TE OGH 1992/1/16 7Ob31/91

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Veröffentlicht am 16.01.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Otto W*****, vertreten durch Dr.Werner Mäntler und Dr.Michael Mäntler, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei

VERSICHERUNGSANSTALT DER ÖSTEREICHISCHEN BUNDESLÄNDER,

Versicherungs-AG, Wien 2., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr.Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 114.680 infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29.September 1991, GZ 5 R 51/91-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 11.Jänner 1991, GZ 31 Cg 167/90-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.789,60 (darin S 1.131,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger schloß im Rahmen einer Gruppenkrankenversicherung des ORF mit der beklagten Partei eine Privatkrankenversicherung ab. Diesem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Betriebskrankenvorsorge 1965 idF 1967 zugrunde. Laut Art 12 Abs 1 lit a iVm Art 4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen steht dem Versicherten für die Dauer eines notwendigen Krankenhausaufenthaltes (Art 22) ein Krankenhaustagegeld von derzeit S 940 täglich zu. Art 22 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen lautet:

Krankenhausbehandlung

Als Krankenhäuser im Sinne der Versicherungsbedingungen gelten Krankenanstalten mit Öffentlichkeitsrecht sowie private Krankenanstalten und Sanatorien, die sanitätsbehördlich genehmigt sind und sich nicht auf die Anwendung bestimmter Behandlungsmethoden beschränken. Werkspitäler, sogenannte Gemeindekrankenhäuser, das sind Wohlfahrtseinrichtungen in kleinen Gemeinden, die, wenn auch mit Krankenbetten versehen und vom zuständigen Gemeinde- oder Sprengelarzt betreut, nicht unter ständiger ärztlcher Leitung stehen, Heil- und Pflegeanstalten für Lungen-, Nerven- und Geisteskranke, Kuranstalten, Erholungs- und Genesungsheime, Altersheime und deren Krankenabteilungen gelten nicht als Krankenhäuser im Sinne dieser Versicherungsbedingungen....

Der Kläger erlitt am 8.5.1987 einen Verkehrsunfall und lag vom 8.5.1987 bis 8.7.1987 sowie vom 23.7.1987 bis 25.7.1987 im Unfallkrankenhaus Meidlung. Er war vom 30.7.1987 bis 31.10.1987 und vom 12.10.1988 bis 11.11.1988 im Rehabilitationszentrum Weißer Hof der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt in Klosterneuburg in stationärer Behandlung. Das Rehabilitationszentrum Weißer Hof wird als gemeinnützige private Sonderkrankenanstalt gemäß § 2 Abs 1 Z 2 des Niederösterreichischen Krankenanstaltengesetzes 1974 (LGBl 9440-O) mit der besonderen Zweckwidmung der Rehabilitation von Unfallsverletzten (Berufserkrankten) geführt. Dort wird eine gezielte Behandlung zur Verminderung oder Beseitigung von unfallbedingten Funktionsstörungen durchgeführt, insbesondere werden Schädigungen des Bewegungs- oder Stützapparates nach Unfällen behandelt. Die Rehabilitationsmaßnahmen werden mit dem Ziel durchgeführt, den Versehrten bis zu einem solchen Grad seiner Leistungsfähigkeit wiederherzustellen, daß er in die Lage versetzt wird, im beruflichen und wirtschaftlichen Leben einen ihm angemessenen Platz möglichst dauernd einzunehmen. Zu diesem Zweck werden an Therapien und Maßnahmen Intensivpflege, Spezialdiagnostik (Röntgen, EEG, ENG, Labor, Verlaufskontrolle) Psycho-, Hydro-, Elektro-, Ergo- und Arbeitstherapie, und Sozialberatung durchgeführt, an Hilfsmitteln werden Rollstühle, Prothesen, Apparate und Behelfe zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird mit den Versehrten Heilgymnastik und Sport betrieben. Das Rehabiliationszentrum Weißer Hof verfügt über je einen septischen, aseptischen sowie einen urologischen Operationssaal, in welchem regelmäßig Operationen durchgeführt werden. Für diese und andere Zwecke der medizinischen Rehabilitation sind dort 10 bis 12 Ärzte ständig beschäftigt, zusätzlich stehen Konsiliarärzte sämtlicher Fachrichtungen zur Verfügung. Das Rehabilitationszentrum Weißer Hof ist keine öffentliche Krankenanstalt im Sinne der §§ 30 ff NÖ. KAG.

Mit dem Kläger wurde im Rehabilitationszentrum ein Bewegungstraining vorgenommen, seine verletzte Haut gepflegt und seine Knie behandelt. Er erhielt gegen Schmerzen und die sich aus der Entfernung seines rechten Hodens ergebenden Komplikationen Medikamente. Der Kläger wurde urologisch, neurologisch, intern und HNO-mäßig untersucht. Es wurden an ihm ein EEG durchgeführt und diverse Röntgenaufnahmen gemacht. Seine Behandlung stand unter ärztlicher Kontrolle.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bezahlung von S 114.680. Dies entspricht einem Krankenhaustagegeld für insgesamt 122 Tag a S 940. Er brachte vor, beim Rehabilitationszentrum Weißer Hof handle es sich um ein Krankenhaus im Sinne des Art 22 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß der Aufenthalt im Rehabilitationszentrum Weißer Hof der Erholung und Genesung des Klägers diente. Derartige Anstalten seien keine Krankenhäuser im Sinne des Art 22 der AVB, zudem mangle es auch am Öffentlichkeitsrecht der zitierten Anstalt. Daß Rehabilitationsmaßnahmen, die der Kläger ausschließlich geltend mache, nicht ausdrücklich in den Versicherungsbedingungen genannt seien, liege daran, daß zu Vertragsbeginn 1977 Rehabilitationsmaßnahmen in Krankenhäusern nicht angeboten worden und bei keiner österreichischen Versicherungsanstalt versicherbar gewesen seien. Das Rehabilitationszentrum bestehe seit 1986 und biete neben Rehabilitationsmaßnahmen nur eine Fachabteilung für die intere Medizin, die zur Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen notwendig wäre.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Beim Rehabilitationszentrum Weißer Hof handle es sich um eine Krankenanstalt im Sinne des Art 22 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Zwar stünden zur Erreichung des Rehabilitationszieles bestimmte Behandlungsmethoden im Vordergrund, von einer Beschränkung auf diese könne aber angesichts der Einrichtung von drei Operationssälen und der ständigen Beschäftigung von 10 bis 12 Ärzten für die Zwecke der medizinischen Rehabilitation sowie von Konziliarärzten sämtlicher Fachrichtungen nicht die Rede sein. Der Aufenthalt in der Anstalt diene der ärztlichen Untersuchung, Behandlung und Beobachtung der Patienten. Das Argument der beklagten Partei, bei Vertragsbeginn 1977 seien Rehabilitationsmaßnahmen in Krankenhäusern nicht angeboten und daher in den Versicherungsbedingungen nicht besonders erwähnt worden, überzeuge nicht. Schon 1974 habe der Gesetzgeber, so zB im § 144 Abs 4 letzter Satz ASVG, bestimmt, daß als Anstaltspflege nicht die Unterbringung in einer Sonderkrankenanstalt, die vorwiegend der Rehabilitation von Versicherten diene, gelte. Daraus dürfe gefolgert werden, daß medizinisch Rehabilitationsmaßnahmen in Krankenhäusern bereits damals durchgeführt wurden. So wie der Gesetzgeber hätte auch die beklagte Partei Gelegenheit gehabt, ihre Versicherungsbedingungen den geänderten Verhältnissen anzupassen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies mit dem angefochtenen Urteil das Klagebegehren ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Das Rehabilitationszentrum Weißer Hof in Klosterneuburg sei zwar eine Krankenanstalt im Sinne des NÖ. Landeskrankenanstaltengesetzes, Art 22 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen schließe aber für gewisse Krankenhäuser den Versicherungsschutz aus. Die Rehabilitation erfasse alle Maßnahmen, die der Wiedergewinnung von Gesundheit und beruflicher Leistungsfähigkeit dienen und den Betroffenen dazu befähigen, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nicht Geschädigten zu behaupten. Obwohl dabei eine konzentrierte Nachbehandlung erfolge, komme der bei der Rehabilitation erforderlichen begleitenden medizinischen Betreuung nur eine zweitrangige Funktion zu. Eine Rehabilitationsbehandlung nach einem Unfall sei inhaltlich einem Aufenthalt in einem Genesungsheim gleichzustellen, für den es ebenfalls keinen Versicherungsschutz gebe. Daran ändere die vom Gesetzgeber vorgenommene Gleichstellung eines Spitalaufenthaltes mit einem solchen in einem Rehabilitationszentrum beim Anspruch auf Familientagegeld nichts, weil es dem Versicherer grundsätzlich freistehe, in seinen Allgemeinen Vertragsbedingungen solche Fälle vom Versicherungsschutz auszuschließen.

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Berufungsgericht verwendete Rehabilitationsbegriff wäre für den vorliegenden Fall dahin zu präzisieren, daß beim Kläger eine medizinische Rehabilitation vorgenommen wurde, die dazu dient, einer drohenden Behinderung vorzubeugen bzw eine bestehende Behinderung zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlechterung zu verhüten. Im versicherungsrechtlichen Schrifttum wird angenommen, daß eine Behinderung immer dann anzunehmen ist, wenn der Versicherte infolge eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes noch nicht oder nicht wieder über die Fähigkeiten und Kräfte verfügt, die erforderlich sind, um einen angemessenen Platz im Arbeitsleben und/oder in der Gemeinschaft einzunehmen oder wenn der Verlust dieser Kräfte und Fähigkeiten nach allgemeiner ärztlicher und sonstiger fachlicher Erkenntnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl VersR 1983, 677 mwN). Auch eine medizinische Rehabilitation besteht in erster Linie in der Anleitung des Patienten zu eigener Tätigkeit, durch die er diejenigen Kräfte und Fähigkeiten wiedererwerben soll, die ihn zu einer Teilnahme am Arbeits- und Gemeinschaftsleben befähigen.

Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen kein Zweifel daran besteht, daß es für die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung eines Taggeldes nur auf die Art der Anstalt, in der der Versicherungsnehmer behandelt worden ist, ankommt. Art 22 Z 1 schließt die Leistung eines Tagegeldes ausdrücklich für Aufenthalte in bestimmten Anstalten aus. Der erste Ausschlußtatbestand betrifft Aufenthalte in Anstalten, die sich auf bestimmte Behandlungsmethoden beschränken. Solche Sonderkrankenanstalten sind Krankenanstalten für die Untersuchung und Behandlung von Personen mit bestimmten Krankheiten oder von Personen bestimmter Altersstufen oder für bestimmte Zwecke. Diese Bestimmung entspricht der Grundsatzbestimmung des § 2 Abs 1 Z 2 KAG. Es steht fest, daß das Rehabilitationszentrum Weißer Hof in Klosterneuburg nicht einer allgemein behandelnden Krankenanstalt im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 NÖ. KAG, in dem grundsätzlich alle Krankheiten behandelt werden, entspricht. Auch die Einrichtung von Operationssälen und der Umstand, daß Ärzte verschiedenster Fachrichtungen dort tätig sind, ändert nichts an der Tatsache, daß all diese Einrichtungen nur der Unterstützung der mit der Rehabilitation verbundenen Behandlungsmethoden dienen. Daß die Rehabilitation in verschiedenen Formen durchgeführt wird, ändert nichts daran, daß es sich immer nur um eine ganz bestimmte Behandlungsmethode handelt. Damit ist aber der zitierte Ausschlußtatbestand des Art 22 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen erfüllt.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen. Ihre Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (EvBl 1982/94, zuletzt OBA 1991, 376 und 7 Ob 16/91). Unklarheiten gehen zu Lasten des Versicherers. Zu berücksichtigen ist allerdings immer der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl SZ 62/29 = WBl 1989, 287 = VR 1990, 57). Wenn auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der beklagten Partei Krankenanstalten, in denen nur Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt werden, nicht ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausnehmen, kann aus den Worten " ... und sich nicht auf die Anwendung bestimmter Behandlungsmethoden beschränken", im Zusammenhang mit den folgend aufgezählten Ausnahmen auch vom durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer nichts anderes erschlossen werden, als daß eine an den Spitalsaufenthalt nicht unmittelbar anschließende Rehabilitation nicht vom Versicherungsschutz umfaßt ist. Während ein Spitalsaufenthalt für den Versicherer in den meisten Fällen kalkulierbar ist, ist infolge der bei einer Rehabilitation von vielen subjektiven Gesichtspunkten abhängige Erfolg zeitlich nicht erfaßbar und kann vom Versicherer das damit verbundene Risiko nicht abgeschätzt werden. Es muß daher auch einem Laien erkennbar sein, daß der Versicherer derartige Risken nicht übernimmt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E28082

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00031.91.0116.000

Dokumentnummer

JJT_19920116_OGH0002_0070OB00031_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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