TE OGH 1992/5/21 8Ob609/91

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Veröffentlicht am 21.05.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein K*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Paumgartner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Land S*****, ***** vertreten durch Dr.Günther Hofinger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert S 50.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 27.Mai 1991, GZ 21 R 147/91-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 1.Februar 1991, GZ 14 C 2141/90a-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.623,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei hat mit schriftlichem Vertrag vom 1.Februar 1985 der klagenden Partei den "P*****hof" in S*****, bestehend aus Gebäuden und den diesen Hof umgebenden, zur Erreichung des im einzelnen genannten Vertragszweckes notwendigen Flächen überlassen. Das Vertragsverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit eingegangen und beiden Vertragsteilen wurde das Recht eingeräumt, es unter Einhaltung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist jeweils zum Jahresende aufzukündigen. Die beklagte Partei hat dieses Vertragsverhältnis fristgerecht per 31.Dezember 1990 aufgekündigt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei die Feststellung, daß a) sie Mieterin des P*****hofes und b) die Vertragskündigung rechtsunwirksam sei. Zur Begründung führt sie aus, ein Mietverhältnis liege deshalb vor, weil die klagende Partei als Preis gemäß § 1090 ABGB nicht nur die Geldleistung von S 1 pro Jahr, sondern auch Naturalleistungen zu erbringen habe, nämlich die teilweise Übernahme des kulturellen Auftrages der beklagten Partei (in Form der Führung eines Kulturzentrums und der Durchführung von kulturellen Veranstaltungen) sowie die Mitwirkung bei Umbauarbeiten in der Form, daß die klagende Partei Arbeitsleistungen einem Baukomitee zur Verfügung zu stellen habe. Auf Grund ihrer sich aus Punkt II. des schriftlichen Vertrages ergebenden Verpflichtung habe die klagende Partei auch laufend die von der beklagten Partei geforderten Tätigkeitsberichte erstattet. Die beklagte Partei habe das Bestehen eines Mietvertrages ausdrücklich anerkannt, ihre Vertragsauflösungserklärung endgültig widerrufen und verbindlich erklärt, das Vertragsverhältnis auch künftig nicht aufzulösen. Nach Durchführung ihrer Parteienvernehmung brachte die klagende Partei noch ergänzend vor, die beklagte Partei habe in den Jahren 1986 und 1987, nachdem man sich auf einen Umbau des "P*****hofes" für die klagende Partei geeinigt und diese auch mit verstärktem Einsatz im Baukomitee mitgewirkt habe, in Abänderung des Punktes IV. 3. des Vertrages auf das Aufkündigungsrecht verzichtet.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, nach dem übereinstimmenden Parteiwillen bei Vertragsabschluß sei nicht ein Bestand-, sondern ein Nutzungsvertrag abgeschlsosen worden. Außer dem Anerkennungsgeld von S 1,-- pro Jahr sei keine weitere Leistung der klagenden Partei vereinbart und erbracht worden, zumal die behaupteten Naturalleistungen betreffend die Führung eines Kulturzentrums und die Durchführung von kulturellen Veranstaltungen, soweit sie überhaupt erbracht worden seien, nicht als Gegenleistung im Sinne eines Vertragsentgeltes zu verstehen seien, sondern nur die Erfüllung des Vereinszweckes der klagenden Partei darstellten, eine Mitwirkung der klagenden Partei in einem Baukomitee aber nur eine Berechtigung und keine Verpflichtung darstelle. Demgemäß sei die vereinbarungsgemäß erfolgte Kündigung wirksam und die klagende Partei habe im Sinne der Angaben ihres Obmannes auch selbst das Vertragsverhältnis per Ende Dezember 1990 als beendet betrachtet. Ein Widerruf der Kündigung sei niemals erfolgt und auch nie erklärt worden, daß das Vertragsverhältnis in Zukunft nicht aufgelöst werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest:

Mit Schreiben vom 13.März 1984 zeigten die Proponenten der nunmehrigen klagenden Partei bei der zuständigen Sicherheitsdirektion die Bildung des Vereines "Verein K*****", also der nunmehrigen klagenden Partei, an. Mit Bescheid vom 18.April 1984 wurde die Vereinsbildung nach dem Inhalt der vorgelegten Statuten gemäß § 7 des Vereinsgesetzes nicht untersagt. In der Folge wurde zwischen den nunmehrigen Streitteilen die nachstehend auszugsweise wiedergegebene, mit 1.Februar 1985 datierte schriftliche Vereinbarung getroffen:

V E R T R A G:

Abgeschlossen ...... zwischen

1) dem Land S***** .......

2) dem Verein K***** ..... wie folgt:

I.

Vertragsobjekt

1.) Das Land S***** ist grundbücherlicher Eigentümer des P*****hofes in S**********. Gegenstand dieses Vertrages ist somit der P*****hof und jene Teile der ihn umgebenden Flächen, die zur Erreichung des Vertragszweckes jedenfalls notwendig sind.

2.) Diese Gesamtflächen samt den darauf errichteten Gebäuden werden im folgenden nur mehr kurz als Vertragsobjekt bezeichnet.

II.

Zweckwidmung

Auf Grund des Regierungsbeschlusses vom 28.Juli 1976 soll das Vertragsobjekt vom Land S***** dauernd als Jugend-, Kultur- und Brauchtumszentrum gewidmet werden. Die Verwaltung und Betriebsführung dieses Kulturzentrums soll nach Maßgabe der folgenden Vereinbarungen durch den "Verein K*****", im folgenden kurz als der Verein bezeichnet, erfolgen.

III.

Vertragsgrundlagen

1.) Das Land S***** erklärt, in Kenntnis der statutenmäßigen Aufgaben des Vereins zu sein. Der Verein verpflichtet sich, jede Änderung seiner Statuten, die diesem Vertragswerk als integrierender Bestandteil beigebunden werden, dem Land S***** unverzüglich anzuzeigen. Grundlagen dieses Vertrages sind daher die von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland S***** mit Bescheid vom 18. April 1984 zur Zahl ***** nicht untersagten Vereinsstatuten. Dem Land S***** steht das Recht zu, diesen Vertrag ohne Einhaltung der im Vertragspunkt IV.3.) vereinbarten Kündigungsfrist aufzulösen, wenn diese Statuten derart verändert werden, daß die Erfüllung des vereinbarten Vereinszweckes durch den Verein nicht mehr gewährleistet erscheint.

2.) Gemeinsame Zielsetzung beider Vertragsteile ist es, im Sinne des Punktes II.3.) a) - d) der Vereinsstatuten das Kulturzentrum zu einem offenen, lebendigen Zentrum der kulturellen und geistigen Auseinandersetzung und einem Veranstaltungszentrum zu machen.

IV.

Rechtsübertragung

1.) Das Land S***** überträgt sohin das Vertragsobjekt dem Verein zur Nutzung in Erfüllung seiner statutenmäßigen Aufgaben. Die Nutzung erfolgt im Sinne der Vergaberichtlinien gemäß Punkt XVIII. d) der Vereinsstatuten.

2.) Das Rechtsverhältnis beginnt mit Unterfertigung dieses Vertrages und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

3.) Es kann von beiden Vertragsteilen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten zum 31.Dezember eines jeden Kalenderjahres aufgekündigt werden.

V.

Vertragsentgelt

Als Entgelt für die Einräumung der vertragsgegenständlichen Rechte leistet der Verein ein jährliches symbolisches Anerkennungsentgelt von S 1,-- (Schilling eins). Das Entgelt wird am 10.Jänner eines jeden Kalenderjahres zur Zahlung fällig.

VI.

Bauliche Veränderungen

..........

VII.

Durchführung der notwendigen Umbauarbeiten

1.) Die Vertragsteile sind sich darüber einig, daß zur Errichtung des geplanten Kulturzentrums im Vertragsobjekt Umbauarbeiten notwendig sind. Die Vertragsteile bilden zu diesem Zweck ein gemeinsames Gremium, das Baukomitee.

2.) Der Umbau erfolgt mit dem wesentlichen Ziel einer ganzjährigen Bespielbarkeit, einer vollständigen Nutzung aller Räumlichkeiten sowie einer hinreichenden Schall- und Wärmeisolation aller Räumlichkeiten im P*****hof.

3.) Dem Baukomitee gehören Vertreter der zuständigen Fachabteilungen des Landes sowie drei Vertreter des Vereines an. Das Baukomitee trifft seine Entscheidungen grundsätzlich einstimmig. Sollte im Baukomitee Einstimmigkeit nicht zustandekommen, dann sind die divergierenden Meinungen kurz schriftlich zusammenzufassen und dem ressortzuständigen Regierungsmitglied zur endgültigen Entscheidung vorzutragen.

VIII.

Finanzierung des Kulturzentrums

....... betriebsähnliche Einrichtung des Landes geführt.

IX.

Rechtsträger

1.) Rechtsträger des Kulturzentrums ist das Land S*****, Rechtsträger

der Veranstaltungstätigkeit im Kulturzentrum ist jedoch der Verein.

2.) Die Organe des Vereines sind nicht Dienstnehmer des Landes

S*****. ..............

X.

Nebenvereinbarungen

Nebenvereinbarungen oder Ergänzungen zu diesem Vertrag bedürfen zu

ihrer Rechtswirksamkeit zwischen den Parteien der hiemit ausdrücklich

vereinbarten Schriftform. Dies gilt auch für eine Vereinbarung, durch

die vom Formerfordernis der Schriftform abgegangen wird.

XI. ..... bis XV. ...........".

Die im vorstehenden Vertrag zitierten Punkte der Vereinsstatuten

lauten:

"........

II.

Zweck des Vereines

1.) Die Tätigkeit des Vereines ist unpolitisch und nicht auf Gewinn gerichtet.

2.) Auf Grund der grundsätzlichen Beschlüsse der S***** Landesregierung soll in S***** ein Jugend-, Kultur- und Brauchtumszentrum eingerichtet werden. Der Verein erklärt sich bereit, im Rahmen seiner statutenmäßigen Aufgaben dieses Vorhaben zu unterstützen sowie Betrieb und Verwaltung dieses Kulturzentrums zu übernehmen. Die näheren Vereinbarungen zwischen dem Verein und dem Land S***** sollen in einem gesonderten Vertragswerk geregelt werden.

3.) Zweck des Vereines ist daher:

a) die Führung dieser Kulturwerkstatt

b) Planung und Organisation des Veranstaltungsablaufes insbesondere die Terminkoordination aller sowie die Durchführung von Veranstaltungen in den dafür vorgesehenen Räumlichkeiten, wobei die Veranstaltertätigkeit in der Kulturwerkstatt nicht an die Mitgliedschaft im Verein gebunden ist;

c) eine animatorische Tätigkeit mit dem Ziel, die Kulturwerkstatt zu einem offenen, lebendigen Zentrum der kulturellen und geistigen Auseinandersetzung zu machen und die Durchführung von eigenen Veranstaltungen.

d) Beschaffung und Verwaltung aller für den Zweck des Vereines erforderlichen Mittel, Materialien, Einrichtungen und Hilfsmittel sowie die Abwicklung aller Rechtsgeschäfte und Erledigungen, die nötig, erforderlich oder dienlich sind, um den Vereinszweck zu erreichen und fortzuführen.

III.

Mittel des Vereines

Die zur Erreichung des Vereinszweckes erforderlichen Mittel werden aufgebracht durch:

1. Beitrittsgebühren und Mitgliedsbeiträge

2. Erträge aus Veranstaltungen

3. Spenden

4. öffentliche Förderungsmittel

5. sonstige Zuwendungen und finanzielle Eingänge

.........

XVIII.

Das Kuratorium

1.) Das Kuratorium hat 7 Mitglieder, die vom Land entsandt werden.

Den Vorsitz führt das für Kultur zuständige Regierungsmitglied.

Mitglieder des Kuratoriums können durch einen schriftlichen

Bevollmächtigten vertreten werden.

2.) Andere Subventionsgeber und maßgebliche finanzielle Förderer,

soweit deren Subventionsleistung mindestens S 100.000,-- jährlich

beträgt, können in das Kuratorium eingeladen werden. ......."

Des weiteren stellte das Erstgericht fest:

Im Jahre 1989 trennte sich die - nicht näher erläuterte - "S*****" von der klagenden Partei und übersiedelte ins "S*****". Hierauf erklärte die beklagte Partei der klagenden Partei, daß sie die gegenständliche Vereinbarung nicht mehr aufrecht erhalte, daß damit die Umbaupläne nicht mehr aktuell seien und daß der Vertrag aufgekündigt werde, zumal nach ihrer Ansicht ohne die "S*****" der P*****hof nicht mehr ausgelastet werden könne. Sie kündigte den Vertrag vom 1.Februar 1985 sodann mit Wirkung vom 31.Dezember 1990 auf und zog diese Aufkündigung in der Folge nicht mehr zurück.

Um dem Vorwurf, sie habe nicht genügend Produktionen gemacht, entgegenzutreten, nahm die klagende (unrichtig: beklagte) Partei eine Auflistung der im Jahre 1990 durchgeführten Veranstaltungen vor. Eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen über den Umfang, die Häufigkeit und die Zeitabstände zwischen den einzelnen, von der klagenden Partei im P*****hof durchzuführenden oder zumindest zu veranlassenden kulturellen Veranstaltungen besteht nicht. Diese Veranstaltungen und Produktionen waren in keiner Weise konkretisiert, für die Jahre vor 1990 wurden auch nie Auflistungen hierüber gemacht. Auf eine Anfrage der Sicherheitsdirektion vom 4.April 1990, ob der Verein (= klagende Partei) irgendwelche Aktivitäten entfalte, langte folgendes Antwortschreiben ein:

"Sicherheitsdirektion

Vereinspolizei

z. H. Herrn H*****

Betrifft: Vereinsaktivitäten 1990

Sehr geehrter Herr H*****!

Wie Ihnen richtig zugetragen wurde, hat die S***** Landesregierung das Abkommen (Benützungsvertrag) per Ende 1989 beendet. Dies bedeutet bei Einhaltung der Kündigungsfrist ein definitives Ende per 31.12.1990. Der Verein besteht in der bisherigen Form für das Jahr 1990 wie gehabt weiter und ist um weiteren Fortbestand nach derzeitigem Stand der Dinge sehr bemüht. Protokolle über die Jahreshauptversammlung gehen Ihnen baldigst zu.

Hochachtungsvoll!

Für den Verein K*****

.........

Obmann Bernhard R*****, zZ W*****

ergeht an: Bundespolizeidirektion,

Kulturamt der S***** Landesregierung".

Ob Bernhard R***** damals tatsächlich Vereinsobmann oder jedenfalls bevollmächtigt war, dieses Schreiben zu verfassen, kann nicht festgestellt werden.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, der von der klagenden Partei zu entrichtende jährliche Anerkennungszins von S 1,-- stelle kein Entgelt im Sinne des § 1090 ABGB dar und ebensowenig könne dies für die von ihr erbrachten sonstigen vertragsmäßigen Leistungen wie die Durchführung kultureller Veranstaltungen usw gelten, da diese letztlich nur die Erfüllung des eigenen Vereinszweckes bedeuteten und hieraus der beklagten Partei kein Vorteil, insbesondere keine Geldleistung, zugekommen sei, vielmehr gemäß Punkt III. 2. der Vereinsstatuten hieraus erzielte Erträge dem Verein zukamen. Liege somit Unentgeltlichkeit vor, dann sei der Abschluß eines den Bestimmungen des MRG unterliegenden Bestandvertrages zu verneinen und die von der beklagten Partei erfolgte Vertragsaufkündigung daher rechtswirksam. Die Behauptung, diese Aufkündigung sei zurückgenommen worden, erscheine durch die Angaben in der eigenen Parteienvernehmung der klagenden Partei widerlegt. Im übrigen stehe eine derartige mündliche Vereinbarung ebenso wie dem behaupteten Kündigungsverzicht das in Punkt X. des Vertrages statuierte Schriftformerfordernis entgegen.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Unter Hinweis auf § 500a ZPO erklärte es, daß die geltend gemachten Anfechtungsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung insgesamt nicht stichhältig erschienen.

Zur Rechtsrüge führte es u.a. aus:

Die rechtliche Einordnung eines Vertrages sei in erster Linie an der Absicht der Parteien, welche Wirkungen sie mit dem Vertrag herbeiführen wollten, zu messen. Demgemäß entscheide der Parteiwille auch darüber, ob die Gegenleistung des Benützungsberechtigten ein Entgelt oder ein bloßer "Anerkennungszins" sein sollte, soferne nicht die Umgehung mieter- oder pächterschutzrechtlicher Vorschriften in Betracht komme. Somit könne es für die Beurteilung eines Vertrages stets nur auf die Verhältnisse bei Vertragsabschluß ankommen, weil nur diese Rückschlüsse auf den Parteiwillen zuließen. Gemäß § 1090 ABGB heiße ein Vertrag Bestandvertrag, durch den jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhalte. Zur Beurteilung der Verhältnisse bei Vertragsabschluß sei daher der bei Abschluß des Gebrauchsvertrages für den überlassenen Vertragsgegenstand angemessene ortsübliche Bestandzins zu ermitteln und den nach den damals herrschenden Verhältnissen zu erwartenden vertraglichen Gegenleistungen gegenüberzustellen. Wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt und auch die klagende Partei selbst eingeräumt habe, bedürfe es keiner weiteren Ausführungen dazu, daß die in Geld vereinbarte Gegenleistung eines jährlichen "symbolischen Anerkennungsentgeltes" (Vertragspunkt V.) von S 1,-- für den in zentraler Stadtlage S***** gelegenen P*****hof wirtschaftlich zu vernachlässigen sei. Auf einen Monat umgerechnet ergebe sich eine Gegenleistung von 8,33 Groschen. Zwar könne das Entgelt im Sinne des § 1090 ABGB auch in der Erbringung von Naturalleistungen oder Arbeitsleistungen bestehen. Eine derartige Natural- oder Arbeitsleistung als Entgelt sei hier aber nicht vereinbart, sodaß eine Berücksichtigung allfällig erbrachter diesbezüglicher Gegenleistungen der klagenden Partei schon deswegen nicht in Frage komme und damit auch der Umfang solcher allenfalls erbrachter Leistungen bedeutungslos erscheine. Abgesehen davon könnten Kulturveranstaltungen der klagenden Partei, deren Anzahl naturgemäß (d.h. mangels einer grundsätzlichen Vereinbarung, daß derartige Leistungen als Entgelt anzurechnen sein sollen) vertraglich nicht festgelegt sei, auch deshalb nicht als Entgelt behandelt werden, weil sie von der Frequenz und vom Aufwand her im Belieben der klagenden Partei stünden. Damit fehle jedoch die Bestimmbarkeit und gerate die für den Bestandvertrag wesentliche synalagmatische Beziehung ins Wanken. Auch Leistungen im Zusammenhang mit der Mitwirkung der klagenden Partei im Baukomitee zur Umgestaltung des P*****hofes seien zum einen nicht als Entgelt vertraglich vereinbart, zum anderen nicht hinreichend konkretisiert bzw. auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abgestellt, auch nicht konkretisierbar gewesen. Somit liege ein Mietverhältnis zwischen den Streitteilen nicht vor. Hinsichtlich behaupteter nachfolgender Vertragsergänzungen gehe das Erstgericht mit Recht davon aus, daß Vertragsabänderungen oder -ergänzungen vereinbarungsgemäß ausdrücklich der Schriftform bedurft hätten. Dies hätte zumindest für eine nachfolgende Vereinbarung gegolten, die Schriftform als Gültigkeitserfordernis wiederum aufzugeben.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt die klagende Partei eine auf die Anfechtungsgründe des § 503 Z 2-4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revisionswerberin führt aus, ihre Statuten bildeten einen integrierenden Bestandteil des zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrages und diese seien daher auch zur Feststellung des Parteiwillens heranzuziehen. Sie habe über den Inhalt des schriftlichen Vertrages hinaus ausdrücklich ausgeführt, daß sie im Bestandobjekt ein Kulturzentrum führen und diverse kulturelle Veranstaltungen durchführen solle, daß sich die beklagte Partei durch die Vermietung der gegenständlichen Räumlichkeiten an die klagende Partei der Erfüllung ihres Kulturauftrages teilweise entledigt habe und daß die klagende Partei auch im Baukomitee mittätig sei. Hinsichtlich der Bewertung der kulturellen Veranstaltungen als Entgelt genüge es, daß eine bestimmbare Gegenleistung vorliege. Es sei hier leicht, den Gegenwert zu ermitteln, da die Auflistung der Leistungen genüge; für diese könne auch ein bestimmter Preis ermittelt werden. Das Entgelt eines Bestandvertrages könne sogar allein in der laufenden Erhaltung und Verwaltung der Bestandsache bestehen, es genüge eine einmalige Leistung, wiederkehrende Leistungen seien nicht erforderlich. Nach Punkt II. des Vertrages obliege der klagenden Partei die Verwaltung und Betriebsführung des Kulturzentrums; damit sei ein Entgelt vereinbart und ein Bestandvertrag zustandegekommen. Auch hinsichtlich der Mitwirkung im Baukomitee liege Bestimmbarkeit des Preises vor, es müßten nur die einzelnen "Mitwirkungen" erfaßt und bewertet werden. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen sei es nicht feststellbar, ob Bernhard R***** bei Verfassung des Schreibens an die Sicherheitsdirektion für die klagende Partei vertretungsbefugt gewesen sei. Die klagende Partei habe auch vorgebracht, es sei zwischen den Streitteilen in den Jahren 1986 und 1987 vereinbart worden, daß der P*****hof für die klagende Partei umgebaut werde. Diese habe dann verstärkt im Baukomitee mitgewirkt und dabei sei vereinbart worden, daß die beklagte Partei in Abänderung des Vertragspunktes IV.3. auf ihr Kündigungsrecht verzichte. Ein solches einverständliches Abgehen auch vom Schriftformerfordernis sei zulässig. Für die behauptete bestimmbare Gegenleistung in Form von Veranstaltungen usw, über die Rechenschaft zu legen gewesen sei, habe die beklagte Partei Beweise angeboten, die nicht zugelassen worden seien. Auf die Rüge der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung sei das Berufungsgericht nicht eingegangen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht gerechtfertigt.

Gemäß den Bestimmungen der §§ 1090, 1092 und 1094 ABGB bildet es ein gesetzliches Erfordernis eines Mietvertrages, daß der hiedurch auf eine "gewisse Zeit" überlassene Gebrauch einer unvertretbaren Sache "gegen einen bestimmten Preis" geschieht; der Vertrag gilt als "vollkommen abgeschlossen und der Gebrauch der Sache ist für gekauft anzusehen", wenn "die vertragschließenden Teile über das Wesentliche des Bestandes, nämlich über die Sache und den Preis, übereingekommen sind".

Im vorliegenden Falle sollte gemäß Punkt II. des zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrages der P*****hof auf der Grundlage eines (Rahmen-)Beschlusses der S***** Landesregierung vom 28.Juli 1976 - siehe hiezu die Landeskompetenzen gemäß Art 15 Abs 3 B-VG - als Jugend-, Kultur- und Brauchtumszentrum dienen und die Verwaltung und Betriebsführung dieses Kulturzentrums durch den nunmehr klagenden Verein erfolgen. Nach dem mit "Finanzierung des Kulturzentrums" überschriebenen Punkt VIII. des Vertrages (siehe dessen vollständige Fassung) wird das Kulturzentrum in budgetrechtlicher Hinsicht als betriebsähnliche Einrichtung des Landes geführt. Punkt IX. verweist darauf, daß Rechtsträger des Kulturzentrums das Land S*****, also die beklagte Partei, Rechtsträger der Veranstaltungstätigkeit aber der nunmehr klagende Verein ist. Zur Erfüllung seiner statutenmäßigen Aufgaben wird diesem Verein gemäß Punkt III. dieses Vertrages die Nutzung des P*****hofes übertragen; für die Einräumung der vertragsgegenständlichen Rechte leistet der Verein ein "jährliches symbolisches Anerkennungsentgelt von S 1,-- ..." (Punkt V.). Die Entscheidungen über erforderliche Umbauarbeiten werden von Vertretern der beiden Streitteile in einem "Baukomitee" getroffen, bei Uneinigkeit obliegt die endgültige Entscheidung dem zuständigen Regierungsmitglied (Punkt VII.).

Im Sinne des Punktes II. der Statuten des klagenden Vereines ist dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn und sein Zweck darauf gerichtet, das nach den "grundsätzlichen Beschlüssen der S***** Landesregierung" bestehende Vorhaben der Errichtung eines Jugend-, Kultur- und Brauchtumszentrums zu unterstützen und den Betrieb und die Verwaltung dieses Kulturzentrums dadurch zu übernehmen, daß Veranstaltungen geplant, organisiert und in dessen Räumlichkeiten durchgeführt und in dieser Richtung auch ständige animatorische Tätigkeiten entwickelt werden. Die Mittel für diese den Vereinszweck bildenden Tätigkeiten werden durch die Erträge der Veranstaltungen, Fondsmittel, Spenden, sonstige Zuwendungen sowie Mitgliedsbeiträge usw aufgebracht (Punkt III.):

Aus diesen Bestimmungen des Vertrages und der Statuten folgt, daß der Verein außer dem ausdrücklich als "symbolisch" vereinbarten jährlichen Anerkennungszins (zum Anerkennungszins vgl. Würth in Rummel ABGB Rz 3 zu § 1090) von S 1,-- für die Benützung des P*****hofes keine Entgeltzahlungen zu leisten und auch keine Kosten zur Erhaltung (vgl. Würth aaO sowie Rz 17 zu §§ 1092 bis 1094) und zum Umbau des P*****hofes zu tragen hat, vielmehr berechtigt ist, den P*****hof als solchen, d.h. seine Räumlichkeiten und Flächen, kostenlos für seine in der Planung und Durchführung von kulturellen Veranstaltungen gelegene Vereinstätigkeit zu nutzen. Diese im Kulturzentrum - dessen Rechtsträger vertragsgemäß das beklagte Land ist - ausgeübte Vereinstätigkeit - eine darüberhinausgehende Verwaltung und Betriebsführung ist nicht gegeben - liegt zwar im Interesse des beklagten Landes und bildet eine wesentliche Voraussetzung des Vertrages, stellt aber als rein ideelle Leistung kein Entgelt im Sinne eines den Anordnungen der §§ 1090, 1092 und 1094 ABGB entsprechenden bestimmten Preises als Bestandzinses (vgl.

Würth aaO Rz 18 zu §§ 1092 bis 1094) für die Nutzung des P*****hofes

dar. Die Tätigkeit eines nicht auf Gewinn gerichteten Vereines läßt

sich überhaupt weder in ihrer Gesamtheit noch im besonderen hier

hinsichtlich eines dem beklagten Land durch Mithilfe bei der

Erfüllung seines kulturellen Auftrages allenfalls verschafften

Erfolges in wirtschaftlicher Sicht bewerten, also in einen Geldwert

veranschlagen. In Wahrheit handelt es sich hier darum, daß das

beklagte Land im Hinblick auf die gleichgerichteten Interessen beider

Vertragsteile an kultureller Veranstaltungstätigkeit zur

Vereinstätigkeit der klagenden Partei einen materiellen Beitrag durch

Gebrauchsüberlassung an einer ihr gehörigen Liegenschaft leistete.

Von einer "Gegenleistung" des klagenden Vereines für diese materielle Unterstützung kann keine Rede sein. Es stellt auch die der Wahrung der Vereinsinteressen dienende Mitwirkung von Vereinsvertretern bei Entscheidungen über allfällige, von den Vertragsparteien vorgesehene Umbaumaßnahmen keine Gegenleistung für die Nutzung des P*****hofes dar.

Im Hinblick auf den Gesamtzweck des Vertrages, nämlich die Zurverfügungstellung des P*****hofes für eine im gleichgerichteten Interesse des Landes gelegene kulturelle Veranstaltungstätigkeit des klagenden Vereins, sind auch keine Anhaltspunkte für eine Umgehung von mietengesetzlichen Schutzvorschriften gegeben.

Der zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag stellt somit eine, ein nicht typisiertes Dauerrechtsverhältnis regelnde (vgl. MietSlg. 38/24; 1 Ob 687/87) Privatrechtsvereinbarung über die spezifische unentgeltliche Nutzung einer in öffentlicher Hand befindlichen Sache dar, die zufolge der herrschenden Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig erscheint.

Ist das zwischen den Streitteilen bestehende Rechtsverhältnis demnach entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht als eine dem § 1 Abs 1 MRG unterliegende Geschäftsraummiete zu qualifizieren, so erweist sich die vertragsgemäße Aufkündigung dieses Rechtsverhältnisses durch das beklagte Land grundsätzlich als rechtswirksam.

Die Revisionsausführungen über eine nachträgliche Rückziehung der Aufkündigung übergehen die erstgerichtliche, vom Berufungsgericht übernommene und für den Obersten Gerichtshof bindende Feststellung, daß eine solche Rückziehungserklärung nicht abgegeben wurde. Die weiteren Ausführungen über einen angeblichen Kündigungsverzicht scheitern schon an dem in Punkt X. des Vertrages vereinbarten Schriftformerfordernis. Zwar können die sich persönlich gegenüberstehenden Vertragspartner von einem Formvorbehalt einvernehmlich und auch stillschweigend abgehen - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes selbst dann, wenn zwischen ihnen auch für dieses Abgehen die Schriftform vereinbart wurde (8 Ob 661/90) -. Beruft sich eine Partei auf eine mündliche Vertragsänderung durch Bevollmächtigte, dann hat sie aber zu behaupten und zu beweisen, daß diese hiezu ermächtigt waren (3 Ob 38/74; 2 Ob 564/78; 2 Ob 576/79 ua).

Hier brachte die klagende Partei vor (ON 11 AS 41), im Zuge ihrer verstärkten Mitwirkung im "Baukomitee" sei vereinbart worden, daß das beklagte Land auf sein vertragliches Kündigungsrecht verzichte. Daß die dabei beteiligten Vertreter des beklagten Landes zur mündlichen Abänderung dieses wichtigen Vertragspunktes bevollmächtigt gewesen seien, hat die klagende Partei aber nicht behauptet. Dies wäre erforderlich gewesen, zumal bei für eine öffentlich-rechtliche Körperschaft in einem ganz bestimmten Funktionsbereich auftretenden Bevollmächtigten eine darüberhinausgehende allgemeine Vertretungsbefugnis keinesfalls zugrundegelegt werden kann und ein vertraglich begründetes Formerfordernis grundsätzlich auch vollmachtsbegrenzende Wirkung hat (SZ 61/241 = JBl 1989, 444; Rummel ABGB2 Rz 11 zu § 867).

Schließlich hat das Berufungsgericht die weiteren Rügen der Berufungswerberin zutreffenderweise mangels rechtlicher Relevanz und unter Hinweis auf § 500a ZPO als nicht berechtigt erkannt.

Demgemäß war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E30432

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00609.91.0521.000

Dokumentnummer

JJT_19920521_OGH0002_0080OB00609_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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