TE Vwgh Erkenntnis 2006/1/30 2004/09/0217

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Veröffentlicht am 30.01.2006
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

ABGB §1152;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 2002/I/126;
AuslBG §3 Abs1 idF 2002/I/126;
AuslBG §4 idF 2002/I/126;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des Bundesministers für Finanzen gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. Oktober 2004, Zl. VwSen-251103/30/Lg/Hu, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem AuslBG (mitbeteilige Partei: A, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 20. Jänner 2004 wurde der Mitbeteiligte als Inhaber und Betreiber des Lokales "S" in L schuldig erkannt, dass in diesem Lokal ein namentlich genannter türkischer Staatsangehöriger (sein Bruder) zumindest am 1. Oktober 2003 als Hilfskraft beschäftigt worden sei, ohne dass für diesen eine gültige Beschäftigungsbewilligung oder Zulassung als Schlüsselkraft erteilt, noch eine Anzeigebestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein oder ein Niederlassungsnachweis ausgestellt worden sei, und wegen Verletzung der §§ 3 Abs. 1 in Verbindung mit 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 67 Stunden) bestraft. Die Behörde erster Instanz bezog sich in der Begründung ihres Straferkenntnisses auf die Anzeige des Zollamtes Wels vom 9. Oktober 2003, wonach am 1. Oktober 2003 gegen 18.30 Uhr das Kebap- und Pizzalokal "S" in L einer Kontrolle unterzogen und dort beim Betreten des Lokales hinter der Theke der im Straferkenntnis genannte türkische Staatsangehörige angetroffen worden sei. Dabei habe dieser gegenüber den Kontrollorganen angegeben, dass er einem Gast nur ein Glas Wasser eingeschenkt habe und auf das Lokal aufpasse. Dabei sei der Mitbeteiligte nicht im Lokal anwesend gewesen. Im Zeitpunkt der Kontrolle seien vier Gäste im Lokal gewesen. Der Mitbeteiligte habe sich damit gerechtfertigt, dass der angetroffene türkische Staatsangehörige sein Bruder sei, dieser habe aber nicht bei ihm gearbeitet. Es sei grundsätzlich festzustellen, dass der Sinn der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes die Regulierung des Arbeitsmarktes und der Schutz vor Überflutung durch ausländische Arbeitnehmer mit dem damit verbundenen Abbau sozialer Errungenschaften sei. Eine Übertretung solcher Vorschriften könne daher auch nicht als Kavaliersdelikt angesehen werden. Hinzu komme noch, dass "diese Leute" zu sozialen Bedingungen beschäftigt würden, die in keiner Weise mit der österreichischen Rechts- und Sozialordnung in Einklang zu bringen seien und sich der Arbeitgeber die sonst höheren Sozial- und Lohnkosten erspare und damit einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschaffe. Der Hinweis, dass der angetroffene Bruder des Mitbeteiligten in seinem Heimatland verfolgt werde, hätten die Behörden dazu veranlasst, gegen ihn noch keine fremdenpolizeilichen Maßnahmen durchzusetzen, es dürfe jedoch erwartet werden, dass die klare Belehrung der Behörden hinsichtlich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes von ihm und auch von seinem Bruder befolgt würden. Gefälligkeitsdienste von nahen Familienangehörigen dürften wohl keineswegs mit Arbeiten in einem Gewerbebetrieb verglichen werden. Der Bruder des Mitbeteiligten sei nicht zum ersten Mal bei der Arbeit in einem gastgewerblichen Lokal angetroffen worden. Bei der ersten Kontrolle habe er sogar ein Leibchen mit der Aufschrift "Pizzeria S" getragen. Gemäß § 28 Abs. 7 AuslBG sei das Vorliegen einer nach diesem Bundesgesetz unberechtigten Beschäftigung von der Bezirksverwaltungsbehörde ohne Weiteres anzunehmen, wenn ein Ausländer in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Arbeitsstellen eines Unternehmens angetroffen werde, die im allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich seien und der Beschäftiger nicht glaubhaft mache, dass eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorliege. Die diesbezüglichen Angaben des Mitbeteiligten hinsichtlich Gefälligkeitsdienste im familiären Bereich könnten nur als Schutzbehauptungen gewertet werden. Warum sich der Bruder des Mitbeteiligten immer wieder in Bereichen aufhalte, die Betriebsfremden nicht zugänglich seien, habe er in den gegen ihn geführten Verfahren nicht angeben können. Sein Bruder sei jeweils bei Arbeiten beobachtet worden. Entgegen der Aussage des Mitbeteiligten sei dieser anlässlich der Kontrolle am 1. Oktober 2003 telefonisch aufgefordert worden, ins Lokal zu kommen. Aus den angeführten Gründen sei der Mitbeteiligte der im Spruch genannten Verwaltungsübertretung für schuldig zu erkennen gewesen. Dabei sei er bereits am 22. April 2003 von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden rechtskräftig wegen illegaler Ausländerbeschäftigung zu EUR 1.000,-- bestraft worden, es handle sich daher um einen Wiederholungsfall, weshalb der zweite Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 habe herangezogen werden müssen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen dieses Straferkenntnis Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. Oktober 2004 gab die belangte Behörde dieser Berufung Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Auf Grund der Ergebnisse der von ihr durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung, welche im angefochtenen Bescheid im Einzelnen wiedergegeben wurden, führte die belangte Behörde aus, zunächst sei fraglich, ob der Ausländer im gegenständlichen Fall überhaupt Aktivitäten entfaltet habe, die nach Art und Umfang als Arbeitsleistung angesprochen werden könnten. Im gegenständlichen Falle habe er einem Bekannten ein Glas Wasser und - wie im Hinblick auf die Aussage desselben anzunehmen gewesen sei - auch eine Tasse Kaffee serviert. Da dies im Rahmen eines Lokales erfolgt sei, sei nach dem äußeren Erscheinungsbild von einer arbeitnehmertypischen Tätigkeit auszugehen gewesen. Dazu komme, dass der Ausländer nach eigenen Angaben öfter Hilfstätigkeiten verrichtet habe, nämlich dann, wenn der Mitbeteiligte anderweitig zu tun gehabt habe (etwa aus familiären Gründen oder im Falle einer Pizzazustellung) und auch dessen Frau verhindert gewesen sei, diesen zu vertreten. Dazu komme, dass der Ausländer öfters von Kontrollorganen allein im Lokal gesehen worden sei. Ob es unter solchen Umständen tatsächlich nie dazu gekommen sei, wie der Ausländer ausgesagt habe, dass er Gäste bedient oder kassiert habe, erscheine zweifelhaft, sei aber im Hinblick auf die Unabhängigkeit des Beschäftigungsbegriffs von der Art der Tätigkeit unerheblich. Insgesamt betrachtet werde man davon auszugehen haben, dass der Ausländer sehr wohl Hilfstätigkeiten im Lokal durchgeführt habe. Zweifelhaft bleibe jedoch der Umfang dieser Tätigkeiten; dass dieser über gelegentliche Unterstützungen hinaus gegangen sei, scheine möglich, könne jedoch nicht als erwiesen angenommen werden.

Daran änderten auch die Beschäftigungsbewilligungsanträge des Mitbeteiligten für seinen Bruder nichts. Diesbezüglich sei das Bild zwiespältig: Zwar sei eine Beschäftigung im Umfang von 8 Stunden pro Tag beantragt worden und habe der Mitbeteiligte auch bekannt gegeben, den Ausländer (seinen Bruder) im Falle der Bewilligung auch tatsächlich beschäftigen zu wollen; andererseits habe der Mitbeteiligte durchblicken lassen, das Motiv für die Beschäftigungsanträge sei in der Erleichterung der Aufenthaltsberechtigung und in der Möglichkeit der Versicherung des Bruders gelegen gewesen, nicht im Arbeitskräftebedarf. Dass er sich de facto eine Vollarbeitskraft gar nicht habe leisten können, erscheine nicht unplausibel. Mit anderen Worten bedeute dies, dass aus dem Umstand der Beschäftigungsbewilligungsanträge nicht mit ausreichender Sicherheit auf einen Arbeitskräftebedarf und von diesem auf einen tatsächlichen Arbeitsumfang in einem Ausmaß beschlossen werden dürfe, der den Umfang gelegentlicher Hilfstätigkeiten wesentlich überschritten hätte.

Die gegenständlich in Rede stehende Situation erscheine mithin eingebettet in die erwähnten gelegentlichen Hilfstätigkeiten des Ausländers im Lokal. Sie sei - wie gesagt - nach ihrem äußeren Erscheinungsbild (vgl. insbesondere etwa die Funktion eines Kellners) auch arbeitnehmertypisch. Andererseits erscheine nicht unbeachtlich, dass der Ausländer den kurzfristig familiär gebundenen Mitbeteiligten (die Kurzfristigkeit der Abwesenheit desselben sei glaubwürdig, wenn er auch in der Berufungsverhandlung die Ursache der Abwesenheiten bei Kontrollen zunächst durcheinander gebracht habe) im Lokal lediglich vertreten habe, die Serviertätigkeit gegenüber einem Bekannten erfolgt und der Ausländer zuvor nicht im Lokal anwesend (weil mit dem Bekannten unterwegs) gewesen sei. Dies mindere die Arbeitnehmertypizität der Aktivität des Ausländers. Da diese Aktivität einen Weg hinter die Theke erforderlich gemacht habe, liege ein Anwendungsfall des § 28 Abs. 7 AuslBG vor. Anders formuliert: Es werde die Vermutung des § 28 Abs. 7 AuslBG durch die sonstigen erwähnten Umstände, die auf das Vorliegen einer Beschäftigung hindeuteten, bestärkt. Diese gesetzliche Vermutung sei jedoch widerlegbar. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 7 AuslBG am Wesen der Beschäftigung als synallagmatischem Rechtsverhältnis nichts ändere. Es sei daher sehr wohl auch unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 7 AuslBG zu prüfen, ob ein Leistungsaustausch nach dem "do ut des"-Prinzip erfolgt sei (zumindest missverständlich daher der Satz im angefochtenen Straferkenntnis, im Hinblick auf § 28 Abs. 7 AuslBG seien Gefälligkeitsdienste auszuschließen). Die Problematik sei identisch mit jener der Entgeltlichkeit als essentiellem Merkmal des Beschäftigungsverhältnisses. Zu prüfen sei mithin, ob die Versorgung des Ausländers als (vertraglich bindende) Gegenleistung für die Arbeitsleistungen des Ausländers erfolgt sei (und vice versa). Diesbezüglich sei seitens der Beteiligten (also des Mitbeteiligten und seines Bruders) dargelegt worden, dass das Motiv für die Leistungen des Mitbeteiligten an seinen Bruder (betreffend praktisch den gesamten Lebensunterhalt) in "familiärer Solidarität" gelegen gewesen sei. Dies sei durchaus glaubwürdig und werde untermauert durch die Tatsache, dass diese Leistungen bereits vor der gegenständlichen geschäftlichen Tätigkeit (also: unabhängig von dieser) erfolgt sei. Dieses nicht nur unwiderlegte, sondern auch plausible Solidaritätsmotiv stehe der Annahme der Entgeltlichkeit und mithin der Bejahung einer Beschäftigung entgegen. Die Leistungen des Bruders des Mitbeteiligten seien "aus komplementärer Perspektive als unentgeltliche Gefälligkeitsdienste zu werten" gewesen. Auch dies sei nach den vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Kriterien auf Grund des persönlichen Naheverhältnisses und der nach der Beweislage gegebenen Unregelmäßigkeit bzw. der relativ geringen Intensität seiner Unterstützungsleistungen anzunehmen gewesen. Daran ändere auch der Versuch des Mitbeteiligten nichts, die rechtliche Situation seines Bruders im Wege der Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung zu bessern. Bemerkt werde ferner, dass das Angewiesensein des Ausländers auf die Solidarität seines Bruders nicht eo ipso in eine ein Beschäftigungsverhältnis begründende wirtschaftliche Abhängigkeit umzudeuten sei. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass dem Mitbeteiligten die Glaubhaftmachung der Nichtbeschäftigung seines Bruders im Sinne des § 28 Abs. 7 AuslBG gelungen bzw. dass die Annahme einer Beschäftigung im Sinn des AuslBG am fehlenden Merkmal der Entgeltlichkeit gescheitert sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende, gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 28a Abs. 1 AuslBG erhobene Amtsbeschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder einen Niederlassungsnachweis besitzt.

Nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen wer entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) oder Zulassung als Schlüsselkraft (§ 12) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) oder Niederlassungsnachweis (§ 24 FrG) ausgestellt wurde, bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2.000 Euro bis zu 10.000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2.000 Euro bis zu 10.000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4.000 Euro bis zu 25.000 Euro.

Nach Abs. 7 dieser Bestimmung ist, wenn ein Ausländer in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Arbeitsstellen eines Unternehmens angetroffen wird, die im allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind, das Vorliegen einer nach diesem Bundesgesetz unberechtigten Beschäftigung von der Bezirksverwaltungsbehörde ohne weiteres anzunehmen, wenn der Beschäftiger nicht glaubhaft macht, dass eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorliegt.

Gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG gilt als Beschäftigung die Verwendung

a)

in einem Arbeitsverhältnis,

b)

in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird,

              c)              in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5,

d)

nach den Bestimmungen des § 18 oder

e)

überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.

Gemäß Abs. 4 erster Satz dieser Bestimmung ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

Dass die Rechtsvermutung des § 28 Abs. 7 AuslBG eine widerlegliche ist, wird in der Beschwerde nicht übersehen. Die belangte Behörde kam aufgrund der Ergebnisse des von ihr durchgeführten Beweisverfahrens zu dem Schluss, dass dem Mitbeteiligten mit seinem Vorbringen, die festgestellten Tätigkeiten seien von seinem Bruder als unentgeltliche freiwillige Gefälligkeitsdienste im Rahmen des Familienverbandes erbracht worden, die Widerlegung der Rechtsvermutung des § 28 Abs. 7 AuslBG gelungen sei.

Diese Ansicht wird in der Beschwerde bekämpft.

Der beschwerdeführende Bundesminister steht auf dem Standpunkt, es dürfe "nicht davon ausgegangen werden, dass generell alle außervertraglichen Gefälligkeitsdienste Ausnahmen zum AuslBG darstellen". Spezifische Bindungen seien "schwer glaubhaft", wenn die Leistung im Betrieb eines Unternehmens erbracht werde.

Die in der Beschwerde zur Frage des Umfangs, der Intensität und der Arbeitnehmertypizität dargelegten Überlegungen genereller Natur zeigen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde gestand die Arbeitnehmertypizität der von den Kontrollorganen festgestellten Tätigkeit des betroffenen Ausländers, nämlich das Servieren eines Glases Wasser und einer Tasse Kaffee, im Einklang mit der hierzu in der Beschwerde zitierten Judikatur ohnehin zu. Die zum Beschäftigungsbegriff ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verweist aber in allen Erkenntnissen - expressis verbis oder implizit - auf den im Sinne des § 2 Abs. 4 AuslBG jedem Einzelfall zugrunde liegenden wahren wirtschaftlichen Gehalt der festgestellten Tätigkeit. Daher ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG vorliegt, neben allen mit der Frage der Entgeltlichkeit zusammenhängenden Umständen auch der Umfang und die Intensität (Häufigkeit) der erbrachten Leistungen als Indiz in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen. Auf Grund der von ihr vorgenommenen und in der Beschwerde insoweit nicht konkret bekämpften Beweiswürdigung kam die belangte Behörde im Beschwerdefall zu dem Schluss, es habe sich bei der festgestellten Tätigkeit des Ausländers nur um eine fallweise Aushilfstätigkeit gehandelt.

Der Verwaltungsgerichtshof erachtet die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vorgenommene (insbesondere die Aussagekraft der vom Mitbeteiligten für seinen Bruder gestellten Anträge auf Beschäftigungsbewilligung betreffende) Beweiswürdigung - im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden eingeschränkten Kontrolle der Beweiswürdigung - als schlüssig und nachvollziehbar, zumal gegenteilige Beweisergebnisse nicht vorliegen.

Da aber in der Regel auch bloße Aushilfstätigkeiten dem grundsätzlichen Reglement des AuslBG unterliegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. November 2002, Zl. 2001/09/0175, und die dort referierte Judikatur) wäre die Feststellung der vom Bruder des Mitbeteiligten fallweisen erbrachten Aushilfsdienste allein nicht ausreichend gewesen, um das Vorliegen einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG ausschließen zu können. Es kann auch dahinstehen, ob die Aushilfstätigkeiten des Ausländers bereits - wie sich aus der einschlägigen Vorstrafe ergibt - wiederholt beobachtet wurden, weil es nicht entscheidend darauf ankommt, ob es sich um eine einmalige oder um eine wiederholte Tätigkeit handelt, kann doch auch eine nur einmalige kurzfristige Tätigkeit "Beschäftigung" im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG sein.

Ausschlaggebendes Kriterium für das Vorliegen einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG ist vielmehr das Vorliegen eines Synallagmas im Sinne einer gegenseitigen Verpflichtung zur Leistungserbringung. Eine solche Verpflichtung ist dort auszuschließen, wo Leistungen freiwillig und unentgeltlich, das heißt unabhängig von einer Gegenleistung, erbracht werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können als Gefälligkeitsdienste, die nicht unter die bewilligungspflichtige Beschäftigung des AuslBG fallen, nur die vom Leistenden auf Grund bestehender spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbrachten kurzfristigen, freiwilligen, und unentgeltlichen Dienste anerkannt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2000, Zl. 99/09/0037). Der Übergang zwischen Gefälligkeitsdienst und kurzfristiger Beschäftigung im Sinne des AuslBG ist dabei fließend. Es ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, um einen Gefälligkeitsdienst annehmen zu können (vgl. das hg. Erkenntnis 18. Dezember 1998, Zl. 98/09/0290). Bedenken sind dort angebracht, wo die Tätigkeit in einem Gewerbebetrieb erfolgen soll. Damit ist aber nicht gesagt, dass Bedenken dieser Art nicht durch spezifische Umstände in einzelnen Fällen ausgeräumt werden könnten. Wesentlich ist in einem solchen Fall die Freiwilligkeit der Leistung.

Im Beschwerdefall steht fest, dass der Bruder des Mitbeteiligten bei diesem wohnt und sich auch der Gewerbebetrieb im selben Haus befindet, weshalb es sowohl plausibel erscheint, dass der Mitbeteiligte zwischen dem Betrieb und seiner Wohnung bei Bedarf "pendelt", als auch, dass in diesen Fällen jeweils den in seinem Haushalt lebenden, beschäftigungslosen Bruder ersucht, auf das Lokal zu achten und dort die erforderlichen Handgriffe vorzunehmen. Die belangte Behörde hat darüber hinaus festgestellt, dass der Mitbeteiligte für seinen Bruder, der Asylwerber ist, bereits jahrelang den Lebensunterhalt beistellt. Es kann auf sich beruhen, ob der Mitbeteiligte nach dem Recht seines Heimatstaates dazu verpflichtet wäre, da kein Zweifel daran bestehen kann, dass er insoweit und unter Berücksichtigung der Sitten nicht nur seines Kulturkreises in Erfüllung einer sittlichen Pflicht handelt. Wenn die belangte Behörde daher als erwiesen angenommen hat, dass sich der Bruder des Beschwerdeführers im Rahmen der "familiären Solidarität" veranlasst sieht, seinerseits im Bedarfsfall kurzfristig im Geschäft des Mitbeteiligten einzuspringen, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein, dann kann dies nicht als unschlüssig erachtet werden, zumal angesichts des engen örtlichen Zusammenhangs von Wohnung und Betriebsstätte und der sonstigen Begleitumstände des Falles dem Umstand, dass die Tätigkeit in einem Gewerbebetrieb erfolgte, nicht jenes Gewicht zukommt, welches ihm ansonsten in der Rechtsprechung beigemessen wird.

Es bestehen aus denselben Gründen auch keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde von der Unentgeltlichkeit der fallweisen Arbeitserbringungen des Bruders des Mitbeteiligten ausgegangen ist:

Auf Grund der Bestimmung des § 1152 ABGB ist ein Dienstverhältnis zwar im Zweifel entgeltlich (nicht aber "ex-lege entgeltlich", wie in der Beschwerde vertreten wird), eine Vereinbarung der Unentgeltlichkeit kann aber ausdrücklich oder schlüssig erfolgen, sofern nur in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise Unentgeltlichkeit gewollt ist. Wurde zulässigerweise Unentgeltlichkeit vereinbart, dann könnte eine Verpflichtung zur Entgeltleistung auch nicht durch Kollektivvertrag begründet werden (vgl. das Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 89/08/0334). Bei der Abgrenzung familienhafter, auf bloßer Gefälligkeit beruhender Beschäftigungsverhältnisse zwischen Angehörigen von solchen, die in wechselseitigen rechtlichen Verpflichtungen ihren Grund haben, kommt es darauf an, ob nach dem Parteiwillen, hilfsweise nach den gesamten auf Grund redlicher Verkehrssitte zu beurteilenden Umstände des Falles, die Arbeitsleistung das Gepräge einer unentgeltlichen Gefälligkeit hat oder nicht (vgl. die Erkenntnisse vom 10. Oktober 1980, Slg. Nr. 10258/A sowie vom 7. Juli 1983, Slg. Nr. 11120/A).

Die Vereinbarung der Unentgeltlichkeit bei einem Arbeitsverhältnis ist im Prinzip möglich und zulässig, wenngleich solche unentgeltliche Dienstverhältnisse in diesem Sinne eher selten sein werden. Die Unentgeltlichkeitsabrede entspringt bei solchen Dienstverhältnissen in der Regel Motiven, welche die sonst das Arbeitsverhältnis dominierende Erwerbsabsicht ersetzen (vgl. die Erkenntnisse vom 25. September 1990, Zl. 89/08/0334 und vom 27. April 1993, Zl.  93/08/0007). Solche Motive können in persönlichen Beziehungen, in bestimmten wirtschaftlichen Interessen, aber auch in der idealistischen Einstellung (etwa im Falle der ehrenamtlichen Tätigkeit für einen Verein) begründet sein (vgl. das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 93/08/0007).

Die von der belangten Behörde festgestellten besonderen Verhältnisse des hier vorliegenden Falles kommen als Motiv für die Erbringung unentgeltlicher Arbeitsleistungen im Familienverband in Betracht, ohne dass ein Verdacht der Umgehung zwingender kollektivvertraglicher Vorschriften entstünde. Es bestehen daher weder rechtliche Bedenken noch Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Schlüssigkeit der Beweiswürdigung, wenn die belangte Behörde vom Vorliegen unentgeltlicher Dienstleistungen ausgegangen ist.

§ 29 AuslBG lässt sich zur Lösung der Frage, ob ein Gefälligkeitsdienst vorliegt, nicht heranziehen, setzt diese Bestimmung, wonach der Arbeitnehmer auch ohne ausdrückliche Entgeltvereinbarung den kollektivvertraglichen Lohnanspruch hat, doch voraus, dass eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG vorliegt. In diesem Falle muss das Vorliegen eines synallagmatischen Verhältnisses somit bereits festgestellt sein.

Auch mit der Argumentation des Beschwerdeführers, aus der Stellung von Beschäftigungsbewilligungsanträgen für seinen Bruder habe der Mitbeteiligte offengelegt, ihn als bezahlte Arbeitskraft einstellen zu wollen, setzten solche Anträge doch für gewöhnlich den Abschluss eines Arbeitsvertrages voraus. Dies trifft nicht zu; vielmehr erfolgt die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen allein über Antrag des potenziellen Arbeitgebers auf Grundlage der von diesem behaupteten Angaben. Ein Arbeitsvertrag muss in diesem Zeitpunkt noch nicht bestehen. Da eine Arbeitsaufnahme ohne Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung für den Ausländer untersagt ist, wäre der Abschluss eines Arbeitsvertrages vor erfolgter Bewilligung sogar unnötig, zumal ein solcher im Falle der Abweisung eines Antrages auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung keine Rechtswirkungen zu entfalten vermag.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. Jänner 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004090217.X00

Im RIS seit

03.03.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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