlicht am 19.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.November 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Aigner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zeljko T***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 24.Juni 1991, GZ 20 n Vr 10.922/90-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde ausgesprochen, daß der ***** 1963 geborene jugoslawische Staatsbürger Zeljko T***** am 25. Oktober 1990 in Wien unter Einfluß eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer Geisteskrankheit (einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades) beruht, dadurch versucht hat, Christine L***** vorsätzlich zu töten, daß er mehrmals mit einem Fleischermesser (Klingenlänge ca. 20 cm) auf die Frau einstach, somit eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen hat, die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB zuzurechnen gewesen wäre. Er wurde deshalb gemäß § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Dieses Urteil bekämpft der Betroffene mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 10 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung.

Der Beschwerdeführer vermeint in den Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen in der Hauptverhandlung, ein kräftiger Mann hätte in der gegebenen Situation die sich nicht wehrende Frau mit dem von ihm benützten Messer auch tatsächlich lebensgefährlich verletzen können (S 247 bis 252), Beweisergebnisse zu erblicken, die zum Wahrspruch der Geschwornen im Widerspruch stünden und daher geeignet seien, erhebliche Zweifel am Tötungswillen aufkommen zu lassen, da der "festgestellte geringfügige Verletzungserfolg nicht durch Ziel des Handelns sondern durch Obliegen eines unkontrollierten Hinstechens mit der gegenständlichen Waffe verursacht wurde" (S 298).

Rechtliche Beurteilung

Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen der Geschwornen setzen in der Regel das Aufzeigen von schwerwiegenden, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung (§§ 3, 232 Abs. 2, 254, 302 StPO) zustandegekommenen Mängeln in der Sachverhaltsermittlung oder von Hinweisen auf aktenkundige Beweisergebnisse voraus, die nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung aufkommen lassen. Bei der Eigenart des geschwornengerichtlichen Verfahrens können die - hier allein geltendgemachten - Zweifel an der Würdigung der vorliegenden Beweisergebnisse nur an Hand der gesamten Aktenlage unter Berücksichtigung der in der Niederschrift der Geschwornen allenfalls vorhandenen Hinweise (§ 331 Abs. 3 StPO) geprüft werden (Mayerhofer-Rieder3 E 1 bis 3 zu § 345 Z 10 a StPO).

Das Verfahren nach § 21 Abs. 1 StGB ist in subjektiver Richtung dadurch gekennzeichnet, daß es beim zurechnungsunfähigen Rechtsbrecher am biologischen Schuldelement, somit an einer schuldhaften Handlungsweise im Sinn des § 4 StGB mangelt; die zur Einweisung führende Anlaßtat muß aber als folgerichtige Betätigung eines auf die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges gerichteten Willens erscheinen (Foregger-Serini Anm. III 1 zu § 21 StGB).

Da die Tathandlung als solche nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich die vom Täter verfolgte Zielrichtung relativiert wird, kommt es tatsächlich nur darauf an, ob der Täter im Zeitpunkt der Tat das Ziel verfolgte, die Frau zu töten oder sie nur zu verletzen oder zu mißhandeln. Die Geschwornen beriefen sich in der Niederschrift ausdrücklich darauf, daß sich der Betroffene bei seinen Vernehmungen wiederholt auf innere Stimmen bezog, die ihm auftrugen, jemanden zu töten (S 39 und 40, ON 24, S 220 bis 235). Da dabei offenblieb, wer zu töten sei, schlossen die Geschwornen, daß der Angriff auf Christine L***** in der "Absicht ... zu töten" erfolgte. Diese Vorgangsweise steht auch mit dem vom psychiatrischen Sachverständigen gezeichneten Krankheitsbild der paranoiden Schizophrenie im Einklang (S 268 bis 270 iVm ON 14), sodaß der Umstand allein, daß nach Meinung des gerichtsmedizinischen Sachverständigen ein (geistig gesunder) seinen Tötungswillen konsequent verfolgender kräftiger Mann in der gegebenen Situation schwerwiegendere Verletzungen zustandegebracht haben müßte, keine erheblichen Bedenken an der Richtigkeit des betreffenden Teiles des Wahrspruches zu erwecken vermag, zumal nach der menschlichen Erfahrung die Unzulänglichkeit der Tatausführung noch nicht generell auf mangelndes Wollen schließen läßt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß §§ 285 d Abs. 1, 344 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen, weshalb über die Berufung der örtlich zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben wird (§§ 285 i, 344 StPO).

Anmerkung

E26985

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00147.91.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19911119_OGH0002_0120OS00147_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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