TE OGH 1991/11/20 1Ob619/91

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Veröffentlicht am 20.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Heinz O*****, wider die beklagte Partei Ferdinand B*****, vertreten durch ***** Dr. Maximilian Ganzert, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 400.000,-- samt Anhang infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18.Juni 1991, GZ 4 R 302/90-48, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 28.September 1990, GZ 1 Cg 111/90-40, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger machte Ansprüche aus drei verschiedenen, zeitlich fest umrissenen Auftragsverhältnissen (vom 5.12.1983 bis 17.7.1984, vom 23.7.1984 bis 17.1.1986 und ab 14.10.1986) geltend. Für die beiden ersten Auftragsverhältnisse legte der Kläger eine, für die Leistungen auf Grund der Bevollmächtigung vom 14.10.1986 eine weitere Honorarnote.

Aus diesen drei gesondert zu beurteilenden, wenn auch auf demselben Rechtsgrund beruhenden Rechtsverhältnissen machte der Kläger im ersten Rechtsgang nicht die Summe der Honorarnoten, sondern mit dem Bemerken, dies geschehe vorläufig und vorbehaltlich künftiger Ausdehnung "derzeit" einen Pauschalbetrag von S 400.000 ohne nähere Aufschlüsselung, wie sich dieser Betrag zusammensetze, geltend.

Im ersten Rechtsgang erkannte das Erstgericht gemäß dem Klagebegehren.

Das Berufungsgericht (ON 29) gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Vom Kläger sei zu fordern, die Klagssumme ziffernmäßig auf die einzelnen Ansprüche zu verteilen. Es sei zu beachten, daß zwei getrennte Kostennoten gelegt und Vertretungstätigkeiten in mehreren Gerichtsverfahren entfaltet worden seien. Dem Kläger sei Gelegenheit zur Verbesserung seiner Klage zu geben.

Rekursen beider Teile gab der erkennende Senat mit seinem Beschluß vom 4.4.1990, 1 Ob 537/90, auf dessen nähere Begründung verwiesen wird, nicht Folge. Der Oberste Gerichtshof führte aus, macht der Kläger Ansprüche aus mehreren zivilprozessualen Rechtsschutzanträgen geltend, liegt eine objektive Klagenhäufung vor. Wenn der Kläger im Fall einer objektiven Klagehäufung für sämtliche geltend gemachten Ansprüche einen Pauschalbetrag geltend macht, entspricht es einhelliger Rechtsprechung, daß dieser Pauschalbetrag entsprechend aufzugliedern ist, um dem Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO gerecht zu werden. Es geht nicht an, die Aufteilung des Pauschalbetrages auf die einzelnen Rechtsverhältnisse dem Gericht zu überlassen. Ohne eine solche Aufschlüsselung wäre es nicht möglich, den Umfang der Rechtskraft einer Teilabweisung des Zahlungsbegehrens zu bestimmen und damit die Frage zu beantworten, über welche der eingeklagten Forderungen ganz oder teilweise endgültig negativ abgesprochen worden ist. Nur wenn eine solche Aufgliederung erfolgt, kann in einem Folgeprozeß die der Zulässigkeit einer weiteren Sachentscheidung allenfalls entgegenstehende materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung beurteilt werden. Das Erstgericht, das zwar eine Reihe von Tätigkeiten des Klägers nicht für honorierbar hielt, dessenungeachtet aber darüber nicht in rechtskraftfähiger Form absprach und somit von einer prozessualen Lage ausging, als hätte der Kläger, wie er nunmehr im Rekurs erklärt, auf eine höhere Forderung als S 400.000 endgültig verzichtet, hielt daher zu Unrecht das Vorbringen und das Begehren des Klägers im Sinn des § 226 ZPO für genügend bestimmt. Der im Rekurs des Beklagten aufrecht erhaltenen Rechtsansicht, das Berufungsgericht hätte das Klagebegehren wegen Unschlüssigkeit sofort abzuweisen gehabt, kann nicht gefolgt werden. Klagebegehren, deren Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO das Erstgericht nicht erkannte, sind vom Berufungsgericht in Stattgebung der Berufung nicht sofort abzuweisen. Das Berufungsgericht hat vielmehr in Stattgebung der Mängelrüge der unterlegenen beklagten Partei das Urteil des Erstgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurückzuweisen, damit dieses in Erfüllung seiner auch gegenüber einem anwaltlich vertretenen Kläger nach § 182 ZPO bestehenden Prozeßleitungspflicht diesen zur Präzisierung des Klagebegehrens auffordert.

Im fortgesetzten Verfahren erklärte der Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5.9.1990, daß er vom Beklagten nur die eingeklagte Honorarforderung in Höhe von S 400.000 begehre und auf darüber hinausgehende Ansprüche verzichte.

Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht erneut dem gesamten Klagebegehren statt.

Dagegen erhob der Beklagte Berufung, in der er erneut auf die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens hinwies.

Der Kläger replizierte in der Berufungsbeantwortung, daß er nichts anderes vorgebracht habe als das, was zur ursprünglich fehlenden Präzisierung nach der bindenden Rechtsansicht des Höchstgerichtes ausreicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das gesamte Klagebegehren abwies. Es führte aus, das Vorbringen des Klägers im Rekurs ON 30 könne dahin verstanden werden, daß er von der behaupteten Gesamtforderung von S 844.059,26 derart einen einheitlichen Nachlaß gewähre, daß die Summe der im gleichen Ausmaß reduzierten Positionen einen Gesamtbetrag von S 400.000 ergebe. Damit wären der eingeklagte Pauschalbetrag und die Verzichtserklärung so bestimmt, daß einerseits die in diesem Verfahren verfolgten Ansprüche von weiteren Ansprüchen abgegrenzt würden, denen jetzt oder später ein Prozeßhindernis entgegenstehen könnte, und daß die Aufteilung des Pauschalbetrages auf die einzelnen Forderungen bzw. Leistungspositionen nicht dem Erstgericht überlassen würde. Vor dem Erstgericht aber habe der Kläger nur erklärt, auf den den Klagsbetrag übersteigenden Forderungsteil zu verzichten, diesen Verzicht aber nicht begründet. Damit entfalle aber auch die Möglichkeit einer Berücksichtigung eines gleichmäßigen Forderungsnachlasses bezüglich aller einzelnen Forderungen bzw. Leistungspositionen. Daß der pauschale Verzicht auf den Differenzbetrag zwischen dem eingeklagten Pauschalbetrag und der Summe der behaupteten Forderungen nicht ausreiche, zumal es beim Fehlen dieser erforderlichen Konkretisierung dann in Wahrheit einem Kläger darum zu gehen scheine, in liquiden Fällen möglichst viel zu erhalten und dafür in anderen Fällen eher nachzugeben, womit aber auf Eventualitäten und Bedingungen aufgebaut werde, die sich mit den Bestimmtheitserfordernissen eines Klagebegehrens nicht vertragen, habe der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluß vom 26.2.1991, 8 Ob 672/89 (WBl. 1991, 176) und in seiner Entscheidung vom 11.9.1990, 4 Ob 96,97/90 (ecolex 1991, 109) ausführlich klargestellt.

Die außerordentliche Revision des Kläger ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie das Berufungsgericht, vom Kläger in seiner Revision nicht bekämpft, zutreffend ausführte, könne das Vorbringen des Klägers im Rekurs ON 30 dahin verstanden werden, daß er auf die von ihm geforderte Gesamtsumme von S 844.059,26 einen einheitlichen (und damit aliquoten) Nachlaß gewährt. Daß der Kläger sein Vorbringen in diesem Sinn verstanden wissen wollte, stellte er nach dem gewiß undeutlich gebliebenen Parteivorbringen in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5.9.1990 in seiner Berufungsbeantwortung klar. Damit ist aber der Beurteilung durch das Berufungsgericht, es könne dem Parteivorbringen des Klägers nicht entnommen werden, auf welche Forderungsteile der Kläger endgültig verzichtet habe, der Boden entzogen: Der Verzicht bezieht sich somit aliquot auf die Forderungen aus sämtlichen drei Bevollmächtigungsverhältnissen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich somit wesentlich von den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen. Im Verfahren zu 8 Ob 672/89 erklärte der Kläger ausdrücklich bei der Pauschalierung nicht aliquotieren und eine Überklagung bei einer Schadenersatzforderung durch Forderungsüberhänge aus anderen Fällen kompensieren zu wollen. In 4 Ob 96,97/90 erfolgte die Abweisung des Klagebegehrens schon deshalb, weil der Kläger trotz ihm eingeräumter Möglichkeit, die eingeklagte Forderung zu präzisieren, davon nicht Gebrauch gemacht hat. Geht man aber von der durch die Einklagung des pauschalen Gesamtbetrages von S 400.000 bewirkten Aliquotierung aus, bleibt die Aufteilung auch nicht dem Ermessen des Gerichtes überlassen.

Der Revision ist Folge zu geben. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Überprüfung der weiters geltend gemachten Berufungsgründe zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E27675

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00619.91.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19911120_OGH0002_0010OB00619_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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