TE OGH 1992/3/5 7Ob518/92

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Veröffentlicht am 05.03.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei REPUBLIK ÖSTERREICH, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde WIEN, vertreten durch Dr. Wilfried Lefford, Rechtsanwalt in Wien, wegen

S 1,455.539,40 s.A., infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. Oktober 1991, GZ 17 R 132/91-8, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 5. März 1991, GZ 15 Cg 250/89-4, aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Ein Beamter der beklagten Partei wurde von dieser vom 1. Juli 1977 bis 30. April 1987 zur Dienstleistung bei der klagenden Partei abgeordnet. Mit 1. Mai 1987 wurde er in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis der beklagten Partei aufgenommen; sein Dienstverhältnis zur beklagten Partei endete mit 30. April 1987. Mit Vereinbarung vom 27. Mai 1983 bzw. 11. Juli 1983 hatte sich die klagende Partei verpflichtet, der beklagten Partei zum künftigen von ihr zu tragenden Pensionsaufwand für den Beamten einen Beitrag in Höhe von 60 % derjenigen Bezüge zu leisten, von denen der Beamte einen Pensionsbeitrag gemäß § 6 a der Besoldungsordnung 1967 und gemäß § 2 Abs. 2 des Ruhe- und Versorgungsgenußzulagengesetzes 1966 zu entrichten hatte. Die klagende Partei begehrt die von ihr aufgrund dieser Vereinbarung erbrachten Leistungen von insgesamt S 1,455.539,40 s.A. gestützt auf § 1435 ABGB zurück. Die Leistungen seien von ihr ausschließlich unter der gemeinschaftlich angenommenen Voraussetzung erbracht worden, daß der Beamte nach seiner aktiven Dienstzeit in ein Ruhegenußverhältnis zur beklagten Partei treten werde. Mit der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses zur beklagten Partei sei diese Voraussetzung weggefallen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil und das demselben vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück.

Auszugehen sei davon, daß der Beamte unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur beklagten Partei in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zur klagenden Partei getreten sei. Für derartige Übertritte gelten die besonderen pensionsrechtlichen Bestimmungen des § 311 Abs. 2 ASVG. Danach habe der Dienstgeber aus einem früheren Dienstverhältnis an den Dienstgeber des neuen Dienstverhältnisses einen Überweisungsbetrag zu leisten, wenn der Dienstnehmer in unmittelbarem Anschluß an das Ausscheiden aus einem (ASVG)-pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis in ein anderes pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis trete. Das Begehren auf Rückzahlung der von der klagenden Partei der beklagten Partei geleisteten Zahlungen stelle sich in Wahrheit als teilweise Geltendmachung dieses Überweisungsbetrages dar. Zur Entscheidung über solche Ansprüche seien aber nach § 355 Z 4 ASVG nicht die Gerichte, sondern die Verwaltungsbehörden berufen.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Rekurs der klagenden Partei ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Beizupflichten ist dem Berufungsgericht darin, daß nach § 355 Z 4 ASVG Angelegenheiten der Überweisung in der Pensionsversicherung bei der Aufnahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis oder beim Ausscheiden aus einem solchen zu den Verwaltungsangelegenheiten gehören. Nach den Klagsbehauptungen und dem geltend gemachten Rechtsgrund (SZ 60/178) macht die klagende Partei jedoch keinen Überweisungsanspruch im Sinne des § 311 Abs. 2 ASVG geltend. Sie erhebt vielmehr einen auf bereicherungsrechtliche Grundsätze, insbesondere auf § 1435 ABGB gestützten Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Nach nunmehr herrschender Ansicht fällt aber nicht jeder Bereicherungsanspruch unter den Begriff der bürgerlichen Rechtssachen im Sinne des § 1 JN.

Bereicherungsansprüche gehören dann nicht auf den Rechtsweg, wenn das zugrundeliegende Rechtsverhältnis als öffentlich-rechtliches zu qualifizieren ist, weil ein Teil als Träger hoheitlicher Gewalt auftrat (EvBl. 1989/158 mwN; Rummel in Rummel ABGB Rz 28 vor § 1431). Dies gilt nicht nur im Verhältnis zwischen einem Hoheitsträger und einem Privaten, sondern auch im Verhältnis zwischen Hoheitsträgern als solchen. Auch bei diesen muß zwischen ihren öffentlich-rechtlichen und ihren privatrechtlichen Beziehungen unterschieden werden. Als Hoheitsträger handelt eine Gebietskörperschaft, wenn sie von einer gesetzlichen Befugnis Gebrauch macht, für ihre konkreten Rechtsverhältnisse selbst eine bindende Entscheidung zu treffen oder einen vom Betroffenen zunächst jedenfalls hinzunehmenden Eingriff in seine Rechte vorzunehmen (vgl. Bydlinski in Rummel2 Rz 6 zu § 1).

Nach § 18 a Abs. 1 Z 1 der Dienstordnung der beklagten Partei kann ein Beamter zur Dienstleistung bei einer anderen Gebietskörperschaft abgeordnet werden, wenn dies im Sinne der gebotenen wechselseitigen Hilfeleistung der Gebietskörperschaften gelegen und mit keinem Nachteil für die beklagte Partei verbunden ist. Die Abordnung ist nach § 18 a Abs. 4 Dienstordnung nur zulässig, wenn sich die Stelle, bei der der Beamte Dienst leisten soll, zu bestimmten Beitragsleistungen verpflichtet. Zutreffend weist die Rechtsmittelwerberin darauf hin, daß zwischen dem Akt der Abordnung des Beamten im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses und dem Rechtsverhältnis zwischen den Gebietskörperschaften zu unterscheiden ist. Für letzteres bestimmt § 18 Abs. 4 Dienstordnung lediglich als weitere Voraussetzung der Abordnung, daß sich die andere Gebietskörperschaft zu bestimmten Beitragsleistungen verpflichtet. Die Bestimmung gibt der beklagten Partei keine Handhabe, die Beitragsleistungen durch einseitigen Gestaltungsakt festzusetzen. Hinsichtlich der Beitragsleistungen ist keine Befehl- und Zwangsgewalt der beklagten Partei gegeben. Bei Begründung der Pflicht zur Beitragsleistung treten sich die Gebietskörperschaften als rechtlich gleichgeordnete Partner gegenüber. Die Rechtslage ist hier nicht anders als wie sie auch zwischen Privaten bei der Arbeitsleihe bestehen kann. Für den von der klagenden Partei erhobenen Bereicherungsanspruch ist somit der Rechtsweg zulässig.

Demgemäß ist dem Rekurs Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

Anmerkung

E28556

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00518.92.0305.000

Dokumentnummer

JJT_19920305_OGH0002_0070OB00518_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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