TE Vwgh Erkenntnis 2006/1/26 2005/01/0581

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Veröffentlicht am 26.01.2006
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Index

41/01 Sicherheitsrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

SMG 1997 §27;
SPG 1991 §65 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des M B in S, vertreten durch Mag. Christian Breit, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Parkgasse 11, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 12. Juli 2005, Zl. Sich01-171-2005, betreffend Verpflichtung zur erkennungsdienstlichen Behandlung und Ladung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer "zur Mitwirkung an der erkennungsdienstlichen Behandlung verpflichtet" (Spruchpunkt I.) und aufgefordert, zu einer näher angeführten Zeit bei der Polizeiinspektion Obernberg a.I. zur Durchführung seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zu erscheinen (Spruchpunkt II.).

Die belangte Behörde führte als Rechtsgrundlage § 77 Abs. 2 in Verbindung mit § 65 Abs. 1 und 4 SPG (zu I.) sowie § 19 AVG (zu II.) an und begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass gegen den Beschwerdeführer am 9. April 2005 Strafanzeige wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 27 Suchtmittelgesetz erstattet worden sei. Demnach sei er verdächtig, seit Anfang des Jahres 2003 fast täglich Cannabiskraut (Marihuana) in Form "einer Joint" konsumiert zu haben und u.a. Ende Februar oder Anfang März 2005 in einem Arbeitsraum im ersten Stock seines Wohnhauses mindestens 54 Hanfpflanzen (verteilt auf 15 Blumentöpfe zu je 1,5 Liter) angepflanzt zu haben, "um diese später im Freien anzusetzen bzw. das geerntete Cannabiskraut später zu konsumieren." Auf Grund dieses Sachverhaltes könne beim Beschwerdeführer nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden, dass er weiterhin gefährliche Angriffe begehen werde. Jedenfalls scheine bei ihm die erkennungsdienstliche Behandlung zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 SPG sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde, oder dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint. Zu diesem Zweck hat die Behörde eine konkrete fallbezogene Prognose zu treffen, bei der sie sich mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit der Art des dadurch verwirklichten Deliktes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen hat (vgl. dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2002/01/0592, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird; weiters - ebenfalls einen Fall des § 27 SMG betreffend - aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2004, Zl. 2003/01/0250).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nur aufgrund der (unstrittigen) Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Verdacht steht, Cannabiskraut erworben, konsumiert und angepflanzt zu haben, darauf geschlossen, dass die erkennungsdienstliche Behandlung zur Vorbeugung gegen weitere gefährliche Angriffe erforderlich ist. Diese Prognose lässt sich jedoch allein aus der Art jener strafbaren Handlungen, hinsichtlich derer der Beschwerdeführer verdächtig ist, nicht ohne Weiteres ableiten, erfolgte doch auch die Anpflanzung des Cannabiskrautes - den Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge - bloß zu dem Zweck, "das geerntete Cannabiskraut später zu konsumieren". Die in der Gegenschrift der belangten Behörde erstmals aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe einen Großteil der erzielbaren Ernte gepflanzt, um sie "im Sinne des § 27 Abs. 1 SMG anderen zu überlassen oder zu verschaffen", findet im angefochtenen Bescheid hingegen keine Deckung. Andere Gründe, die fallbezogen darauf hindeuten würden, dass der Beschwerdeführer trotz des gegen ihn geführten Strafverfahrens in Zukunft "gefährliche Angriffe" begehen könnte zu deren Verhinderung es der erkennungsdienstlichen Behandlung bedürfte, lassen sich dem Bescheid nicht entnehmen. Ausgehend davon erfüllen die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen die oben dargestellten Anforderungen an die gesetzlich gebotene Prognose nicht.

Da die belangte Behörde dies nicht erkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 26. Jänner 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005010581.X00

Im RIS seit

22.02.2006

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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