TE OGH 1992/8/27 3Ob561/92

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Veröffentlicht am 27.08.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Exekutionssache der gefährdeten Partei Dr.Gustav W*****, vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner Rechtsanwälte in Wien, wider den Gegner der gefährdeten Partei Dr.Heinrich R*****, Rechtsanwalt, ***** vertreten durch Dr.Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen der Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung der Geldforderung von S 1,462.560,--, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 10.Feber 1992, GZ 46 R 1118/91-14, womit der Beschluß (einstweilige Verfügung) des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 13.August 1991, GZ 34 C 912/91f-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Rekursgericht zur neuen Entscheidung zurückverwiesen.

Die gefährdete Partei hat ihre Rechtsmittelverfahrenskosten vorläufig selbst zu tragen. Die Kosten des Gegners der gefährdeten Partei sind weitere Rechtsmittelverfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die gefährdete Partei hatte ihrem Gegner mit Vertrag vom 29.November 1983, womit gleichzeitig ein auf drei Jahre befristetes Gesellschaftsverhältnis vereinbart wurde, das Gesellschaftsvermögen mit Beendigung der Gesellschaft gegen Zahlung einer Zeitrente übereignet. Für alle Streitigkeiten aus dem Verlag wurde die ausschließliche Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes vereinbart.

Am 13.August 1991 beantragte die gefährdete Partei beim Erstgericht, zur Sicherung ihrer Geldforderung von S 1,462.560,- wider den Gegner mittels einstweiliger Verfügung die Verwahrung und Verwaltung aller beweglichen Sachen in dessen Wohnung und seiner Rechtsanwaltskanzlei anzuordnen, dem Gegner die Veräußerung und Verpfändung beweglicher körperlicher Sachen zu verbieten und ihm jede Verfügung über seine Forderungen gegen die Österreichische Länderbank Aktiengesellschaft zu untersagen sowie an diese den Befehl zu richten, bis auf weitere gerichtliche Anordnung dem Gegner das Geschuldete nicht zu zahlen. Der Antragsteller begründete sein Begehren im Wesentlichen damit, daß ihm aus der Übergabe der Rechtsanwaltskanzlei an den Gegner mit 1. Feber 1987 bis zum 31.Jänner 1997 eine monatliche Zeitrente in Bruchteilen vom Jahresgewinn gebühre, der Gegner ihm aber am 16.Mai 1991 mitgeteilt habe, daß er nur mehr den aus dem garantierten Mindestgewinn errechneten Betrag überweisen werde, weil sein Gewinn zurückgegangen sei. Er habe die Zahlung eines einmaligen Abfindungsbetrages von S 400.000,- vorgeschlagen. Der Gegner beabsichtigte, seine Rechtsanwaltskanzlei zu veräußern und nach Südamerika auszuwandern. Die Zeitrentenforderungen müßten dann im Ausland hereingebracht werden.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung befristet mit Ablauf drei Monate nach Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Erkenntnisses des Schiedsgerichtes, setzte die Frist zum Nachweis der Einbringung der Rechtfertigungsklage mit einem Monat ab Zustellung fest und machte die Wirksamkeit der Verfügung vom Erlag einer Sicherheit von S 100.000,- abhängig. Es nahm auf Grund der vorgelegten Urkunden als bescheinigt an, daß dem Antragsteller die behauptete Forderung zusteht und daß ein Schiedsspruch im Ausland vollstreckt werden müßte.

Die gefährdete Partei erlegte die Sicherheit. Die angeordnete Verwahrung der beweglichen Sachen konnte am 21.August 1991 und 23. August 1991 nicht vollzogen werden, weil die Wohnung und die Kanzleiräumlichkeiten leer standen.

Der Gegner erhob Rekurs und Widerspruch.

Das Rekursgericht änderte über den Rekurs des Gegners die erstrichterliche Entscheidung in die Abweisung des Provisorialantrages ab. Es sprach aus, daß der (ordentliche) Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es bedürfe keiner Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 379 Abs 2 EO bescheinigt seien, weil die gefährdete Partei nicht einmal behaupte, daß ihr ein fälliger Anspruch auf Zahlung von S 1,462.560.- zustehe. Sie habe nur einen Anspruch auf Nachzahlung von S 34.299,20 geltend gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen abändernden Beschluß des Rekursgerichtes erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist zulässig und berechtigt.

Zutreffend weist der Rechtsmittelwerber darauf hin, daß schon nach dem Wortlaut des Gesetzes die Zulässigkeit einstweiliger Verfügungen dadurch nicht ausgeschlossen wird, daß der Anspruch der antragstellenden Partei ein betagter oder bedingter ist (§ 378 Abs 2 EO). Auch aus § 391 Abs 2 EO ergibt sich eindeutig, daß der Eintritt der Fälligkeit des von der gefährdeten Partei behaupteten Rechtes nicht Voraussetzung der Erlassung einer einstweiligen Verfügung bildet, weil gerade auch für diesen Fall im Beschluß eine angemessene Frist für die Einbringung der Klage zu bestimmen und nach vergeblichem Ablauf der Frist die getroffene Verfügung aufzuheben ist. Allerdings kann ein Anspruch, der künftig nur möglicherweise entstehen wird, nicht mittels einstweiliger Verfügung gesichert werden (SZ 5/285; JBl 1952, 468; JBl 1961, 277; SZ 43/164). Nach dem klaren Gesetzeswortlaut kann der einstweiligen Verfügung aber nicht entgegenstehen, daß die Fälligkeit eines bestehenden Anspruch noch nicht eingetreten ist (vgl Heller-Berger-Stix 2696 und 2848; Holzhammer, Zwangvollstreckungsrecht3 334). Der Antragsteller hat den zu sichernden Anspruch bezeichnet, wobei allerdings in Ermangelung einer Terminsverlustvereinbarung die Fälligkeit der Zeitrente jeweils nur Monat für Monat eintritt und daher von der mit S 1,462.560,-

errechneten Gesamtforderung derzeit erst ein geringer Teilbetrag fällig sein kann.

Es fehlt eine Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen erst in Zukunft fällig werdende Ansprüche im Provisorialverfahren gesichert werden können. Einerseits sieht das Gesetz die Sicherung noch nicht fälliger Ansprüche ausdrücklich vor, andererseits erscheint der Eingriff, schon jetzt das Vermögen des Schuldners in Beschlag zu nehmen, obwohl ihn noch keine Verbindlichkeiten zur Erfüllung trifft, bedenklich, wenn der Eintritt der Fälligkeit nicht unmittelbar bevor steht.

Für dem Gegner durch die Verfügung drohende Nachteile ist aber durch eine entsprechend bemessene Sicherheit vorzusorgen. Er wieder kann die Aufhebung der Verfügung durch Sicherheitsleistung erreichen (§ 399 Abs 1 Z 3 EO).

Daß die zu sichernde Forderung zur Zeit der Erlassung der einstweiligen Verfügung noch nicht fällig ist, kann daher nicht Anlaß sein, die Verfügung zu verweigern. Auch die erst künftig fällig werdenden Beträge der Zeitrente können gesichert werden.

Da das Erstgericht aber für den Nachweis der Einbringung der Rechtfertigungsklage iSd § 391 Abs 2 EO eine Frist von einem Monat nach Zustellung der einstweiligen Vefügung an die gefährdete Partei setzte und die gefährdete Partei dies nicht angefochten hat, kann sich die Rechtfertigung nur auf die Rentenbeträge beziehen, die innerhalb dieser Frist und während des sich anschließenden Verfahrens vor dem Schiedsgericht fällig werden, weil nach § 406 ZPO die Verurteilung zu einer Leistung nur zulässig ist, wenn die Fälligkeit zur Zeit der Urteilsschöpfung bereits eingetreten ist, und für den Zeitrentenanspruch die Ausnahme des § 406 Satz 2 ZPO nicht gilt. Der zu sichernde Anspruch wird daher mit dem nach Ermessen einzuschätzenden Betrag an Zeitrentenforderungen zu beschränken sein, der während einer voraussichtlichen Dauer des Verfahrens noch fällig und durch Ausdehnung des Begehrens geltend gemacht werden kann.

Das Rekursgericht hat infolge seiner nicht gebilligten Rechtsansicht, daß hier überhaupt kein zu sichernder Anspruch behauptet worden sei, die Behandlung der weiteren Einwände des Gegners in dessen Rekurs gegen die einstweilige Verfügung abgelehnt. Da der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist, kann die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Rekursgericht zu neuer Entscheidung nicht vermieden werden. Ob die Voraussetzungen nach dem § 379 Abs 2 EO glaubhaft gemacht sind, hat das Rekursgericht zu beurteilen, ob es also nach den vorgelegten und angebotenen Bescheinigungsmitteln wahrscheinlich ist, daß der Gegner sonst die Hereinbringung der Geldforderung vereiteln oder erheblich erschweren würde, wie es offenbar das Erstgericht angenommen hat, oder das Urteil (der Schiedsspruch) im Ausland vollstreckt werden müßte.

Für den Fall, daß die Verfügung sodann ganz oder teilweise aufrecht erhalten wird, ist auch die Höhe der Sicherheit im Umfang der Anfechtung zu überprüfen.

Die Entscheidung über die Kosten der gefährdeten Partei beruht aus § 393 Abs 1 EO. Die Entscheidung über die Kosten des Gegners ist, weil noch keine abschließende Entscheidung über die beantragte Verfügung erfolgt, vorzubehalten.

Anmerkung

E31051

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00561.92.0827.000

Dokumentnummer

JJT_19920827_OGH0002_0030OB00561_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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