TE OGH 1988/1/20 1Ob687/87

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Veröffentlicht am 20.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Alois N***, Rechtsanwalt, Vöcklabruck, Stadtplatz 19, als Masseverwalter im Konkurs des Herbert I***, S 62/85 des Kreisgerichtes Wels, wider die beklagte Partei Firma S*** A*** Anton S*** Gesellschaft mbH, Attersee, Sportstraße 20, vertreten durch Dr. Martin Stoissier und Mag. Dr. Reinhard Selendi, Rechtsanwälte in Wels, wegen Räumung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 15. Juni 1987, GZ R 382/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 19. Februar 1987, GZ 2 C 3/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 29.August 1985, S 62/85 wurde über das Vermögen des Herbert I*** der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Herbert I*** war Eigentümer der in die Konkursmasse fallenden Liegenschaft EZ 367 KG Attersee. Bereits zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung war ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig. Auf dieser Liegenschaft befindet sich unter anderem eine 1962 errichtete Produktionshalle. Der Geschäftsführer der beklagten Partei Anton S*** trat Anfang April 1986 an den Gemeinschuldner Herbert I*** mit dem Ersuchen um Überlassung von Räumlichkeiten zum Einlagern von Surfbrettern, Booten und ähnlichen heran. Herbert I*** erwähnte, daß die Hälfte der 1962 errichteten Produktionshalle noch freistehe, Anton S*** müsse sich aber mit dem Kläger als Masseverwalter in Verbindung setzen; auf jeden Fall habe die beklagte Partei aber die Halle zu räumen, wenn die Liegenschaft versteigert werde. Einige Tage nach diesem Gespräch wurde zwischen der beklagten Partei und dem Kläger als Masseverwalter ein mündlicher Vertrag dahin abgeschlossen, daß die beklagte Partei diverse Fahrnisse wie Boote, Surfbretter, Zubehör etc in der rechten halben Lagerhalle gegen S 2.500,-- plus 20 % Mehrwertsteuer monatlich bis zur Versteigerung lagern könne. Die Anhängigkeit des Zwangsversteigerungsverfahrens und der Endtermin "Versteigerung" wurden vom Geschäftsführer der beklagten Partei eindeutig zur Kenntnis genommen und akzeptiert.

Die beklagte Partei lagerte in der Folge in der rechten Hälfte der Lagerhalle diverse Fahrnisse. Sie überwies die monatlichen Beträge auf das Konkurskonto. Der Kläger stellte darüber Rechnungen mit der Bezeichnung Lagermiete aus. Der Betrag wurde in der Buchhaltung der beklagten Partei als Miete verbucht. Der Gemeinschuldner wohnt in unmittelbarer Nähe der von der beklagten Partei benutzten Halle; er betrat diese Räumlichkeiten aber nur, wenn jemand von der beklagten Partei anwesend war. Er hatte keine Überwachungsfunktion über die der beklagten Partei gehörenden Gegenstände oder Räume; er achtete nur darauf, daß das zur Masse gehörige Material nicht entfernt werde. Der Termin der Versteigerung wurde mit Edikt vom 6.Oktober 1986 für den 25.November 1986 angesetzt. Am 21.Oktober 1986 langte ein Schreiben des Rechtsvertreters der beklagten Partei bei Gericht ein, in dem er mitteilte, daß zwischen der Masse und der beklagten Partei ein aufrechtes und unbefristetes Mietverhältnis bestehe; es wurde um Verlesung dieses Schreibens ersucht. Das Schreiben wurde anläßlich des Versteigerungstermines vom 25.November 1986 verlesen. Bei diesem Versteigerungstermin gab die Ing.M. ScH***-BAU

Gesellschaft mbH & Co KG das Meistbot ab. Am 14.Jänner 1987 erfolgte der Zuschlag, der in Rechtskraft erwuchs.

Der Kläger als Masseverwalter begehrte mit der am 9.Jänner 1987 überreichten Klage unter anderem, die beklagte Partei sei schuldig, die rechte Hälfte der Liegenschaft EZ 367 KG Attersee errichteten Lagerhalle (neue Betriebshalle) zu räumen. Der beklagten Partei sei dieser Hallenteil nur zur vorübergehenden Einlagerung von Bootszubehör und Bootsteilen bis zum rechtskräftigen Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren überlassen worden.

Die beklagte Partei wendete ein, dieser Teil der Lagerhalle sei an sie (auf unbestimmte Zeit) vermietet worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Für den Verwahrungsvertrag sei die Übernahme der Obsorge für die übergebene Sache maßgebend. Miete liege vor, wenn jemand, ohne eine Aufsichtspflicht übernommen zu haben, einem anderen die bloße Benützung eines Abstellplatzes und damit auch den Rechtsbesitz bei ausschließlichem Gewahrsam einräume. Weder der Gemeinschuldner noch der Kläger hätten eine Überwachungsfunktion gehabt. Zutritt zur Halle sei lediglich der beklagten Partei zugestanden, der Gemeinschuldner habe das Areal nur betreten, wenn von der beklagten Partei jemand anwesend gewesen sei. Es handle sich daher bei dem im April 1986 mündlich abgeschlossenen Vertrag um einen Mietvertrag, auf den die Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes anzuwenden seien. Ein Hauptmietvertrag auf Zeit könne grundsätzlich nur schriftlich vereinbart werden. Der Bestandgegenstand falle auch nicht unter die in § 29 Abs 1 Z 3 MRG genannten Fälle. Ein Hauptmietvertrag über eine 1962 erbaute Lagerhalle könne zulässigerweise überhaupt nicht befristet abgeschlossen werden. Das Mietverhältnis könne daher vom Bestandgeber nur bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes nach § 30 MRG aufgelöst werden. Der geltend gemachte Räumungsanspruch bestehe daher nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 300.000,-- übersteige. Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragspartner sei der beklagten Partei eine Räumlichkeit zum Lagern von Gegenständen gegen Entgelt zur Verfügung gestellt worden. Eine Aufsichtspflicht über die eingelagerten Gegenstände sei vom Kläger nicht übernommen worden. Es liege daher kein Verwahrungsvertrag, sondern ein Mietvertrag vor, auf den die Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes anzuwenden seien. Im Geltungsbereich des Mietrechtsgesetzes sei das Erlöschen des Mietverhältnisses durch Zeitablauf außer dem Fall des § 1 Abs 2 Z 3 MRG nur unter den Voraussetzungen des § 29 MRG möglich. Der Mietgegenstand lasse sich jedoch unter keinen der dort angeführten Fälle subsumieren. Die Parteien hätten daher rechtswirksam keinen befristeten Mietvertrag abschließen können. Die Anwendung des Mietrechtsgesetzes könne durch Vereinbarung nicht ausgeschlossen werden. Der gesetzliche Kündigungsschutz könne nicht abbedungen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Durch die entgeltliche Überlassung des Gebrauches einer unverbrauchbaren Sache oder Teile derselben gegen Entgelt auf gewisse Zeit wird ein Bestandvertrag begründet (MietSlg. 38.118/24 mwN; JBl 1986, 648 uva; Würth in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1090). Es trifft zwar zu, daß kraft der herrschenden Vertragsfreiheit die Vereinbarung von Dauerrechtsverhältnissen erlaubt ist, die im Gesetz nicht typisiert sind (JBl 1986, 648; RZ 1982/53; vgl Würth aaO Rz 6); für die Beurteilung der einzelnen Leistungspflichten ist dann die sachlich am meisten befriedigende Vorschrift der in Betracht kommenden typisierten Verträge heranzuziehen (RZ 1982/53; Koziol-Welser8 I 187). Derartige gemischte Verträge, die auch bestandrechtliche Elemente enthielten, bildeten bereits mehrmals den Gegenstand von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (Standplatz eines Propagandisten: JBl 1986, 648; Bootsabstellungsvertrag:

RZ 1984/20; EvBl 1976/21; MietSlg. 19.090; Raum für die Durchführung von Massagen in einer Sauna: MietSlg. 28.113;

Überlassung einzelner Kanzleiräume an einen Rechtsanwalt:

MietSlg. 8.602/42; Theaterbuffet: SZ 58/8; SZ 22/42). Entgegen den Ausführungen in der Revision sind aber im vorliegenden Fall keine anderen Elemente eines anderen typisierten Vertrages als einer Miete gegeben. Sowohl der Verwahrungsvertrag (EvBl 1976/21; JBl 1956, 132; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 957; Koziol-Welser aaO 327 f) als auch das handelsrechtliche Lagergeschäft (§ 416 HGB; Schütz in Straub, HGB, Rz 6, 8 zu § 416; vgl. BGHZ 3, 200, 202) sind durch eine besondere Obsorgepflicht des Verwahrers und Lagerhalters gekennzeichnet. Über die zur Verfügungstellung des Raumes hinaus wird eine sichernde, schützende Tätigkeit verlangt (Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, II/113 456). Stellt jemand einem anderen zwecks Aufbewahrung von Sachen nur den Raum zur Verfügung, ohne eine weitere Obhutsverpflichtung zu übernehmen, handelt es sich bei Entgeltlichkeit um eine Raummiete (vgl. BGHZ 3, 200, 202; Larenz aaO). Nach dem vorliegenden Sachverhalt übernahm der Kläger eine über die Gebrauchsüberlassung hinausgehende Obhutspflicht auch nicht schlüssig. Es war einzig und allein Sache der beklagten Partei, die unbeschränkten Zutritt zu der Halle hatte, nicht nur nach ihrem Gutdünken Gegenstände zu lagern und die Art und den Ort der Lagerung zu bestimmen, ihr stand auch ausschließlich die Kontrolle der sachgemäßen Lagerung und die Abwehr von Eingriffen auf das gelagerte Gut zu. Die vertraglichen Absprachen der Streitteile sind daher als Miete einer Geschäftsräumlichkeit zu qualifzieren, auf die gemäß § 1 Abs 1 MRG die Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes grundsätzlich anzuwenden sind. Eine Behauptung, es läge ein konkreter Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 2 MRG vor, wurde nicht aufgestellt. Selbst wenn die Halle ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet worden wäre, würden unter anderem die maßgeblichen Bestimmungen der §§ 29 bis 36 MRG gelten (§ 1 Abs 4 Z 1 MRG). Ebenso wie das Konsumentenschutzgesetz (vgl. SZ 56/159) stellt auch das Mietrechtsgesetz für seinen sachlichen Geltungsbereich nicht auf eine konkrete individuell bestehende Ungleichgewichtslage der Vertragspartner, sondern auf objektiv beschriebene Umstände ab, bei denen typischerweise jene Interessenlage, die das Motiv der Regelung bildete, gegeben ist. Das Mietrechtsgesetz gilt kraft ausdrücklicher Vorschrift für alle Mietverträge, die unter seinen Geltungsbereich fallen. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes kann durch vertragliche Regelung nicht ausgeschlossen werden (MietSlg. 37.221). Die Revision zieht nicht mehr in Zweifel, daß der von den Streitteilen unter einer auflösenden Bedingung abgeschlossene Vertrag § 29 Abs 2 MRG nicht unterstellt werden könnte. Sie vertritt nur zu Unrecht die Ansicht, bei der Bestimmung des § 29 MRG handle es sich um nachgiebiges Recht. Lag ein unzulässig befristeter Mietvertrag vor, sind auf das Auflösungsbegehren des Vermieters die Vorschriften über die Kündigung sinngemäß anzuwenden (§ 29 Abs 3 MRG; Würth in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 29 MRG; vgl. MietSlg. 33.424/16). § 30 Abs 3 MRG statuiert aber die Rechtsunwirksamkeit von Vereinbarungen, wonach dem Vermieter das Kündigungsrecht unbeschränkt oder in einem weiteren als dem in § 30 MRG bestimmten Maß zustehen soll. Durch die mehr als sechs Monate nach Abschluß der Vereinbarung erfolgte rechtskräftige Erteilung des Zuschlages im Zwangsversteigerungsverfahren wurde daher der abgeschlossene Vertrag nicht aufgelöst. Dem klagenden Masseverwalter wäre es etwa durch Abschluß eines Mietvertrages, dessen Dauer ein halbes Jahr nicht überstieg (§ 1 Abs 2 Z 3 MRG), freigestanden, die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes zur Gänze auszuschließen. Nahm er von einer solchen Vertragsgestaltung aber Abstand, ist das Räumungsbegehren wegen aufrecht bestehenden Mietvertrages verfehlt. Im übrigen könnte entgegen der Ansicht des Erstgerichtes der abgeschlossene Vertrag nach dem objektiven Erklärungswert sehr wohl dahin verstanden werden, daß die Vertragsdauer bis zur Verfügungsberechtigung durch einen allfälligen Ersteher begrenzt sein sollte, so daß dem Masseverwalter schon aus diesem Grund ein Räumungsanspruch überhaupt nicht zustünde.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründen sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E12719

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00687.87.0120.000

Dokumentnummer

JJT_19880120_OGH0002_0010OB00687_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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