TE OGH 1992/7/23 12Os48/92

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Veröffentlicht am 23.07.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Juli 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak, Dr.Markel, Dr.Schindler und Mag.Strieder als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Götsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf R***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 f StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 10.Jänner 1992, GZ 30 e Vr 7917/91-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, des Generalanwaltes Dr.Kodek, und des Verteidigers Dr.Petter, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte (Zusatz-) Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 13.Jänner 1960 geborene Rudolf R***** wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen der Verbrechen (zu 1.) des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster (richtig: zweiter) Fall StGB und (zu 2.) der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB sowie (zu 3.) des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er - zusammengefaßt wiedergegeben - am 18.Jänner 1991 in Wien Lotte C***** unter Verwendung einer Waffe zu berauben getrachtet, indem er ein Messer gegen sie richtete und sie mit den Worten "Gib alles her, es ist alles aus" zur Übergabe von Geld und anderen vermögenswerten Sachen, die sie bei sich hatte, aufforderte (1.), ferner die Genannte mit schwerer Gewalt und gegen sie gerichteter Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben zur Duldung eines Beischlafs oder einer einem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen zu nötigen versucht, indem er sie an der Hand nahm und zunächst zu ihrem Personenkraftwagen, anschließend zu einem Wiesenstück zog, wobei er sie mit einem Messer bedrohte und sie aufforderte, sich auszuziehen

(2.) und schließlich am 3.April 1991 im Zuge einer Gerichtsverhandlung vier im Urteil namentlich angeführte Polizeibeamte dadurch der Gefahr behördlicher Verfolgung ausgesetzt, daß er wider besseres Wissen behauptete, bei seiner Einvernahme zu den gegenständlichen Tatvorwürfen wegen Raubes und Vergewaltigung von ihnen geschlagen, zu einem Geständnis genötigt und leicht verletzt worden zu sein (3.).

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten allein gegen die Verbrechensschuldsprüche (1. und 2.) aus § 345 Abs.1, Z 6, 9, 10 a und 12 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Soweit unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund (Z 6) das Unterbleiben einer Zusatzfrage wegen freiwilligen Rücktritts vom Versuch der Vergewaltigung gerügt wird, geht die Beschwerde ins Leere, weil eine derartige Zusatzfrage (unter der laufenden Nummer 8) ohnedies gestellt worden ist.

Der genannte Nichtigkeitsgrund wird aber - der Beschwerde zuwider - auch nicht dadurch verwirklicht, daß der Schwurgerichtshof von Amts wegen eine Eventualfrage nach dem Verbrechen der versuchten (schweren) Notzucht nach §§ 15, 201 Abs.1 StGB, also nach einer einem strengeren Strafgesetz unterliegenden Tat gestellt hat, als sie in der Anklageschrift dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wurde. Denn obgleich nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls die Parteien hiezu im Sinne des § 314 Abs.2 StPO nicht ausdrücklich und formell gehört wurden, ist es bei der gegebenen Sachlage unzweifelhaft erkennbar, daß diese Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 345 Abs.3 StPO), weil sowohl er als auch seine Verteidigerin nach Verlesung der Fragen Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, indes zu den Fragen keinen weiteren Antrag stellten (S. 219); überdies war der Verteidigung im Zuge der Schlußanträge unbeschränkte Möglichkeit gegeben, Einwände gegen die Zulässigkeit wie auch die inhaltliche Berechtigung der in Rede stehenden Eventualfrage vorzubringen.

Nicht beigetreten werden kann der Beschwerde auch insoweit, als sie unter der Z 9 des § 345 Abs.1 StPO behauptet, die Eventualfrage (und damit der Wahrspruch) zur Hauptfrage 2 sei "in sich widersprechend" und stimme mit den Beweisergebnissen nicht überein, weil das "An-der-Hand-Nehmen" keine schwere Gewalt im Sinne des § 201 Abs.1 StGB darstelle und die von der Zeugin bekundete Bedrohung mit einem Messer in diesem konkreten Fall nicht als eine Drohung mit einer schweren Gefahr für Leib und Leben angesehen werden könne. Denn der Wahrspruch läßt keinen Zweifel aufkommen, daß die Geschwornen das Gesamtverhalten des Angeklagten - das sich der insoweit nicht gesetzmäßigen Beschwerde zuwider keineswegs in einem "An-der-Hand-Nehmen" erschöpfte, sondern weitere in der Eventualfrage angeführte, sich über einen längeren Zeitraum (vgl. 14 Os 53/91) erstreckende Aktivitäten des Beschwerdeführers umfaßte - als Anwendung schwerer Gewalt qualifizierten und auch eine Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben des Opfers als erwiesen annahmen, wobei - abermals der Beschwerde zuwider - der in Rede stehende Nichtigkeitsgrund nicht aus einer Vergleichung des Wahrspruches mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens abgeleitet werden kann (Mayerhofer-Rieder3, § 345 Z 9 StPO ENr. 6).

Weshalb aber den Geschwornen ein Rechtsirrtum (Z 12) unterlaufen sein soll, wird in der Beschwerde - die, wie gezeigt, in Ansehung der Ausübung schwerer Gewalt nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, weil sie nicht auf sämtliche Aktivitäten des Angeklagten Bedacht nimmt, sondern nur einen Teil derselben ("An-der-Hand-Nehmen") in verfälschender Verkürzung aus dem Kontext löst - nur durch den Hinweis darauf substantiiert, daß, anders als im § 143 StGB, im § 201 Abs.1 StGB, die Drohung mit einer Waffe nicht schon nach dem Gesetzestext als schwere Drohung zu werten sei. Dieses Argument schlägt fehl; denn ebenso wie es von vornherein auf der Hand liegt, daß nicht jede Drohung mit einem Messer eine solche mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben darstellen muß, ist es offenkundig, daß die Verwendung einer lebensgefährlichen Waffe als Drohmittel bei entsprechender Fallgestaltung die Drohung im Sinne des § 201 Abs.1 StGB zu qualifizieren vermag.

Da endlich auch die in der Tatsachenrüge (Z 10 a) ins Treffen geführten Argumente weder einzeln noch im Zusammenhalt geeignet sind, Bedenken - geschweige denn solche erheblicher Natur - gegen die den Schuldspruch wegen versuchten schweren Raubes tragenden, im betreffenden Wahrspruch vorgenommenen Feststellungen sowie gegen die Verneinung der Zusatzfrage nach freiwilligem Rücktritt vom Raubversuch zu erwecken, mußte der im ganzen unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde ein Erfolg versagt bleiben. (Soweit der Beschwerdeführer Erhebungen zum Beweis dafür beantragt, daß er während der Hauptverhandlung unter dem Einfluß schwerer Beruhigungsmittel gestanden sei, macht er mit diesem im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde unbeachtlichen Vorbringen keinen Nichtigkeitsgrund geltend.)

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28 Abs.1, 143 erster Strafsatz StGB sowie gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf zwei Urteile (mit denen der Angeklagte wegen §§ 164 Abs.1 Z 2, Abs.3 bzw. 198 Abs.1 StGB zu Freiheitsstrafen von insgesamt 14 Monaten verurteilt worden war) eine Zusatzfreiheitsstrafe von acht Jahren. Hiebei waren erschwerend die vielfachen, bereits rückfallsbegründenden einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von zwei schweren Verbrechen mit einem Vergehen und der rasche Rückfall, mildernd dagegen der Umstand, daß es zweimal beim Versuch geblieben ist, das reumütige und umfassende Geständnis hinsichtlich des Verleumdungstatbestandes sowie, daß der Angeklagte hinsichtlich des Vergewaltigungsfaktums zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung anstrebt, ist begründet.

Das Geschwornengericht hat zwar die gegebenen Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend erfaßt, nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs aber dem Umstand, daß die beiden Verbrechen beim Versuch geblieben sind - was bei der gegebenen Sachlage auf eine in diesen Fällen eher unterdurchschnittliche Ausprägung der kriminellen Energie des Angeklagten schließen läßt - zu geringe Bedeutung beigelegt. In Stattgebung der Berufung war mithin die geschöpfte Unrechtsfolge auf das aus dem Spruch ersichtliche tatschuldadäquate Ausmaß zu reduzieren.

Anmerkung

E30153

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0120OS00048.920001.0723.000

Dokumentnummer

JJT_19920723_OGH0002_0120OS00048_9200010_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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