TE OGH 1991/12/4 9ObA235/91

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Veröffentlicht am 04.12.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erhard Unterberger und Jürgen Mühlhauser in der Rechtssache der klagenden Partei K***** M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch *****Rechtsanwalt*****, wider die beklagte Partei Dkfm. E***** L*****, Private, ***** vertreten durch *****Rechtsanwälte*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens zu 31 Cga 85/90 des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht (Streitwert 4,135.146,20 S sA), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. September 1991, GZ 8 Ra 21/91-5, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. Jänner 1991, GZ 31 Cga 13/91-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom 23. 11. 1990 wurde im Verfahren zu 31 Cga 85/90 des Landesgerichtes Klagenfurt dem Begehren der Wiederaufnahmsbeklagten und dortigen Klägerin (im folgenden kurz Beklagte bezeichnet) teilweise stattgegeben und die Wiederaufnahmsklägerin und dortige Beklagte (im folgenden kurz Klägerin bezeichnet) zur Zahlung eines Betrages von 4,135.146,20 S an die Beklagte verpflichtet. Ein Mehrbegehren der Beklagten wurde abgewiesen. Das Gericht gelangte aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens zum Ergebnis, daß die von der klagenden Partei ausgesprochene Entlassung nicht zu Recht erfolgt sei und die von der Beklagten geltend gemachten entlassungsabhängigen Ansprüche im zuerkannten Umfang zu Recht bestehen.

Am 17. 1. 1991 langte die vorliegende, am 15. 1. 1991 zur Post gegebene Wiederaufnahmsklage der klagenden Partei beim Erstgericht ein. Darin führt diese aus, die Beklagte sei in einem beim Arbeits- und Sozialgericht Wien über eine Klage der klagenden Partei gegen die Tochter der Beklagten zu 11 Cga 354/90 anhängigen Verfahren am 10. 12. 1990 als Zeugin vernommen worden. Der Inhalt der Aussage sei von der Parteienaussage der Beklagten im Hauptprozeß zu 31 Cga 85/90 des Landesgerichtes Klagenfurt abgewichen und die klagende Partei habe durch diese Aussage erstmalig Kenntnis von Umständen erlangt, die bei rechtzeitiger Kenntnis im Hauptprozeß mit Erfolg als Entlassungsgründe hätten geltend gemacht werden können. Das Protokoll über diese Verhandlung sei dem Klagevertreter am 18. 12. 1990 zugestellt worden.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage als verspätet zurück. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Kenntnis vom Inhalt der Aussage der Beklagten im Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien am 10. 12. 1991 sei die Frist für die Erhebung der Wiederaufnahmsklage am 15. 1. 1991 bereits abgelaufen gewesen, zumal die Frist im Hinblick auf § 39 Abs 4 ASGG auch durch die Gerichtsferien nicht verlängert worden sei. Im übrigen hätte der Nachweis der Umstände, die der klagenden Partei nach ihrer Behauptung durch die Zeugenaussage der Beklagten neu zur Kenntnis gelangt seien, nicht zu einem anderen Ergebnis im Vorprozeß geführt. Die geltend gemachten Gründe seien daher nicht geeignet, eine für die klagende Partei günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge. Der Beginn der Frist für die Wiederaufnahmsklage sei nicht vom Zeitpunkt der Zeugenaussage im Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien zu berechnen, sondern erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Protokolls über diese Aussage, weil die klagende Partei erst in diesem Zeitpunkt über eine hinreichende Kenntnis des tatsächlichen Inhaltes der Aussage der Beklagten verfügt habe. Von diesem Zeitpunkt an berechnet sei die Klage jedoch rechtzeitig erhoben worden, sodaß sich eine Überprüfung der Frage erübrige, ob im Hinblick auf die Bestimmung des § 39 Abs 4 ASGG die Frist für die Wiederaufnahmsklage durch die Gerichtsferien verlängert worden sei. Der Rekurs sei aber deshalb nicht berechtigt, weil der Inhalt der Zeugenaussage der Klägerin schon nach den Klagebehauptungen als Wiederaufnahmsgrund nicht geeignet sei. Abgesehen davon, daß die Klägerin versuche, mit Hilfe eines neuen Beweismittels Tatsachen zu beweisen, die im Hauptprozeß nicht einmal vorgebracht worden seien, sei auch das Beweismittel selbst, nämlich der Inhalt der Zeugenaussage, nicht geeignet, eine für die Klägerin günstigere Entscheidung im Hauptverfahren herbeizuführen. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, schon im Vorprozeß ein präziseres Vorbringen zu erstatten, und es wäre ihr dann auch möglich gewesen, durch entsprechende Fragen an die Beklagte die erforderliche Aufklärung des Sachverhaltes zu erwirken.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufzutragen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Bei Rechtsmittelklagen hat eine selbständige Streitbewertung nicht zu erfolgen. Der Streitgegenstand der Wiederaufnahmsklage ist denknotwendig derselbe wie im Hauptprozeß (SZ 10/350 u.a., zuletzt 1 Ob 531/90). Im Hinblick auf den Streitwert des Hauptprozesses ist der Revisionsrekurs daher gemäß § 46 Abs 1 Z 2 ASGG ohne Beschränkung des § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig. Eines Streitwertausspruches durch das Berufungsgericht bedurfte es nicht.

Gemäß § 534 Abs 1 ZPO ist die Wiederaufnahmsklage binnen einer Frist von 4 Wochen zu erheben, wobei diese Frist gemäß § 534 Abs 2 Z 4 ZPO im Falle des § 530 Abs 1 Z 6 und 7 ZPO von dem Tag zu berechnen ist, an welchem die Partei imstande war, die rechtskräftige Entscheidung zu benützen oder die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen.

Die zeugenschaftliche Vernehmung der Beklagten im Verfahren zu 11 Cga 354/90 vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien fand am 10. 12. 1990 statt. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der Fristenlauf erst im Zeitpunkt der Zustellung der Abschrift des Protokolles über diese Verhandlung am 18. 12. 1990 eingesetzt habe, kann nicht beigetreten werden. Der vollständige Inhalt der Aussage der Beklagten stand bereits bei der Verhandlung am 10. 12. 1990 fest und bereits von diesem Tag an war die klagende Partei in der Lage, die nunmehr vorgebrachten Umstände klageweise geltend zu machen. Das Verhandlungsprotokoll konnte bezüglich des Inhaltes der Aussage schon deshalb keine neuen Aufschlüsse bringen, weil es in der Verhandlung in Anwesenheit der Parteienvertreter diktiert wurde. Die Auffassung der klagenden Partei, es komme nicht auf die Kenntnis des Parteienvertreters, sondern auf die Kenntnis der Partei selbst von den neuen Tatsachen und Beweismitteln an, ist nicht richtig. Partei und Bevollmächtigte werden im Rechtsstreit vom Gesetz zwar streng unterschieden, doch ist trotz dieser Unterscheidung festzuhalten, daß das Handeln des Vertreters immer das Handeln der Partei ist (Fasching II, 242); tritt ein Bevollmächtigter im Prozeß für eine Partei auf, so stellt er diesbezüglich die Partei vor.

Feststeht, daß der Klagevertreter im Verfahren zu 31 Cga 85/90 des Landesgerichtes Klagenfurt als Bevollmächtigter der klagenden Partei einschritt. Der gesetzlich normierte Umfang dieser Vollmacht ermächtigte ihn unbeschränkbar unter anderem auch zur Erhebung der Wiederaufnahmsklage in den von ihm vertretenen Verfahren (§ 31 Abs 1 Z 1 ZPO). Auch im Verfahren zu 11 Cga 354/90 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien trat der Klagevertreter als Bevollmächtigter der klagenden Partei auf und hat in dieser Eigenschaft am 10. 12. 1990 von den Umständen, auf die nunmehr die Wiederaufnahmsklage gegründet wird, Kenntnis erhalten. Diese Kenntnis ist mit diesem Zeitpunkt auch der klagenden Partei unabhängig davon zuzurechnen, ob sie sich allenfalls im Innenverhältnis die Entscheidung über die Einbringung einer Wiederaufnahmsklage vorbehalten hatte. Da die klagende Partei daher am 10. 12. 1990 in Kenntnis aller Umstände war, die den Gegenstand der Wiederaufnahmsklage bilden, wurde mit diesem Zeitpunkt auch die Frist des § 534 Abs 1 ZPO in Lauf gesetzt.

Auf dieser Grundlage wäre die Klage nur dann rechtzeitig erhoben, wenn die Klagefrist durch den Lauf der Gerichtsferien gehemmt worden wäre. Dies trifft aber nicht zu. Wohl hat der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen (SZ 11/258; SZ 21/6; zuletzt 6 Ob 274/68) ausgesprochen, daß der Wiederaufnahmsprozeß auch dann keine Ferialsache sei, wenn der Vorprozeß eine solche gewesen ist. Die Wiederaufnahmsklage gehöre zu den sogenannten prozeßrechtlichen Klagen; zumindest der primär in Frage stehende Aufhebungsanspruch wurzle im Prozeßrecht und nicht im materiellen Tatbestand des Vorprozesses. In der Entscheidung SZ 54/105 wurde in einer Arbeitsrechtssache von der fristverlängernden Wirkung der Gerichtsferien ausgegangen. In all diesen Verfahren war die Zivilprozeßordnung unmittelbar anzuwenden. Die dort ausgesprochenen Grundsätze sind aber auf die seit 1. 1. 1987 dem ASGG unterliegenden Fälle nicht übertragbar. Durch dieses Gesetz wurde ein Sonderverfahrensrecht für Arbeits- und Sozialrechtssachen geschaffen. Wiederaufnahmsklagen sind den Arbeitsrechtssachen des § 50 ASGG zuzuzählen, wenn sie die Wiederaufnahme eines arbeitsrechtlichen Rechtsstreites zum Gegenstand haben. Auch dabei handelt es sich um eine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, die in die Zuständigkeit der arbeits- und sozialrechtlichen Senate fällt. Eine andere Ansicht würde zu dem ganz offensichtlich unrichtigen Ergebnis führen, daß über die Wideraufnahmsklage selbst in einer der Zivilprozeßordnung entsprechenden Gerichtsbesetzung und sodann im wiederaufgenommenen Verfahren in der Besetzung des § 12 Abs 1 ASGG zu verhandeln und zu entscheiden wäre. Dies würde etwa in den Fällen des § 540 Abs 1 ZPO, die eine Verbindung der Verhandlung über die Wiederaufnahme und die Hauptsache vorsehen, zu unlösbaren Konflikten führen. Bereits die letztgenannte Bestimmung zeigt, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, daß die Wiederaufnahmsklage in derselben Verfahrensart zu erledigen ist, die für die Hauptsache vorgeschrieben ist. Wiederaufnahmsklagen in Sachen arbeitsrechtlicher Rechtsstreite sind daher Arbeitsrechtssachen im Sinn des ASGG. Für Arbeits- und Sozialrechtssachen ist aber im § 39 Abs 4 ASGG generell die Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen über die Gerichtsferien vorgesehen. Kraft dieser Bestimmung bleiben die Gerichtsferien auch auf den Lauf der Frist für die Wiederaufnahmsklage in arbeits- und sozialrechtlichen Sachen ohne Einfluß. Die vierwöchige Frist des § 534 Abs 1 ZPO war daher im Zeitpunkt der Einbringung der Wiederaufnahmsklage bereits abgelaufen. Diese war verspätet und aus diesem Grund zurückzuweisen. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Ausführungen des Revisionsrekurses.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E27815

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00235.91.1204.000

Dokumentnummer

JJT_19911204_OGH0002_009OBA00235_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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