TE OGH 1992/5/14 6Ob531/91 (6Ob552/92)

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Veröffentlicht am 14.05.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sieglinde D*****, vertreten durch Dr. Hans Estermann und Dr. Thomas Wagner, Rechtsanwälte in Mattighofen, wider die beklagte Partei Luise B*****, vertreten durch Dr. Gerhard Stranzinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000), infolge Revision und Rekurses der klagenden Partei gegen das Urteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 6.Dezember 1990, GZ 5 R 90/90-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 2.Mai 1990, GZ 1 Cg 195/89-27, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Teilurteil wird aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

2.

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

3.

Die Kosten des Revisions- und des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellungen

1. daß ihr die Beklagte sämtliche Schäden zu ersetzen habe, welche ihr dadurch entstehen, daß die Beklagte bei Abschluß des Kaufvertrages über die Liegenschaft EZ 1663 KG B***** den Umstand verschwiegen hat, daß es sich bei dem auf dieser Liegenschaft befindlichen Gebäude nicht um ein Wohnhaus, sondern nur um einen Verkaufskiosk handelt, und

2. daß ihr die Beklagte bezüglich der fehlenden Widmung des Hauses "A*****" als Wohnhaus und der fehlenden Genehmigung der in diesem Haus vorgenommenen Umbauarbeiten zum Ausbau einer Wohnung Gewähr zu leisten habe.

Sie brachte dazu vor, die Beklagte habe ihr die Liegenschaft als Kleinwohnhaus verkauft und bei den Verkaufsverhandlungen und beim Abschluß arglistig verschwiegen, daß das Haus nicht für Wohnzwecke benützt werden dürfe, da hiefür nur eine Bewilligung als Verkaufskiosk vorliege. Die Widmung als Wohnhaus sei Vertragsvoraussetzung gewesen, weil die Klägerin beabsichtigt habe, das Haus zu vermieten. Mit Schreiben des Stadtbauamtes Braunau vom 23.3.1988 sei ihr mitgeteilt worden, daß für das Gebäude keine Bewilligung zur Benützung als Wohnhaus vorliege. Bei einer unmittelbar darauffolgenden Besprechung sei ihr untersagt worden, das Haus weiterhin zu Wohnzwecken zu nutzen. Der damalige Mieter, der einen monatlichen Mietzins von S 2.800 bezahlt habe, habe daher ausziehen müssen. Seit Juni 1988 stehe das Haus leer und habe nicht mehr vermietet werden können. Schon im Frühjahr 1988 habe die Klägerin versucht, das Haus zu verkaufen und im Vertrauen, daß dies problemlos möglich sein werde, einen Kredit von S 613.590 für Umbauarbeiten an einem ihr gehörigen Gasthaus aufgenommen. Durch den Verkauf um den zu erwartenden Kaufpreis von S 500.000 wäre eine vorzeitige Rückführung des Kredites möglich gewesen. Nach Aufklärung über die fehlende Widmung als Wohnhaus und dem dadurch bedingten Scheitern des Verkaufes sei ein erheblicher Mehraufwand an Kreditzinsen entstanden.

Das Fehlen der Baubewilligung sei der Beklagten seit 1982 bekannt gewesen. Durch Verschweigen dieses Umstandes entstünden der Klägerin erhebliche Schäden. Diese bestünden zunächst in einem Mietausfall seit Juni 1988, in der Zinsenbelastung aufgrund des aufgenommenen Kredites, in den Kosten des derzeit noch anhängigen Umwidmungsverfahrens beim Stadtbauamt Braunau sowie im entgangenen Gewinn beim Verkauf des Objektes. Eine ziffernmäßige Bestimmung des Schadens sei derzeit noch nicht möglich, da mit einer Umwidmung zu rechnen sei, wodurch sich der Schaden entsprechend vermindere.

Die Beklagte habe für vorhandene Rechtsmängel Gewähr zu leisten. Da noch nicht feststehe, ob eine Umwidmung und Genehmigung der durchgeführten Umbauarbeiten erfolgen werde, sei noch nicht klar, ob ein unbehebbarer oder behebbarer Mangel vorliege. Daher könne auch noch nicht entschieden werden, ob Wandlung oder Preisminderung geltend gemacht werden solle. Im Hinblick auf eine drohende Verjährung sei das Feststellungsinteresse gegeben.

Das Klagebegehren werde auf Gewährleistung und Schadenersatz gestützt. Im übrigen werde der Kaufvertrag wegen Irrtums bzw Irreführung durch die Beklagte angefochten.

Die Beklagte wandte ein, im Kaufvertrag sei mit Ausnahme der Geldlastfreiheit ein Gewährleistungsausschluß vereinbart worden. Sie habe keine Kenntnis von der fehlenden Widmung zu Wohnzwecken gehabt, da ihr Vater die Liegenschaft bereits im Jahr 1976 gekauft und bis zu seinem Ableben unbeanstandet bewohnt habe. Eine Umwidmung sei jederzeit möglich. Die Klägerin habe die entsprechenden Ansuchen nicht eingereicht. Die Feststellungsbegehren seien nicht zulässig; im übrigen werde Verjährung, Verschweigung und Verzicht eingewendet.

Das Erstgericht erkannte unter Zugrundelegung folgender Feststellungen im Sinne der beiden Klagebegehren:

Im Jahr 1958 wurde Ernst Z***** von der Stadtgemeinde B***** die Benützung eines auf der Bauparzelle 242/1 KG B***** fertiggestellten Kiosk bewilligt. Diesen Kiosk kauften die Eltern der Beklagten im Jahr 1976 in der Absicht, ihn in ein KLeinwohnhaus umzuwandeln. Der Vater der Beklagten sprach am 11.11.1976 beim Stadtbauamt B***** vor, wobei er darauf hingewiesen wurde, es müsse zunächst formell eine Bauplatzgenehmigung vorliegen, welche aber wegen des geringen Grundausmaßes von 82 m2 nicht ohne weiteres erteilt werden könne. Der Vater der Beklagten und der Voreigentümer intervenierten im Jahr 1976 wiederholt erfolglos bei der Gemeinde B*****. Ab 1976 unternahmen sie keine weiteren Versuche, für eine Umwidmung im weitesten Sinn zu sorgen. Es erfolgte aber insoweit eine Umgestaltung, als der Kiosk im Bereich der Verkaufsstelle zugemauert bzw durch ein Fenster abgeschlossen wurde. Der Kiosk bestand dann aus Bad, WC, Küche und Wohn-Schlafzimmer.

Nach dem Tod des Vaters der Beklagten im Jahre 1979 wurde diese als Alleineigentümerin der Liegenschaft im Grundbuch eingetragen. Sie zog nach B*****, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Im Februar 1982 erfuhr ein Vertreter der Stadtgemeinde B*****, daß der Verkaufskiosk für Wohnzwecke benützt werde, der Vater der Beklagten wurde daher mit Schreiben vom 12.2.1982 aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen. Die Beklagte rief daraufhin an und teilte mit, daß ihr Vater bereits verstorben sei und das Haus seit sechs Jahren bewohnt werde. Es wurde ihr vom Stadtamtsdirektor die Sach- und Rechtslage auseinandergesetzt und mitgeteilt, daß für das Wohnobjekt strenge Bauvorschriften gelten. Bei einem Verkauf müsse die Beklagte den Käufer darauf hinweisen, daß für das Gebäude nur eine Baubewilligung für einen Verkaufskiosk vorliege. Die Beklagte wurde in dem Telefongespräch auch auf die allenfalls bestehende Möglichkeit hingewiesen, eine Umwidmung vorzunehmen, ein Vorschlag, den sich die Beklagte noch überlegen wollte. Im April 1982 übersiedelte die Beklagte nach Altenmarkt und entschied sich in weiterer Folge zu einem Verkauf des Hauses. Mit der Vermittlung beauftragte sie einen Makler.

Mit Kaufvertrag vom 22.9.1982 kaufte die Klägerin um S 350.000 die Liegenschaft EZ 1663 KG B***** samt Inventar, bestehend aus dem Gartengrundstück 242/68 im Katasterausmaß von 84 m2 samt dem darauf bestehenden Kleinwohnhaus, wobei die Bezeichnung "Kleinwohnhaus" vom vertragserrichtenden Notar stammte, der das Haus vorher gesehen hatte. Bei der Vertragserrichtung ging auch die Klägerin davon aus, daß ein Wohnhaus vorliege, zumal auch die Inneneinrichtung dafür sprach und sie das Haus vorher nie in einer anderen Form gesehen hatte. Bei der Vertragsunterfertigung unterrichtete die Beklagte die Klägerin nicht vom Fehlen einer Benützungsbewilligung und anderer Umwidmungserfordernisse. Im Punkt 3. des Kaufvertrages ist die für solche Vereinbarungen übliche Klausel enthalten, daß die Verkäuferin für keinerlei bestimmte Beschaffenheit des Vertragsobjektes hafte.

Die Klägerin hatte das Kleinwohnhaus zunächst für ihre Tochter gekauft. Weil diese es nicht benötigte, vermietete sie es und entschloß sich 1988 zum Verkauf. Einer der Interessenten erkundigte sich beim Stadtbauamt um Einzelheiten des Gebäudes. Dabei erfuhr er, daß das Haus nicht für Wohnzwecke benützt werden dürfe. Dies teilte er der Klägerin mit, die in der Folge auch ein Schreiben des Bauamtes vom 23.3.1988 mit der Aufforderung erhielt, Stellung zu nehmen. Im April 1988 wurde sie über alle anstehenden baurechtlichen Probleme belehrt. Aufgrund dieser Auskunft beantragte die Klägerin die Umwidmung des Kiosk "Auf der Schanz" in ein Wohnhaus, wobei der Bau- und Planungsausschuß der Gemeinde einer Umwidmung grundsätzlich nicht zustimmen wollte. Als die Beklagte Anfang 1989 von diesen Schwierigkeiten erfuhr, wandte sie sich ihrerseits an den Bürgermeister der Stadt Braunau, um die Umwidmung in ein Wohnhaus zu erreichen. Mit Schreiben vom 12.4.1989 teilte dieser mit, daß ein Sachverständiger des Bezirksbauamtes Ried die gewünschte Umwidmung als möglich eingestuft habe. Aufgrund dieser Mitteilung legte die Klägerin einen den Vorstellungen des Bezirksbauamtes entsprechenden Plan vor. Ein Versuch der Stadtgemeinde, für eine Umwidmung auch das Einvernehmen mit den Nachbarn herzustellen, scheiterte an deren Widerstand. Wegen dieser Schwierigkeiten wurde ein Gutachten über die Ortsbildgestaltung und ein Gutachten der Bauabteilung der Landesregierung eingefordert. Das Umwidmungsverfahren war bis zum Schluß des Rechtsstreites in erster Instanz noch nicht abgeschlossen.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Gewährleistungspflicht der Beklagten, weil der Ausgang des Bauverfahrens und deshalb auch ein allfälliges Wandlungsbegehren ungewiß seien. Die Klage sei auch rechtzeitig, weil die Gewährleistungsfrist bei Fehlen zugesicherter Eigenschaften erst zu laufen beginne, wenn der Mangel mit Sicherheit erkennbar sei. Die Gewährleistungsausschließungsklausel im Kaufvertrag sei im Zweifel restriktiv auszulegen und im übrigen hinsichtlich geheimer Mängel sittenwidrig.

Da die Beklagte um das Fehlen einer baurechtlichen Voraussetzung einer Umwidmung des Kiosk in ein Wohnhaus gewußt und dies verschwiegen habe, müsse sie für alle Mangelfolgeschäden haften, sei es für entgangenen Gewinn, Zinsen, Spesen, Mieteinnahmen oder jeden anderen Nachteil, den die Klägerin in Unkenntnis des Mangels erlitten habe. Auch das Feststellungsbegehren aus dem Titel des Schadenersatzes sei daher berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil hinsichtlich der Feststellung der Haftung der Beklagten für Schäden (Punkt 1.) als Teilurteil im Sinne einer Abweisung des Begehrens ab. Im übrigen Umfang, also hinsichtlich der Feststellung der Gewährleistungspflicht der Beklagten (Punkt 2.), hob es das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes jeweils S 50.000 übersteige, die ordentliche Revision gegen den abweisenden Teil seiner Entscheidung nicht zulässig, gegen den aufhebenden Teil jedoch der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Auf die Beweisrüge (Kenntnis der Beklagten vom Mangel) sei aus rechtlichen Gründen nicht einzugehen: Die Klägerin gründe ihr Begehren auf Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten schon nach seinem Wortlaut nur darauf, daß dieser ihr beim Abschluß des Kaufvertrages den Umstand verschwiegen habe, es handle sich bei dem Gebäude nicht um ein Wohnhaus, sondern um einen Verkaufskiosk. Damit begehre die Klägerin nicht die Feststellung der Haftung der Beklagten für Mangelfolgeschäden; es gehe auch nicht um die Frage der Anspruchskonkurrenz von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen auf das Erfüllungsinteresse auch beim Kauf, sondern vielmehr nur um Schadenersatzansprüche im Sinne des § 874 ABGB. Danach sei aber immer das negative Vertragsinteresse (Vertrauensschaden) zu ersetzen, also jener Schaden, der nicht eingetreten wäre, wenn die Irreführung unterblieben wäre. Dieser bestehe auch, wenn der Vertrag nicht angefochten werde; die Anfechtung beeinflusse bloß die Berechnung. Ohne Anfechtung könne nicht der entgangene Gewinn aus einem möglichen Ersatzgeschäft begehrt werden. Der Nachteil, den der Betrogene dadurch erleide, daß die Wirklichkeit seinen eigenen Vorstellungen nicht entspreche, sei durch den Vertrag nicht veranlaßt, da der Mangel der Eigenschaft nicht durch Vorspiegelung ihres Vorhandenseins verursacht sei. Gerade solche Schäden aber behaupte die Klägerin. Diese Belastungen hätte die Klägerin auch zu tragen, wenn sie in Kenntnis des verschwiegenen Umstandes den Vertrag dennoch geschlossen hätte und nicht zu tragen, wenn sie den Vertrag nicht geschlossen hätte. Da die Klägerin derzeit ganz offenbar am Vertrag festhalte und nicht dargetan habe, daß in Hinkunft ein Schaden möglich sei, der nicht eingetreten wäre, wenn es nicht zum Vertragsabschluß gekommen wäre, sei ein rechtliches Interesse an der Haftung der Beklagten zu verneinen. Da die Entscheidung der zum Umfang der Ersatzpflicht nach § 874 ABGB erflossenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht widerstreite, sei die ordentliche Revision nicht zulässig.

Eine Entscheidung über das Feststellungsbegehren auf Gewährleistung sei wegen Nichterörterung erheblicher Tatsachen in erster Instanz noch nicht möglich: Die Gewährleistungsfrist für Rechtsmängel beginne erst mit deren Erkennbarkeit zu laufen. Anhaltspunkte dafür, daß der Klägerin die behaupteten Rechtsmängel früher als drei Jahre vor Klagseinbringung erkennbar gewesen wären, seien nicht gegeben. Die Frist habe daher erst mit Erhalt des Schreibens des Stadtbauamtes Braunau vom 23.3.1988 zu laufen begonnen. Die geltend gemachten Rechtsmängel würden auch nicht von dem im Punkt 3. des Kaufvertrages formulierten Gewährleistungsverzicht umfaßt. Auch gegen die Wahrung der Gewährleistungsansprüche durch Feststellungsklage bestünden im vorliegenden Fall keine Bedenken. Voraussetzung für die Berechtigung des Begehrens sei aber, daß der von der Klägerin behauptete Rechtsmangel tatsächlich vorliege. Ein Gewährleistungsanspruch sei nur zu bejahen, wenn die Durchführung der Umbauarbeiten an dem Verkaufskiosk (Zumauern bzw Verschließen durch ein Fenster im Bereich der Verkaufsstelle) einer baubehördlichen Genehmigung bedurft hätte. Vor dem Inkrafttreten der Bauordnung für Oberösterreich am 1.1.1977 sei nach den bis dahin geltenden Bestimmungen zur Durchführung von Neu-, Zu- und Umbauten und zur Vornahme von wesentlichen Ausbesserungen und Umänderungen an bestehenden Gebäuden die Bewilligung der zuständigen Behörde erforderlich gewesen. Ausbesserungen und Abänderungen geringerer Art seien vor Beginn derselben ohne Einholung der Baubewilligung bloß dem Gemeindevorsteher anzuzeigen gewesen, der erforderlichenfalls die Ausführung der Ausbesserungen und Abänderungen von der Vorlage und Genehmigung des Planes abhängig habe machen können. Eine eigene Bestimmung für Widmungsänderungen, wie sie nunmehr in der seit 1.1.1977 geltenden Bauordnung in § 62 geregelt sei, habe nicht bestanden. Widmungsänderungen seien nur dann bewilligungspflichtig gewesen, wenn sie von Einfluß auf die von den Baubehörden zu wahrenden öffentlichen Interessen gewesen seien, weil die Bauordnung an die neue Widmung strengere Anforderungen gestellt habe als an die bisherige.

Weder nach den Behauptungen der Klägerin noch aufgrund der getroffenen Feststellungen könne gesagt werden, ob die vorgenommenen Widmungsänderungen und die damit verbundenen Umgestaltungsarbeiten überhaupt einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hätten. Ein Auftrag im Sinne des § 62 der oö Bauordnung an die Klägerin in Bescheidform liege auch nicht vor. Es seien daher Feststellungen über den Zeitpunkt der Umwidmung und der damit verbundenen baulichen Maßnahmen und deren Übereinstimmung mit den baurechtlichen Vorschriften zu treffen, die eine Beurteilung zuließen, ob sie bewilligungsbedürftig seien.

Da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Beginnes der Gewährleistungsfrist für einen Rechtsmangel, wie er hier geltend gemacht sei, nicht auffindbar gewesen sei, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist berechtigt.

Mit der Entscheidung des verstärkten Senates vom 7.3.1990 (JBl 1990, 648 = RdW 1990, 153 = ecolex 1990, 279) hat der Oberste Gerichtshof die volle Anspruchskonkurrenz von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen auf das Erfüllungsinteresse beim Werkvertrag bejaht und dabei auch ausdrücklich auf den Schadenersatzanspruch des § 932 ABGB verwiesen, weil diese Bestimmung vom gültigen Zustandekommen des Vertrages ausgehe und auch Rücktritt und Wandlung nur gesetzlich eingeräumte Rechte aus der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung des gültig zustandegekommenen Vertrages seien. Der Schuldner müsse so erfüllen, wie er bedungen, also vertraglich vereinbart habe. Diese grundsätzliche Anspruchskonkurrenz von Gewährleistungs- und Schadenersatansprüchen auf das Erfüllungsinteresse wurde vom Obersten Gerichtshof auch für das Kaufvertragsrecht geteilt und ausgesprochen, daß bei nachträglich zu vertretenden Mängeln des Kaufgegenstandes der Käufer neben den Gewährleistungsansprüchen - Verschulden des Verkäufers vorausgesetzt - das Erfüllungsinteresse verlangen könne, wenn und soweit er damit nicht bereichert sei (ecolex 1990, 474). Dies bedeutet nicht, daß jedenfalls beide Rechtsfolgen zu kumulieren sind, sondern daß über die Anwendbarkeit deren eigene Tatbestände entscheidend sind. Ist bei einem Spezieskauf die Lieferung mit der zugesagten oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaft, also die vertragsgemäße Erfüllung, von vornherein gar nicht möglich, dann kann, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, das Interesse an der Erfüllung schadenersatzrechtlich nicht honoriert werden, weil der Verkäufer das Ausbleiben der Erfüllung nicht verursacht hat; verursacht hat er lediglich das Vertrauen des Käufers, das dieser in die Erfüllung gesetzt hat, so daß nur der Vertrauensschaden zu ersetzen ist. Ist aber eine Erfüllung des Kaufvertrages durch Behebung des Mangels möglich, so kann dem Käufer das Erfüllungsinteresse zu vergüten sein (vgl hiezu auch Wilhelm, Schadenersatz statt Gewährleistung auch beim Kauf, ecolex 1990, 461). Dies bedeutet, daß das Feststellungsinteresse an einer Schadenersatzhaftung der beklagten Partei im vorliegenden Fall nicht schlechthin verneint werden kann. Nach dem Vorbringen der klagenden Partei und dem gestellten Begehren kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch ausschließlich auf § 874 ABGB und nicht auch auf § 932 ABGB gestützt hat. Sollte sich herausstellen, daß eine Beseitigung des Rechtsmangels nicht möglich ist, kommt als Gewährleistungsfolge Wandelung, als Schadenersatzfolge nur das negative Vertragsinteresse in Betracht, ist aber der Mangel zu beseitigen, fällt damit ein Wandelungsanspruch weg; als Schadenersatz kann aber das Erfüllungsinteresse - so beispielsweise die von der klagenden Partei behaupteten Kosten der Mängelbehebung im Baubewilligungsverfahren - zum Tragen kommen. Ist eine baubehördliche Bewilligung überhaupt entbehrlich, bleibt weder Raum für Gewährleistungs- noch für Schadenersatzforderungen.

Eine Abweisung des Feststellungsbegehrens für Schadenersatzfordrungen der klagenden Partei könnte im derzeitigen Stadium daher nur dann erfolgen, wenn die Beklagte kein Verschulden trifft, sie also einen allfälligen Rechtsmangel weder kannte noch kennen mußte. Da die Beklagte die darauf bezughabenden Feststellungen des Erstgerichtes in ihrer Berufung bekämpft, das Berufungsgericht die Beweisrüge aufgrund seiner unrichtigen Rechtsansicht aber nicht erledigt hat, wird dies nachzuholen sein.

2. Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß ist nicht berechtigt:

Unbekämpft ist, daß Gewährleistungsansprüche im Sinne des § 933 ABGB auch durch Feststellungsklage gewahrt werden können (EvBl 1982/32 mwN). Nach § 933 ist das Recht auf Gewährleistung, wenn es unbewegliche Sachen betrifft, binnen drei Jahren geltend zu machen. Die Frist beginnt von dem Tage der Ablieferung der Sache, für die Gewährleistung wegen eines von einem Dritten auf die Sache erhobenen Anspruches aber von dem Tage, an welchem dieser dem Erwerber bekannt wurde. Der Gesetzgeber hat den Beginn des Fristenlaufes für Rechtsmängel anders als bei Sachmängeln bewußt abweichend dahin geregelt, daß für den Beginn des Laufes der Frist der Zeitpunkt der Erkennbarkeit des Mangels maßgeblich ist (vgl zu der unterschiedlichen Regelung ecolex 1991, 84). Entscheidend ist nicht die ernstliche Geltendmachung, sondern ob eine ernsthafte Prüfung den Fehler erkennen läßt. Es müssen Umstände vorliegen, nach denen mit der Möglichkeit der Durchsetzung des erhobenen Anspruches zu rechnen ist (Gschnitzer in Klang2 IV 1, 553). Unter Rechtsmängel fallen aber nicht nur privatrechtliche, sondern auch öffentlich-rechtliche Fehler, so auch ein Fehlen baubehördlicher Bewilligungen (JBl 1987, 383; JBl 1988, 787). Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Klägerin nach den ihr erteilten Auskünften, dem äußeren Erscheinungsbild und der durch Jahre ausgeübten tatsächlichen Benützung des Kaufobjektes keine besondere Erkundigungs- und Nachforschungspflicht traf, ob die erforderlichen baubehördlichen Bewilligungen erteilt seien. Deren Vorliegen durfte sie nach der Übung des redlichen Verkehrs hier voraussetzen. Ein Mangel wurde erst mit dem Schreiben der Baubehörde vom 23.3.1988 ernsthaft behauptet. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Fristenlauf für Gewährleistungsansprüche in Gang gesetzt, weil die Klägerin nunmehr mit der bescheidmäßigen Durchsetzung durch behördlichen Auftrag rechnen mußte. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß ein rechtskräftiger Bescheid, mit welchem im Sinne des § 62 der oberösterreichischen Bauordnung eine Benützung des Wohnhauses wegen mangelnder baurechtlicher Bewilligungen untersagt wurde, (noch) nicht vorliegt und daher zunächst zu prüfen ist, ob nach den Bauordnungsbestimmungen (vor oder nach dem 1.1.1977) ein Rechtsmangel überhaupt gegeben ist. Das Verfahren ist daher im Sinne der vom Berufungsgericht erteilten Aufträge noch ergänzungsbedürftig. Dem Rekurs war daher insgesamt keine Folge zu geben.

Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E29327

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00531.91.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19920514_OGH0002_0060OB00531_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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