TE OGH 1992/2/25 14Os2/92

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Veröffentlicht am 25.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Februar 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Nedwed als Schriftführer in der Strafsache gegen Neville Noah F***** wegen des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Privatbeteiligten S***** I***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. September 1991, GZ 12 f Vr 11616/89-118, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der Kaufmann Neville Noah F***** wurde des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 und § 15 StGB schuldig erkannt und nach dem höheren Strafsatz des § 153 Abs. 2 StGB zu einer achteinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 20 a StGB wurde der Angeklagte zur Zahlung eines dem Ausmaß seiner eigenen unrechtmäßigen Bereicherung durch die Begehung der strafbaren Handlung entsprechenden Geldbetrages in der Höhe von 37,477.570,13 S (an die Republik Österreich) verurteilt. Alle Privatbeteiligten, ***** wurden gemäß § 366 Abs. 2 StPO mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat der Angeklagte vom 28. August 1981 bis 17.März 1988 in Wien als Hauptbevollmächtigter der S***** I***** O*****, die ihm durch Vertrag mit der Firma S***** I***** eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen und die SIO zu verpflichten, sechsmal (Fakten 1-6) wissentlich durch Bürgschaftsübernahmen, Verpfändungen und Zessionserklärungen namens der SIO zur Abdeckung von (Kredit-) Forderungen von Geldinstituten gegenüber ihm persönlich sowie der von ihm als Geschäftsführer geleiteten SU***** mißbraucht und der SIO bzw. deren englischer Muttergesellschaft der SI einen Schaden von 126,164.366,86 S zugefügt und von weiteren 75,249.500 S zuzufügen versucht.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hat das Bundesministerium für Finanzen am 20.Februar 1981 die SIO als österreichische Zweigniederlassung für das in London ansässige, weltweite Versicherungsunternehmen der SI bescheidmäßig genehmigt. Die SIO wurde hierauf am 4.Juni 1981 in das Register des Handelsgerichts Wien eingetragen.

Die SIO hatte als Versicherer das Risiko aus den Versicherungsverträgen zu übernehmen und die anfallenden Schadensfälle zu begleichen, wofür ihr die Prämien, reduziert um die (Makler-) Provisionen zukamen.

Eine Geschäftstätigkeit betreffend die Akquierierung von und die Verwaltung der Versicherungsverträge hat die SIO nicht entfaltet, sondern sich hiezu anfangs kurzfristig der A***** GesmbH & CO KG und in der Folge der SU bedient. Der Angeklagte war einerseits Hauptbevollmächtigter der SIO gemäß § 3 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und andererseits geschäftsführender Gesellschafter der SU. Hingegen waren weder die SI noch die SIO an der SU beteiligt.

Im Agenturvertrag zwischen der SI und der A***** GesmbH & Co KG, in den später die SU eintrat, war vereinbart, daß die SI "unter keinen Umständen für die Gehaltszahlungen, Abfindungen, Vergütungen oder Entschädigung, welcher Art immer, an bei der SU beschäftigte Personen haftet", sondern, daß alle diese Personen ausschließlich in den Diensten der SU stehen. Die SU hat ferner die Verpflichtung übernommen, die einlaufenden Prämien nach Abzug genau im Vertrag umschriebener Kosten und Provisionen auf das Konto der SI einzuzahlen. Der SU war es jedoch gestattet, Bankkonten im Namen der SI zu führen und zu eröffnen, jedoch mit der Einschränkung, diese Konten weder zu überziehen noch sonst den Kredit (= das Vermögen) der SI zu verpfänden.

Der Angeklagte hat jedoch unter wissentlichem Mißbrauch seiner uneingeschränkten und im Sinn des VAG auch uneinschränkbaren Hauptbevollmächtigung der SIO zu deren bzw. deren Mutterfirma überwiegend auch eingetretenen, teils jedoch nur beabsichtigten Schaden, eigene Verbindlichkeiten und solche der SU gegenüber österreichischen Banken durch Bürgschaftserklärungen, Umbuchungsanordnungen und ähnliche Haftungsübernahmen namens der SIO abgedeckt.

Den Schuld- und Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Abschöpfung der Bereicherung gemäß § 20 a StGB bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Abs. 1 Z 3, 4, 5, 5 a, 9 lit. a und 9 lit. b, 10 und 11 StPO. Gegen die verhängte Freiheitsstrafe hat er auch Berufung erhoben, mit welchem Rechtsmittel auch die zweite Privatbeteiligte ihre Verweisung auf den Zivilrechtsweg bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 3) rügt der Verteidiger die Durchführung der Hauptverhandlung (14., 15., 16., 24. und 31.Mai, 25.Juni, 22.Juli, 14.August sowie am 3., 11., 13., 17. und 20.September 1991) trotz angeblicher Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten. Die Nichtigkeitsbeschwerde führt dazu näher aus, daß bis zum

12. Verhandlungstag die Verteidigung zufolge der bis dahin bestehenden beschränkten Verhandlungsfähigkeit in der Befragung des Angeklagten behindert gewesen sei und ab diesem Tag, der Angeklagte zwar umfassend befragt werden konnte, jedoch dabei - nach Ansicht des Verteidigers - verhandlungsunfähig gewesen sei.

Die insbesondere durch den Alkoholabusus des Angeklagten zeitweise in Frage gestellte Verhandlungsfähigkeit wurde vom Gericht durch Beiziehung eines Sachverständigen (ON 56, 114, 115) laufend überprüft und darauf gestützt, bejaht. Die vom Sachverständigen empfohlene Kürzung der Verhandlungsdauer (S 225/III) zur Schonung des Angeklagten wurde vom Gericht auch eingehalten (ON 55). Der Angeklagte und sein Verteidiger haben auch vor dem Schöffengericht dazu jeweils dargetan, daß der Angeklagte dem Verhandlungsverlauf folgen könne und demgemäß verhandlungsfähig sei (S 175/III, 149 f/IV). Die davon abweichend im Rechtsmittelverfahren erstmals aufgestellte Behauptung, der Angeklagte sei im Zeitpunkt der Hauptverhandlung (zeitweise) verhandlungsunfähig gewesen, ist eine unzulässige Neuerung (Mayerhofer/Rieder3, § 281 Z 3 StPO ENr. 10 a).

Die Protokolle über die Hauptverhandlung geben umfassend die Verantwortung des Angeklagten wieder und lassen nicht erkennen, daß der Verteidiger an der Befragung gehindert gewesen sei. Vielmehr hat der Verteidiger schon am ersten Verhandlungstag, nach Befragung des Angeklagten durch das Gericht erklärt, seine Fragen an den Angeklagten erst im Laufe der weiteren Verhandlung stellen zu wollen (S 29/III).

Es besteht daher kein Grund zur Annahme einer Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten während des gegen ihn geführten Verfahrens.

Soweit der Verteidiger in Fortführung des vorgenannten Nichtigkeitsgrundes unter Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO die Abweisung seines Antrages den behandelnden Arzt des Angeklagten Prof. Dr. J***** zu vernehmen (S 149/IV), rügt, betraf das angegebene Beweisthema ausdrücklich nicht die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten (S 151/IV), sondern nur die Frage, ob der nach dem Sachverständigengutachten durch übermäßigen Alkoholkonsum des Angeklagten herbeigeführte "nunmehrige Zustand" (S 146/IV) von diesem schuldhaft herbeigeführt wurde, um sich dem Verfahren zu entziehen. Nach den weiteren Ausführungen des Verteidigers wäre diese Beweisaufnahme nötig gewesen, um beurteilen zu können, ob die zur Begründung der Untersuchungshaft angenommene Fluchtgefahr noch weiter besteht (siehe S 149 ff/IV, ON 136, 142, 146) und ob der Alkoholeinfluß als mildernd zu werten wäre. Damit zeigt sich, daß der Antrag keine für die Urteilsfällung entscheidende Frage, nämlich jene der Schuld bzw. des anzuwendenden Strafsatzes betroffen hat und daher zu Recht abgewiesen wurde.

Vom Verteidiger waren der Zeuge Henry S***** zum Inhalt und Umfang "der zweiten Vollmacht" und der Zeuge Roger N***** zum Nachweis für den Inhalt der Vereinbarungen, welche anläßlich dieser Vollmachtserteilung getroffen worden waren, beantragt worden (S 196/IV). Die Einvernahme des letztgenannten Zeugen ist vom Gericht ausdrücklich mit der Begründung abgewiesen worden, daß damit nur die rechtliche Beurteilung der ohnehin als Beweismittel vorliegenden Urkunden betroffen ist; eine Begründung zur Verweigerung der Einvernahme des Zeugen S***** wurde nicht gegeben.

Die Nichtdurchführung dieser Beweise hat Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Abgesehen von der schon vom Erstgericht gegebenen Begründung und dem Umstand, daß nach dem Wortlaut des Antrags dieser ersichtlich nur der Erkundung diente, ist darauf zu verweisen, daß nach der Aussage des Angeklagten vor dem Schöffengericht die vom Antrag betroffene "zweite Vollmacht", welche (als Beilage./A zu ON 19) im Akt erliegt (siehe S 165/IV), nach Empfehlungen seines Rechtsfreundes Dr. H***** formuliert worden ist und der Angeklagte nur den solcherart zustandegekommenen Vollmachtstext nach London geschickt hat, wo dieser von N***** als Vorstandsmitglied und von S***** als Sekretär, gefertigt und zurückgesandt worden ist (S 162/IV). Da nach den eigenen Angaben des Angeklagten der Text der "zweiten Vollmacht" nur auf eine ausdrückliche Empfehlung seines Rechtsfreundes in Wien geschrieben wurde, er bei deren Fertigung durch S***** und N***** in London gar nicht anwesend war, hätte die Verteidigung in ihrem Antrag darzulegen gehabt, wieso dennoch eine Vereinbarung anläßlich dieser Vollmachtserteilung stattgefunden hat und inwiefern die beantragten Zeugen darüber etwas auszusagen vermögen.

Folgend einer Anregung des Verteidigers vor der Hauptverhandlung (ON 45), einen Sachverständigen aus dem Fachbereich des Rechnungswesens sowie aus dem Fachbereich des Versicherungswesens beizuziehen, wurde vom Gericht Dkfm. B***** bestellt und ihm die Beantwortung konkreter Fragen aufgetragen. Dem hat der Sachverständige in seinem schriftlichen und mündlichen Gutachten entsprochen (ON 90 und S 55/IV). Soweit im Anschluß an dessen mündliche Gutachtenerstattung der Verteidiger weiter auf einem Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Versicherungswesens beharrte (S 70/IV), der unter anderem auch zur Überprüfung einzelner Teile des Gutachtens Dkfm. B***** herangezogen werden sollte, hat der Verteidiger selbst nicht dargetan, wieso überhaupt Teile des Gutachtens unrichtig seien. Im übrigen sollten inhaltlich des Antrages die weiters beantragten Sachverständigenermittlungen ebenfalls nur der Erkundung, insbesondere des Wertes der (später in Konkurs verfallenen) SU und allfälliger Ansprüche des Angeklagten im Falle einer Auflösung des Agenturvertrages zwischen SIO und SU, dienen. Soweit der Beschwerdeführer nunmehr ergänzend meint, daß die Durchführung des genannten Beweisantrages auch dazu bestimmt gewesen wäre, Strafzumessungsgründe "auszuleuchten", betrifft dies keine für den Schuldspruch, und damit auch keine im Sinne des angezogenen Nichtigkeitsgrundes relevanten Umstände.

Es ist auch - worauf die Urteilsgründe wiederholt zutreffend hinweisen - ohne Belang, ob die mißbräuchlich der SU bzw. dem Angeklagten persönlich zugeflossenen Beträge der SIO später für die Privatbeteiligte (SI) verwendet worden sind. Denn strafrechtlich bedeutsame Aufrechenbarkeit besteht nur hinsichtlich eines durch die Mißbrauchshandlung gleichzeitig mit dem Vermögensnachteil entstehenden Vermögensvorteils für den Machtgeber (Foregger-Serini StGB4 Anm. III zu § 153). Ein solcher gleichzeitiger Vermögensausgleich war aber selbst vom Angeklagten nie behauptet worden, sondern nur, daß die spätere Übernahme der (in Konkurs verfallenen) SU durch die SI sich im Ergebnis für letztere günstig ausgewirkt habe, ein Vorteil aber, der jedenfalls nicht (gleichzeitig) mit der Mißbrauchshandlung zum Nachteil der SIO verknüpft war.

Es mag durchaus zutreffen, daß die rechtlich gewählte Konstruktion, wonach die SIO (als Versicherer) für all ihre Geschäfte die SU in Anspruch nehmen durfte, für die SIO günstig war. Aber dies hat den Angeklagten als Bevollmächtigter der SIO keinesfalls berechtigt, diese dadurch gewonnenen Vorteile der SIO durch mißbräuchliche Vermögensverschiebungen zu schmälern.

Der Zeuge Ken F***** wurde vom Angeklagten beantragt, "daß die Geschichte der Vertragsverhandlungen zwischen Wien und London nachweist, daß es keinerlei Anhaltspunkte für das Abweichen der Ermächtigung von der Vollmacht gibt" (S 190/IV).

F***** war als Assistant-Director in der Auslandsabteilung der SI, nach den eigenen Angaben des Angeklagten (S 183/IV) ausschließlich mit der internationalen Gesetzgebung und somit mit allem, was mit dem Versicherungsrecht im Ausland zu tun hat, befaßt. Dem Gericht lag dazu eine eidesstattliche Erklärung von Ken F*****, abgelegt vor einem englischen Rechtsanwalt (Beilage./1 zu ON 56), vor. Danach hat er an der Vorbereitung der an F***** übermittelten Vollmachtsformulare mitgearbeitet. Nach seinem Wissen gab es auch keine abweichende Vereinbarung vom vorliegenden Text. Der Angeklagte hat sogar, obwohl er 1986 um eine finanzielle Unterstützung der SU durch die SI gebeten hatte, eine solche ausdrücklich nicht erhalten.

Das Erstgericht ist nun keineswegs davon ausgegangen, daß der Angeklagte als Hauptbevollmächtigter der SIO bzw. als Geschäftsführer der SU zu etwas anderem ermächtigt war, als aus den schriftlichen Unterlagen zu ersehen ist, weshalb es schon deshalb nicht der beantragten Beweisführung bedurfte. Daß aber der Angeklagte als Hauptbevollmächtigter der SIO in deren Namen dennoch Forderungen von Banken gegenüber der SU, durch die SIO bzw. deren englischer Muttergesellschaft abdecken durfte, hat F***** ausdrücklich verneint, weshalb im Antrag dargetan hätte werden müssen, warum von diesem Zeugen vor einem österreichischen Gericht eine andere Aussage zu erwarten ist als er sie eidesstattlich vor einem englischen Rechtsanwalt abgelegt hat. Daran ändert nichts, daß, wie der Verteidiger in seinem Rechtsmittel weiter dazu ausführt - aus rechtlicher Sicht - die Parteien von einer Vereinbarung auch jederzeit einvernehmlich wieder abgehen können.

Das Erstgericht hat die Einvernahme des Zeugen Colin H*****, der erst nach dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum Direktor der Europaabteilung der SI wurde (S 203/I) und der nach den Angaben des Angeklagten gesagt haben soll, daß für den Fall des "Zusperrens" der SU eine Entschädigung (gemeint wohl durch die SI) bezahlt wird (S 194/IV), abgelehnt, weil ein allfälliger Wert der SU strafrechtlich nicht relevant ist. Gemeint hat das Erstgericht damit, worauf es auch schon früher hinwies, daß die Tatsache, daß allenfalls das Vermögen der SU (über die in der Zwischenzeit der Konkurs eröffnet wurde) eine (gewisse) Deckung für den durch Befugnismißbrauch herbeigeführten Schaden bieten könne, strafrechtlich ohne Bedeutung ist, weil durch die Mißbrauchshandlung nicht die SU (bzw. deren Wert) der SIO (bzw. deren Mutterfirma) zugekommen ist, was allein eine Aufrechnung erlauben würde. Soweit dazu nunmehr aber der Verteidiger im Rechtsmittelverfahren ein anderes Beweisthema nennt, stellt dies eine unzulässige Neuerung dar, die bei Überprüfung der Verfahrensrüge unbeachtet bleiben muß.

Drei weitere vom Verteidiger beantragte Personen (Ing. K***** von der E***** Versicherungs AG, Generaldirektor N***** von der A***** Versicherungs AG und ein informierter Vertreter der Firma D*****) sollten bezeugen, daß die E***** Versicherungs AG über Initiative und durch Verdienst des Angeklagten zu "S*****" als Vertragspartner gekommen ist. Daraus ergebe sich ein Provisionsanspruch des Angeklagten gegenüber der SU.

Zutreffend hat das Gericht in seinem abweisenden Beschluß darauf hingewiesen, daß es sich bei der Frage eines allfälligen Provisionsanspruches des Geschäftsführers der SU gegenüber dieser Gesellschaft um "Firmeninterna" handelt, die von Außenstehenden nicht beurteilt werden können. Damit hat aber das Erstgericht auch ersichtlich die von den Zeugen erwartete Bekundung über Aktivitäten des Angeklagten für bestimmte Versicherungsabschlüsse ohnehin in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen. Solche etwaigen Ansprüche des Angeklagten gegen die - zum Teil ihm, keinesfalls aber der SIO gehörende - SU sind nicht ident mit (verfahrensrelevanten) Ansprüchen gegenüber der SIO, zu deren alleinigen Nachteil seine unrechtmäßige, gemäß § 20 a StGB abgeschöpfte Bereicherung geschah.

John David L*****, Manager des Hauptbüros der SI in London, hat als Zeuge vor dem Schöffengericht bekundet (S 29 ff/IV), daß die SI (bzw. SIO) nicht gewillt war, Schulden der SU zu übernehmen und daß dies auch dem Angeklagten bekannt war. Dennoch wurden die vom Angeklagten (unter Mißbrauch seiner Befugnisse) eingegangenen Verpflichtungen zum Nachteil der SIO später durch entsprechende Kapitalflüsse von London nach Österreich abgedeckt, weil man in London, nach entsprechender rechtlicher Beratung, zur Überzeugung gekommen war, daß "die unbeschränkte Vollmacht des Herrn F***** nicht bestritten werden könnte" (S 33/IV). Ohne daß nun L***** in seiner Zeugenaussage auch nur erwähnt hätte, daß er den Auftrag gegeben hätte, Unterlagen zu vernichten, und ohne daß Verteidiger und Angeklagter an diesen Zeugen in dieser Richtung irgendeine Frage gestellt hätten, beantragte der Verteidiger vier Monate später (siehe S 29/III und S 37/IV), Anna W***** zum Nachweis dafür, daß L***** den Auftrag gegeben hatte, daß Mitarbeiter der SI Unterlagen vernichten sollten, welche älter als drei Jahre sind.

Zutreffend hat das Erstgericht diesen Antrag als unzulässigen Erkundungsbeweis bezeichnet, dessen Durchführung bloß der Klärung dienen soll, ob von bestimmten Beweisen eine Förderung der Wahrheitsfindung zu erwarten ist oder ob überhaupt weitere Beweismittel auffindbar sind (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 88 ff zu § 281 Z 4). Denn wenn auch W***** die Vernichtung von Urkunden bezeugt hätte, wäre daraus für das vorliegende Strafverfahren nichts Entscheidendes zu gewinnen gewesen, zumal keinerlei weitere Beweise - sondern bloße Annahmen der Verteidigung - dafür genannt wurden, was auf den angeblich vernichteten Urkunden gestanden sein soll.

Zwei vom Verteidiger beantragte Beamte des Bundesministeriums für Finanzen (MinRat Dr. D***** und MinRat Dr. W*****) sollten Auskunft über "unübliche Handlungsbeschränkungen im Innenverhältnis im Versicherungsgeschäft, wie es die Anklage unterstellt, "weiters" über die Notwendigkeit der vom Angeklagten abgegebenen Garantieerklärungen und Bürgschaften nach dem VAG und über die Richtigkeit der im Akt erliegenden Urkunden des Bundesministeriums für Finanzen" geben.

Das Erstgericht lehnte zu Recht auch diesen Antrag ab, wobei es einerseits die Richtigkeit der im Akt befindlichen Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen in den Urteilsgründen gar nicht in Zweifel gezogen hat und andererseits nach dem VAG gebotene Verhaltensweisen rechtlich selbständig beurteilen mußte. Die "Üblichkeit von Haftungsbeschränkungen" aber war ohne Aussagewert für die Frage, ob die Verfügungen des Angeklagten nun im Sinne seiner Machtgeberin (der SIO) oder mißbräuchlich zu deren Nachteil waren.

Zwar wurde über den Antrag des Verteidigers auf Sicherstellung und Übermittlung der "Datensicherungsträger" beim Masseverwalter der SU Dr. H***** (S 68 f/IV) nicht entschieden. Die Vernachlässigung der Vorschrift des § 238 StPO ist jedoch nicht mit Nichtigkeit bedroht (s. § 281 Abs. 1 Z 3 StPO). Soweit aber die Beschwerde unter der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO zur Relevanz des Beweisantrages ausführt, daß die Kenntnis des Angeklagten von den Ansprüchen der SU gegenüber der SI und seine Kenntnis von der vereinbarten Langfristigkeit des Vertragswerkes im Angeklagten die Gewißheit erzeugte, "keinen Vermögensnachteil der Privatbeteiligten zuzuführen" (richtig wohl: zuzufügen), unterlegt sie unzulässig dem in erster Instanz gestellten Antrag (S 68 f/IV), der keinen entscheidungswesentlichen Umstand betraf, ein anderes Beweisthema.

Der weitere Antrag des Verteidigers in erster Instanz, sämtliche Schriftstücke und Rechnungen, welche sich bei der "S*****" in Wien befinden, gerichtlich beschlagnahmen zu lassen und dahingehend zu untersuchen, ob und in welcher Höhe sich in diesen Dokumenten Aufzeichnungen über Schwarzgeldzahlungen und Provisionen an Persönlichkeiten befinden (S 71/IV), stellt sich abermals als bloßer unzulässiger Erkundungsbeweis dar, über den allerdings das Erstgericht ebenfalls entgegen der Vorschrift des § 238 StPO nicht erkannt hat, ohne jedoch dadurch Nichtigkeit seines Urteils zu begründen.

Der mit dem Antrag verbundene Hinweis des Verteidigers (S 72/IV), die Durchführung des Beweises hätte ergeben, daß die nach dem Sachverständigengutachten Dkfm. B***** dem Angeklagten (durch seine mißbräuchlichen Verfügungen über das Vermögen der SIO) zugekommenen Beträge tatsächlich an andere Personen geflossen seien, läßt nicht einmal erkennen, inwieweit sich dadurch eine Berechtigung des Angeklagten, diese Zahlungen zum Nachteil der SIO vorzunehmen, ableiten ließe. Soweit aber die Durchführung des Beweises erst dazu dienen sollte, Grundlagen für eine solche Berechtigung zu finden, sollte dies abermals nur unzulässig der Erkundung dienen.

Entgegen der Ansicht des Verteidigers wurde sein Antrag auf Vernehmung des Notars Dr. W***** nicht nur abgewiesen und die Abweisung begründet (S 194/IV), sondern sein Antrag auch protokolliert (S 188/IV). Das diesbezügliche Protokollsberichtigungs-(Ergänzungs-)begehren ist daher gegenstandslos.

Inhaltlich des vorliegenden Protokolls hat nämlich der Verteidiger nach seiner Äußerung "zu einem Vorbringen des Staatsanwalts" den genannten Notar dafür beantragt, "daß die Vollmacht Nr. 1 (somit jene vom 31.Dezember 1980) ausreichend war, um nach dem VAG vorgelegt zu werden", aber auch, daß die bezeichnete Vollmacht "ohneweiteres dem Gesuch an das Handelsgericht beigeschlossen hätte werden können".

Die Ansicht des Erstgerichts, daß es sich dabei durchwegs um keine zu beweisenden Tatsachen, sondern um vom Gericht selbst zu lösende Rechtsfragen handelt, ist - abgesehen von der zusätzlichen Bedeutunglosigkeit der Beweisthemen für den vorliegenden Schuldvorwurf - zutreffend. Der Inhalt zusätzlicher Vereinbarungen aber war - entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen - nicht Gegenstand des Antrages (siehe S 188/IV).

Der über mehrere Aktenseiten ausgeführte Antrag des Verteidigers, ein Gutachten des Bundesministeriums für Justiz oder eines Sachverständigen über den maßgeblichen Inhalt des englischen Zivilrechts einzuholen, betraf gleichfalls keine Tatfrage und wurde daher auch zu Recht abgewiesen. Abgesehen davon wurde dem Angeklagten Vollmacht und Befugnis für seine Tätigkeit in Österreich erteilt und sollte nach dem ausdrücklichen Parteiwillen der Umfang der Vollmacht nach österreichischem Recht beurteilt werden (so ausdrücklich Zeuge R*****: S 43/III und Angeklagter S 162/IV).

Einleitend der Mängelrüge (Z 5) zitiert der Verteidiger - allerdings nur teilweise - zwei Urteilspassagen (US 8 und 29 f) und bezeichnet diese als undeutlich, unvollständig und mit sich selbst im Widerspruch stehend. Dieser Widerspruch löst sich aber sofort, wenn man berücksichtigt, daß nur der erste Teil des Zitats eine - übrigens auf eine Urkunde gestützte - Feststellung enthält, während die zweite bezeichnete Stelle eine, im Laufe der Strafverhandlung vom Angeklagten geäußerte und anderslautende "Idee" wiedergibt, welche jedoch vom Schöffengericht ausdrücklich für widerlegt erachtet wurde. Soweit aber der Verteidiger dazu eine ausreichende Begründung der Rechtsauffassung des Erstgerichts vermißt, übersieht er, daß der von ihm angezogene Nichtigkeitsgrund nur Begründungsfehler zu Tat-, keinesfalls aber zu Rechtsfragen betreffen kann.

Die Feststellungen über den formellen und den vereinbarten Umfang der Bestellung des Angeklagten zum Hauptbevollmächtigten der SIO sind im Urteil - entgegen der weiteren Ansicht des Rechtsmittelwerbers - nicht unbegründet geblieben, sondern stützen sich ausdrücklich auf die vorliegenden Urkunden und auf die im Urteil bezogene Zeugenaussage R*****. Die damit im Widerspruch stehende Verantwortung des Angeklagten wurde - wie bereits ausgeführt - nicht übergangen, sondern als unglaubwürdig erachtet. Dabei hat das Erstgericht auch keineswegs übersehen, daß der Angeklagte für die SIO nur auf Grund seiner Stellung als Hauptbevollmächtigter zu handeln befugt war, wurde er doch ausschließlich wegen des wissentlichen Mißbrauchs eben dieser Befugnis schuldig erkannt.

Daß das zwischen SI und SU ausdrücklich vereinbarte Verbot gegenüber der SU, Kreditabmachungen für die SI zu treffen (welches auch Garantien und Bürgschaften umfaßte) aus der schriftlichen Vereinbarung zwischen SI und SU abgeleitet wurde, wurde ebenso im Urteil deutlich herausgehoben, wie die schon mehrmals erwähnte Funktion des Angeklagten als Hauptbevollmächtigter der SIO. Da aber der Angeklagte zugleich auch Geschäftsführer der SU war, die vom bezeichneten Verbot betroffen war, stand es dem Erstgericht durchaus frei, das Gesamtwissen des Angeklagten aus allen seinen - wenngleich formell getrennten - Funktionen abzuleiten. Ohne formellen Begründungsmangel konnte daher das Erstgericht den Schluß ziehen, "der Angeklagte war sich der Beschränkungen dieser Ermächtigung (als Hauptbevollmächtiger der SIO, aber auch als Geschäftsführer der SU) gewiß und er wußte, worauf es ankommt". Richtig ist allerdings der Beschwerdehinweis in diesem Zusammenhang, daß mit dieser zitierten Wendung im Urteil, der wissentliche Befugnismißbrauch des Angeklagten nicht konstatiert ist. Diese vom Verteidiger vermißte Feststellung findet sich jedoch mehrfach an anderen Stellen des Urteils (siehe US 26 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde vertritt weiters die Auffassung, daß die Urteilskonstatierungen "erst 1986 informierte F***** die SI London von finanziellen Schwierigkeiten der SU" und "bis 1988 war die SI London der Meinung, es sei der SU möglich, ohne fremde Finanzierung zu wirtschaften", nur auf die Aussage des Zeugen L***** gestützt wurden, wobei jedoch die anderslautenden Zeugenaussagen der Mag. P***** und des Allan John R*****, wonach der Letztgenannte bei einem Besuch 1984 in der Z***** Wien über die Kreditaufnahme der SU informiert worden sei, übergangen worden seien. Dies trifft jedoch nicht zu: Sowohl Mag. P***** (S 157/IV) als auch Allan John R***** (S 71/III) haben ihr Zusammentreffen 1984 in Wien bezeugt, jedoch mit der Maßgabe, daß es sich nur um einen "Goodwill-Besuch" gehandelt hat, bei dem "man nicht über interne Dinge redet", sondern der dazu dient, "um einander kennen zu lernen". Soweit nach der weiteren Zeugenaussage Mag. P***** im Einleitungsgespräch wohl erwähnt worden sei, daß die "SU einen Kredit hat" (S 156/IV), R***** aber darüber nichts zu berichten wußte, erklärt sich dies widerspruchsfrei damit, daß für R***** als Repräsentanten der SI, die Angelegenheiten der SU, die "ja eine eigene Firma war", nicht von Interesse war (S 55, 68/III). Wenn daher der Angeklagte aus den eben genannten Aussagen der Zeugen Mag. P***** und R***** im Gegensatz zu den Tatrichtern der Ansicht ist, daß die SI auf Grund des Besuches von R***** im Jahre 1984 schon von den der SU gewährten Krediten gewußt habe und daraus - konträr zu den Urteilsannahmen - den Schluß zieht, "daß die SI auch von den zu ihren Lasten (!) eingegangenen Verpflichtungserklärungen Kenntnis hatte", bekämpft er nur unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Auch die Annahme der Erstrichter, wonach der "Angeklagte F***** weder gegen die SU noch gegen die SIO Provisionsansprüche hatte", ist zureichend begründet worden. Aktenwidrig kann sie schon deshalb nicht sein - wie die Verteidigung ebenfalls meint - weil mit dieser Feststellung gar nicht der Inhalt einer Urkunde bzw. einer Aussage wieder-, sondern nur eine Tatsache angegeben wird, welche aus den im Urteil angeführten Gründen als erwiesen angesehen wurde.

Den Vorwurf unzureichender Begründung aber stützt die Beschwerde auf einen Brief des Norbert W***** (Beilage./G zu ON 117) und meint, der Umstand, daß W***** (der selbst auch Geschäftsanteile der SU inne hatte) sich gemäß § 153 StPO der Aussage entschlagen hat, hätte das Gericht nicht berechtigt, dessen im Akt erliegenden Brief zu übergehen. Hiebei negiert die Verteidigung, daß dieser Brief - ohne daß ein anderslautender Antrag vorgelegen wäre - ausdrücklich in der Hauptverhandlung nicht verlesen wurde (siehe S 186/IV) und daher die Heranziehung dieses Briefes als Beweismittel sogar prozeßordnungswidrig gewesen wäre (siehe § 258 Abs. 1 StPO).

Wie hoch aber der Beweiswert des in der Hauptverhandlung verlesenen von der SIO, über ausdrückliche Anfrage des Gerichtes (ON 81), an dieses gerichteten umfassenden Antwortschreibens (ON 86) zu veranschlagen war, fiel allein in die Beweiswürdigung der Tatrichter. Diese haben auch, entgegen dem weiteren diesbezüglichen Beschwerdevorbringen diesen Brief "nicht ohne weiteren Kommentar den Beweisergebnissen zugrunde gelegt", sondern seinen Inhalt mit den Aussagen von Zeugen und der Nichtgeltendmachung von Provisionen durch den Angeklagten, gewürdigt (US 33).

Der Umstand, daß der Sachverständige Dkfm. B***** in seinem Gutachten auftragsgemäß Berechnungsvarianten über das Ausmaß der vom Angeklagten - als ihm zustehend - behaupteten Provisionen angestellt hat, wurde für die Richtigkeit dieser Behauptung zutreffend im Urteil nicht "diskutiert", wie dies die Nichtigkeitsbeschwerde verlangt. Hat doch der Sachverständige seinen Berechnungen vorangestellt, daß er die Richtigkeit der Behauptung des Angeklagten nicht verifizieren könne, wonach diesem zufolge einer Vereinbarung mit Karl W***** von den sogenannten "provisionsfreien Polizzen" bzw. von dem von ihm akquirierten Versicherungsgeschäften eine Provision in der Höhe von jeweils 20 % zustünde (S 443/IV). Der Sachverständige hat vielmehr noch ausgeführt, daß vom Angeklagten Provisionen - mit denen dieser die ihm selbst zugeflossenen Beträge von über 37 Millionen Schilling, die im Urteil gemäß § 20 a StGB abgeschöpft wurden, zu rechtfertigen suchte - nie in Rechnung gestellt, nicht über die Bücher geführt, "also verschleiert" wurden (S 431/IV).

Ob aber der Ausdruck "provisionsfreie Polizzen (Geschäfte)" auch dahin zu interpretieren ist, daß keine "externen Makleransprüche" bestehen - wie die Nichtigkeitsbeschwerde meint - ist belanglos, weil im gesamten Verfahren niemals behauptet wurde, daß andere, nicht der SU angehörende Personen, als Makler - die ohnehin jeweils ihr Entgelt erhalten haben - auf die "provisionsfreien Polizzen (Geschäfte)" noch zusätzlich einen Provisionsanspruch gehabt hätten. Solche Provisionsansprüche hat nur der Angeklagte für sich selbst behauptet.

Eine Befassung mit der in einem Brief geäußerten Ansicht des gesondert verfolgten Mitgesellschafters der SU, W*****, über etwaige Provisionsansprüche des Angeklagten mußte unterbleiben, weil - wie schon erwähnt - dieser Brief in der Hauptverhandlung nicht verlesen wurde und sich W***** überdies der Aussage entschlagen hat (S 38/IV).

Das festgestellte Wissen des Angeklagten über den Umfang seiner Bevollmächtigungen als Hauptbevollmächtigter der SIO einerseits und als Geschäftsführer der durch Agenturvertrag mit der SI verbundenen SU andrerseits wurde im Urteil ausdrücklich auf mehrere Zeugenaussagen von Vertretern der englischen Mutterfirma (SI) gestützt (US 17). Nicht richtig ist daher der Beschwerdevorwurf, daß diese Feststellungen "völlig unbegründet" geblieben seien.

Auch daß es "keine mündlichen Abänderungen der Vollmachten und Agenturverträgen gab", weil "diese schriftlich festgehalten worden" wären, haben die genannten Zeugen der Londoner Mutterfirma bekundet und konnte das Erstgericht darauf gestützt seine gleichlautenden Feststellungen gründen. Der Beschwerdevorwurf einer bloßen "Scheinbegründung" ist daher ebenso unverständlich, wie die weitere Unterstellung des Rechtsmittels, daß es sich bei diesen Äußerungen der Zeugen in Wirklichkeit nicht um Wissenserklärungen, sondern um Rechtsausführungen gehandelt habe. Haben doch die Zeugen über die rechtliche) Wirksamkeit mündlicher Absprachen, die nicht auch schriftlich festgehalten worden sind, gar nichts erwähnt, sondern nur bekundet, daß es deshalb keine mündlichen Abänderungen gab, weil solche sonst schriftlich festgehalten worden wären.

Die Verantwortung des Angeklagten, die festgestellten Verfügungen zu Lasten der SIO nicht mißbräuchlich, sondern nur zur Abdeckung bestehender Verbindlichkeiten getroffen zu haben, hat das Schöffengericht nach umfassender Beweiswürdigung nicht geglaubt. Im Sinne einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) war das Schöffengericht nicht verhalten, bei jeder einzelnen Verfügung nochmals die für unglaubwürdig erachtete Verantwortung zu wiederholen, daher auch nicht jene, daß die am 4.März 1987 durch ihn vorgenommene Verpfändung eines Guthabens der SIO über 5 Millionen Schilling zur Sicherung aller Forderungen der L***** gegenüber der SU (Urteilfsfaktum 4) nur einen "formell" der SIO, "materiell aber der SU" zustehenden Betrag betroffen habe.

In einem vorgelegten Brief des Zeugen B*****, den dieser namens der SI am 26.Jänner 1987 an den Angeklagten gerichtet hat, wird unter anderem nur die Übermittlung eines Berichtes von der Firma D***** erwähnt (Beilage ./B zu ON 50). Dieser Bericht sollte - so der Zeuge B***** (S 82/III) - von der Hypothese ausgehen, daß der Agenturvertrag der SU mit der SI am 31.Dezember 1986 beendet wird. Unter Zugrundelegung dieser Annahme sollte ermittelt werden, was in diesem Fall an Provisionen fällig wäre. Eine darüber hinausgehende Bedeutung maß auch das Erstgericht dem bezogenen Bericht nicht zu. Mit der Beschwerdebehauptung, es gebe der beschränkten Wertung des Berichts zuwiderlaufende Beweisergebnisse, ohne zu bezeichnen, was konkret der Meinung des Gerichtes widersprechen sollte, wird ein Begründungsmangel nicht aufgezeigt. Im übrigen blieb die dem Bericht zugrundeliegende Annahme einer Vertragsauflösung Ende 1986 tatsächlich eine Hypothese.

Schließlich zitiert die Mängelrüge einzelne, vor allem den Vorsatz des Angeklagten betreffende Urteilspassagen und meint dazu, daß "jegliche Feststellungen" zur subjektiven Seite fehlen. Dabei wird ersichtlich verkannt, daß es sich bei den von der Beschwerde selbst zitierten Feststellungen, eben um jene handelt, welche der Angeklagte vermißt.

Der Vorsatz des Angeklagten wurde für den ganzen Tatzeitraum und für alle spruchmäßig einzeln angeführte Verfügungen konstatiert (US 26 ff, 37). Die Fakten 3 und 4 sind darin inkludiert. Der tatsächlich eingetretene, über 126 Millionen Schilling liegende und der beabsichtigte, 75 Millionen Schilling übersteigende Vermögensschaden sind im Spruch und in den Gründen des Urteils detailliert ausgeführt (US 3 und US 40 f). Die Behauptung der Beschwerde, hinsichtlich der Vermögensschädigung fehle jegliche Konstatierung trifft daher nicht zu. Die Frage aber, ob die mißbräuchlich und zum Schaden der SIO der SU zugeführten Beträge (später) im Interesse der SIO verwendet wurden, hat das Erstgericht keineswegs unerörtert übergangen, sondern eine diesbezügliche Konstatierung mangels rechtlicher Relevanz ausdrücklich unterlassen (siehe US 28).

Die Tatsachenrüge bezieht sich entgegen dem Wortlaut des Gesetzes (Z 5 a) weitgehend nicht auf die Akten, aus denen die Unrichtigkeit der vom Erstgericht seinem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen sich ergeben soll, sondern versucht (demgemäß prozeßordnungswidrig) eine dem Angeklagten genehme Situation zu "skizzieren" und diese dann mit den Urteilsfeststellungen zu vergleichen. Die Ausführungen im Rechtsmittel, daß es dem Hauptbevollmächtigten einer Versicherungsunternehmung doch gestattet sein muß, auch "gegen den Willen des Prinzipals" rechtsgeschäftliche Verfügungen vorzunehmen, ist durchaus richtig, verkennt aber den Schuldvorwurf, der nicht in der Verneinung, sondern in der mißbräuchlichen Ausübung dieses Rechts liegt.

Die Behauptung in der Beschwerde aber, daß auch die SIO eine umfangreiche Geschäftstätigkeit entfalten wollte, widerspricht dem Inhalt vorliegender Zeugenaussagen und der vorliegenden Urkunden, insbesondere dem Agenturvertrag mit der SU.

Nicht die "beschränkte" Vollmacht der SU hat (formell) auf die Rechtstellung des Angeklagten als Hauptbevollmächtigten der SIO rechtlich "durchgeschlagen", sondern auf Grund des Agenturvertrages zwischen SI und SU ist es dem Angeklagten klar gewesen, in welchem Ausmaß der SU nur vertraglich fixierte Ansprüche gegen die SIO zustehen. Diesen eng begrenzten Rahmen berechtigter Forderungen der SU gegenüber der SIO als deren Hauptbevollmächtigter bei seinen Verfügungen nicht berücksichtigt, sondern wider die "Pflichten eines ordentlichen Kaufmannes" gehandelt zu haben, indem er unter wissentlichem Befugnismißbrauch der SU und sich selbst Geldmittel der SIO zukommen ließ, begründet den Schuldvorwurf und allein die dafür maßgeblichen Tatsachen sind von Bedeutung. Nach den ebenfalls durch die Aktenlage gedeckten Urteilsfeststellungen trug die SIO als Versicherungsunternehmen die Schadensfälle und das Risiko hiefür, sie erhielt dafür die Prämien, unter Abzug der Provisionen, welche der SU bzw. anderen Maklern zukamen. Zu mehr Geldleistungen gegenüber (Maklern bzw.) der SU war die SIO auf Grund der im Akt erliegenden Urkunden nicht verpflichtet und bestehen daher keine Bedenken gegen die im wesentlichen damit gleichlautenden Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts.

Die Rechtsrügen (Z 9 lit. a und b sowie Z 10) hätten von den im Urteil getroffenen Feststellungen auszugehen und daraus sich ergebende Rechtsfehler aufzuzeigen gehabt. Demgegenüber geht jedoch die Nichtigkeitsbeschwerde von anderen Feststellungen aus oder sie bezeichnet Feststellungen als fehlend, die den getroffenen ausdrücklich widerstreiten.

So wird das zu Punkt 4 des Urteilsspruchs verpfändete Konto im Urteil unmißverständlich als eines der SIO bezeichnet. Die Behauptung der Nichtigkeitsbeschwerde, daß dieses jedoch der SU (materiell) gehört habe, ist daher feststellungswidrig. Ebenso wurde - entgegen der Ansicht der Beschwerde - ausdrücklich konstatiert, daß die Zessionserklärung des Angeklagten vom 17. März 1988 zu Lasten der SIO (Faktum 6), gegen die ausdrückliche Erklärung der SI erfolgte (US 17 f).

Entgegen der Ansicht der Nichtigkeitsbeschwerde wurden keineswegs bereits die jeweiligen Zessionserklärungen als Schadenszufügung und damit als Tatvollendung gewertet, sondern nur soweit durch nachfolgende Auszahlungen und Umbuchungen die SIO tatsächlich in Anspruch genommen wurde.

Es hat auch das Erstgericht - das einen Schuldspruch nur wegen teilweiser Vollendung der Untreue nach § 153 StGB gefällt hat - auch sonst die Verwirklichung eines Vermögensnachteils (und damit die Tatvollendung) im Urteil niemals an die unter Befugnismißbrauch abgegebenen Haftungserklärungen geknüpft, sondern erst an die darauf gegründeten Zahlungen der Banken. Die Beschwerdeansicht, die Abgaben von Bürgschaft, Garantieverpflichtungen, das Anerkennen von Forderungen sowie Umbuchungsermächtigungen seien noch kein Vermögensnachteil im Sinne des § 153 StGB, ist somit völlig konform mit der Rechtsansicht des Ersturteils und zeigt schon formell keinen Rechtsirrtum auf. Gleiches gilt für die ebenso richtige Ansicht der Beschwerde, daß Aufrechenbarkeit nur hinsichtlich eines durch die Mißbrauchshandlung gleichzeitig mit dem Vermögensnachteil entstehenden Vermögensvorteils zulässig sei, weil sich auch dies mit der Rechtsansicht des Schöffengerichts (sogar fast wörtlich) deckt (US 38 f).

Daß aber von den zum Nachteil der SIO realisierten Verfügungen nur hinsichtlich jener Beträge, die dem Angeklagten persönlich zugeflossen sind und in deren Umfang auch gemäß § 20 a StGB eine Abschöpfung erfolgte, der SIO ein Vermögensnachteil zugefügt worden wäre, während die zugunsten der SU vorgenommenen mißbräuchlichen Verfügungen (mittelbar) der SIO zugute gekommen seien - wie die Beschwerde behauptet - ist urteilsfremd.

Der weitere Vorwurf der Beschwerde, im Urteil seien hinsichtlich der Versuchsfakten keine Feststellungen über Ausführungshandlungen getroffen worden, ist unrichtig. Werden doch hiebei die einzeln im Spruch und detailliert in den Gründen beschriebenen, vom Angeklagten mißbräuchlich getroffenen Bürgschafts-, Umbuchungs- und Haftungserklärungen gegenüber den Gläubigerbanken der SU und des Angeklagten, übergangen. Im Ausmaß der festgestellten Effektuierung dieser Vereinbarungen wurde der Eintritt eines Vermögensschadens und Deliktsvollendung angenommen.

Soweit der Angeklagte einen eigenen Rechtsirrtum bei Tatbegehung reklamiert (Z 9 lit. b), geht er nur von seiner Verantwortung aus, wonach er persönlich der Auffassung gewesen sei, daß er die ihm eingeräumte Befugnis nicht wissentlich mißbraucht habe. Damit entfernt er sich abermals prozeßordnungswidrig von den ausdrücklich gegenteiligen Feststellungen, wonach er bei seinen Verfügungen wußte, daß er die ihm eingeräumte Befugnis mißbraucht und mit der Zufügung eines Vermögensschadens rechnete.

Ebenso konträr zu den getroffenen Urteilsannahmen ist die unter Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO aufgestellte Beschwerdebehauptung, der Angeklagte hätte überhaupt nicht die Befugnis gehabt, über das Vermögen der SIO zu verfügen; ist er doch ausdrücklich als Hauptbevollmächtigter und im Sinne des VAG uneingeschränkt Befugter der SIO im Urteil mehrfach beschrieben worden.

Die Ausführungen zu Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO richten sich sowohl gegen den Abschöpfungsausspruch nach § 20 a StGB als auch gegen die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe.

Im Rahmen der Erörterung dieses Nichtigkeitsgrundes wäre aber ebenfalls von den getroffenen Feststellungen auszugehen gewesen, nämlich daß der Angeklagte durch die strafbare Handlung im Ausmaß von 37,477.570,13 S persönlich unrechtmäßig bereichert wurde (US 41). Die Rechtsmittelausführungen, die jegliche unrechtmäßige Bereicherung des Angeklagten mit der Behauptung bestreiten, daß das Sachverständigengutachten Dkfm. B***** nicht zwingend eine solche begründe, übergehen die vom Erstgericht unter Heranziehung anderer Beweismittel getroffenen, gegenteiligen Feststellungen der unrechtmäßigen Bereicherung. Dem weiteren Einwand, das Erstgericht habe jeglichen Hinweis auf das Vorliegen der in § 20 a Abs. 2 Z 4 StGB genannten Umstände unterlassen, widerstreitet der ausdrücklichen Konstatierung in den Urteilsgründen (US 41), wonach die Abschöpfung den Angeklagten nicht unbillig hart trifft und der dafür gegebenen Begründung. Dieser widerstreitet übrigens gar nicht der weitere Beschwerdeeinwand, daß es sich bei dem Betrag um jenen der unrechtmäßigen Bereicherung aus einer "knapp zehnjährigen Tätigkeit", gehandelt hat.

Richtig ist, daß das Erstgericht bei Aufzählung der Milderungsgründe im Rahmen der Ausmessung der verhängten Freiheitsstrafe übersehen hat, daß die strafbare Handlung teilweise beim Versuch geblieben ist. Damit wird jedoch keine rechtsfehlerhafte Bewertung von Strafzumessungstatsachen behauptet, sondern nur die Feststellung des Strafzumessungssachverhalts bekämpft. Das bloße Übersehen eines Strafzumessungsgrundes verwirklicht nur einen Berufungsgrund (12 Os 78/88, RZ 1988/19, EvBl. 1988/115; Steininger in "Bezauer Tage" 1991, Seite 116).

Aus all diesen Erwägungen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zum Teil als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO und zum Teil als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung über dieses Rechtsmittel zurückzuweisen.

Über die Berufungen hat gemäß § 285 i StPO das zuständige Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

Anmerkung

E28258

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00002.92.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19920225_OGH0002_0140OS00002_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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