TE OGH 1991/11/27 3Ob115/91 (3Ob116/91, 3Ob117/91)

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Veröffentlicht am 27.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Sparkasse V*****, vertreten durch Dr. Heinz Dieter Flesch, Rechtsanwalt in Voitsberg, und anderer Gläubiger, wider die verpflichteten Parteien 1. Jakob P*****, vertreten durch Dr. Josef Peissl, Rechtsanwalt in Köflach, und 2. Martha P*****, wegen S 205.935,-- sA, ua. Forderungen, infolge Revisionsrekurses der erstbetreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 13. September 1991, GZ 4 R 408, 411 bis 414/91-50, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 16. August 1991, GZ E 80/90-47, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird im Umfang seiner Anfechtung in den Verfahren E 80/90, E 111/90 und E 20/91 dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes insoweit wieder hergestellt wird.

Der Verpflichtete Jakob P***** ist schuldig, der Revisionsrekurswerberin die mit S 20.003,84 (darin S 3.333,97 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihres Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof als weitere Kosten des Exekutionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Zur Hereinbringung vollstreckbarer Geldforderungen gegen die verpflichteten Ehegatten als Gesamtschuldner wurde der betreibenden Sparkasse die Zwangsversteigerung der je zur Hälfte im Eigentum der Verpflichteten stehenden Liegenschaft EZ 222 KG 63301 Aichegg bewilligt.

Das Erstgericht bestimmte den Schätzwert der ganzen zu versteigernden Liegenschaft mit S 1,370.000,-- und genehmigte die Versteigerungsbedingungen, nach denen das Vadium S 137.000,-- und das geringste Gebot S 685.000,-- betragen sollten und die Liegenschaft einem Ersteher nach Erfüllung der Versteigerungsbedingungen geräumt zu übergeben sei.

Der Erstverpflichtete brachte Klagen auf Wiederaufnahme der Rechtsstreite ein, in denen die Titel ergangen waren, und erwirkte die Aufschiebung der Exekution durch Zwangsversteigerung seiner Liegenschaftshälfte.

Dem Zwangsversteigerungsverfahren zur Versteigerung der Liegenschaftshälfte der Zweitverpflichteten traten weitere Gläubiger der Frau bei.

Mit der Bewilligung der Aufschiebung der gegen den Mann geführten Exekution setzte das Erstgericht am 21. Feber 1991 den schon anberaumten Versteigerungstermin ab und trug dem Sachverständigen eine gesonderte Bewertung beider Liegenschaftshälften auf.

Das Erstgericht bestimmte den Schätzwert des Hälfteanteils der Zweitverpflichteten infolge des im ergänzenden Gutachten des Sachverständigen vorgeschlagenen Abschlages wegen erschwerter Verkäuflichkeit eines Anteiles mit S 548.000,-- und genehmigte am 7. August 1991 die neuen von der betreibenden Sparkasse vorgelegten Versteigerungsbedingungen, wonach das Vadium S 54.800,-- und das geringste Gebot für den zu versteigernden Hälfteanteil der Frau S 274.000,-- betrage.

Der Erstverpflichtete erhob gegen diesen Schätzwert Einwendungen. Der Schätzwert sei zu niedrig bestimmt.

Das Erstgericht wies die Einwendungen des Erstverpflichteten gegen den am 26. Juli 1991 vorläufig mit S 548.000,-- bestimmten Schätzwert des Hälfteanteils der Zweitverpflichteten mit der Begründung zurück, daß er nicht berechtigt sei, Einfluß auf den Schätzwert der zweiten Liegenschaftshälfte zu nehmen. Das Versteigerungsverfahren werde bis zu einer Fortsetzung gegen den Erstverpflichteten derzeit nur über den Hälfteanteil der Zweitverpflichteten fortgesetzt.

Das Rekursgericht gab dem vom Erstverpflichteten gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs Folge. Es hob den Zurückweisungsbeschluß auf und trug dem Erstgericht die allfällige neuerliche Entscheidung über die Einwendungen des Mannes gegen den mit Beschluß vom 26. Juli 1991 vorläufig bestimmten Schätzwert des Hälfteanteils der Frau auf. Zugleich sprach das Rekursgericht aus, daß der (ordentliche) Revisionsrekurs in den Verfahren E 80/90, E 111/90 und E 20/91 zulässig sei, in den Verfahren E 89/90 und E 105/90 hingegen ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei, weil dort die betriebenen Forderungen an Kapital jeweils S 50.000,-- nicht überstiegen.

Das Rekursgericht war der Ansicht, daß der Erstverpflichtete ungeachtet der Aufschiebung der gegen ihn betriebenen Exekutionsverfahren Partei des anhängigen Zwangsversteigerungsverfahrens bleibe und berechtigt sei, seine Einwendungen gegen die Bestimmung des Schätzwertes der anderen Liegenschaftshälfte, die ein Abgehen von den rechtskräftig genehmigten Versteigerungsbedingungen in Ansehung der ganzen Liegenschaft bedeute, vorzubringen. Diesen entsprechend könne die ganze Liegenschaft erst nach Fortsetzung der Exekution auch gegen den Erstverpflichteten nach dessen (allfälligem) Unterliegen in den von ihm angestrengten Wiederaufnahmsprozessen versteigert werden. Bei Versteigerung nur der Hälfte der Zweitverpflichteten bestehe die Gefahr, daß durch zwei Teilversteigerungen letztlich die ganze Liegenschaft unter ihrem halben Schätzwert verschleudert werde. Dies verstoße gegen die rechtskräftig genehmigten ursprünglichen Versteigerungsbedingungen. Eine Fortsetzung der Exekution der betreibenden Sparkasse gegen die Zweitverpflichtete allein komme derzeit nicht in Frage. Es stehe der betreibenden Partei nur frei, die Einstellung der Exekution gegen den Erstverpflichteten und die Fortsetzung nur gegen die Zweitverpflichtete zu beantragen. Dann dürfe zwar ein neuer Schätzwert ermittelt werden, der Erstverpflichtete dürfe aber selbst dort Einwendungen gegen den Schätzwert erheben, weil ihm im Falle des Unterliegens in einem der Wiederaufnahmsprozesse die Versteigerung auch seiner Liegenschaftshälfte drohe. Das Erstgericht müsse daher mit der Anberaumung des Versteigerungstermines zuwarten, bis das zur Zeit aufgeschobene Verfahren gegen den Erstverpflichteten eingestellt sei oder fortgeführt werde. Dies gelte auch für von Beitrittsgläubigern allein auf den Hälfteanteil der Zweitverpflichteten geführte Exekutionen. Sie müßten die Verfahrenslage hinnehmen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der erstbetreibenden Partei, die den rekursgerichtlichen Beschluß nur im Umfang der Zulassung des Rechtsmittels bekämpft, ist zulässig und berechtigt.

Die Vorschriften über die Versteigerung von Liegenschaften gelten nach § 238 EO auch bei Versteigerung von einzelnen Liegenschaftsanteilen, auf welche Exekution geführt wird. Dem betreibenden Gläubiger steht es frei, auch nur die Versteigerung eines (ganzen) Anteiles eines Miteigentümers zu verlangen, selbst wenn der Titel auch gegen weitere oder alle Miteigentümer vorliegt und er daher die Versteigerung aller ideellen Anteile und damit der ganzen Liegenschaft betreiben könnte (vgl. Petrasch in Rummel2 Rz 3 zu § 461 und 1 zu § 465 ABGB). Der Miteigentümer, dessen Anteil nicht in Exekution gezogen ist, kann kein rechtliches Interesse daran in Anspruch nehmen, wie hoch der Schätzwert fremder Anteile bestimmt wird und zu welchen Bedingungen deren Versteigerung erfolgt. Er wird von der Exekutionsführung gar nicht verständigt (Heller-Berger-Stix 1101).

Wird in einem Exekutionsverfahren gegen mehrere oder alle Miteigentümer die Exekution durch Zwangsversteigerung ihrer Anteile betrieben, so bleibt doch die Versteigerung jedes einzelnen Anteils insoweit selbständig, daß die Einstellung oder Aufschiebung der Exekution nicht den Fortgang des Verfahrens gegen die Verpflichteten hindert, bei denen Gründe für die Einstellung oder Aufschiebung der Exekution fehlen oder nicht geltend gemacht werden. Eine eingehende Erörterung des Standes von Lehre und Rechtsprechung zu dem nicht einheitlich beurteilten Zusammentreffen der Exekution auf einzelne von mehreren Anteilen nacheinander, der Exekution auf die ganze Liegenschaft oder einen größeren Anteil derselben mit einer Exekution auf einen darin enthaltenen Anteil, oder einer Exekution auf einen Anteil mit einer späteren Exekutionsführung auf die ganze Liegenschaft (Heller-Berger-Stix 1107 ff) ist hier entbehrlich. Denn es ist nicht entscheidend, ob es sich bei der Exekution durch Zwangsversteigerung aller (oder mehrerer) Anteile der Miteigentümer um eine bloße Verbindung mehrerer Exekutionen handelt, und schon gar nicht, ob die Bewilligung der Exekution für weitere Gläubiger bloß auf einzelne Anteile zu deren Beitritt zu dem trotz Teilaufschiebung anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren auf die ganze Liegenschaft führt (Heller-Berger-Stix 1112). Zu lösen ist allein die Rechtsfrage, ob einem Miteigentümer ein Einfluß auf die Bestimmung des Schätzwertes eines nicht in seinem Eigentum stehenden Anteils der Liegenschaft zusteht und er daher berechtigt ist, Einwendungen gegen den Schätzwert eines in fremden Eigentum stehenden Anteils zu erheben.

Gleich ob man in der Versteigerung mehrerer Liegenschaftsanteile verschiedener Verpflichteter eine Einheit erblickt oder ein Nebeneinander mehrerer Exekutionsverfahren, fehlt dem Eigentümer eines Anteils, mag er auch als Verpflichteter Partei des gemeinsam geführten Exekutionsverfahrens sein, eine Beschwer, wenn ein fremder Anteil mit einem zu geringen oder zu hohen Wert geschätzt und entsprechend ausgeboten wird. Es steht ihm kein Anspruch zu, daß der Gläubiger auf alle Liegenschaftsanteile greift. Für ihn selbst ist daher das geringste Gebot des fremden Anteils ohne rechtliche Bedeutung. Würde nur der fremde Anteil in Exekution gezogen, wäre er überhaupt nicht Partei und schon deshalb zu einem Einschreiten nicht befugt. Es kann aber nicht anders sein, wenn mehrere (oder wie hier alle) Anteile von der Versteigerung betroffen sind. Es ist daher nicht erforderlich, daß der betreibende Gläubiger erst die (aufgeschobene) Exekution zur Einstellung bringt. In einem gegen die Zweitverpflichtete dann allein fortgeführten Verfahren ist der Erstverpflichtete auch nicht zu Einwendungen gegen den Schätzwert legitimiert, wie es auch wäre, wenn die betreibende Sparkasse von Anfang an zunächst nur auf den Anteil der Zweitverpflichteten Exekution geführt hätte oder Beitrittsgläubiger nur über einen Titel gegen die Zweitverpflichtete verfügen. Das Erstgericht hat daher zutreffend die Einwendungen des Erstverpflichteten gegen den bekannt gegebenen Schätzwert des Liegenschaftsanteils der Zweitverpflichteten zurückgewiesen.

Die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes würde den Gläubiger, der eine Aufschiebung der Exekution in Ansehung eines Miteigentümers hinnehmen muß, zur grundlosen Einwilligung in die Einstellung der Exekution zwingen oder ihm einen unzumutbaren Aufschub in der Durchsetzung seines Anspruches auf Befriedigung aus dem Exekutionsobjekt gegen weitere Miteigentümer aufbürden, bei denen kein Grund für eine Exekutionsaufschiebung gegeben ist. Diese Ansicht würde dazu führen, daß eine Aufschiebung zugunsten eines von mehreren Miteigentümern einen Aufschub der ganzen Exekution bewirkt, wenn mit der Anberaumung des Versteigerungstermines auch bei den von der Aufschiebung nicht betroffenen Anteilen bis zum Wegfall des Aufschiebungsgrundes bei bloß einem der Verpflichteten zuzuwarten wäre und der führende betreibende Gläubiger sich nicht zur Einstellung bereit findet.

Gleich ob daher die Liegenschaftshälfte der Zweitverpflichteten nach Aufschiebung der gegen den Erstverpflichteten bewilligten Exekution zu den ursprünglichen Versteigerungsbedingungen, also in dem Verhältnis des Anteils zum Schätzwert des Ganzen auszubieten oder bei der Teilaufschiebung eine Änderung der Versteigerungsbedingungen zulässig ist (JBl 1972, 619), - weil auch der rechtskräftig bestimmte Schätzwert später geändert werden kann, wenn eine wesentliche Änderung in den für die Bewertung maßgebenden Belangen eingetreten ist (Heller-Berger-Stix 1159; EvBl 1973/6; SZ 61/248 ua), etwa wenn die Schätzung nur für die ganze Liegenschaft erfolgte, später aber nur einzelne Anteile zu versteigern sind

(vgl Heller-Berger-Stix 1109), - kann sich der Miteigentümer dagegen nicht zur Wehr setzen, daß für den Anteil eines anderen ein neuer Schätzwert ermittelt wird.

An diesem Verständnis der Parteistellung des Miteigentümers, mag auch zugleich die Zwangsversteigerung seines Liegenschaftsanteils anhängig, aber aufgeschoben sein, ändert auch der Umstand nichts, daß die Miteigentümer in aufrechter Ehe leben und das auf der Liegenschaft vorhandene Haus als Ehewohnung dient. Die Exekution auf den Anteil der Frau wird dadurch nicht verhindert (vgl die Sonderregelung nach § 9 Abs 2 WEG). Gleiches gilt für den Fall des Bestehens der vom Erstverpflichteten behaupteten bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft der Ehegatten.

Die Aufschiebung der Exekution bloß auf den Hälfteanteil des Mannes hindert die Verwertung des Hälfteanteils der Frau nicht, sondern es ist mit dieser nicht aufgeschobenen Exekution fortzufahren, und der Mann kann auf das Vorgehen bei der Verwertung des anderen Anteils nicht Einfluß nehmen, soweit die Wirkungen dieser Zwangsvollstreckung ihn nicht unmittelbar in seinen Rechten betreffen (vgl Heller-Berger-Stix 644; EvBl 1973/282 ua). Auch wenn die bestmögliche Verwertung der Liegenschaft anzustreben ist, muß bei gesonderter Exekutionsführung und (nicht zwingend) erfolgter Zuschlagserteilung an denselben Ersteher ein Mindererlös in Kauf genommen werden.

Es ist daher, soweit der rekursgerichtliche Beschluß angefochten wurde, in seiner Abänderung der erstgerichtliche Beschluß wieder herzustellen. Daß der rekursgerichtliche Beschluß in Ansehung der Beitrittsgläubiger zu E 89/90 und E 105/90 mangels Anfechtbarkeit bestehen bleibt, hindert nicht die Fortsetzung der von der Revisionsrekurswerberin betriebenen Verfahren E 80/90, E 111/90 und E 20/91 hinsichtlich der Hälfte der Frau.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO und den §§ 41 und 50 ZPO, weil der Erstverpflichtete im Verfahren gegen die Zweitverpflichtete durch Rekurserhebung den Zwischenstreit ausgelöst hat. Die Bemessungsgrundlage für den Revisionsrekurs bestimmt sich nach § 13 Abs 1 lit a RATG.

Anmerkung

E28031

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00115.91.1127.000

Dokumentnummer

JJT_19911127_OGH0002_0030OB00115_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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