TE OGH 1992/5/27 3Ob543/92 (3Ob1548/92)

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Veröffentlicht am 27.05.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Schalich als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache für Maria O*****, vertreten durch den vorläufigen Sachwalter Dr.Bernhard S*****, 1.) infolge außerordentlichen Rekurses der Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 20.März 1992, GZ 2 b R 48/92-26, womit der Rekurs der Betroffenen vom 9.März 1992 als verspätet zurückgewiesen wurde, und 2.) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der zur Sachwalterin bestellten Ingrid S*****, vertreten durch Dr.Gerhard Ebner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 24.Jänner 1992, GZ 2 b R 10/92-23, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 9.Dezember 1991, GZ 27 SW 24/90-20, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1.) Der außerordentliche Rekurs der Betroffenen gegen den Beschluß des Rekursgerichtes ON 26 wird zurückgewiesen.

2.) Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Sachwalterin wird Folge gegeben. Die Beschlüsse des Rekursgerichtes (ON 23) und des Erstgerichtes (ON 20) werden im Umfang der allein die Person der bestellten Sachwalterin betreffenden Anfechtung aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die Betroffene wuchs ohne ihre Eltern zu kennen zunächst in einem Kinderheim, sodann bis zu ihrem 18. Lebensjahr in einem Erziehungsheim auf. Sie absolvierte insgesamt lediglich vier Volksschulklassen und arbeitete nach der Schulentlassung als landwirtschaftliche Hilfskraft. Sie hat fünf Kinder geboren, die drei älteren Kinder wurden zur Adoption freigegeben. Zusammen mit dem 1977 geborenen Sohn Andreas und der 1988 geborenen Tochter Simona und ihrem Lebensgefährten Josef H*****, welcher nicht Vater ihrer Kinder ist und selbst unter Sachwalterschaft steht (sein Sachwalter ist der hier bestellte vorläufige Sachwalter der Betroffenen), lebt sie in einer Sozialwohnung. Aufgrund der bei ihr vorliegenden Grenzbegabung, von Stimmungsschwankungen und ihrer gutmütigen Leichtgläubigkeit ist sie nicht in der Lage, ihre Interessen bei rechtsgeschäftlichen Kontakten etwa mit Buchvertretern zu wahren und mit ihren bescheidenden Geldmitteln hauszuhalten.

Über Anregung des Vaters ihrer Tochter Simona bestellte das Erstgericht mit Beshluß vom 9.12.1991 Ingrid S***** vom Verein für Sachwalterschaft zur Sachwalterin für die Betroffene mit dem Aufgabenkreis (§ 273 Abs 3 Z 2 ABGB), diese bei Behörden, Ämtern und privaten Rechtsgeschäften zu vertreten und für sie die gesamte Einkommens- und Vermögensverwaltung zu besorgen.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte infolge Rekurses der bestellten Sachwalterin, die sich nur gegen ihre Bestellung zur Sachwalterin wandte, weil der Verein von seinem Vorschlagsrecht wegen Überlastung nicht Gebrauch gemacht habe, die Entscheidung des Erstgerichtes und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. § 281 ABGB bestimme den Kreis der zum Sachwalter einer behinderten Person (gemäß § 273 ABGB) zu bestellenden Personen, Abs 2 dieser Bestimmung enthalte die Einschränkung, daß eine von einem Sachwalterverein namhaft gemachte (zu machende) Person zu bestellen sei, wenn eine solche verfügbar sei ("soweit verfügbar"). Werde trotz mehrfacher Anfragen des Erstgerichtes beim Verein für Sachwalterschaft keine Person namhaft gemacht und sei auch sonst keine geeignete Person zu finden, so könne nur eine im § 281 ABGB nicht genannte Person zum Sachwalter bestellt werden, für welche dann analog zu § 200 ABGB wie für den Vormund die Übernahme der Sachwalterschaft Verpflichtung sei. Persönliche Entschuldigungsgründe nach §§ 191 ff ABGB seien von der Rekurswerberin nicht geltend gemacht worden.

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.):

Unter Zitierung des ihr am 6.3.1992 zugestellten Beschlusses des Rekursgerichtes vom 24.1.1992, ON 23, erhob die Betroffene am 9.3.1992 einen von ihr selbst verfaßten "Einspruch". Das Gericht zweiter Instanz faßte diese Eingabe als Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes über die Sachwalterbestellung vom 9.12.1991 (ON 20) auf, wies das Rechtsmittel mit Beschluß vom 20.3.1992 (ON 26) als verspätet zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Dagegen erhob die Betroffene erneut einen selbst verfaßten "Einspruch", in welchem sie im wesentlichen ihre Eingabe vom 9.3.1992 wiederholte, ohne auf das Fehlen einer Verspätung oder sonst eine wesentliche materiell- oder formalrechtliche Frage hinzuweisen. Diesem Rechtsmittel der Betroffenen mangelt es wegen der zugleich zu Pt. 2.) ergangenen Entscheidung an der für seine sachliche Behandlung im Entscheidungszeitpunkt erforderlichen Beschwer, sodaß es zurückzuweisen ist.

Zu 2.):

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Sachwalterin ist berechtigt.

Grundsätzlich ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, daß mangels Auffindbarkeit, Verfügbarkeit oder sachlicher Bestellungsrechtfertigung einer der im § 281 ABGB genannten Personen eben eine andere, dort nicht genannte Person zum Sachwalter gemäß § 273 ABGB zu bestellen ist und deren Verpflichtung zur Übernahme des Amtes in Analogie zur Bestimmung für die Vormundbestellung (§ 200 ABGB) besteht. Es kommen für eine solche Person aber auch die Bestimmungen über die notwendige und freiwillige Entschuldigung eines Vormunds (§§ 191 bis 195 ABGB) analog zur Anwendung. Als Maßstab für die aus § 195 ABGB ableitbare Ablehnung einer Sachwalterschaftsübernahme wegen Aus- oder Überlastung mit anderen übernommenen Sachwalterschaften ist für haupt- oder nebenberuflich oder ehrenamtlich im Rahmen eines Sachwaltervereins tätige Personen die am Gesetzesauftrag und Gesetzeszweck der Vereinssachwalter- und Patientenanwaltsgesetzes (VSPAG BGBl 1990/156) zu messende zumutbare Belastung und Belastbarkeit dieser Personen mit mehreren Sachwalterschaften zu nehmen (siehe schon 3 Ob 552/87). Entgegen der vom Gericht zweiter Instanz vertretenen Auffassung hat die Rechtsmittelwerberin aber in ihrem Rekurs gegen ihre Bestellung - wie schon mehrfach im erstinstanzlichen Verfahren ganz allgemein für den nominierungspflichtigen Sachwalterverein - ein Vorbringen erstattet, welches derartige Entschuldigungsumstände durchaus enthält. Wenn nun auch der gemäß § 1 Abs 1 VSPAG zur Feststellung der Eignung eines Sachwaltervereines zuständige Bundesminister für Justiz gemäß § 8 Abs 1 VSPAG durch entsprechende Förderung eine möglichst ausreichende Versorgung der Betroffenen mit Vereinssachwaltern sicherstellen soll (siehe auch 1203 BlgNR 17. GP 3), ist doch aus § 12 VSPAG, wonach die Förderung gemäß § 8 Abs 1 tunlichst die Versorgung mit 140 hauptberuflichen Vereinssachwaltern bis zum Ende des Jahres 1995 sicherzustellen hat, zu entnehmen, daß die ausreichende Dotierung solcher Vereine mit Sachwaltern nicht sofort mit dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgen konnte. Haben daher derartige Vereine wie jener, dem die Rechtsmittelwerberin zugehört, wegen Aus- und Überlastung ihrer Mitarbeiter Probleme bei der Übernahme weiterer Sachwalterschaften (bei der Namhaftmachung weiterer Sachwalter), so sind diese Umstände zumindest mit den betreffenden Personen zu erörtern und im Tatsachenbereich so weit ins klare zu setzen, daß sodann daraus für die Entscheidung über derartige "Entschuldigungen im Sinne des § 195 ABGB" brauchbare Sachverhaltsgrundlagen vorliegen. Dies ist im vorliegenden Fall bisher unterblieben und wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein, wobei Erhebungen über die Belastbarkeit von "Vereinssachwaltern" (wie in dem der Entscheidung 3 Ob 552/87 zugrunde liegenden Verfahren - Anfrage an das Bundesministerium für Justiz -) angebracht sein werden.

Anmerkung

E29218

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00543.92.0527.000

Dokumentnummer

JJT_19920527_OGH0002_0030OB00543_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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