TE OGH 1992/10/21 9ObA179/92

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Veröffentlicht am 21.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Mag.Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt Wien, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Josef S*****, Unternehmer, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt*****, wegen S 600.054,-- sA und Feststellung (S 200.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.April 1992, GZ 8 Ra 117/91-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 16.September 1991, GZ 36 Cga 110/91-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.906,20 (darin S 3.317,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob dem Beklagten hinsichtlich des Zustandekommens des Arbeitsunfalls seines bei der klagenden Partei unfallversicherten Arbeitnehmers grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 334 Abs 1 ASVG anzulasten ist, zutreffend bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers, er habe auf das Vorhandensein eines Gerüsts vertrauen dürfen, und der Arbeitnehmer habe seinen Absturz dadurch selbst verschuldet, daß er ohne Zusammenhang mit seiner Tätigkeit auf die instabile Betondecke gestiegen sei, entgegenzuhalten, daß er damit nicht vom maßgeblichen Sachverhalt ausgeht.

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen erteilte der Beklagte dem bei ihm als Hilfsarbeiter beschäftigten Arbeitnehmer, der dazu nicht ausgebildet war und eine solche Tätigkeit vorher noch nicht ausgeführt hatte, den Auftrag, die nur mehr auf drei Rändern aufliegende Stahlbetondecke eines etwa sieben Meter hohen Aufzugschachtes herauszustemmen, damit die Decke durch ihr Eigengewicht in die Tiefe falle. Die an den Schacht anschließenden Gebäudeteile waren teils um 1,10 m höher und teils um 2,60 m niedriger. Der Beklagte wies den Arbeitnehmer zwar an, die 2,85 m x 4,3 m große und 25 cm starke Betondecke, die sich bereits in einem labilen Gleichgewichtszustand befand, nicht zu betreten, sondern von den anschließenden Tragflächen zu arbeiten bzw ein Arbeitsgerüst zu errichten, er überzeugte sich jedoch nicht über das Vorhandensein eines Gerüsts, zu dessen Errichtung überdies zwei Leute erforderlich gewesen wären; er kontrollierte nur, ob der Arbeitnehmer nicht auf die Decke gestiegen sei. Sonstige Abstützungsmaßnahmen wurden weder angeordnet noch getroffen. Ein Arbeitsgerüst wurde ebenfalls nicht aufgestellt. So konnte es geschehen, daß durch die Stemmarbeit des Arbeitnehmers, vor allem durch das Auflegen seines Körpergewichtes auf den Abbruchhammer, der labile Gleichgewichtszustand der Mauer zusätzlich beansprucht wurde, so daß der Arbeitnehmer mit der Betondecke unter gleichzeitiger starker Beschädigung des oberen Mauergranzes vom ersten Stock ins Erdgeschoß in die Tiefe stürzte.

Bei diesem Sachverhalt ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß der Beklagte als für den Abbruch verantwortlich nicht nur eine Reihe von Schutzvorschriften (vgl etwa die Bestimmungen der §§ 3 Abs 1, 7 Abs 1, 65 Abs 1, 7 und 8 und 66 Abs 1, 2 und 3 der Bauarbeitenschutzverordnung) verletzte, sondern seine Sorgfaltspflicht in ungewöhnlicher Weise vernachlässigte, so daß der eingetretene Unfall nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen war (vgl Arb 10.087, 9.835, 9.328 uva). Die von ihm gegebenen bloßen Anweisungen, die Sicherheitsvorrichtungen nicht ersetzen können, vermögen ihn diesbezüglich nicht zu entlasten (vgl Arb 9.835 ua). Wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhob, hatte der Arbeitnehmer mangels eines Arbeitsgerüstes oder eines sonstigen standsicheren Platzes keine andere Möglichkeit als auf den etwa 30 bis 40 cm breiten Mauerrand zu steigen, um von dort mit dem Schrämmhammer zu arbeiten. Im Hinblick auf den bereits unstabilen Zustand der Betondecke wäre es dabei geradezu unwahrscheinlich gewesen, daß es zu keinem Unfall kommen werde.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E32076

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00179.92.1021.000

Dokumentnummer

JJT_19921021_OGH0002_009OBA00179_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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