TE OGH 1992/5/27 2Ob582/91

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Veröffentlicht am 27.05.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Walter W*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma ***** R*****gesellschaft mbH, *****, wider die beklagte Partei ***** L***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Wilhelm Grünauer, Dr.Wolfgang Putz, Dr.Wolfgang Boesch, Rechtsanwälte in Wien, wegen 2,957.726,20 sA infolge Revision und Rekurses der klagenden Partei und Rekurses der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10.Juli 1991, GZ 2 R 62/91-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 15. Jänner 1991, GZ 2 h Cg 9/89-27, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

1.) Der Revision wird Folge gegeben.

Das Teilurteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

2.) Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der ***** R*****gesellschaft mbH wurde am 18.10.1985 das Ausgleichsverfahren und am 25.11.1985 der Anschlußkonkurs eröffnet. Die Gemeinschuldnerin hatte seit dem Jahr 1979 bei der beklagten Partei einen sogenannten "revolvierenden" Kontokorrentkredit bis zu einem nicht bekannten Höchstbetrag. Das Kreditverhältnis wurde über das Konto 750-135-113/00, im folgenden Kreditkonto der Gemeinschuldnerin genannt, abgewickelt. Der aushaftende Saldo wurde zwischen dem 11.10.1985, dem vom Masseverwalter der genannten *****gesellschaft als Kläger behaupteten Zeitpunkt des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit und dem Tag der Ausgleichseröffnung am 18.10.1985 durch Buchungen der beklagten Partei zugunsten der nachmaligen Gemeinschuldnerin vermindert.

Der Kläger begehrte gemäß §§ 27 ff KO die Unwirksamerklärung der durch die beklagte Partei vorgenommenen Aufrechnung jener Eingänge, die nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschulderin auf deren Kreditkonto gebucht wurden, den Konkursgläubigern gegenüber. Dabei handle es sich um Umbuchungen von fünf anderen Konten der Gemeinschuldnerin im Betrag von S 1,391.148,76 und um Zahlungen Dritter im Betrag von S 1,539.839,30. Die beklagte Partei sei daher schuldig, den Betrag von S 2,957.726,02 sA an die Konkursmasse zu bezahlen. Der Anspruch werde insbesondere auf § 30 Abs 1 KO, der begünstigenden Befriedigung eines Gläubigers nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gestützt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete zu den behaupteten Umbuchungen ein, daß es sich hiebei nicht um solche der Gemeinschuldnerin gehandelt habe. Davon abgesehen wäre sie zur Aufrechnung berechtigt gewesen, weil der Kredit der Gemeinschuldnerin am 30.9.1985 abgelaufen sei. Die Konkursmasse würde durch eine erfolgreiche Anfechtung der Aufrechnung nicht vermehrt. Die angeführten Zahlungen von dritter Seite seien zur Bedeckung offener, bereits fälliger Forderungen der beklagten Partei verwendet worden; Rechtshandlungen der ehemaligen Gemeinschuldnerin nach dem 11.10.1985 lägen überhaupt nicht vor. Die sogenannten freien Eingänge hätten überdies nur 1,540.839,30 S betragen. Im Hinblick auf die Fälligkeit des Kredites brauche nicht überprüft zu werden, ob die beklagte Partei Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin hätte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme der Abweisung eines Teilbetrages von S 26.737,96 statt. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus nur noch fest, daß die beklagte Partei auf Grund einer internen, schon am 1.2.1983 erteilten Ermächtigung befugt gewesen sei, Guthaben und Verbindlichkeiten der bei ihr geführten Konten der "R*****-Firmen", also der Gemeinschuldnerin sowie ihrer eigene Gesellschaften bildenden Tochter- und Schwesterunternehmungen gegeneinander aufzurechnen sowie nach Bedarf Überträge von einem Konto auf ein anderes vorzunehmen. Sie schrieb selbst die diversen Habensaldi von zusammen 1,391.148,76 S nach dem 11.10.1985 auf das Konto der Gemeinschuldnerin Nr 750-135-113/00 gut, wodurch der bestehende Debetsaldo auf diesem Konto entsprechend reduziert wurde. Nach einer im Sommer 1985 erfolgten Buchprüfung und Feststellung der sehr kritischen finanziellen Situation der Firmengruppe wäre die beklagte Partei zu einer weiteren Verlängerung des mit 30.9.1985 auslaufenden Kreditvertrages nur gegen Beibringung entsprechender Sicherheiten bereit gewesen; da die nachmalige Gemeinschuldnerin dazu nicht in der Lage war und auch Verhandlungen mit anderen Kreditinstituten zu keinem positiven Ergebnis führten, wurde der finanzielle Zusammenbruch der Firmengruppe unvermeidbar. In der Zeit ab 11.10.1985 gingen auf dem genannten Konto der Gemeinschuldnerin Zahlungen von S 1,539.839,30 ein, die nicht aus Zessionen resultierten. Durch diese Zahlungseingänge wurde der Debetsaldo auf diesem Konto weiter reduziert.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Anfechtungstatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO gegeben sei, weil die Umbuchungen zu Lasten der Konkursmasse erfolgten und die beklagte Partei von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin wußte. Die Begünstigung bei Umbuchung der Zahlungseingänge von dritter Seite liege in der Herbeiführung der an sich zulässigen Aufrechnung. Sie hätte durch die beklagte Partei infolge Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin nicht mehr erfolgen dürfen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge. Es änderte das erstgerichtliche Urteil, das in der Abweisung des Betrages von S 26.737,96 sA unangefochten blieb, in dem der Klage stattgebenden Teil insoweit ab, daß es das Klageteilbegehren, wonach die Überträge (Umbuchungen) der beklagten Partei von den Konten Nr 245-107-082/00, 750-137-533/00, 750-136-867/00, 802-135-052/00 und 750-136-939/00 im Gesamtbetrag von S 1,391.148,76 auf das Kreditkonto der Gemeinschuldnerin Nr 750-135-113/00 bei der beklagten Partei und die Aufrechnung dieses Betrages mit der Kreditforderung der beklagten Partei gegen die Gemeinschuldnerin den Konkursgläubigern gegenüber rechtsunwirksam seien und die beklagte Partei schuldig sei, den genannten Betrag samt Anhang an die Konkursmasse zu zahlen, abwies. Im übrigen, und zwar im Umfang der Unwirksamerklärung von Aufrechnungen der beklagten Partei mit ihrer Kreditforderung gegen die Gemeinschuldnerin in Ansehung von Zahlungen, die von Schuldnern der nachmaligen Gemeinschuldnerin auf deren Kreditkonto Nr 750-135-113/00 bei der beklagten Partei in der Zeit vom 11.10.1985 bis 18.10.1985 getätigt wurden, und Zahlung eines Betrages von S 1,539.830,30 samt Anhang an die Konkursmasse, hob es das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, daß sowohl die ordentliche Revision als auch der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig seien. Es führte zu den vorgenommenen Umbuchungen aus, daß das Erstgericht die Befriedigung der beklagten Partei auf Kosten der nachmaligen Konkursmasse zu Unrecht voraussetze. Die Befriedigung sei nämlich nur zu Lasten der Konten dritter Personen erfolgt, weshalb der Konkursmasse nichts entgangen sei. Die Gemeinschuldnerin habe auf diese Leistung der Dritten keinen Anspruch gehabt. Ihre Verpflichtungslage habe sich durch die Umbuchungen nicht verschlechert. Daß einer der anderen Kontoinhaber (ein anderes Mitlgied der Firmengruppe) sich der nachmaligen Gemeinschuldnerin gegenüber vertraglich zur Abdeckung ihrer Kreditverbindlichkeiten bei der beklagten Partei verpflichtet hätte, sei in erster Instanz nicht hervorgekommen. Die Befriedigung eines Gläubigers mit fremden Mitteln durch einen Dritten, der nicht Schuldner des Gemeinschuldners ist, könne aber mangels Benachteiligung der übrigen Gläubiger nicht angefochten werden.

Anders sei die Rechtslage bei den sogenannten freien Eingängen, nämlich den Zahlungen Dritter, gegen welche die nachmalige Gemeinschuldnerin Forderungen hatte. Dadurch, daß die beklagte Partei die Zahlungen auf dem Kreditkonto der Gemeinschuldnerin, den aushaftenden Debetsaldo vermindernd, buchte, sei jeweils im Wege der Aufrechnung die Kreditforderung der Bank gegenüber der nachmaligen Gemeinschuldnerin teilweise getilgt worden. Die Aufrechnung wäre jedoch nicht anfechtbar, wenn sie gemäß den §§ 19 und 20 KO auch noch im Konkurs zulässig wäre. Ob aber tatsächlich die Anfechtungsvoraussetzungen - es kämen § 30 Abs 1 Z 1 KO und § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO in Betracht - vorliegen, könne auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse noch nicht beurteilt werden:

Wäre es richtig, daß die beklagte Partei infolge vertragsgemäßer Fälligstellung des Kreditbetrages am 30.9.1985 schon ab diesem Zeitpunkt gegen die nachmalige Gemeinschuldnerin einen fälligen Anspruch auf Rückzahlung des Kredites hatte, dann wäre sie grundsätzlich durch die freien Eingänge zwischen dem 11. und 18.10.1985 bzw durch ihre Buchung auf dem Kreditkonto und Aufrechnung auf den offenen Kreditsaldo nicht begünstigt im Sinne des § 30 KO. Hätte jedoch die beklagte Partei durch inkongruente Buchung auf dem Kreditkonto, also ohne durch die mit der Kreditschuldnerin getroffenen Vereinbarungen dazu berechtigt gewesen zu sein, die Aufrechnungslage erst herbeigeführt, wäre dies angefechtbar. Im Gegensatz zu den Berufungsausführungen sei von der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldung der nachmaligen Gemeinschuldnerin durch die beklagte Partei auszugehen; zumindest mit dem Vorliegen des Prüfungsberichtes vom 2.10.1985 müßte die Unkenntnis von der Überschuldung der Kreditnehmerin als verschuldet angesehen werden. Wäre die durch die freien Eingänge getilgte Kreditschuld schon mehr als 6 Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden, wäre die Aufrechnung gemäß § 20 Abs 2 KO jedenfalls zulässig; selbst die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit würde der beklagten Partei nicht schaden; es sei denn, daß schon in der Herbeiführung der Aufrechnung (Herstellung der Aufrechnungslage) ein anfechtbarer Vorgang läge. Im Fall der Begründung der Kreditschuld innerhalb der letzten 6 Monate vor dem Insolvenzverfahren müßte die Aufrechnung hingegen im Konkurs als unzulässig angesehen werden, zumal das Bestehen einer Verpflichtung der beklagten Partei zur Forderungsübernahme nach den bisherigen Parteienbehauptungen nicht in Betracht komme. In jeder Gestattung einer Wiederausnützung des zurückgezahlten Kredites sei eine neue Kreditgewährung zu erblicken, falls der Bank das Recht zustand, den Kredit jederzeit und ohne Angabe von Gründen aufzukündigen. Eine solche Gestattung wäre während der Krise ab einem vermuteten Zeitpunkt 6 Monate vor der Verfahrenseröffnung bedenklich.

Aus den dargelegten Erwägungen folge, daß das Kreditverhältnis zwischen der nachmaligen Gemeinschuldnerin und der beklagten Partei näher durchleuchtet werden müsse. Das Erstgericht werde Feststellungen darüber zu treffen haben, ob der betragsmäßig festzustellende offene Kreditsaldo vor dem 11.10.1985 bereits vertragsgemäß fällig war, ob die beklagte Partei vereinbarungsgeämß fällig war, Zahlungseingänge von dritter Seite, die nicht auf Zessionen beruhten, dem Kreditkonto der nachmaligen Gemeinschuldnerin gutzuschreiben, wie hoch der vereinbarte Kreditrahmen war, welche Kreditausweitungen in den letzten 6 Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und ob durch die angefochtenen Aufrechnungen die Kreditschuld unter den vereinbarten Höchstrahmen gesenkt wurde.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richten sich die Revision und der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, das Teilurteil und den Aufhebungsbeschluß durch Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern sowie der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den Aufhebungsbeschluß abzuändern und das Klagebegehren auch in diesem Belang abzuweisen.

In den Rechtsmittelbeantwortungen beantragen die Parteien, der Revision bzw dem Rekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision der klagenden Partei:

Die klagende Partei stellt die Auffassung des Berufungsgerichtes in Frage, daß eine Benachteiligung der anderen Konkursgläubiger durch Umbuchung von den Konten der Tochtergesellschaften des Gemeinschuldners auf das Kreditkonto der beklagten Partei nicht erfolgt sei. Sie verweist zutreffend auf ihr vom Berufungsgericht unbeachtet gelassenes Vorbringen erster Instanz, daß auch Eingänge, insbesondere für Leistungen der klagenden Konkursmasse, auf den Konten der Schwester- bzw Tochterfirmen erfolgten, welche jeweils konzernintern umgebucht wurden (AS 66). Ohne Überprüfung dieser Frage kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß die damit geleisteten Zahlungen an die beklagte Partei nicht auf Kosten der Masse gingen. Es ist ständige Rechtsprechung, daß die Begünstigung eines Gläubigers nicht nur dadurch erfolgen kann, daß der Schuldner diesem seine Forderung direkt bezahlt; eine solche kann auch auf Umwegen erfolgen. Auch eine solche Deckung ist anfechtbar, wenn sie auf Kosten des Konkursvermögens geht. Anfechtbar ist hier der Gesamttatbestand, durch den die Masse verringert wird (Bartsch-Pollak3 I 169, 202; Jaeger-Lent, KO8 I 463 f; SZ 37/66; JBl 1981, 157 ua). Nur wenn (soweit) die Zahlung durch die dritte Person nicht auf Kosten der Masse erfolgt, ist sie nicht anfechtbar (SZ 37/66; JBl 1981, 157; 4 Ob 547, 548/81 ua). So kann die Befriedigung eines Gläubigers aus fremden Mitteln aus einem hiezu aufgenommenen Darlehen oder durch Anweisung eines Dritten, der nicht Schuldner des Gemeinschuldners ist, in der Regel mangels Benachteiligung nicht angefochten werden, weil nur ein Wechsel in der Person des Gläubigers eintritt (RZ 1969, 34; JBl 1979, 325; 4 Ob 547, 548/81 ua). Ob dies im vorliegenden Fall zutrifft, kann ohne Überprüfung der vom Berufungsgericht nicht weiter beachteten, oben dargestellten Behauptung der klagenden Partei, wonach Leistungen der späteren Gemeinschuldnerin durch Eingänge auf den Konten ihrer Schwester- bzw Tochterfirmen beglichen wurden, nicht gesagt werden. Wie bei Behandlung der Rekurse der Parteien auszuführen sein wird, fehlt es im gegebenen Fall aber nicht nur an der Befassung der Vorinstanzen mit dieser Behauptung der klagenden Partei, sondern auch an ausreichenden Feststellungen des Erstgerichtes, die das Kreditverhältnis zwischen der beklagten Bank und der nachmaligen Gemeinschuldnerin sowie ihrer Tochterfirmen eindeutig klarstellen. Es ist daher zweckmäßig, die Rechtssache in die erste Instanz zurückzuverweisen. Nach Klarstellung der mit Revision relevierten Frage wird es die Umbuchungen von Konten der Tochterfirmen für den Fall, daß sie auf Kosten der Masse erfolgten, nach den bei Behandlung der Rekurse der Parteien dargelegten Grundsätzen zu beurteilen haben.

Der Revision war daher Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

2.) Die Rekurse der Parteien sind jedoch unberechtigt:

Wie das Berufungsgericht richtig darlegte, käme eine Begünstigungsanfechtung hinsichtlich der sogenannten "freien Eingänge" nach § 30 Abs 1 Z 1 KO nicht in Betracht, wenn die beklagte Partei infolge vertragsgemäßer Fälligstellung des Kreditbetrages am 30.9.1985 einen fälligen Anspruch auf Rückzahlung des Kredites hatte. Anders wäre es, wenn die beklagte Partei eine "inkongruente" Deckung ihrer Forderung erhielte, was dann der Fall gewesen wäre, wenn sie - ohne durch die mit der Kreditschuldnerin getroffenen Vereinbarungen dazu berechtigt gewesen zu sein, die Aufrechnungslage erst herbeigeführt hätte. Bei der Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO kommt es nur auf die objektive Tatsache der Begünstigung an (SZ 58/213 ua). Eine solche kann aber auch in der vorzeitigen Abdeckung des Passivsaldos eines Kontokorrentkredites liegen (SZ 56/168 ua). Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß nicht einwandfrei festgestellt wurde, ob der Kreditsaldo tatsächlich bereits am 30.9.1985 fällig gestellt worden war; daß der Kreditvertrag zu diesem Zeitpunkt "auslief", ist zu ungenau und unter Berücksichtigung der weiters getroffenen Feststellungen, wonach unter gewissen Bedingungen eine Verlängerung desselben möglich war, nicht klar genug, um daraus verläßliche Schlüsse ziehen zu können. Mit Recht verlangte daher das Berufungsgericht primär die Klarstellung dieser Frage durch das Erstgericht.

Im vorliegenden Fall ist aber auch auf die Bestimmungen des § 31 Abs 1 Z 2 KO und - da es sich bei der vorgenommenen "Verrechnung" um einen Anwendungsfall der freiwilligen Aufrechnung handelt (EvBl 1986/46), auch auf jene der §§ 19, 20 KO Bedacht zu nehmen. Wie der Oberste Gerichtshof darlegte, kann eine Aufrechnung vor der Konkurseröffnung, die nach den Bestimmungen der §§ 19, 20 KO auch im Konkurs zulässig wäre, nicht nach den Bestimmungen der KO

angefochten werden (SZ 61/50 = EvBl 1989/41 = BankArch 1989, 129

= RZ 1989, 5 - zustimmend Koziol in Anm zu 7 Ob 517/88, BankArch

1988, 1113). Die gegenteilige auch noch in WBl 1989, 254 bezogene Auffassung Königs, Die Anfechtung nach der Konkursordnung Rz 354, 355, wurde ausdrücklich abgelehnt.

Damit kommt es weiters darauf an, ob die von der beklagten Partei vorgenommene "Verrechnung" in den Bestimmungen der §§ 19, 20 KO ihre Deckung findet. Dabei ist auf den Zeitpunkt des Entstehens der Aufrechnungslage abzustellen (Canaris, Konkursordnung 80; König aaO Rz 352) und jedenfalls zu berücksichtigen, daß eine nach § 20 KO unzulässige Aufrechnung in der Regel - objektiv gesehen - auch eine Begünstigung des Gläubigers darstellt (EvBl 1982/46).

Das Berufungsgericht hat mit Recht dargelegt, daß abgesehen von der fehlenden Feststellung über die Fälligstellung des Kreditsaldos auch nicht erhoben wurde, wie hoch der Kreditrahmen der späteren Gemeinschuldnerin bei der beklagten Partei war, inwieweit er ausgenützt wurde, ob die beklagte Partei vereinbarungsgemäß überhaupt ermächtigt war, Zahlungseingänge von dritter Seite, die nicht auf Zessionen beruhten, gutzuschreiben, welche Kreditausweitungen in den letzten 6 Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden udgl. Es hat weiters zutreffend der beklagten Partei die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit (Überschuldung) des späteren Gemeinschuldners angelastet. Diese bestreitet in ihrem Rekurs zwar indirekt die dargelegte Auffassung, vermag aber gegen diese Annahme des Berufungsgerichtes nichts Konkretes vorzubringen. Der Oberste Gerichtshof teilt daher die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, daß die beklagte Partei zumindest mit dem Vorliegen des Prüfungsberichtes vom 2.10.1985 von der Überschuldung ihres Kreditnehmers wissen mußte.

Bei der Beurteilung der Berechtigung der vorgenommenen Verrechnung wird schließlich entsprechend darauf Bedacht zu nehmen und zu berücksichtigen sein, daß im Falle eines "revolvierenden" Kontokorrentkredites in jeder Gestattung einer Wiederausnützung des rückgezahlten Kredites eine neue Kreditgewährung liegt (SZ 59/216 ua). Für den Fall, daß sich nach Klärung des gesamten relevanten Rechtsverhältnisses zwischen Bank und Schuldner die Aufrechnung nach § 20 Abs 2 KO als unzulässig erweisen sollte, wäre letztlich auf die hier und vom Berufungsgericht angeschnittenen weiteren Anfechtungsfragen unter Berücksichtigung erschöpfend getroffener Feststellungen über das bisher zu summarisch behandelte Kreditverhältnis einzugehen (EvBl 1989/41; SZ 61/150 ua).

Die Rechtssache erweist sich somit noch nicht als entscheidungsreif, weshalb unter Berücksichtigung auch der Ausführungen zur Revision der klagenden Partei wie im Spruch zu erkennen war.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E29176

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00582.91.0527.000

Dokumentnummer

JJT_19920527_OGH0002_0020OB00582_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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