TE OGH 1992/1/28 4Ob505/92

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Veröffentlicht am 28.01.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. David G*****, geboren am 16.Mai 1989, infolge Revisionsrekurses des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, Amt für Jugend und Familie 11. Bezirk, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 5.Dezember 1991, GZ R 542/91-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 17.Oktober 1991, GZ P 90-91-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Minderjährige befindet sich seit 8.3.1991 in voller Erziehung (§ 28 Abs 1 JWG BGBl 1989/161) der Stadt Wien und ist in der Wohngemeinschaft "M*****" in G***** untergebracht.

Mit der Behauptung, daß sich die Kosten der vollen Erziehung auf monatlich S 19.800 beliefen und beide Eltern derzeit zwar keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgingen, unter Anspannung ihrer Kräfte im Rahmen der Unterhaltspflicht aber imstande wären, ein bestimmtes monatliches Durchschnittsnettoeinkommen zu erzielen, und zwar der Vater S 15.000 und die Mutter S 13.000, begehrt der Jugendwohlfahrtsträger, beide Elternteile schuldig zu erkennen, diese Kosten ab 8.3.1991 bis auf weiteres, längstens bis zur Beendigung der vollen Erziehung, zu ersetzen, und zwar der Vater monatlich S 2400 und die Mutter monatlich S 1950.

Das Erstgericht forderte die Eltern gemäß § 185 Abs 3 AußStrG auf, sich zu diesem Antrag innerhalb einer bestimmten Frist zu äußern, widrigenfalls angenommen würde, daß sie dem Antrag keine Einwendungen entgegensetzten (ON 12).

Nach fruchtlosem Ablauf der Äußerungsfrist sprach das Erstgericht aus, daß der Vater schuldig sei, ab 8.3.1991 zu den Kosten der vollen Erziehung monatlich den Betrag von S 2400 zu zahlen, und zwar die bis zur Rechtskraft des Beschlusses bestehenden Rückstände binnen 14 Tagen ab Rechtskraft und "nach Rechtskraft dieses Beschlusses ... jeweils bis zum 5. des Folgemonates für den Vormonat". Der Mutter trug das Erstgericht auf, zu den Kosten der vollen Erzieung vom 8.3. bis 31.7.1991 monatlich S 1200 zu zahlen; das Mehrbegehren, die Mutter ab 8.3.1991 zu einer Ersatzleistung in der Höhe von S 1950 monatlich zu verpflichten, wies es ab. Die Nichtbeachtung der gemäß § 185 Abs 3 AußStrG gesetzten Frist entbinde das Gericht nicht von seiner Pflicht zur amtswegigen Überprüfung der Entscheidungsgrundlagen. Was den Vater betreffe, so schließe sich das Gericht der Ansicht des Jugendwohlfahrtsträgers an, daß er ohne weiteres in der Lage wäre, monatlich S 15.000 zu verdienen. Für die Mutter gelte das aber nicht so uneingeschränkt, weil es gerichtsbekannt sei, daß die Einkommen von Frauen, die keinen Beruf erlernt haben, wesentlich unter denen der Männer liegen. Es werde daher von einem Durchschnittseinkommen der Mutter in der Höhe von S 8000 monatlich netto ausgegangen. Da sie laut Scheidungsvergleich die Ehewohnung bereits mit 31.7.1991 hätte verlassen müssen, sei sie in absehbarer Zeit gezwungen, sich eine neue Unterkunft zu suchen, wodurch sie sicherlich finanziell belastet werde; aus diesem Grund sei das Mehrbegehren abzuweisen. Da es sich hier um Ersatz- und nicht um Unterhaltsleistungen handle, sei die Zahlung durch den Vater bis zum 5. des jeweiligen Folgemonats anzuordnen. Ersätze seien ja schon begrifflich im nachhinein zu erbringen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. § 185 Abs 3 AußStrG könne hier nicht angewendet werden, weil es an der Voraussetzung fehle, daß das Wohl des Minderjährigen die dringende Erledigung des Antrages erfordert. Der Jugendwohlfahrtsträger sei, was die Verdienstmöglichkeiten der Mutter angehe, seiner Behauptungs- und Beweispflicht nicht nachgekommen, weil er nach der Aufforderung des Erstgerichtes, entsprechende Beweise vorzulegen, dies ausdrücklich verweigert habe. Ein Erfahrungssatz, daß Frauen bei Anspannung ihrer Kräfte monatlich S 13.000 verdienen könnten, bestehe nicht. Die Mutter sei auf Grund des am 23.4.1991 geschlossenen Scheidungsvergleiches verpflichtet, ab 1.8.1991 für den Minderjährigen zu Handen des Vaters monatlich S 1200 zu zahlen; sie könne nicht daneben auch noch verpflichtet werden, Kostenersatz zu leisten. § 1418 ABGB sei auf den hier zu beurteilenden Kostenersatzanspruch nicht analog anzuwenden, da der Zweck dieser Bestimmung - daß nämlich der Unterhaltspflichtige rechtzeitig die notwendigen Mitteln gewährt - auf den Ersatz der vom Jugendwohlfahrtsträger geleisteten Kosten der vollen Erziehung nicht zutreffe.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers.

Dieser ist zulässig: Der Verfahrensgegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, übersteigt nach § 58 Abs 1 JN den Betrag von S 50.000 (§ 14 Abs 2 Z 1 AußStrG), so daß es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ohne Bedeutung ist, daß der vom Jugendwohlfahrtsträger geltend gemachte Anspruch - wie noch darzulegen sein wird - kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch und daher § 14 Abs 3 AußStrG nicht anzuwenden ist. Aber auch die Voraussetzung des § 14 Abs 1 AußStrG liegt vor, weil zu der Frage, ob im Verfahren zur Bestimmung der Kosten der vollen Erziehung nach § 40 JWG 1989 § 185 Abs 3 AußStrG und § 1418 ABGB anzuwenden sind, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Jugendwohlfahrtsträger begehrt ausdrücklich den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung durch die Unterhaltspflichtigen (§ 33 JWG; § 39 Wiener JWG 1990, LGBl 36). Die Übertragung der Unterhaltsansprüche des Minderjährigen auf ihn (§ 34 JWG; § 40 Wiener JWG) hat der Jugendwohlfahrtsträger nicht geltend gemacht; insbesondere hat er die dort vorgesehene Anzeige an den Dritten (die Unterhaltsverpflichteten) nicht behauptet. Er hat demnach eine Kostenersatzforderung geltend gemacht, deren Höhe von der Unterhaltsverpflichtung der in Anspruch genommenen Eltern abhängt, nicht aber den (auf ihn übergegangenen) Unterhaltsanspruch des Minderjährigen.

Dem Revisionsrekurs ist zwar darin beizustimmen, daß das Pflegschaftsgericht über den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden hat (§ 40 JWG); allein daraus ergibt sich noch keineswegs die Anwendbarkeit des § 185 Abs 3 AußStrG. Dieser knüpft das Recht des Gerichtes, einen Beteiligten unter Setzung einer angemessenen Frist zur Äußerung aufzufordern und im Fall der Nichtäußerung anzunehmen, daß der Beteiligte dem Antrag keine Einwendungen entgegensetze, an die Voraussetzung, daß das Wohl eines Minderjährigen oder Pflegebefohlenen die dringende Erledigung des Antrages erfordert. Davon kann aber, wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, dort keine Rede sein, wo es sich um den Ersatz der Kosten eines Jugendwohlfahrtsträgers handelt; das Wohl des Minderjährigen wird durch die dringende Erledigung des Ersatzantrages nicht gefördert. Ist aber § 185 Abs 3 AußStrG nicht heranzuziehen, dann ist der Rechtsauffassung des Jugendwohlfahrtsträgers, daß seine Behauptungen über die Einkommensverhältnisse (auch der Mutter) als richtig anerkannt und demnach der Entscheidung zugrunde zu legen seien, der Boden entzogen.

§ 1418 Satz 2 ABGB ordnet an, daß Alimente wenigstens auf einen Monat voraus gezahlt werden. Daraus folgert die Rechtsprechung von Gerichten zweiter Instanz, daß der Unterhalt bereits am Monatsersten im vorhinein fällig sei (LGZ Wien in EFSlg 43.568, 57.058 uva). Da aber der Jugendwohlfahrtsträger nach dem oben Gesagten im vorliegenden Fall keinen Unterhalts-, sondern einen davon zu unterscheidenden Ersatzanspruch geltend macht, kann er sich nicht auf § 1418 ABGB berufen. Ob der Ersatzpflichtige schon im vorhinein zur Zahlung noch nicht fälliger monatlicher Kosten der vollen Erziehung verhalten werden kann, obwohl § 406 Abs 1 ZPO nur für Ansprüche auf Alimente eine Ausnahme von dem Grundsatz macht, daß zu einer Leistung nur dann verurteilt werden kann, wenn die Fälligkeit in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt schon eingetreten ist, bedarf keiner Untersuchung, weil die Eltern den Beschluß des Erstgerichtes nicht angefochten haben. Der Jugendwohlfahrtsträger kann sich aber durch die Festsetzung der Fälligkeit mit dem 5. des jeweiligen Folgemonates - also jeweils knapp nach dem Ablauf des Monates, für den er die Erziehungskosten getragen hat - nicht beschwert erachten.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Anmerkung

E28057

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00505.92.0128.000

Dokumentnummer

JJT_19920128_OGH0002_0040OB00505_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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