TE OGH 1992/5/26 5Ob46/92

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Veröffentlicht am 26.05.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr.Erhard L*****, Pensionist, und 2. Traute L*****, Hausfrau, beide ***** B*****, B*****weg 1-6/Stiege 3/top 4, vertreten durch Dr.Peter Kaupa, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei W*****gesellschaft mbH, ***** Wien, J*****straße 51, vertreten durch Dr.Alfred Peter Musil, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 98.826 sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20.Jänner 1992, GZ 4 R 175/91-28, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 11.August 1991, GZ 23 Cg 1/89-23a, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 5.603,40 (darin enthalten S 933,90 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei, eine gemeinnützige Bauvereinigung, hat von 1974 an in drei Bauabschnitten die Wohnungseigentumsanlage Südpark in B***** errichtet. Mit Anwartschaftsvertrag vom 21.9.1979 und Kaufvertrag vom 2.2.1983 erwarben die Kläger den zur Wohnung top 4 im Haus B*****weg Stiege 3 gehörigen Mindestanteil und wurden 1984 als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen.

Die Gesamtnutzfläche der Wohnungseigentumsanlage beläuft sich auf 11.025,66 m2, wovon 7.225,35 m2 auf Wohnräume (einschließlich Loggien und Balkone) entfallen, 2.050,56 m2 auf Terrassen und Gärten, 385,36 m2 auf Kellerabteile und 1.364,39 m2 auf 99 Abstellräume für PKWs. Den Klägern steht davon eine Nutzfläche von 208,59 m2 zur Verfügung, und zwar 79,3 m2 Wohnraum, 111,43 m2 Terrasse und Garten, 5 m2 Kellerabteil und 12,86 m2 PKW-Einstellplatz.

Das für die Wohnungseigentumsanlage verwendete Grundstück hat ein Ausmaß von 9.951 m2. Es war von der beklagten Partei im Februar 1974 um S 269,50 pro m2 gekauft worden. Die Kläger, deren Mindestanteil an der Liegenschaft je 100/15.592 beträgt, zahlten für ihren Grundanteil vereinbarungsgemäß S 152.986,-.

Die Kläger meinen, daß ihnen der Grundanteil für ihre Eigentumswohnung samt Zubehör lediglich mit S 54.160,- in Rechnung gestellt hätte werden dürfen, und verlangen nunmehr den Mehrbetrag (S 98.826,-) zurück. Sie berufen sich darauf, daß nach den Preisbildungsvorschriften des § 13 Abs 2 WGG 1979 (iVm den Bestimmungen der Entgeltrichtlinienverordnung) ein Quadratmeterpreis von S 474,32 anzusetzen sei; selbst die Orientierung am Verkehrswert des Grundstückes als Höchstbetrag lasse jedoch das Begehren der beklagten Partei von rund S 1.200,-

pro m2 als sittenwidrig, unbillig und dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechend erscheinen, da laut Auskunft der Bewertungsstelle des Finanzamtes Mödling der Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt der Verbücherung (des Wohnungseigentums) ca. S 750,- pro m2 betragen habe.

Die beklagte Partei beantragte die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens. Die Kläger hätten nämlich bei ihrer Berechnung des Grundanteilspreises unberücksichtigt gelassen, daß der ihnen in Rechnung gestellte Betrag zahlreiche Grundnebenkosten enthält. Außerdem sei der Verkehrswert des Grundstücks bei Begründung des Wohnungseigentums wesentlich höher als S 750,- pro m2 gewesen. Vor allem aber hätten die Preisbildungsvorschriften des WGG 1979 (und der Entgeltrichtlinienverordnung) gar nicht zur Anwendung zu kommen. Mit dem Bau der verfahrensgegenständlichen Wohnanlage sei nämlich schon vor dem 1.7.1979 begonnen worden. Das schließe wegen der Weitergeltung des WGG 1940 einen zivilrechtlichen Anspruch auf Überprüfung der Angemessenheit des Kaufpreises aus. Der konkret vereinbarte Grundpreis entspreche § 7 Abs 2 WGG 1940 sowie der dazu erlassenen Durchführungsverordnung und sei vom gesetzlichen Prüfungsverband als angemessen erachtet worden. Da es sich um einen unveränderlichen Fixpreis handle, komme eine Herabsetzung nicht in Frage.

Das Erstgericht stellte dazu noch fest, daß mit dem Bau der streitgegenständlichen Wohnanlage am 21.5.1979 begonnen wurde. Auch der Baubewilligungsbescheid trägt dieses Datum. Angezeigt wurde der Baubeginn vom ausführenden Bauunternehmen allerdings erst am 6.8.1979, wobei als Baubeginn der 24.7.1979 genannt wurde. Erst am 23.7.1979 war nämlich die Finanzierungszusicherung der zuständigen Landesregierung bei der beklagten Partei eingelangt.

Der Grundpreis für das Wohnungseigentumsobjekt der Kläger war im Anwartschaftsvertrag als unveränderlicher Fixpreis deklariert. Zu den Grundkosten zählten vereinbarungsgemäß die Kaufpreise der Grundstücke sowie alle mit dem Ankauf im Zusammenhang stehenden Kosten wie Vertragserrichtungsgebühren, Grunderwerbssteuern, Grundsteuern, Zinsen, Vermessungskosten etc., wobei die Grundankaufspreise indexmäßig bis zum Verkaufszeitpunkt aufgewertet werden sollten. Ebenfalls den Grundkosten zugerechnet wurden jene Kosten, die durch Grundabtretungen in das öffentliche Gut entstehen, sowie Aufschließungskosten bis zur Grundstücksgrenze, wogegen die Aufschließungskosten am Grundstück zu den Baukosten geschlagen wurden.

Der Verband der gemeinnützigen Bau-, Wohnungs- und Siedlungsvereinigungen hat die Jahresabschlüsse der beklagten Partei jeweils überprüft und sich dabei auch mit den errechneten Grundpreisen beschäftigt. Es wurden dabei keine negativen Feststellungen hinsichtlich der Angemessenheit des verrechneten Grundanteils getroffen. Es wurde auch nicht beanstandet, daß der Verkehrswert überschritten worden wäre.

Auf Grund dieses Sachverhaltes wies das Erstgericht das Klagebegehren ab, ohne alle Beweisangebote der Kläger über den Verkehrswert des streitgegenständlichen Grundstücks auszuschöpfen. Der Baubeginn der Wohnanlage am 21.5.1979 schließe nämlich eine Überprüfung des Grundanteilspreises aus. Die unrichtige Baubeginnanzeige sei rechtlich ohne Relevanz, da hiemit lediglich eine sanktionslose Ordnungsvorschrift der Bauordnung verletzt worden sei. Im übrigen könne mangels Vergleichspreisen eine Überschreitung des Verkehrswertes gar nicht festgestellt werden.

Das Berufunggericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden rechtlichen Erwägungen:

§ 39 Abs 10 WGG 1979 normiere, daß bei einer Baulichkeit oder bei Baulichkeiten, die hinsichtlich der Berechnung des Entgelts (Preises) eine wirtschaftliche Einheit bilden und deren Baubeginn vor dem 1.7.1979 liegt, § 13 Abs 2 WGG 1979 hinsichtlich der Bestimmungen für die Berechnung der Grundkosten nicht anzuwenden ist; diesfalls gelten weiterhin die Bestimmungen des § 7 Abs 2 WGG 1940 und § 11 Abs 3 erster bis dritter Satz WGGDV 1940. Auf die Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides komme es entgegen der Meinung der Kläger nicht an. Für die Annahme, daß der Gesetzgeber unter "Baubeginn" den tatsächlichen Beginn der Bauarbeiten und nicht etwa die Rechtskraft der Baubewilligung verstande hat, spreche der Umstand, daß er auch in anderen Bestimmungen des § 39 WGG (etwa in Abs 8) zwischen tatsächlichen Handlungen und baubehördlichen Maßnahmen unterschied. Er hätte daher die Rechtskraft der Baubewilligung angeführt, wenn er daran hätte Rechtsfolgen knüpfen wollen. Im übrigen behaupteten die Kläger selbst nicht, daß die zugleich mit dem Baubeginn erlassene Baubewilligung angefochten worden oder nicht in Rechtskraft erwachsen wäre.

Da der effektive Baubeginn mit 21.5.1979 unbekämpft feststeht, hätten für die Berechnung des Preises des Wohnungseigentumsobjektes der Kläger nicht die Bestimmungen des WGG 1979 zu gelten. Es sei vielmehr § 7 Abs 2 WGG 1940 iVm § 11 Abs 3 WGGDV 1940 anzuwenden, wie dies das WGG 1979 ausdrücklich anordne (§ 39 Abs 10, § 40 Abs 1 Z 1 und 2 WGG 1979). § 7 Abs 2 WGG 1940 bestimmte, daß das Wohnungsunternehmen Wohnungen nur zu angemessenen Preisen überlassen dürfe, und verweise zur Frage, wie der angemessene Preis zu ermitteln und nachzuprüfen ist, auf die Durchführungsvorschriften in § 11 Abs 3 WGGDV 1940; damit werde jedoch dem Erwerber einer Wohnung - im Gegensatz zum WGG 1979 - kein zivilrechtlicher Anspruch auf Überprüfung der Angemessenheit des Kaufpreises gewährt. Erst das WGG 1979 enthalte Bestimmungen, wonach Vereinbarungen, die gegen die Vorschriften über die Berechnung des Preises für die Übertragung des Miteigentums (Einräumung des Wohnungseigentums) verstoßen (vgl §§ 13, 15 WGG), insoweit rechtsunwirksam sind (§ 21 Abs 1 WGG). Die Bestimmungen des WGG 1940 über die Angemessenheit des Kaufpreises legten hingegen - wie sich aus der Überschrift des zweiten Absatzes des Gesetzes (§§ 2 bis 15) ergibt - nur die Voraussetzungen für die Anerkennung des Wohnungsunternehmens als gemeinnützig fest. Der Wohnungswerber sei nicht Normadressat der ausschließlich die Rechtsverhältnisse gemeinnütziger Wohnungsunternehmen regelnden Vorschriften; er könne sich mit seinen Einwendungen nur an das Wohnungsunternehmen selbst oder an dessen Aufsichtsbehörde wenden (MietSlg 31/31 = EvBl 1980/38). Auch aus der Verweisung des § 39 Abs 10 zweiter Halbsatz WGG 1979 könne nicht darauf geschlossen werden, daß schon nach den Vorschriften des WGG 1940 ein zivilrechtlicher Anspruch auf Überprüfung der Angemessenheit des Preises bestanden habe (vgl EvBl 1980/38 zur insoweit gleichlautenden Übergangsbestimmung des § 39 Abs 8 Z 3 WGG 1979).

Diese Rechtslage erübrige eine Auseinandersetzung mit der an sich unbedenklichen Annahme des Erstgerichts, daß die den Wohnungseigentumswerbern verrechneten Grundanteile den Verkehrswert des Grundstückes nicht überschritten hätten (weil sonst die Eigentumswohnungen nicht weggegangen wären "wie die warmen Semmeln"). Es könne aber auch von einer Sittenwidrigkeit der Kaufpreisvereinbarung im Sinne des § 879 ABGB keine Rede sein. Die Rechtsprechung lasse zwar eine nachträgliche richterliche (nicht auf das WGG gestützte) Korrektur fehlerhafter Preisfestsetzungen zu, wenn die festgesetzten Preise offenbar unbillig sind (EvBl 1980/38), das setze jedoch voraus, daß die Maßstäbe von Treu und Glauben in gröbster Weise verletzt wurden und die Unrichtigkeit der Preisfestsetzung einem sachkundigen und unbefangenen Beurteiler sofort erkennbar ist. Davon könnte im gegenständlichen Fall selbst dann nicht gesprochen werden, wenn der den Klägern verrechnete Grundanteil den (anteiligen) Verkehrswert überschritten hätte. Nur ein unverhältnismäßiges Überschreiten des Verkehrswertes könnte nämlich zu einer offenbaren Unbilligkeit des Kaufpreises führen.

Schließlich bestehe für eine Heranziehung des § 24 Abs 1 WEG keine Grundlage, da sich diese Vorschrift auf die Unwirksamkeit von Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen, nicht jedoch auf die Preisgestaltung beziehe.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß noch keine veröffentlichte Rechtsprechung zur Frage vorliege, welcher Zeitpunkt als Baubeginn im Sinne des § 39 Abs 10 WGG anzusehen ist.

In der nunmehr vorliegenden Revision beharren die Kläger auf ihrem Rechtsstandpunkt, daß mit "Baubeginn" im Sinne des § 39 Abs 10 WGG 1979 nur eine nach Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides gesetzte Maßnahme verstanden werden könne. Auch der Verwaltungsgerichtshof verstehe unter Baubeginn nur eine solche Maßnahme, die auf die Errichtung eines bewilligten Bauwerkes ausgerichtet ist (ZfVB 1979, 316/1204; ZfVB 1982, 32/25). Außerdem könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, daß er so weitreichende Rechtsfolgen, wie sie mit der Anwendung oder Nichtanwendung des WGG 1979 verbunden sind, von einem willkürlichen, noch dazu rechtswidrigen Verhalten eines Betroffenen abhängig machen wollte. Auf die Feststellung des Zeitpunktes der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides könne daher nicht verzichtet werden. Es beruhe aber auch die Ablehnung weiterer Beweisaufnahmen zur Feststellung des Verkehrswertes des streitgegenständlichen Grundstückes auf einer unrichtigen Rechtsansicht der Vorinstanzen. Um eine unbillige, die Maßstäbe von Treu und Glauben gröblich verletzende Preisfestsetzung durch die beklagte Partei ausschließen zu können, müsse man zuvor den Verkehrswert des Grundstückes feststellen. Der Revisionsantrag geht dahin, das Berufungsurteil entweder im Sinne einer gänzlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern oder aber aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Von der beklagten Partei wurde dazu eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Bestätigung des Berufungsurteils erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der erkennende Senat die mit überzeugenden Argumenten untermauerte Rechtsansicht des Berufungsgerichtes über die Auslegung des § 39 Abs 10 WGG teilt. Auch die Konsequenz dieser Gesetzesauslegung, daß den Klägern keine Handhabe zur Verfügung steht, die ihren Mindestanteil betreffenden Grundkosten vom Gericht daraufhin überprüfen zu lassen, ob sie den Preisbildungsvorschriften des § 7 Abs 2 WGG 1940 und des § 11 Abs 3 WGGDV 1940 entsprechen, ist nach der Judikatur so klar, daß sie keiner eingehenden Begründung bedarf (siehe zu der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung EvBl 1980/38 auch noch die Entscheidungen MietSlg 34.619, MietSlg 37/39, MietSlg 38/54, MietSlg 39/6 ua). Es genügt daher eine kurze Stellungnahme zu den Gegenargumenten der Revisionswerber (§ 510 Abs 3 ZPO):

Da der Gesetzgeber den in § 39 Abs 10 WGG 1979 verwendeten Begriff "Baubeginn" nicht definierte, sondern als bekannt voraussetzte, ist nach einem Begriffsverständnis zu suchen, das einerseits geläufig ist, andererseits den Anforderungen der beabsichtigten Regelung entspricht.

Als geläufiger Begriff des Baubeginns bietet sich - wie schon das Erstgericht erkannte - jener der anzuwendenden Bauordnung an. Demnach gilt als Zeitpunkt des Baubeginns jener Tag, an dem mit den Erd- oder Bauarbeiten begonnen wird, die der Verwirklichung des (Bau-)Vorhabens dienen (§ 106 Abs 1 der Niederösterreichischen Bauordnung). Im Zusammenhang damit findet sich zwar auch die Anordnung, daß vor Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides nicht mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen werden darf (§ 106 Abs 1 leg cit) und daß der Bewilligungswerber der Baubehörde den Beginn der Ausführung bekanntzugeben hat (§ 106 Abs 3 leg cit), doch stellt die Legaldefinition des Baubeginns ausdrücklich auf faktische Baumaßnahmen ab. Die Pflicht zur Bekanntgabe der Bausführung ist überhaupt eine sanktionslose Ordnungsvorschrift. Aus ihr läßt sich keinesfalls der Schluß ziehen, der Baubeginn sei frühestens mit der Verständigung der Baubehörde anzusetzen (Hauer-Zaussinger-Kraemmer, Die Bauordnung für Niederösterreich Anm 4 zu § 106).

Daß mit Baubeginn die ersten faktischen Baumaßnahmen zur Verwirklichung eines konkreten Bauprojektes gemeint sind, läßt sich auch nicht mit dem Hinweis in Frage stellen, daß sich nur Maßnahmen zur Verwirklichung eines bewilligten Bauwerkes diesem Begriff unterstellen lassen (ZfVB 1982, 32/25 ua). Nichts in der Definition des Baubeginns deutet nämlich darauf hin, daß der Gesetzgeber lediglich die nach Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides gesetzten Baumaßnahmen gemeint hat. Wäre eine solche Einengung des mit landläufigen Vorstellungen übereinstimmenden Begriffs "Baubeginn" beabsichtigt gewesen, hätte dies durch einen entsprechenden Zusatz in § 39 Abs 10 WGG 1979 zum Ausdruck kommen müssen. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß die Übergangsbestimmungen des WGG 1979 sehr deutlich zwischen faktischen Handlungen der Betroffenen und Rechtsakten der Behörden unterscheiden (so zB in § 39 Abs 8 WGG, der den zeitlichen Geltungsbereich des Gesetzes vom erstmaligen Bezug der Baulichkeiten oder von der baubehördlichen Benützungsbewilligung abhängig macht). So gesehen wäre es eine Überdehnung des sprachlichen Ausdrucks, in den Begriff "Baubeginn" die Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides hineinzudeuten.

Zum gleichen Ergebnis führt die durch § 6 ABGB gebotene Berücksichtigung des Gesetzeszweckes. Durch die Übergangsvorschriften in § 39 WGG 1979 sollte vermieden werden, daß gemeinnützige Bauvereinigungen ihre nach dem WGG 1940 und den dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen kalkulierten Baulichkeiten ab Inkrafttreten des WGG 1979 auch dann nach den neuen Bestimmungen abrechnen müssen, wenn die alten und neuen Preisbildungsvorschriften nicht harmonieren. Altbauten wurden daher insoweit von den neuen Regeln über die Entgeltberechnung ausgenommen, als dies zur Sicherung der Refinanzierung der Herstellungskosten erforderlich schien (vgl MietSlg 34.619; MietSlg 40/33). So gesehen ist es aber nur konsequent, die Berechnung der Grundkosten, die nach § 7 Abs 2 WGG 1940 iVm § 11 Abs 3 WGGDV 1940 anders kalkuliert wurden als nach jetzt geltendem Recht, vom effektiven Baubeginn abhängig zu machen, weil anzunehmen ist, daß sich eine gemeinnützige Bauvereinigung erst nach Fertigstellung ihrer Grund- und Baukostenkalkulation zum Baubeginn entschließt. Von einer mit rechtstaatlichen Prinzipien unvereinbaren Sanktionierung willkürlichen oder gar rechtswidrigen Verhaltens kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Der Gesetzeszweck einer möglichst reibungslosen Abwicklung bereits fertig kalkulierter Bauvorhaben wäre durch ein Abstellen auf die Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides eher gefährdet gewesen als durch die konkret getroffene Regelung. Im übrigen ist der Argumentation der Revisionswerber von der angeblichen Willkür der beklagten Partei schon dadurch die Spitze genommen, daß mit dem Bau der streitgegenständlichen Wohnanlage an jenem Tag begonnen wurde, der als Datum des Baubewilligungsbescheides feststeht. Demnach haben sich die Baumaßnahmen sehr wohl auf ein bewilligtes Bauwerk bezogen, auch wenn der Baubewilligungsbescheid erst später rechtskräftig geworden ist.

Damit könnte - wie ebenfalls schon das Berufungsgericht ausführte - die Herabsetzung des Grundkostenanteils der Kläger nur noch durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein, ein offenbar unbilliges Ergebnis zu korrigieren. Dazu hat sich die Judikatur auch im Anwendungsbereich des WGG 1940 bekannt, wenn durch die Preisfestsetzung die Maßstäbe von Treu und Glauben in gröbster Weise verletzt wurden und die Unrichtigkeit der Preisfestsetzung einem sachkundigen und unbefangenen Beurteiler sofort erkennbar ist (EvBl 1980/38; vgl auch 7 Ob 778, 779/82).

Im konkreten Fall ist eine solche Unbilligkeit nicht zu erkennen. Das diesbezügliche Sach- und Beweisvorbringen der Kläger (AS 50 und AS 163) unterstellt, daß der Verkehrswert des streitgegenständlichen Grundstücks S 750,- pro m2 betragen habe, tatsächlich jedoch S 1.200,- pro m2 gezahlt worden seien. Selbst in dieser Preisdifferenz läge - da sich die beklagte Partei vorbehalten hatte, einen Teil der Aufschließungskosten in den Fixpreis für den Grundanteil einzukalkulieren - keine auffallend grobe Unbilligkeit. Vor allem aber fehlt es an der sofortigen Erkennbarkeit eines Mißbrauchs des Preisbestimmungsrechtes, wenn er von den Prüfungsorganen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft nicht erkannt und mangels objektiver Vergleichswerte letztlich nur durch die Schätzung eines Sachverständigen dargelegt werden könnte. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen dieses Beweisthema nicht weiter verfolgt.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E29313

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00046.92.0526.000

Dokumentnummer

JJT_19920526_OGH0002_0050OB00046_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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