TE OGH 1992/8/31 8Ob608/91

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Veröffentlicht am 31.08.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Vinko G*****, vertreten durch Dr.Christiane Bobek, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Ivan P*****, vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zuhaltung eines Vertrages, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 17.Mai 1991, GZ 41 R 1/91-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18.September 1990, GZ 30 C 501/90h-12 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.175,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschl. S 362,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger stellte das Begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, im Sinne des Punktes 1 des zwischen den Streitteilen geschlossenen Zusatzmietvertrages vom 30.November 1985 die Durchführung der in dieser Vereinbarung vorgesehenen baulichen Veränderungen laut angeschlossenem Plan zu dulden. Demgegenüber bestritt der Beklagte eine solche Verpflichtung und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, er habe diese Zusatzvereinbarung nur auf Grund einer Irreführung durch den Kläger und einer zufolge des drohenden Wohnungsverlustes gegebenen Zwangslage abgeschlossen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers Folge und der Klage statt. Es erklärte, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteige und daß die Revision zulässig sei und führte in seiner Entscheidung aus:

Der Streitwert der gegenständlichen Rechtssache liege nicht unter S 15.000,--, sodaß die Rechtsmittelbeschränkungen des § 501 ZPO nicht anzuwenden seien. Die Klageangabe "Streitwert nach RAT und nach GGG jeweils S 6.000,--" bedeute nämlich keine Bewertung nach den Vorschriften der JN. Mangels einer solchen käme daher deren § 56 Abs 2, 3. Satz zur Anwendung, wonach dann, wenn der Kläger die Bewertung eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstandes unterlasse, der Betrag von S 30.000,-- als Streitwert gelte. Da die Berufung inhaltlich die erstgerichtliche Beweiswürdigung bekämpfe, sei daher auch auf diese Rüge einzugehen. Auf Grund der vom Berufungsgericht durchgeführten Beweiswiederholung erfahre der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt eine teilweise Abänderung. Aufrecht bleibe die erstgerichtliche Feststellung, wonach die Streitteile am 27.Novemer 1984 einen Mietvertrag abschlossen (Beilage ./A), nach dessen Inhalt der Beklagte vom Kläger die etwa 44 m2 große Wohnung top 17 im Hause ***** für die Zeit vom 1.Dezember 1984 bis 30. November 1985, also für die Dauer eines Jahres, mietete. Im weiteren traf das Berufungsgericht folgende Feststellungen:

Im November 1985 suchte der Kläger den Beklagten unter Mitnahme eines als "Zusatzmietvertrag" bezeichnenden Entwurfes in dessen Wohnung auf. Diese Urkunde enthielt folgende wesentliche Bestimmungen:

"Der Mietvertrag vom 27.November 1984 zwischen Herrn Vinko G***** als Vermieter und Herrn Ivan P***** als Mieter der Wohnung ***** wird mit folgenden Änderungen auf unbestimmte Zeit verlängert:

1) Der Mieter nimmt zur Kenntnis, daß der Vermieter beabsichtigt, das Kabinett diagonal zu teilen und einen Teil davon der Nachbarwohnung Türnummer 16 anzuschließen; bei dem Umbau verliert somit das Gangkabinett einen Teil seiner Fläche und das Fenster. Auf dem verbleibenden Kabinetteil ist der Vermieter berechtigt, ein WC und andere sanitäre Einrichtungen zu installieren. Weiters beabsichtigt der Vermieter, die gangseitige Küche vom Gang ins straßenseitige Zimmer zu verlegen, sodaß aus der derzeitigen Küche ein Vorzimmer geschaffen wird. Die Wohnungseingangstür wird versetzt, das zweite Gangfenster ebenfalls aufgelassen.

4) .....

Den Zeitwert aller dieser Investitionen bestimmt der Vermieter, der den Mieter darüber einen Monat vorher schriftlich verständigen wird. Der Mieter verzichtet darauf, diese Investitionen selbst durchzuführen, verpflichtet sich aber, nach der Montage des WC's in der Wohnung einen Gesamtmietzins von S 2.200,-- inkl. Betriebskosten und MWSt. mit der schon festgelegten Wertsicherung, auf jeden Fall aber den ortsüblichen Mietzins für möblierte Wohnungsmiete dieser Ausstattung zu bezahlen.

Der Vermieter gibt bekannt, daß er innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht das WC in die Wohnung einbauen wird.

........"

Der Kläger, ein ehemaliger jugoslawischer Staatsangehöriger, las dem Beklagten Punkt für Punkt aus diesem Entwurf "auf Deutsch vor" und übersetzte ihm schließlich den gesamten Text auf kroatisch. Dabei demonstrierte er dem Beklagten an Ort und Stelle die in Punkt 1 des Entwurfes vorgesehenen Veränderungen, die der Standardverbesserung der Nachbarwohnung dienen sollen. Der Beklagte erklärte dem Kläger sein Einverständnis zu sämtlichen Vertragspunkten. Schließlich beließ der Kläger dem Beklagten den Vertragsentwurf, damit er ihn mit anderen Personen durchbesprechen konnte. Etwa 14 Tage später, am 30. November 1985, erschien der Kläger erneut beim Beklagten und dabei erfolgte die Unterzeichnung des zitierten Entwurfes Beilage ./B durch die Streitteile.

In seiner rechtlichen Beurteilung erachtete das Berufungsgericht den Irrtumseinwand des Beklagten als nicht gerechtfertigt und die behauptete Zwangslage als rechtlich unerheblich. Die zwischen den Streitteilen geschlossene Vereinbarung laufe keinem gesetzlichen Verbot zuwider, sodaß der Grund, warum der Beklagte der Vereinbarung zustimmte, als bloß seine Sphäre betreffendes Motiv unbeachtlich bleiben müsse. Ein in der Pflicht des Beklagten zur Rückgabe von Wohnungsteilen gelegener Verstoß gegen § 29 Abs 1 Z 3 lit. c MRG liege nicht vor, weil die Regelungen des § 29 Abs 1 Z 3 lit a-d MRG nur auf die Auflösung des gesamten Mietsverhältnisses und nicht, wie hier, auf eine bloße Teilauflösung anwendbar seien. Eine Umgehung des § 29 Abs 1 Z 3 MRG durch die gegenständliche Vereinbarung sei nicht gegeben, nach den Feststellungen beziehe sich das Klagebegehren auch nur auf einen Teil des Kabinettes und die vom Kläger begehrte Maßnahme diene dem Zwecke der Standardverbesserung der Nachbarwohnung.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt der Kläger eine auf die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

In der Mängelrüge bringt der Revisionswerber vor, die berufungsgerichtliche Annahme, der Kläger habe eine Bewertung des Streitgegenstandes unterlassen, sei ebenso unrichtig wie jene, daß das Erstgericht über einen S 30.000,-- übersteigenden Streitwert entschieden habe, denn es habe im Urteil ausdrücklich den Streitwert mit bloß S 6.000,-- angegeben.

In der Rechtsrüge der Revision wird ausgeführt Punkt 1) der Zusatzvereinbarung verstoße gegen § 29 Abs 1 Z 3 lit. c MRG, weil er dazu führe, daß der Beklagte einen Teil seiner Wohnung aufgeben müßte. Darin "liege eine unzulässige Befristung, die nicht durch einen unbedingten, im vorhinein bestimmten Endtermin festgelegt worden sei". Die berufungsgerichtliche Auffassung, bei einer bloßen Teilauflösung käme diese Bestimmung nicht zum Tragen, sei unrichtig. Hier habe die Teilauflösung nämlich zur Folge, daß die Wohnung für den Beklagten und seine 5-köpfige Familie zu klein werde und aufgegeben werden müsse, wodurch ein Erlöschen des ganzen Hauptmietvertrages eintrete.

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - siehe § 508a Abs 1 ZPO - berufungsgerichtlichen Ausspruch mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs. 1 ZPO nicht zulässig und war daher zurückzuweisen:

Die Frage des vom Berufungsgericht gemäß § 56 Abs 2 JN mit S 30.000,-- zugrundegelegten erstgerichtlichen Streitwertes ist bereits durch die Entscheidung 4 Ob 501/88 grundsätzlich geklärt. In dieser Entscheidung wurde ausgeführt, daß ein Kläger, der den "Streitwert nach RAT" mit z.B. S 12.000,-- und jenen "nach GGG" mit S 6.000,-- angibt, damit nur auf die bindenden einschlägigen Bemessungsgrundlagen für die Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren nach § 10 Z 2 lit. b RAT und § 16 Abs. 1 lit c GGG hingewiesen, nicht aber im Sinne des § 56 Abs 1 und 2 JN den (insbesondere) für die Beurteilung der Zuständigkeit und der Besetzung des Gerichtes maßgebenden Wert des nicht in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstandes angegeben habe. Es gelte vielmehr gemäß § 56 Abs 2 Satz 2 (= nunmehr Satz 3) JN der im § 49 Abs 1 JN genannte Betrag (nämlich S 30.000,--) als Streitwert. Demgemäß habe das Berufungsgericht nicht in Verfahren nach § 501 ZPO zu entscheiden, es sei bei seinem Ausspruch nach § 500 Abs 2 ZPO aber auch an den Streitwert von S 30.000,-- nicht gebunden.

Demnach liegt hier zu der vom Revisionswerber gestellten Verfahrensfrage bereits eine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor, der sich der erkennende Senat anschließt.

Die vom Berufungsgericht für seinen Zulässigkeitsausspruch angeführte Rechtsfrage, ob "auf die Vereinbarung der zukünftigen Auflösung des Mietvertrages in Ansehung eines Teiles des gemieteten Objektes die Bestimmungen des § 29 Abs 1 Z 3 MRG anzuwenden seien", stellt sich hier gar nicht:

Zwischen den Streitteilen wurde am 30.November 1985 mit der Unterzeichnung des formell als "Zusatzvereinbarung" bezeichneten Entwurfes Beilage ./B inhaltlich nicht eine Vereinbarung über die Teilauflösung eines befristeten Mietverhältnisses getroffen, sondern in Wahrheit ein an den an diesem Tage auslaufenden befristeten Mietvertrag Beilage ./A anschließender unbefristeter Mietvertrag über einen nunmehr etwas verkleinerten Bestandgegenstand geschlossen. Es kann also keine Rede davon sein, daß der befristete Mietvertrag zur Zeit seiner Geltung selbst teilweise aufgelöst worden wäre, die Neuregelung bezieht sich vielmehr auf die Zeit ab dem 1.Dezember 1985. Der befristete Mietvertrag war vom Kläger bis zu seinem Auslaufen (30.November 1985) voll zugehalten worden. Für diesen bestand auch keine Verpflichtung zum Abschluß eines "verlängerten" Mietvertrages und der Beklagte hatte daher demgemäß keinerlei Anspruch auf einen den gesamten bisherigen Mietgegenstand umfassenden neuen Mietvertrag. Im Hinblick darauf, daß das ab 1.Dezember 1985 geltende Mietverhältnis unbefristet ist, scheidet auch die Annahme einer Umgehung von mietrechtlichen Schutzbestimmungen durch Abschluß von jeweils nur befristeten "Kettenverträgen" jedenfalls aus.

Die außerordentliche Revision war somit mangels Vorliegens einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO qualifizierten, entscheidungserheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E30941

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00608.91.0831.000

Dokumentnummer

JJT_19920831_OGH0002_0080OB00608_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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