TE OGH 1992/2/25 14Os142/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.1992
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Februar 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Nedwed als Schriftführer in der Strafsache gegen Dipl.Ing. Dr. techn. Wilhelm P***** wegen des Verbrechens des Betruges nach den §§ 146 ff StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 24. Juni 1991, AZ 16 Vr 1566/85, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 24.Juni 1991, AZ 16 Vr 1566/85, mit dem über den Angeklagten gemäß § 235 StPO eine Ordnungsstrafe in der Höhe von 10.000 S verhängt wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 235 StPO. Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 24.Juni 1991, AZ 16 Vr 1566/85, wurde über Dipl.Ing. Dr.techn. Wilhelm P***** (als Angeklagten in einer fortgesetzten Hauptverhandlung) gemäß § 235 StPO eine Ordnungsstrafe von 10.000 S verhängt, weil er in einem an das Kreisgericht und die Staatsanwaltschaft Wels gerichteten Schriftsatz vom 20.Juni 1991 (ON 1196 der Vr-Akten) grundlose Vorwürfe, insbesondere den Vorwurf der Anwendung von "Nazi- und Ostblockmethoden" erhoben hatte.

Der Vorsitzende hatte am Beginn (der am 24.Juni 1991 fortgesetzten) Hauptverhandlung den Angeklagten befragt, ob die genannte Eingabe zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werde.

Dieser gab daraufhin an: "Ja, aber ich will sie nicht detailliert vortragen."

Hierauf teilte der Vorsitzende mit, daß die Eingabe bereits mit dem Senat erörtert worden war und verkündete unter anderem den Beschluß auf Verhängung der Ordnungsstrafe (siehe Hauptverhandlungsprotokoll vom 24.Juni 1991).

Rechtliche Beurteilung

Dieses Vorgehen gemäß § 235 StPO für eine schriftliche Äußerung steht, wie der Generalprokurator zu Recht in seiner gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ausführt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach § 233 Abs. 1 StPO obliegt dem Vorsitzenden die Erhaltung der Ruhe und Ordnung und des der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstandes im Gerichtssaal. Zur Erfüllung dieser Aufgabe (Sitzungspolizei) ist ihm die in den §§ 235 bis 237 StPO behandelte beschränkte Strafbefugnis (Disziplinargewalt) eingeräumt, die räumlich auf den Gerichtssaal oder Ort der gerichtlichen Amtshandlung und zeitlich auf die Dauer der Gerichtssitzung beschränkt ist (Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr 3 zu § 233). Eine Bestimmung des Inhalts, daß Ungebühr oder beleidigende oder respektwidrige Ausdrucksweisen in Schriftsätzen Ordnungsstrafen nach sich ziehen könnte, ist der Strafprozeßordnung fremd (siehe Lohsing-Serini4, 333 f). Bei Verletzung der dem Gerichte schuldigen Achtung durch beleidigende Ausfälle in schriftlichen Eingaben im Strafverfahren ist gemäß § 97 GOG vielmehr die Bestimmung des § 85 Abs. 1 GOG sinngemäß anwendbar (EvBl 1958/83 ua).

Im vorliegenden Fall wirft das Kreisgericht Wels dem Angeklagten die Verletzung der schuldigen Achtung in dessen schriftlicher Eingabe vom 20.Juni 1991 vor. Er hat jedoch den Inhalt des Schriftsatzes in der Hauptverhandlung am 24.Juni 1991 nicht vorgetragen, sondern sich vielmehr einem detaillierten Vortrag widersetzt. Die Eingabe wurde auch nicht verlesen.

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung das ihm angelastete Verhalten, das das Gericht zur Ausübung der Sitzungspolizei berechtigt hätte, nicht an den Tag gelegt. Eine Ordnungsstrafe nach dem GOG wurde nicht verhängt.

Da die aufgezeigte Gesetzesverletzung dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, ist ein Vorgehen des Obersten Gerichtshofes nach § 292, letzter Satz, StPO geboten, weil dessen sinngemäße Anwendung auf alle sich an irgendeine Verletzung des Gesetzes im Strafverfahren knüpfenden Nachteile für den Beschuldigten, welcher Art auch immer, daher auch auf gesetzwidrig verhängte Ordnungsstrafen zulässig ist (siehe 16 Os 12/89).

Es war daher wie im Spruch zu erkennen und der gesetzwidrige Beschluß aufzuheben.

Anmerkung

E28254

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00142.91.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19920225_OGH0002_0140OS00142_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten