TE OGH 1992/3/3 11Os8/92

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Veröffentlicht am 03.03.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.März 1992 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Friedrich, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kohout als Schriftführer, in der Strafsache gegen Norbert D***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 5.Dezember 1991, GZ 7 Vr 297/91-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die "Berufung wegen Schuld" werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung, soweit sie sich gegen den Strafausspruch richtet, werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11.August 1938 geborene Zollwachebeamte Norbert D***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 28.März 1991 in B***** als Beamter des dortigen Zollamtes mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf Einhebung und Abführung von Einfuhrumsatzsteuer zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er bei der Einfuhr einer Lederjacke durch Sabine D***** 616 S an Einfuhrumsatzsteuer einhob, Sabine D***** jedoch keine Quittung hiefür aushändigte, "den Quittungsbetrag" (gemeint: die zurückbehaltene Quittung) stornierte und es unterließ, den eingehobenen Betrag an die Finanzkasse abzuführen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft seinen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit "Berufung wegen Schuld", überdies den Strafausspruch mit Berufung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider bedeutete die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten (S 161) Anträge auf Vernehmung der Zollwachebeamten Helmut R***** und Franz C***** keine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten. Der damit angestrebte Nachweis dafür, daß die Zeugin Sabine D***** diesen Beamten gegenüber den Nichterhalt einer schriftlichen Quittung für die von ihr bezahlte Einfuhrumsatzsteuer ausdrücklich behauptet habe, während sie in der Hauptverhandlung eine exakte Erinnerung dazu verneinte, konnte bei der hier aktuellen Sachkonstellation im Sinn der erstgerichtlichen Erwägungen ebenso ohne Nachteil für den Angeklagten auf sich beruhen, wie die mit den beantragten Zeugen weiters angestrebte Beweisführung zu der Frage, ob im Bereich des Zollamtes B***** die Abgabe von Fundgegenständen und die Eintragung von Stornovermerken hinsichtlich einzelner Abgabeninkassi regelmäßig wiederkehrende Vorgänge darstellten. Die den bekämpften Schuldspruch tragenden Feststellungen, daß der Angeklagte die von Sabine D***** bei der Verzollung einer nach Österreich eingeführten Lederjacke geleistete Einfuhrumsatzsteuer amtsmißbräuchlich für Eigenzwecke kassierte, die betreffende Quittung stornierte und die Bezahlung des Abgabenbetrages erst nachträglich über Urgenz der Abgabenpflichtigen unter Verwendung eines anderen, Monate zuvor als verlustig gemeldeten amtlichen Quittungsblocks bestätigte, beruhen nämlich auf einer Reihe von Verfahrensergebnissen, deren den Angeklagten belastender Beweiswert von den abgelehnten Beweisaufnahmen und ihrem Resultat jedenfalls unberührt bleiben mußte. Hielt doch das Erstgericht der leugnenden Verantwortung des Angeklagten, den inkriminierten Abgabenbetrag ordnungsgemäß abgeführt und sofort bei der Verzollung nur deshalb unter Heranziehung des als unauffindbar gemeldeten amtlichen Formularblocks quittiert zu haben, weil ihm dieser Block arglistig unterschoben worden sei, beweiswürdigend entgegen, daß der Angeklagte seinen mit der Quittungsreklamation der Zeugin D***** zunächst befaßt gewesenen Amtskollegen gegenüber den später von ihm behaupteten Rückerhalt der in Rede stehenden (gültigen) Quittung durch einen angeblichen Finder ursprünglich unerwähnt ließ; daß der vom Angeklagten zur Erklärung der Verwendung des verschwundenen Quittungsblocks durch ihn ventilierte "Sabotageakt" unabdingbar ein doloses Zusammenwirken der Zeugin D***** jedenfalls mit einem oder mehreren Beamten des Zollamtes B***** vorausgesetzt hätte; daß in den den Tattag betreffenden Unterlagen dieses Zollamtes, dem der in Verlust geratene Quittungsblock zu keiner Zeit vorlag, keine Buchung eines Betrages von 616 S aufschien und daß die Tagesabrechnung weder einen Kassaüberschuß noch einen Fehlbetrag ergab. Davon ausgehend konnte aber das Erstgericht ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Angeklagten die beantragte Beweisführung über angeblich divergierende Angaben der Zeugin D***** zum Nichterhalt einer Quittung als unentscheidend ablehnen (US 11); die Möglichkeit fallweiser Abgabe von Fundgegenständen und Stornierungen einzelner Abgabenzahlungen hinwieder hat es ohnehin nicht in Zweifel gezogen.

Die auf die eben erörterten Ergebnisse des Beweisverfahrens aufbauenden Passagen der Urteilsgründe sind auch der Mängelrüge (Z 5) entgegenzuhalten, soweit sie eine unzureichende bzw. unvollständige Begründung der für den Schuldspruch wesentlichen Tatsachenfeststellungen darin erblickt, daß folgenden Umständen keine bzw. nicht die gebotene Beachtung zuteil geworden wäre, nämlich der inhaltlichen Beständigkeit der von Anfang an konform leugnenden Verantwortung des Angeklagten; ferner der Frage, wie der Angeklagte in den Besitz des als verlustig gemeldeten Quittungsblockes kam; den wiederholten Meldungen von Kassaüberschüssen durch den Angeklagten; der amtsinternen Verantwortung für die Verwahrung und Ausgabe der Quittungsblöcke; den Modalitäten der jeweiligen Übernahme und Abgabe der Quittungsblöcke; und der Intensität des Parteienverkehrs am Vorfallstag sowie früheren dienstlichen Differenzen des Angeklagten mit dem (für die Quittungsblöcke verantwortlich gewesenen) Zeugen Johannes P*****. Das Erstgericht hat sich eingehend mit allen wesentlichen Einzelheiten der leugnenden Verantwortung des Angeklagten - auch dahin, daß die stornierte Quittung einen anderen Verzollungsvorgang betroffen habe - auseinandergesetzt und diese Einlassungen ohne formelle Begründungsmängel (Z 5) als widerlegt angesehen, und zwar mit der dargelegten Begründung, daß sowohl die Primärreaktion des Angeklagten auf das Reklamationsanliegen der Zeugin D***** als auch die (nachträgliche) Quittierung der Abgabenentrichtung unter Verwendung eines einem abhanden gekommenen amtlichen Quittungsblock zuzuordnenden Formulars und das Fehlen eines mit dem in Rede stehenden Betrag korrespondierenden Kassaeingangs allein im Sinn des bekämpften Schuldspruchs in Einklang zu bringen seien, wogegen die vom Angeklagten behauptete (vom Zusammenwirken einer Tätermehrheit abhängige) "Sabotage" jeder inneren Schlüssigkeit entbehre. Die in der Mängelrüge vorgebrachten Einwände beschränken sich im Ergebnis auf den in diesem Zusammenhang verwehrten Versuch, die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung in Frage zu stellen.

Auch was - unter teilweiser Wiederholung zu anderen Nichtigkeitsgründen vorgetragener Argumente - im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) vorgebracht wird, vermag keine (geschweige denn erhebliche) Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) hinwieder geht von urteilsfremden Tatsachenprämissen aus, indem sie auf der Grundlage eines im Sinn der leugnenden Verantwortung des Angeklagten rechtmäßigen Verzollungsvorgangs mangelnde objektive wie auch subjektive Tatbestandsverwirklichung nach § 302 Abs. 1 StGB und in Ergänzung der bisherigen Verfahrenseinlassung des Angeklagten als (im Nichtigkeitsverfahren unbeachtliche) Neuerung geltend macht, daß die bevorstehende Neubesetzung des Leiterpostens des Zollamtes O***** zu einer Konkurrenzsituation zwischen dem Angeklagten und seinem Dienstkollegen Christian H***** geführt hätte, weshalb sich ein plausibles Motiv für die behauptete dolose Belastung des Angeklagten nicht ausschließen ließe. Solcherart wird aber der geltend gemachte materielle Nichtigkeitsgrund, der regelmäßig einen Vergleich der tatrichterlichen Feststellungen mit dem Gesetz erfordert, nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung gebracht.

Die insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO) und teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) ebenso bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen, wie die außerdem erhobene, im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile gesetzlich nicht vorgesehene "Berufung wegen Schuld".

Über die (gegen den Strafausspruch gerichtete) Berufung wird das hiefür zuständige Oberlandesgericht Linz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E28209

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0110OS00008.92.0303.000

Dokumentnummer

JJT_19920303_OGH0002_0110OS00008_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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