TE Vwgh Erkenntnis 2006/1/26 2003/01/0031

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Veröffentlicht am 26.01.2006
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der MK in W, geboren 1961, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Bergstraße 22, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. November 2002, Zl. 212.967/0-III/12/99, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine aus dem Kosovo stammende Staatsangehörige von Serbien und Montenegro, reiste im Jänner 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl.

Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 16. September 1999 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.) und erklärte gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "in die BR Jugoslawien" für zulässig (Spruchpunkt II.).

Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 7 AsylG ab. Mit Spruchpunkt II. stellte sie gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "in die Bundesrepublik Jugoslawien (außerhalb des Kosovo)" fest.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin ist im Kosovo geboren und aufgewachsen, gehört der bosnischen Volksgruppe an und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Für den Fall einer Rückkehr in den Kosovo befürchtet sie - nach ihren Angaben in der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde - vor allem Nachstellungen seitens der UCK.

Die belangte Behörde ist in ihren Sachverhaltsannahmen betreffend das Schicksal der Beschwerdeführerin und ihrer Familie weitgehend von den Angaben der Beschwerdeführerin ausgegangen. Ihrer rechtlichen Beurteilung liegt - der ständigen hg. Judikatur in Bezug auf Asylwerber aus dem Kosovo folgend - das Konzept zweier Herkunftsstaaten, nämlich einerseits des Kosovo und andererseits der Bundesrepublik Jugoslawien (nunmehr: Serbien und Montenegro) ohne Kosovo, zugrunde. Aus diesem Konzept hat die belangte Behörde abgeleitet, der Asylantrag könne nur erfolgreich sein, wenn der Beschwerdeführerin nicht nur im Kosovo, wo dies nach den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde der Fall wäre, sondern auch in ihrem zweiten Herkunftsstaat "asylrelevante Verfolgung drohte". Die von der Beschwerdeführerin in einem Schriftsatz relevierte Frage der "Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer internen Fluchtalternative in Serbien und Montenegro" stelle sich nicht, weil aus dem Konzept zweier Herkunftsstaaten auch folge, dass die Prüfung einer allfälligen Bedrohung der Beschwerdeführerin in ihrem zweiten Herkunftsstaat "eigenständig und nicht unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme einer inländischen Fluchtalternative zu erfolgen hat, weswegen auch die Kriterien, die ansonsten bei Prüfung einer solchen Inanspruchnahme zu beachten sind, im Berufungsfall nicht zum Tragen kommen".

Dessen ungeachtet, so die abschließende Erwägung der belangten Behörde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, solle "in diesem Zusammenhang aber nicht unerwähnt bleiben, dass vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellung (gemeint: Feststellungen) kein Anhaltspunkt dafür entstand, dass der Berufungswerberin eine Aufenthaltnahme in der BR Jugoslawien außerhalb des Kosovo unzumutbar wäre, hiebei ist insbesondere auf die obigen Ausführungen zur Schaffung einer neuen Lebensgrundlage zu verweisen."

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, in einem Fall wie dem vorliegenden komme es für die Verweisung des Asylwerbers auf seinen "zweiten Herkunftsstaat" nicht auf das Ergebnis einer Zumutbarkeitsprüfung nach den Kriterien für die Annahme einer "internen" Ausweichmöglichkeit an, trifft nach dem hg. Erkenntnis vom 9. November 2004, Zl. 2003/01/0534, nicht zu. Im Einzelnen kann dazu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses (insbesondere deren Abschnitt 4.3.4.) verwiesen werden.

Davon ausgehend könnte der angefochtene Bescheid nur Bestand haben, wenn die belangte Behörde die in ihrer abschließenden Bemerkung zum Ausdruck gebrachte Meinung, es gebe keinen Anhaltspunkt für die Unzumutbarkeit einer Aufenthaltnahme im "zweiten Herkunftsstaat" der Beschwerdeführerin, in konkreter Auseinandersetzung mit deren Vorbringen als Eventualbegründung des angefochtenen Bescheides ausformuliert hätte. Die belangte Behörde hat davon abgesehen und nur "insbesondere" auf die zuvor von ihr dargelegten Gründe verwiesen, aus denen sie der Ansicht sei, der Beschwerdeführerin würde "nicht jegliche Lebensgrundlage fehlen". Hiezu hatte die belangte Behörde aber nur angemerkt, Familienangehörige des Ehegatten der Beschwerdeführerin und dieser selbst hätten bei seiner Familie in Montenegro (nach den Angaben der Beschwerdeführerin: zunächst) Zuflucht gefunden und die Beschwerdeführerin scheine der belangten Behörde "gebildet, umsichtig und vor allem durchsetzungsstark und wendig zu sein, weswegen nicht der geringste Zweifel daran entstand, dass sie im Stande ist, im Heimatland in kürzester Zeit (ungeachtet ihrer drei noch minderjähriger Kinder, die - wie die Erwerbstätigkeit der Berufungswerberin in Österreich belegt - aufgrund ihres Alters keinen so hohen Betreuungsaufwand mehr erfordern, dass eine Berufstätigkeit ausgeschlossen wäre) eine neue Existenzgrundlage aufzubauen".

Diese Ausführungen greifen als Eventualbegründung im Sinne einer Prüfung und Bejahung der zuvor für irrelevant erklärten Voraussetzungen einer inländischen Fluchtalternative (im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 9. November 2004) jedenfalls insofern zu kurz, als auf die Argumente in dem anwaltlichen Schriftsatz vom 17. September 2002, mit dem die Beschwerdeführerin das Vorliegen dieser Voraussetzungen bestritten hatte, und auf den dazu vorgelegten OCHA-Bericht vom 26. April 2002 über die Situation intern Vertriebener in Serbien und Montenegro nicht eingegangen wurde, worauf die Beschwerde mit Recht verweist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 26. Jänner 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003010031.X00

Im RIS seit

19.02.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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