TE Vwgh Erkenntnis 2006/1/24 2005/11/0159

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Veröffentlicht am 24.01.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §7 Abs4 idF 2002/I/081;
StGB §43 Abs1;
StGB §46 Abs2;
StGB §46 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in D, vertreten durch Dr. Gebhard Heinzle, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 23. Juni 2005, Zl. UVS-411-046/E4-2005, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 2. Mai 2005 (zugestellt am 13. Mai 2005) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 iVm "§ 7 Abs. 3 Z. FSG" die Lenkberechtigung auf die Dauer von 24 Monaten unter Nichteinrechnung noch allfällig zu verbüßender Haftzeiten entzogen. Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Zur Begründung führte die Behörde aus, auf Grund des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. Juni 2003 werde als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs. 6 Suchtmittelgesetz - SMG) - nämlich insgesamt das 80-fache - ausmache, in Verkehr gesetzt habe. Er habe dadurch das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 und 4 Z. 3 SMG begangen und sei zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt worden. Die einschlägigen Vorstrafen und der Umstand, dass das zu verantwortende Suchtgiftquantum die Qualifikationsgrenze um mehr als das 25-fache - nämlich das 80-fache - der Grenzmenge übersteige und die Wertung desselben lasse in Verbindung mit dem Gesamtbild der Aktenlage auf eine Sinnesart (Charaktereigenschaft) schließen, die offensichtlich solche Handlungen befürchten lasse, die die Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 FSG ausschließen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er u.a. vorbrachte, er sei mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. Juni 2003 wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 2 und Abs. 4 Z. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt worden. Davon und von einer weiteren Freiheitsstrafe von neun Monaten, insgesamt von 39 Monaten, habe er 26 Monate verbüßt und sei dann auf Grund des Beschlusses des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. Februar 2005 am 24. März 2005 bedingt entlassen worden. Die Probezeit für den Strafrest von 13 Monaten Freiheitsstrafe sei mit drei Jahren bestimmt worden. Die Behörde habe sich mit den Auswirkungen der Haftverbüßung und der Tatsache der bedingten Nachsicht des Strafrests auf die Zukunftsprognose nicht auseinander gesetzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juni 2005 wurde die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf 13 Monate, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, herabgesetzt. Im Übrigen wurde der Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass es im Spruch dieses Bescheides statt "§ 7 Abs. 3 Z. FSG" zu lauten habe "§ 7 Abs. 3 Z. 12 FSG". In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe aus seiner vorangegangen Verurteilung vom 20. November 2001 durch das Landesgericht Feldkirch wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG keinerlei Konsequenzen gezogen. Er habe sich noch während des anhängig gewesenen Gerichtsverfahrens und auch nach der Verurteilung zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe weiterer schwerer strafbarer Handlungen nach dem SMG schuldig gemacht. Dies obwohl er gewusst habe, dass er eine neunmonatige Freiheitsstrafe zu verbüßen habe. Dieses Verhalten habe eine Sinneshaltung zum Ausdruck gebracht, aus der zu schließen sei, dass ihn damals auch eine Haftstrafe nicht von der Begehung weiterer schwerer strafbarer Handlungen gegen das SMG abhalten konnte. Der Verwaltungssenat sei daher - ungeachtet des Umstandes, dass das Vollzugsgericht davon ausgegangen sei, dass beim Beschwerdeführer keine besonderen Gründe vorliegen, die befürchten ließen, dass er in Freiheit weitere strafbare Handlungen begehen werde (§ 46 Abs. 2 StGB) - der Auffassung, dass beim Beschwerdeführer auf Grund der in den Jahren 2001 bis 2003 begangenen (neuerlichen) strafbaren Handlungen gegen das SMG trotz Verurteilung wegen eines gleichartigen Verbrechens (und Vergehens) gegen das SMG eine Verkehrsunzuverlässigkeit vorgelegen sei, die eine längere Zeit als drei Jahre nach Beendigung der letzten Tathandlung andauere. Seit der letzten in Strafe gezogenen Tat (Jänner 2003) sei bis jetzt ein Zeitraum von rund zwei Jahren und fünf Monaten vergangen. Innerhalb dieses Zeitraums habe der Beschwerdeführer 26 Monate Strafhaft wegen der genannten Suchtgiftdelikte verbüßt. Haftzeiten seien nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der anzustellenden Prognose, wie lange die betreffende Person verkehrsunzuverlässig sei, mit einzubeziehen, weil die Strafe - neben anderen Strafzwecken - auch spezialpräventiven Bedürfnissen diene. Als Anhaltspunkt, dass die vom Beschwerdeführer verbüßte Haftzeit auf diesen doch einen entsprechenden Eindruck hinterlassen und bei ihm eine Änderung seiner Sinnesart bewirkt habe, werte die Behörde den Umstand, dass das Landesgericht Innsbruck dem Beschwerdeführer die Verbüßung des letzten Drittels der (Gesamt-)Haftzeit auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen habe. Das Ausmaß der Entziehungszeit sei im Hinblick auf die hier in Betracht zu ziehenden Umstände (weiteres Begehen schwerer strafbarer Handlungen gegen das SMG trotz anhängigem Gerichtsverfahren bzw. rechtskräftiger Verurteilung zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe, Verwerflichkeit der Taten) jedoch erforderlich, weil aus der Sicht der Behörde doch zu befürchten sei, dass sich der Beschwerdeführer auf Grund der bisher zum Ausdruck gebrachten Sinnesart wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde.

Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 5. Juli 2005 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Führerscheingesetzes

lauten (auszugsweise):

"Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

...

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

eine strafbare Handlung gemäß den §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, begangen hat;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, ...

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. ...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten zu setzen. ..."

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde im Wesentlichen vor, die belangte Behörde begründe ihre Einschätzung, die Verkehrszuverlässigkeit dauere länger als drei Jahre nach Beendigung der letzten Tathandlung, sohin über den Jänner 2006 hinaus an, damit, dass sich der Beschwerdeführer trotz seiner Verurteilung am 20. November 2001 zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe nicht von der Begehung weiterer Straftaten habe abhalten lassen, sondern sein strafbares Verhalten fortgesetzt habe. Diese Überlegung sei jedoch zeitlich überholt und nicht mehr relevant. Der damaligen Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers hätten die Strafgerichte durch die Verurteilung am 10. Juni 2003 zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe und den Widerruf des Strafaufschubes aus dem ersten Urteil sowie durch Ablehnung eines neuerlichen Strafaufschubes Rechnung getragen. Der Beschwerdeführer habe 26 Monate zunächst in Untersuchungs- und dann in Strafhaft verbringen müssen. Im Herbst 2001 sei die neunmonatige Haftstrafe zwar verhängt, infolge Gewährung von Strafaufschub jedoch nicht vollstreckt worden. Entscheidend sei nicht die Sinnesart des Beschwerdeführers im Herbst 2001, sondern jene im Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheides, nachdem er also das Strafübel längere Zeit am eigenen Leib verspürt habe. Eine in der Befürchtung der Behörde allenfalls einbezogene Annahme, der Beschwerdeführer werde sich trotz Verbüßung von 26 Monaten Haft weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, sei entgegen der Auffassung der Behörde nicht gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer habe erstmals in seinem Leben eine Haftstrafe und zugleich eine von beträchtlicher Dauer verspüren müssen. Unter Mitberücksichtigung des Abschreckungseffekts, den der bedingt nachgesehe Strafrest von 13 Monaten erziele, sei die Prognose, der Beschwerdeführer werde sich trotzdem im Zeitraum bis Juni 2006 weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, nicht gerechtfertigt.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Wie er bereits in seiner Berufung vom 27. Mai 2005 vorgebracht hat, wurde er - auch nach der Feststellung der belangten Behörde - mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. Februar 2005 am 24. März 2005 bedingt entlassen. Das Gericht begründete die bedingte Entlassung u.a. damit, dass im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer "nunmehr erstmalig das Übel einer zugleich längeren Haft verspürt" habe, und sich während dieser Haft klaglos geführt habe, von einer entsprechend erzieherischen Wirkung der Haft auf den Beschwerdeführer auszugehen sei. Besondere Gründe im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB, die gegen eine bedingte Entlassung sprechen würden, erachte das Vollzugsgericht als nicht gegeben.

Gemäß § 46 Abs. 2 StGB ist einem Rechtsbrecher, der zwei Drittel der im Urteil verhängten Freiheitsstrafe verbüßt hat, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, es sei denn, dass besondere Gründe befürchten lassen, der Rechtsbrecher werde in Freiheit weitere strafbare Handlungen begehen.

Nach Absatz 3 dieser Bestimmung sind bei jeder Entscheidung über eine bedingte Entlassung die Person des Rechtsbrechers, sein Vorleben, seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen und seine Aufführung während der Vollstreckung sowie der Umstand zu berücksichtigen, ob es aus besonderen Gründen der Vollstreckung des Strafrestes bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Der Entscheidung über die bedingte Entlassung des Landesgerichtes Innsbruck liegt erkennbar die Auffassung zugrunde, dass der Beschwerdeführer nach Verbüßung von 26 Monaten der über ihn verhängten Freiheitsstrafe, somit ab seiner Entlassung am 24. März 2005 keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, weil ihn die bloße Androhung der Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalte.

Die mit dieser Auffassung in Widerspruch stehende Ansicht der belangten Behörde, beim Beschwerdeführer müsse für die Dauer von 13 Monaten ab der am 13. Mai 2005 erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides angenommen werden, dass er sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden, erweist sich bei dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt als verfehlt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits - zu § 43 Abs. 1 StGB -

ausgesprochen hat, können die vom Strafgericht zu berücksichtigenden Umstände auch für die Wertungskriterien nach § 7 Abs. 4 FSG von Bedeutung sein (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 24. Feber 2005, Zl. 2003/11/0266, mwN.). Gleiches hat auch hier zu gelten. Aus welchen sonstigen Erwägungen die belangte Behörde - anders als das Strafgericht - zu der Auffassung gelangt ist, der Beschwerdeführer werde sich weiterer strafbarer Handlungen nach dem SMG schuldig machen, ist nicht ersichtlich. Dass der Beschwerdeführer noch andere kraftfahrrechtlich relevante strafbare Handlungen begangen hätte, die vom Strafgericht unberücksichtigt blieben und die daher trotz der bedingten Entlassung die Annahme seiner weiteren Verkehrsunzuverlässigkeit rechtfertigen könnten, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Die von der Behörde ausgesprochene Entziehungsmaßnahme ist daher rechtswidrig.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. Jänner 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005110159.X00

Im RIS seit

27.02.2006

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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