TE OGH 1992/2/25 14Os20/92

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Veröffentlicht am 25.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Februar 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Nedwed als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf P***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18.November 1991, AZ 7 E Vr 2302/91, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz AZ 7 E Vr 2302/91 vom 18.November 1991 verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 41 Abs. 2 StPO.

Dieser Beschluß wird aufgehoben, und es wird dem Landesgericht für Strafsachen Graz aufgetragen, dem Gesetz gemäß zu verfahren.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 6.November 1991, GZ 7 E Vr 2302/91-31, wurde Rudolf P***** der Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB und der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs. 1 StGB (§§ 15, 142 Abs. 1 StGB) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Sogleich nach der Urteilsverkündung meldete der in der Hauptverhandlung nicht durch einen Verteidiger vertreten gewesene Beschuldigte Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe an (AS 167) und ersuchte mit der Eingabe vom selben Tag (AS 181), ihm gemäß § 41 Abs. 2 StPO einen Verteidiger zur Ausführung seines Rechtsmittels (das er nunmehr als "volle Berufung" bezeichnete) beizugeben.

Hierauf verfügte der Einzelrichter am 18.November 1991 die Zustellung einer Urteilsausfertigung an Rudolf P***** zur Ausführung seiner Berufung und wies zugleich (in Form eines Beisatzes) den Antrag auf Beigebung eines Verteidigers zurück (AS 3 h). Dieser Beschluß lautet: "Die beantragte Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers ist wegen des einfachen Sachverhaltes nicht indiziert und wird zurückgewiesen" (AS 3 h).

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluß steht - wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach dem ersten Satz des § 41 Abs. 2 StPO ist einem Beschuldigten, der außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die Kosten der Verteidigung zu tragen, auf Antrag ein Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er nicht zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. Den dem Gericht damit eingeräumten (und daher auch im Verfahren nach § 33 Abs. 2 StPO unbekämpfbaren) Ermessensspielraum schränkt jedoch der nachfolgende Satz dieser Gesetzesstelle insoweit ein, als dort (unter anderem) die Beigebung eines Verteidigers "besonders zur Ausführung angemeldeter Rechtsmittel" für erforderlich erklärt wird. Demnach ist dem mittellosen Beschuldigten auf dessen Verlangen im Fall einer Rechtsmittelausführung jedenfalls ein Verteidiger beizugeben. Das Gericht hat in diesem Fall nur die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten, nicht aber auch die "Erforderlichkeit" der Verteidigung zu prüfen, womit auch der Verfassungsbestimmung des Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK Rechnung getragen wird. Auf die sachliche oder rechtliche Schwierigkeit des Verfahrens kommt es in diesem Fall nicht an (RZ 1991/38).

Die von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgehende Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz konnte sich zum Nachteil des Beschuldigten auswirken und war daher zu beheben.

Anmerkung

E27891

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00020.92.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19920225_OGH0002_0140OS00020_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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